Bedürfnis
In der Wirtschaftssoziologie: need, [1] jeder Mangelzustand, den ein Individuum zu überwinden sucht; jeder Zustand des Organismus, der ein bestimmtes Verhalten in Richtung auf seine Beseitigung auslöst. Die Abgrenzung des B.-Begriffs in diesem allgemeinen Sinne von den Begriffen Trieb und Motiv ist unscharf; häufig werden diese Ausdrücke synonym verwandt. Als physiologische oder primäre B.se werden jene physiologischen Mangelzustände oder Ungleichgewichte bezeichnet, die bestimmte ererbte Mechanismen zu ihrer Behebung aktivieren (z.B. Hunger, Durst; Motive, primäre). Gelernte oder sekundäre B.se sind demgegenüber jene, die erst durch einen Lernprozess, insbesondere durch Interaktion mit der sozialen Umwelt (Sozialisation) erworben werden (Motive, sekundäre). Wenn nicht einzelne, sondern Gruppen oder Kollektive Träger von B.sen sind, spricht man auch von Kollektivbedürfnissen. Unter soziologischen Gesichtspunkten ist der Zusammenhang zwischen individuellen B.sen, der Entstehung von B.sen und den gesellschaftlichen Möglichkeiten der B.befriedigung (vor allem durch das System der Produktion und Verteilung von Gütern) bedeutsam; wenn die Gesellschaft zur Befriedigung wichtiger B.se nicht in der Lage ist und/oder grosse Teile der Bevölkerung zur Unterdrückung ihrer B.se zwingt, kommt es zu sozialen Spannungen.
[2] In der klassischen (behavioristischen) Lern- und Verhaltenstheorie ist Bedürfnis ein hypothetisches (erschlossenes) Defizit in einem Organismus (z.B. Hunger), das über die Zeitdauer, die ein Individuum eine benötigte Substanz (z.B. Nahrung) nicht erhalten hat, gemessen wird (Deprivation [1]). B.se (als hypothetische Organismuszustände) bedingen ein Verhalten des Organismus, das diesen einem Ziel (der B.befriedigung) näherbringen soll. Dabei wird angenommen (C.L. Hüll), dass die Befriedigung eines B.ses die künftige Auftretenswahrscheinlichkeit derjenigen Verhaltensweisen erhöht, d.h. zum „ Lernen “ dieser Verhaltensweisen führt, die (evtl. zufällig) zur Befriedigung geführt haben.
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