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Verkehrspolitik


1. Begriff und Ziele der V. Die V. umfaßt als sog. Sektorpolitik alle Aktivitäten staatlicher und nichtstaatlicher Institutionen, welche die Rahmenbedingungen und das Verhalten der Anbieter und Nachfrager von Personen- und Güterverkehrsleistungen beeinflussen. Die Ausgestaltung der V. soll dazu dienen, das gesellschaftliche Oberziel "Verbesserung der Lebensqualität" erreichen zu helfen. Dabei geht es um eine Minimierung der (gesellschaftlichen) Kosten (Kosten) der Raumüberwindung bei gleichzeitig hochwertiger, den Bedürfnissen der Menschen und der Wirtschaft  entsprechender Qualität der Transportleistungen. Die gesellschaftlichen Kosten schließen dabei auch die vom Transportsektor verursachten negativen Umwelteffekte ein (Flächenbeanspruchung, Trennwirkungen, Lärm- und Schadstoffemissionen, Verkehrsunfälle), während bei den Positivwirkungen etwa auch die regionalen Erschließungseffekte und Verbesserungen der Wohn- und Freizeitmöglichkeiten durch Verfügbarkeit von Verkehrsmitteln zu berücksichtigen sind.
2. Verkehrsträger. Leistungskennziffern der Transportwirtschaft sind beförderte Tonnen (t) und Tonnenkilometer (tkm) im Güterverkehr sowie beförderte Personen (P) und Personenkilometer (pkm) im Personenverkehr; die ökonomisch aussagefähigeren Kennziffern sind die tkm bzw. pkm (sog. Verkehrsleistung), da sie die Transportentfernungen einbeziehen. Die Verkehrsleistungen werden von den Verkehrsträgern Straßenverkehr, Schienenverkehr, Binnenschiffahrt, Seeschifffahrt, Luftverkehr und Rohrfernleitungen erbracht. a) Güterverkehr (in Mrd tkm, ABL)                                                                 1960            1970            1980          1992 Eisenbahnen                                               53,1             71,5             64,9           56,8 Binnenschiffahr                                           40,4             48,8             51,             56,1Straßeengüterfernverkehr   23,7                                                                      41,9             80,0           140,0 gewerblich          18,5     28,7     41,1     67,9                                                     Werkverkehr                  3,9               7,4           17,5         229,0      ausl. Verkehr                                           1,3               5,8             21,4           43,1 Straßengüternahverkehr                            21,8             36,1             44,4           52,9         gewerblich       10,1     16,9                                                                      21,3             25,3 Werkverkehr         11,7         19,2     23,1     27,6    Seeeschiffahrt                                       515,7           909,7         1066,8         818,1Luftverkehr  0,03     0,138     0,251                                                          0,439Rohrfernleitungen 3,0           16,9         14,3     13,4 b) Personenverkehr (in Mrd pkm, ABL)                                                                 1960            1970            1980          1992 Eisenbahnen                                               39,6             38,1             41,0           47,8 öff. Straßenpersonenverkehr                     48,5             58,4             74,1           67,4 Luftvverkehr                                                 1,6               6,6             11,0           19,5 Suumme öff. Verkehr                                 89,7           103,1           124,0         134,7 Indiviidualverkehr                                      161,7           350,6           470,3         605,6 Quelle: Verkehr in Zahlen 1991 und 1994, hrsg. vom Bundesminister für Verkehr, Bonn. Die Entwicklung der Verkehrsleistungswerte zeigt, daß -     im Güterverkehr die Bahn an den beträchtlichen Zuwächsen seit 1960 ab 1970 kaum partizipieren konnte und kontinuierlich Mengenanteile verlor; dieser Anteilsverlust (im binnenländischen Verkehr, also ohne Seeschifffahrt) von 1960 = 37,4% auf 1992 = 17,8% (ABL) ist einmal auf den Güterstruktureffekt (Bedeutungsabnahme der sog. eisenbahnaffinen Güter wie Baustoffe, Montangüter usw. in der gesamten Transportpalette bei gleichzeitig starker Bedeutungszunahme der straßenverkehrsaffinen Güter wie Investitions- und Konsumgüter (Gut), Halbfabrikate usw.) und zum anderen auf den Substitutionseffekt (Ersatz von Eisenbahnleistungen durch Inanspruchnahme des Straßengüter- und Binnenschiffsverkehrs) zurückzuführen; -     der Anteil desStraßengüterverkehrs am binnenländischen Verkehr erhöhte sich von 1960 = 32,0% auf 1992 = 60,4% (ABL); beachtlich ist dabei das starke Vordringen des Werkverkehrs (Eigenverkehr der produzierenden und handeltreibenden Wirtschaft) von 1960 = 11,0% auf 1992 = 17,7% (ABL); -     im Personenverkehr ein dramatisches Eindringen des individuellen Pkw-Verkehrs in den öffentlichen Verkehr zu beobachten ist; betrugen 1960 die Verkehrsleistungsanteile des öffentlichen Verkehrs (des Individualverkehrs) noch 35,9% (64,1%), so waren es 1992 +18,1% (81,5%) (ABL). Der Anteil des Verkehrssektors an der Bruttowertschöpfung (Nettoproduktionswert) aller Wirtschaftsbereiche (Bruttoinlandsprodukt Inlandsprodukt) beträgt 3,4% bzw. 90,8 Mrd EUR in laufenden Preisen (1992) (ABL). Diese direkte Maßgröße ist jedoch unzulänglich, da Transportleistungen erst einen Großteil der Wertschöpfungsprozesse in den anderen Wirtschaftsbereichen ermöglichen
3. Formen der V.
3. 1.Verkehrsinfrastrukturpolitik. Basis der Verkehrsleistungserstellung ist die Verfügbarkeit über Verkehrswege als wesentlicher Teil der Verkehrsinfrastruktur. Die Verkehrswegeplanung ist in der Bundesrepublik Deutschland, soweit sie in der Verantwortung des Bundes liegt (Bundesfernstraßen, Schienenstrecken, Wasserstraßen), methodisch weit fortentwickelt und setzt die Instrumente der Nutzen-Kosten-Analyse und der Nutzwert-Analyse ein. Ziel ist es dabei, Projekte mit dem größten volkswirtschaftlichen Nutzen unter Beachtung der gesellschaftlichen Kosten zu identifizieren. 1990 wurden für das gesamte Straßennetz der Bundesrepublik Deutschland (Bund, Länder und Gemeinden) 22,3 Mrd EUR verausgabt (davon 6,7 Mrd EUR für Bundesfernstraßen). Im gleichen Zeitraum wurden vom Kraftverkehr an Kraftfahrzeugsteuer (8,31 Mrd EUR) und Mineralölsteuer (29,75 Mrd EUR) 38,06 Mrd EUR entrichtet. Für die Wasserstraßen wurden 1,9 Mrd EUR und für die Schienenstrecken 3,4 Mrd EUR (1987: 4,9 Mrd. EUR) bereitgestellt, wobei bei der Bahn die bis 1991 fertiggestellten Neubaustrecken Hannover  Würzburg und Mannheim  Stuttgart mit 1-2 Mrd EUR jährlich durchschlagen. Das Nettoanlagevermögen in konstanten Preisen von 1985 betrug 609 Mrd EUR und umfaßte 498900 km Straßen (davon 325000 km Gemeindestraßen), 29900 km Schienenstrecken (davon 26900 km Deutsche Bahn) und 4350 km Wasserstraßen (statistische Angaben für die Jahre nach 1990 sind derzeit noch nicht verfügbar). Zunehmende Bedeutung erlangen die Ersatzinvestitionen (Investition), um das Verkehrswegenetz funktionsfähig zu erhalten (rd. 6 Mrd EUR jährlich). Für die Erneuerung und Modernisierung des Straßennetzes in den neuen Bundesländern sind bis 2010 rd. 100 Mrd. EUR erforderlich. Für die deutsche Reichsbahn sind Investitionsmittel von ähnlicher Größenordnung bereitzustellen, um das desolate Streckennetz leistungsfähig auszugestalten und die Fahrzeugmodernisierung durchführen zu können.
3. 2. Verkehrsordnungspolitik. Traditionell sind die Verkehrsmärkte starken Staatseingriffen ausgesetzt, wobei die Begründungen vor allem historischer Natur sind. Während die sog. Besonderheiten des Verkehrs (fehlende Lagermöglichkeit, abgeleitete Nachfrage, Unpaarigkeit der Verkehrsströme) nicht mehr als hinreichende Regulierungsursachen anerkannt werden, besitzt das Argument des Schutzes der Eisenbahnen (vor dem Straßengüterverkehr) einen noch bedeutsamen Stellenwert, der allerdings durch die stärkere Marktorientierung der Bahn und deren wettbewerbs-orientiertes Verhalten zunehmend in Frage gestellt wird. In der Bundesrepublik Deutschland sind die wesentlichen Marktordnungseingriffe des Staates die Kontingentierung und Konzessionierung im gewerblichen Straßengüterfernverkehr mit strenger Überwachung durch das Bundesamt für Güterverkehr (BAG). Im EG-grenzüberschreitenden Straßengüterverkehr werden bis 1993 die Kontingente quantitativ wesentlich erweitert (EG-Gemeinschaftskontingent). Seit dem 1.1.1990 ist hier die Preisbildung völlig frei. Derzeit befindet sich die V. hinsichtlich der Marktordnungspolitik in einem Umbruch in Richtung auf weniger Staatseingriffe.
4. Europäische V. Nach dem EWG-Vertrag (Art. 74-84) soll ein gemeinsamer Verkehrsmarkt durch Harmonisierung der Wettbewerbsbedingungen, Verbot von Verkehrsträgersubventionen und übereinstimmende Sozialvorschriften für das Fahrpersonal geschaffen werden. Dabei besitzt der generelle Aspekt der Dienstleistungsfreiheit (Art. 59) einen hohen Stellenwert (Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 22. Mai 1985). Zum
1. Juli 1990 wurde eine EG-weite Kabotageregelung im Straßengüterverkehr eingeführt in Form eines Kabotagesonderkontingents von zunächst 15000 Konzessionen (Anteil Bundesrepublik Deutschland 2073). Der Druck in Richtung einer liberaleren deutschen Marktordnungspolitik, vor allem auch bei der Marktzulassung im gewerblichen Straßengüterfernverkehr, nimmt auch seitens der EG-V. zu. Das gilt auch für den zwischenstaatlichen EG-Luftverkehr, für den nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofes aus dem Jahre 1987 das Verbot wettbewerbsbeschränkender Praktiken (etwa Preis- und Mengenabsprachen) nach Art. 85 EWGV anzuwenden ist. Bislang sind die Einflüsse der gemeinsamen V. sehr gering gewesen. Auch hier treten die Gegensätze zwischen liberalen verkehrspolitischen Anschauungen (insb. in den Niederlanden und Großbritannien) sowie stärker reglementierende Positionen (Bundesrepublik Deutschland, Frankreich) deutlich hervor. Seit 1993 werden im grenzüberschreitenden Güter- und Personenverkehr die noch bestehenden Preis- und Kapazitätsregulierungen weitestgehend abgebaut. Dies wird auch Rückwirkungen auf die bundesdeutsche nationale Verkehrsmarktordnung zeigen und hier vor allem die Straßengüterverkehrsmärkte betreffen. Neue investitions- und marktordnungspolitische Herausforderungen für die V. ergab sich durch die Wiedervereinigung Deutschlands.

Literatur: C.-F. Laaser, Wettbewerb im Verkehrswesen. Bd. 236 der Kieler Studien. Tübingen 1991. H. Bürgel, Grundlagen deutscher Verkehrspolitik. Aus der Werkstatt des Verkehrspolitikers, Darmstadt 1983. U. van Suntum, Verkehrspolitik, München 1986. J. Basedow (Hrsg.), Europäische Verkehrspolitik, Bd. 16 der Studien zum ausländischen und internationalen Privatrecht des Max-Planck-Instituts Hamburg, Tübingen 1987. G. Aberle, Verkehrswegerechnung und Optimierung der Verkehrsinfrastrukturnutzung. Bd. 6 der Giessener Studien. Hamburg 1992.

 

 


 

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