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Finanzielle Lage der Unternehmung, Darstellung und Prüfung


Inhaltsübersicht
I. Begriff
II. Darstellung der finanziellen Lage
III. Ableitung der finanziellen Lage aus veröffentlichten Finanzinformationen
IV. Prüfung der finanziellen Lage

I. Begriff


Die Lage eines Unternehmens besteht in dessen Fähigkeit, Ausschüttungen zu erwirtschaften (Moxter, A. 1984). Diese Lage i.S. der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit hängt von den Erfolgspotenzialen des Unternehmens ab, die ihrerseits von internen und externen Erfolgsfaktoren bestimmt werden. Zur Feststellung der wirtschaftlichen Lage eines Unternehmens bedarf es einer Analyse der Erfolgspotenziale und Erfolgsfaktoren und der Aufstellung einer langfristigen Ergebnis- und Finanzplanung.
Messgröße für die wirtschaftliche Lage ist der Ertragswert als Barwert der zukünftigen Ausschüttungen an die Eigentümer. Je höher die zukünftig möglichen Ausschüttungen sind und je geringer das (im Kalkulationszinsfuß zu erfassende) Unternehmensrisiko zu veranschlagen ist, desto höher ist der Shareholder Value und desto sicherer sind die Ansprüche der Fremdkapitalgeber. Das Unternehmensrisiko besteht in der Schwankungsbreite der zukünftigen Überschüsse und schließt das Insolvenzrisiko mit ein. Nach den Ursachen für Gewinnschwankungen lässt sich das Unternehmensrisiko in drei Teilrisiken aufspalten (Süchting, J. 1995). Gewinne schwanken erstens aufgrund schwankender Umsatzerlöse. Die Instabilität der Umsatzerlöse ist wesentlich von den Marktbedingungen abhängig, weshalb dieses Risiko auch als Marktrisiko oder Absatzmarktrisiko bezeichnet wird. Umsatzschwankungen wirken sich umso stärker auf den Gewinn aus, je stärker die leistungswirtschaftliche Kostenstruktur durch Fixkosten geprägt ist (leistungswirtschaftliches Risiko, Operating Leverage). Drittes Teilrisiko ist das finanzwirtschaftliche Risiko (Verschuldungsrisiko, Financial Leverage), das von der Kapitalstruktur abhängt. Mit zunehmender Verschuldung wächst wegen der fixen Zinsverpflichtungen die Streuung der Eigenkapitalrentabilität, d.h. das Risiko des Eigenkapitals. Das finanzwirtschaftliche Risiko besteht also in dem aus der Verschuldung resultierenden Effekt auf die Bandbreite der Gewinnerwartungen.
Unter Risikoaspekten besteht die finanzielle Lage eines Unternehmens mithin zunächst im finanzwirtschaftlichen Risiko oder Verschuldungsrisiko. Hinzu kommt das Illiquiditätsrisiko. Die Liquidität eines Unternehmens bezeichnet dessen Fähigkeit, seinen Zahlungsverpflichtungen heute und in der Zukunft termingerecht und betragsgenau nachzukommen (Drukarczyk, J. 1999). Während der Verschuldungsgrad unter Berücksichtigung der Ausprägungen von Absatzmarktrisiko und leistungswirtschaftlichem Risiko zu optimieren ist, stellte die Erhaltung der Liquidität lediglich eine, wenn auch entscheidende, Nebenbedingung dar. Unter finanzieller Lage bzw. Finanzlage im Sinne von § 264 II Satz 1 HGB sind also das finanzwirtschaftliche Risiko oder Verschuldungsrisiko und das Illiquiditätsrisiko zu verstehen.

II. Darstellung der finanziellen Lage


1. Zwecke der Darstellung der finanziellen Lage


Die Unternehmensleitung muss sich Kenntnisse über die finanzielle Lage ihres Unternehmens verschaffen, um finanzwirtschaftliche Entscheidungen verantwortlich treffen zu können (Finanzcontrolling; Finanzplanung). Aufsichtsrat und Aufsichtsbehören benötigen Informationen über die finanzielle Lage, um ihren Aufsichtspflichten nachkommen zu können. Gläubiger wie Kreditgeber und Lieferanten, Arbeitnehmer sowie aktuelle und potenzielle Anteilseigner benötigen Informationen über die finanzielle Lage als Grundlage für ihre Dispositionen. Der Abschlussprüfer hat die finanzielle Lage zu analysieren, um insbesondere dem Aufsichtsrat geeignete Hinweise geben zu können und um im Prüfungsbericht die nach § 321 I Satz 2 HGB geforderte Stellungnahme zur Beurteilung der Lage des Unternehmens durch die gesetzlichen Vertreter abgeben zu können.

2. Darstellung der finanziellen Lage in Finanzplänen


Unternehmensintern, d.h. für Zwecke des Managements und der Überwachung durch den Aufsichtsrat (vgl. § 90 I Satz 1 Nr. 1 AktG) ist die finanzielle Lage in Finanzplänen darzustellen. Wesentlicher Orientierungspunkt der Finanzplanung ist die Sicherung der Liquidität des Unternehmens. Die Finanzplanung besteht deshalb in der periodenweisen Gegenüberstellung der zukünftigen Ein- und Auszahlungen des Unternehmens. Für die kurzfristige Finanzplanung mit einem Planungshorizont bis zu einem Jahr ist eine Beschränkung auf Ein- und Auszahlungen sinnvoll. Die langfristige Finanzplanung muss dagegen mit einer Ergebnis- und Bilanzplanung verbunden werden. Plan-Gewinn- und Verlustrechungen werden benötigt, weil bestimmte Auszahlungsverpflichtungen vom bilanziellen Jahresergebnis abhängen. Dies gilt insbesondere für die Ertragssteuern. Der Verbindung mit Plan-Bilanzen bedarf es, um die Kapitalbindung (vor allem in Sachanlagen, Vorräten und Forderungen) und die Kapitalbeschaffung im Leistungsbereich (vor allem durch Lieferantenverbindlichkeiten und Rückstellungen) ermitteln und die jährliche Zinsbelastung berechnen zu können. Außerdem hängen Ausschüttungen (Dividenden, Entnahmen) von bilanziellen Größen ab. Eine integrierte Finanz-, Ergebnis- und Bilanzplanung erlaubt außerdem die Planung der Kapitalstruktur bzw. des Verschuldungsgrades. Wenngleich der aus der Bilanz abgeleitete Verschuldungsgrad (Fremdkapital zu Eigenkapital) nur ein Hilfsmaßstab für das Verschuldungsrisiko sein kann (Moxter, A. 1976), handelt es sich um eine für die praktische Finanzpolitik nützliche Größe, weil Kreditgeber regelmäßig darauf abstellen. Ein geeignetes Instrument zur Abstimmung von Finanzplänen mit Ergebnis- und Bilanzplänen ist die prospektive Kapitalflussrechnung (Drukarczyk, J. 1999; Franke, /Hax, 1999; Gebhardt, G. 1984).

3. Darstellung der finanziellen Lage in Abschlüssen und Lageberichten


Jahres- und Konzernabschlüsse sollen unter Beachtung der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der Kapitalgesellschaft bzw. des Konzerns vermitteln (§ 264 II Satz 1, § 297 II Satz 2 HGB). Das mit diesen Abschlüssen vermittelte Bild der Finanzlage unterscheidet sich ganz wesentlich von der Darstellung der finanziellen Lage in Finanzplänen. Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung sind vergangenheitsorientiert und dienen primär einer objektivierten und von Vorsicht geprägten Ermittlung und Darstellung von Vermögen und Gewinn. Diese Darstellung ist außerdem aufgrund von Wahlrechten und Ermessensspielräumen sowie mithilfe von Sachverhaltsgestaltungen (z.B. Sale and Lease Back) in Grenzen gestaltbar. Jahres- und Konzernabschlüsse bieten lediglich ein Bündel von Indikatoren für die Einschätzung der finanziellen Lage. Dazu gehört insbesondere der aktuelle Verschuldungsgrad. Die Abschätzung der zukünftigen Liquidität anhand von Abschlüssen wird durch einzelnen Aufgliederungen und Angaben in der Bilanz bzw. im Anhang unterstützt. Dazu gehören die Aufgliederung der dem Working Capital zuzurechnenden Posten und der Verbindlichkeiten, die Angabe von Restlaufzeiten von Forderungen und Verbindlichkeiten, der Ausweis des Finanzaufwands und -ertrags in der Gewinn- und Verlustrechnung, die Erläuterung bedeutender sonstiger Rückstellungen, die Angabe des Betrags nicht passivierter Pensionsrückstellungen, Angaben zur grundpfandrechtlichen Besicherung von Verbindlichkeiten sowie die Angabe von Haftungsverhältnissen und wesentlicher sonstiger finanzieller Verpflichtungen (z.B. Bestellobligo). Besonders nützlich zur Einschätzung der Liquidität ist eine Kapitalflussrechnung, die gemäß § 297 I Satz 1 HGB Bestandteil eines Konzernabschlusses ist (Deutsches Rechnungslegungs Standards Committee zu den Anforderungen im einzelnen).
Im Lage- und Konzernlagebericht ist die Lage der Kapitalgesellschaft bzw. des Konzerns so darzustellen, dass ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild vermittelt wird. Er hat eine Analyse der Geschäftstätigkeit zu enthalten, in die die bedeutsamsten finanziellen Leistungsindikatoren mit einzubeziehen sind. Ferner ist die voraussichtliche Entwicklung mit ihren wesentlichen Chancen und Risiken zu beurteilen und zu erläutern; zugrunde gelegte Annahmen sind anzugeben (§ 289 I, § 315 I HGB). Der Lagebericht bzw. Konzernlagebericht soll auch auf die Liquiditätsrisiken sowie die Risiken aus Zahlungsstromschwankungen eingehen, denen die Gesellschaft bzw. der Konzern ausgesetzt ist (§ 289 II Ziff. 2b, § 315 II ZIff. 2b HGB). Das mit dem Lagebericht zu vermittelnde Bild soll nicht Rechnungslegung, sondern Ergebnis einer qualitativen Analyse sein. Die Darstellung der „ Lage “ hat Aufschluss über die Bestimmungsgründe der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, d.h. die Erfolgspotenziale und Erfolgsfaktoren, zu geben. Hierzu können mit Blick auf die finanzielle Lage des Unternehmens bzw. Konzerns Angaben insbesondere zur Entwicklung der Liquidität, zum Kapitalbedarf und zur Finanzierungsstrategie geboten sein. In den Mittelpunkt ist die Fähigkeit eines Unternehmens bzw. eines Konzerns zu stellen, seine Zahlungsverpflichtungen zu erfüllen. Eingetretene oder absehbare Liquiditätsengpässe sind berichtspflichtig (DRS 2).

III. Ableitung der finanziellen Lage aus veröffentlichten Finanzinformationen


1. Ableitung der finanziellen Lage aus einer veröffentlichten Kapitalflussrechnung


Die Kapitalflussrechnung nach dem in DRS 2 vorgegebenen Format gibt Aufschluss darüber, in welchem Umfang und wie das Unternehmen/der Konzern aus der laufenden Geschäftstätigkeit Finanzmittel erwirtschaftet hat und welche zahlungswirksamen Investitions- und Finanzierungsmaßnahmen vorgenommen wurden.
Der Cashflow aus laufender Geschäftstätigkeit zeigt die Einzahlungen an, die das Unternehmen während der Berichtsperiode ohne Inanspruchnahme der Finanzierungsmärkte im operativen Bereich (einschließlich des Ergebnisses aus Finanzanlagen etc.) erwirtschaftet hat. Er ist daher eine zur Messung der Liquidität besonders geeignete Größe.
Der Cashflow aus laufender Geschäftstätigkeit (operativer Cashflow) kann zur Bildung weiterer Kennzahlen verwendet werden. Die weiteste Verbreitung hat der sog. dynamische Verschuldungsgrad gefunden, der als Quotient aus dem gesamten Fremdkapital und dem operativen Cashflow definiert ist. Der dynamische Verschuldungsgrad drückt aus, wie viele Jahre das Unternehmen benötigen würde, um alle Schulden abzutragen, wenn es den Cashflow ausschließlich zur Schuldentilgung einsetzte. In den USA ist daneben die Kennzahl Interest Coverage gebräuchlich. Sie bezeichnet den Quotient aus der Summe von operativem Cashflow, Zinszahlungen und Ertragssteuern einerseits und den Zinszahlungen andererseits und drückt aus, in welchem Umfang die Einzahlungen aus dem operativen Bereich vor Zinszahlungen und Ertragssteuern zur Verzinsung der Schulden benötigt werden.

2. Ableitung der finanziellen Lage mithilfe von Kennzahlen der Bilanzanalyse


Zur Analyse der Kapitalstruktur werden die Kennzahlen Eigenkapitalquote (Eigenkapital/Gesamtkapital), Fremdkapitalquote (Fremdkapital/Gesamtkapital) und Verschuldungsgrad (Fremdkapital/Eigenkapital) verwendet. Diese Kennzahlen geben Aufschluss über die Streuung der Eigenkapitalrendite in Abhängigkeit von der Verschuldung (finanzwirtschaftliches Risiko oder Verschuldungsrisiko). Der Verschuldungsgrad ist ein Indikator für die finanzielle Stabilität des Unternehmens bzw. Konzerns. Die Aussagefähigkeit der Kapitalstrukturkennzahlen kann je nach dem verwendeten Rechnungslegungssystem (HGB, IFRS, US-GAAP) durch den Einsatz bilanzunwirksamer Finanzierungsinstrumente wie Leasing und Factoring beeinträchtigt sein.
Als Indikatoren für die Liquidität sind verschiedene Liquiditätskennzahlen (z.B. Umlaufvermögen zu kurzfristigen Verbindlichkeiten = Liquidität 3. Grades) und Anlagendeckungsgrade (z.B. Eigenkapital zu Anlagevermögen) gebräuchlich. Diese Kennzahlen sind indes wenig geeignet, Schlüsse auf die Liquiditätsentwicklung zu ermöglichen, weil mit den Aktiva und Passiva die zukünftigen Einzahlungen und Auszahlungen nur äußerst rudimentär erfasst sind (Franke, /Hax, 1999). Besser geeignet ist der dynamische Verschuldungsgrad (Verbindlichkeiten zu Cashflow), weil der Cashflow (aus laufender Geschäftstätigkeit) die wichtigste Quelle darstellt, aus der die Mittel zur Bestreitung der erforderlichen Auszahlungen im Investitions- und Finanzierungsbereich fließen müssen. Sofern eine Kapitalflussrechnung nicht vom Unternehmen zur Verfügung gestellt wird, kann diese mit einiger Genauigkeit aus der Gewinn- und Verlustrechnung, der Bilanz des laufenden Jahres und des Vorjahres sowie Anhangangaben abgeleitet werden.

IV. Prüfung der finanziellen Lage


1. Abgrenzung und Anlässe zur Prüfung der finanziellen Lage


Die finanzielle Lage des Unternehmens oder Konzerns muss von der Unternehmensleitung und ggf. vom Aufsichtsrat kontrolliert werden. Die Finanzkontrolle ist im Kern Kontrolle des Planvollzugs und als solche darauf gerichtet, Soll-Ist-Abweichungen festzustellen, die neue Dispositionen erforderlich machen, Anlass für Plankorrekturen sein können und bei der turnusmäßigen Neuplanung zu berücksichtigen sind. Von der Prüfung der finanziellen Lage wird dagegen gesprochen, wenn die Ist-Finanzlage anhand eines Vergleichs mit einer Soll-Finanzlage beurteilt wird, um zu einem Urteil über die Qualität der Ist-Finanzlage zu gelangen. Unter Ist-Finanzlage ist dabei nicht eine Darstellung der Finanzlage in Jahres- und Konzernabschlüssen zu verstehen, sondern die tatsächliche finanzielle Lage, d.h., die konkrete Ausprägung von finanzwirtschaftlichem Risiko und Illiquiditätsrisiko.
Anlässe für die Prüfung der finanziellen Lage sind die gesetzliche Jahresabschlussprüfung und besondere Prüfungen aufgrund von gesetzlichen Vorschriften sowie Entscheidungen über den Kauf oder Verkauf von Unternehmen oder Anteilen. Im Rahmen der Jahresabschlussprüfung bedarf es einer Beurteilung der finanziellen Lage zunächst, um festzustellen, ob bei der Bewertung der im Jahresabschluss ausgewiesenen Vermögensgegenstände und Schulden von der Fortführung der Unternehmenstätigkeit ausgegangen werden kann (going concern-Prämisse) oder ob dem nicht tatsächliche oder rechtliche Gegebenheiten entgegenstehen (§ 252 I Nr. 2 HGB). Solche Gegebenheiten liegen insbesondere vor, wenn die Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung bevorstehen oder bereits eingetreten sind. Hinzu kommen folgende Pflichten des Abschlussprüfers:

-

Der Lagebericht einschließlich der Angaben zu den Chancen und Risiken der künftigen Entwicklung ist darauf zu prüfen, ob er insgesamt eine zutreffende Vorstellung von der Lage des Unternehmens vermittelt (§ 317 II Satz 1 HGB).

-

Im Prüfungsbericht ist zu der Beurteilung der Lage des Unternehmens durch die gesetzlichen Vertreter Stellung zu nehmen, wobei insbesondere auf die Beurteilung des Fortbestandes und der künftigen Entwicklung einzugehen ist (§ 321 I Satz 3 HGB).

-

Im Bestätigungsvermerk ist auf Risiken, die den Fortbestand des Unternehmens gefährden, gesondert einzugehen (§ 322 II Satz 3 HGB).


Die Erfüllung dieser Pflichten erfordert eine eigenständige Beurteilung der finanziellen Lage durch den Abschlussprüfer.
Die Abschlussprüfung bei Genossenschaften und Kreditinstituten hat eine Prüfung der „ wirtschaftlichen Verhältnisse “ zu umfassen (§ 53 I GenG, § 29 I Satz 1 KWG). Zu den wirtschaftlichen Verhältnissen gehört auch die finanzielle Lage und namentlich die Liquidität. Bei der Prüfung bestimmter öffentlicher Unternehmen ist u.a. die Liquidität der Gesellschaft im Prüfungsbericht darzustellen (§ 53 I Nr. 2 HGrG; Eibelshäuser, M. 1994).
Weitere Anlässe zur Prüfung der finanziellen Lage eines Unternehmens oder Konzerns sind die Kreditwürdigkeitsprüfung (inkl. automatisierte) (§ 18 KWG), Sanierungsprüfungen (WP-Handb. 2002, Band II), die Überschuldungsprüfung (IDW/FAR 1996), Prospektprüfungen (IDW ES 4 n.F.) sowie Kauf- oder Verkaufsentscheidungen über ganze Unternehmen oder Anteile (Due Diligence und Unternehmensbewertung).

2. Prüfungsvorgehen


Zur Prüfung der finanziellen Lage ist die konkrete Ausprägung von finanzwirtschaftlichem Risiko und Illiquiditätsrisiko (Istobjekt: Ist-Finanzlage) mit entsprechenden Sollausprägungen der beiden Risiken (Sollobjekt: Soll-Finanzlage) zu vergleichen (Baetge, J./Feidicker, M. 1992).
Die Ist-Finanzlage wird idealerweise anhand einer integrierten Finanz-, Ergebnis- und Bilanzplanung unter Einbeziehung einer prospektiven Kapitalflussrechnung festgestellt. Zur Ermittlung der Ist-Finanzlage gehört es, die betreffende Planung auf Plausibilität zu prüfen. Dazu muss die Planung daraufhin geprüft werden, ob alle verfügbaren Informationen verwendet wurden, die getroffenen Annahmen realistisch und in sich widerspruchsfrei sind, geeignete Prognosetechniken richtig angewandt wurden und die Ableitungen korrekt erfolgt sind. Sofern lediglich eine isolierte Finanzplanung verfügbar ist, muss deren Plausibilität anhand zusätzlicher Annahmen über die Entwicklung entscheidender Größen der Ergebnisrechnung und der Bilanz geprüft werden. Ist auch eine isolierte Finanzplanung nicht verfügbar, kann die finanzielle Lage nur mithilfe von Kennzahlen der Bilanzanalyse und ggf. unter Berücksichtigung von Angaben im Lagebericht ansatzweise erfasst werden.
Wesentliche größere Schwierigkeiten bereitet die Ermittlung einer Soll-Finanzlage (Baetge, J./Feidicker, M. 1992). Infrage kommt einmal die Formulierung einer theoretisch optimalen Finanzlage. Bezüglich des Illiquiditätsrisikos ist dies zumindest konzeptionell vergleichsweise einfach, wenn die Ist-Finanzlage mithilfe einer Finanzplanung dargestellt ist. Daraus ist unmittelbar zu ersehen, ob und wie die zukünftigen Einzahlungen und Auszahlungen zum Ausgleich gebracht werden. Ergänzend dazu kann etwa mithilfe von Szenarioanalysen festgestellt werden, ob die Liquiditätsbedingung auch bei ungünstigeren Entwicklungen von Umsatz (Absatzmarktrisiko) und Kosten (leistungswirtschaftliches Risiko) eingehalten werden kann. Sofern ein Finanzplan nicht vorliegt, lässt sich eine theoretisch optimale Liquidität nur in Form von Sollwerten für Liquiditätskennzahlen einschließlich des dynamischen Verschuldungsgrades formulieren. Die Mängel der Liquiditätskennzahlen sind indes hinlänglich bekannt. Kennzahlen, mit denen sich die Liquidität nicht verlässlich messen lässt, taugen auch wenig zur Formulierung von Normen. Auch der aussagefähigere dynamische Verschuldungsgrad kann nur bedingt Verwendung finden, weil die ihm eigenen Prämissen (konstanter Cashflow aus laufender Geschäftstätigkeit und Verwendung dieses Mittelzuflusses ausschließlich zur Schuldentilgung) wirklichkeitsfremd sind. Zur Beurteilung der Liquidität wird besser eine komplette Kapitalflussrechnung für das letzte Jahr herangezogen und gefragt, ob die zukünftigen Cashflows aus laufender Geschäftstätigkeit samt vorhandener liquider Mittel unter Einbeziehung der Cashflows aus der Finanzierungstätigkeit zum Ausgleich der zukünftigen Cashflows aus der Investitionstätigkeit ausreichen werden. Bezüglich des Verschuldungsrisikos bereitet die Formulierung eines theoretischen Optimismus alle Schwierigkeiten, die mit der Bestimmung eines optimalen Verschuldungsgrades verbunden sind (Franke, /Hax, 1999). Hinzu kommt, dass ein externer Prüfer über dazu erforderliche Informationen regelmäßig nicht verfügt.
Alternative zur Formulierung eines theoretischen Optimums ist die Ermittlung der Soll-Finanzlage aus empirischen Daten. Dies setzte aber voraus, dass Kennzahlen zur Liquidität und zum Verschuldungsgrad bekannt wären, die (branchenbezogen) vertretbare Ausprägungen des Illiquiditäts- und des Verschuldungsrisikos anzeigten. Daran mangelt es aber. Insbesondere können die bekannten Liquiditätskennzahlen für den empirischen Test nicht tauglicher sein als für normative Zwecke. Ein Ausweg besteht darin, anstelle einer isolierten Prüfung der finanziellen Lage die wirtschaftliche Lage insgesamt zu prüfen und dabei Verfahren der multivariaten Diskriminanzanalyse oder der künstlichen Neuronalen Netzanalyse wie z.B. das zur Bilanzbonitätsanalyse entwickelte System BP-14 zu verwenden (Baetge, 1998; Baetge, J./Jerschensky, A. 1996). Der mit diesem System ermittelte Gesamtrisikoindex hat sich in den vergangenen Jahren zur Trennung von „ gesunden “ und „ gefährdeten “ Unternehmen als besonders brauchbar erwiesen.
Will man die Prüfung auf die finanzielle Lage beschränken, bleibt im übrigen nur der Rückgriff auf Konventionen. Soweit bestimmte Finanzierungsregeln eingehalten sind, wird unterstellt, dass das Verschuldungsrisiko und das Illiquiditätsrisiko akzeptabel sind. Solche Konventionen sind zwar theoretisch angreifbar, taugen aber durchaus als Indikatoren zur Einschätzung der finanziellen Lage.
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