Verantwortung
Inhaltsübersicht
I. Begriff und Grundauffassungen von Verantwortung
II. Bedingungen zur Übernahme von Verantwortung
III. Ausgestaltung von Verantwortung
IV. Wirkungen von Verantwortung
I. Begriff und Grundauffassungen von Verantwortung
„ Verantwortung “ und „ Mitverantwortung “ sind Grundbegriffe neuerer Ethikauffassungen: Wir werden zur Verantwortung gezogen, wir tragen Verantwortung. Verantwortung zu tragen heißt: bereit zu sein, oder genötigt werden zu können, zu antworten, etwas zu verantworten gegenüber jemandem, einem Betroffenen oder einem Adressaten. Wir sind beispielsweise nicht nur für etwas, für eine Handlung und evtl. deren Ergebnis oder Folge, für eine Aufgabe, Betreuung usw. verantwortlich, sondern auch gegenüber jemandem und vor einer Instanz. Der Verantwortungsbegriff ist ein zuschreibungsgebundener mehrstelliger Relations- bzw. Strukturbegriff, ein interpretations- und analysebedürftiges Schema mit folgenden Elementen: jemand – Verantwortungssubjekt: Personen, Korporationen – ist für etwas – Handlungen, Handlungsfolgen, Zustände, Aufgaben usw. – , gegenüber einem Adressaten, vor einer Sanktions-, Urteilsinstanz, in Bezug auf ein normatives Kriterium, im Rahmen eines Verantwortungs-, Handlungsbereiches verantwortlich (vgl. Lenk, Hans/Maring, Matthias 2001).
Unterscheidet man eine allgemeine Handlungsverantwortung von der Rollen- und Aufgabenverantwortung, von rechtlicher und moralischer Verantwortung, so wird auch ein zweiter Deutungsaspekt deutlich: Die Handlungsverantwortung ist zunächst nur als übergeordnete, schematisch formale Einteilung zu sehen; sie muss durch inhaltliche Aufgaben- oder Rollenspezifizierung oder durch die (universal-) moralische oder auch die rechtliche Deutung auf die entsprechenden Wert- und Normenbereiche bezogen werden: Erst dann wird sie inhaltlich fassbar (vgl. Lenk, Hans 1987). Moralische Verantwortung ist offen, vorausschauend und zukunftsorientiert und nicht ausschließlich ( „ exklusiv “ ) und geschlossen, eine Angelegenheit unterschiedlicher Gradabstufungen, u.U. tugendorientiert und mitverantwortungs- und beteiligungsoffen. Mehrere Personen können gemeinschaftlich für „ etwas “ verantwortlich sein. Sie können mitverantwortlich sein. Moralität ist insbesondere mehr als Einzelpflicht; kritische (Schwellen-)Werte aktualisieren Verantwortlichkeit. Die negative straf- oder tadelnsbezogene Verantwortung, meist juristisch oder durch anderweitige soziale Kontrolle geregelt, ist demgegenüber typischerweise trägerspezifisch, geschlossen und exklusiv.
„ Verantwortung “ ist ein Familienbegriff (vgl. Lenk, Hans/Maring, Matthias 1993, S. 230 f.): Das allgemeine Verantwortungsmodell zeigt den gemeinsamen Bedeutungskern trotz gewisser unscharfer Ränder und die strukturellen Ähnlichkeiten der Verantwortungsbegriffe. Unterschiedliche Typen der Verantwortung strukturieren die soziale Wirklichkeit jeweils verschieden, haben spezifische strukturelle Implikationen. Institutionalisierte Regeln und Kriterien der Zuschreibung der verschiedenen Verantwortungstypen strukturieren auch die konkreten Verantwortlichkeiten bzw. Verantwortlichkeitszuschreibungen und deren Folgen. So folgen auch aus der einschlägigen Anwendbarkeit der verschiedenen Verantwortungstypen spezifische konkrete Erwartungen und Ansprüche. Mit einer Rolle sind beispielsweise bestimmte Pflichten und Aufgaben verbunden, die sich auf den Rollenträger – exklusiv – beziehen und nicht so personengebunden sind, wie dies etwa die moralische Verantwortung ist (vgl. Lenk, Hans 1997, S. 92 ff.). Handlungs-, Aufgaben- und Rollen-, rechtliche und moralische Verantwortung haben sich teilweise überschneidende Zuschreibungsvoraussetzungen. Generell lässt sich ein mehrstufiges, idealtypisches, normatives Dialog-, Interaktionsmodell der Verantwortungszuschreibung angeben (vgl. Lenk, Hans/Maring, Matthias 1992, S. 90 ff.).
II. Bedingungen zur Übernahme von Verantwortung
Unter den moralischen, rechtlichen u.a. Verantwortungszuschreibungen lassen sich subjektive und objektive Komponenten, beschreibend bzw. wertend zu erfassende Voraussetzungen bzw. Stufen und normativ relevante Eigenschaften von Handlungssubjekten unterscheiden, die nicht bei allen Verantwortungszuschreibungen einschlägig sind; diese sollen stichwortartig aufgeführt werden (vgl. Lenk, Hans/Maring, Matthias 1992): Freiheit i.S.v. Anfangenkönnen von Handlungsketten, Andershandelnkönnen – normativ bzw. empirisch gemeint – , Zurechnung von Handlungsfolgen – Nah-, Fern-, Spätfolgen, Voraussehbarkeit der Folgen – , Verantwortungs-, Zurechnungs-, Schuldfähigkeit, Vorsatz, Fahrlässigkeit, Verletzung von Rechten, Pflichten, Geboten, Idealen, Zuschreibung von Schuld, Bewertung, Zur-Verantwortung-Ziehen, Rechtfertigungs-, Entschuldigungsgründe, Sanktionierung. Zur Übernahme von „ konkreter “ betrieblicher Verantwortung betont Bronner (Bronner, Rolf 1992, Sp. 2505 ff.) die Bedeutung von Menschenbildern und nennt folgende spezifischen Bedingungen: Handlungsziele und deren Verwirklichung dienen der Beurteilung der jeweils Verantwortlichen wobei Handlungsfähigkeit – auch im Sinne des „ Bereitstellen[s] von Kompetenzen, Qualifikationen und Unterstützungen “ durch den „ Verantwortungsgeber “ – und Handlungsspielräume wichtig sind.
III. Ausgestaltung von Verantwortung
Besondere Probleme der Verantwortung stellen Fragen kollektiven und korporativen Handelns dar (vgl. Lenk, Hans/Maring, Matthias 1995): Systemzusammenhänge, nicht-intendierte Handlungsfolgen einzelner Handlungen, externe Effekte, synergetische und kumulative Schäden, Massenhandeln, ökologische Schäden, öffentliche Güter, Verantwortung für künftige Generationen, Verantwortung beim korporativen Handeln usw. Von kollektiver Verantwortung i. Allg. soll gesprochen werden, wenn im entsprechenden Handlungszusammenhang mehr als ein Einzelner verantwortlich ist. Zwei Fallgruppen kollektiven Handelns sollen hervorgehoben werden: das unkoordinierte Handeln mehrerer Handlungssubjekte und das koordinierte Handeln eines korporativen Handlungsubjektes bzw. einer natürlichen Person, die repräsentativ für die Korporation – Organisation usw. – handelt. Die lediglich individualistischen Konzepte der Ethik, der Ökonomie usw. und der Verantwortung werden diesen Problemen nicht voll gerecht; sie richten ihr Augenmerk fast ausschließlich auf individuelle Handlungen und nicht auf interaktionelle, kollektive und korporative Handlungsformen. Die moralische persönliche Verantwortung ist und bleibt zwar das prototypische Beispiel und Vorbild der Verantwortung. Doch sie ist nicht der einzige relevante Verantwortungstyp. Wichtig ist auch bzw. zunehmend wichtiger wird die Mitverantwortung, welche die individuelle (Allein-) Verantwortung ergänzt, sie aber keineswegs ablöst. Konzepte der kollektiven Verantwortung müssen mit einem schwierigen Balanceakt zurechtkommen: erstens, kollektive Verantwortung darf nicht als bloßes Ablenkungsmanöver individueller Verantwortung dienen – sodass Individuen dann also nicht mehr verantwortlich wären – , zweitens ist überindividuelle kollektive Verantwortung nicht dann schon obsolet, wenn bestimmte Individuen verantwortlich bzw. mitverantwortlich sind; drittens kann der Einzelne nicht allein verantwortlich gemacht werden für etwas, was er allein nicht verursachen und in diesem Sinn verantworten kann bzw. insofern von ihm nicht allein zu verantworten ist.
Bei der Verantwortung von Korporationen bzw. Organisationen können wir inhaltliche Theorien und verschiedene Modelle in handlungstheoretischer und ethischer Hinsicht unterscheiden (vgl. Maring, Matthias 2001, Kap. 7.) Dabei ist u.a. zu differenzieren zwischen Korporationen als Assoziationen (Aggregatmodell), Korporationen als formalen Organisationen (Maschinenmodell), Korporationen als Organismen (Organismusmodell und Biologiemodell), Korporationen in sozialvertragstheoretischer Sicht (Sozialvertragsmodell), Korporationen als moralischen Personen (Personmodell) bzw. als Personen im weiten Sinne, Korporationen als sekundären moralischen Akteuren. Es stellt sich die Frage nach der „ höheren \'Moralfähigkeit\' “ von Korporationen und inwieweit können Korporationen in rechtlicher Sicht (Rechtsmodell) und unter Strafrechtsanalogien als Handlungssysteme gelten? Entgegen der Tendenz zur strikten Individualisierung der korporativen Verantwortung wird neuerdings gerade im Strafrecht – mit Bezug auf philosophische Überlegungen – untersucht, ob Korporationen nicht – wie in den USA üblich – auch strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden sollten. Korporationen lassen sich in der Tat als rollenmäßig strukturierte – hierarchische – zielgerichtete, arbeitsteilige Handlungssysteme darstellen. Zu erfüllende Aufgaben, Kompetenzen (Handlungsbefugnisse) innerhalb des Systems und gegenüber außenstehenden Dritten und die damit (idealiter) einhergehenden Verantwortungen und Pflichten können je unterschiedlich geregelt sein. Solche Regelungen mögen gesetzlich vorgeschrieben bzw. freiwillig vereinbart sein. Moralische Verantwortung ist – idealtypisch wenigstens – in Bezug auf korporatives Handeln analytisch unterscheidbar bzw. separabel: Verantwortlich sein können die Korporation als solche, alle oder einzelne Korporationsmitglieder oder – wie meist – die Korporation und deren Mitglieder zugleich.
Wenn Korporationen gesamtverantwortlich sind, folgt daraus nicht automatisch, dass alle einzelnen Korporationsmitglieder verantwortlich sind, und wenn Korporationsmitglieder verantwortlich sind, bedeutet das nicht unbedingt, dass die Korporation als solche verantwortlich ist; wenn bestimmte Korporationsmitglieder verantwortlich sind, heißt das ebenfalls nicht, dass nicht auch andere Korporationsmitglieder (mit-) verantwortlich sind – die jeweilige Verantwortung kann nicht (von vornherein) als Schutz vor einer Verantwortungszuschreibung in Anspruch genommen werden. Korporative Verantwortung muss mit der persönlichen Verantwortung, sowohl der Aufgaben- und der Rollenverantwortung im Betrieb etwa wie auch mit der moralischen persönlichen Verantwortung, in eine nachvollziehbare oder analytisch-konstruktive sinnvolle Verbindung gebracht werden. Eine Ergänzung und Vermittlung der Verantwortungstypen ist nötig und keine Ersetzung oder Abschiebung der Verantwortlichkeiten.
Als spezifische betriebliche Ausgestaltungen der Verantwortung als Relationsbegriff gelten nach Bronner: Objekte der Verantwortung – Ressourcen, Ergebnisse und Verhalten (Bronner, Rolf 1992, Sp. 2510) – , Formen der Verantwortung – Geltungsbereich (Handlungs-, Führungsverantwortung, Haftungsmodalität (Eigen-, Fremdverantwortung; Einzel-, Gesamtverantwortung) und Sanktionsbasis (Vollzugs-, Ergebnisverantwortung) (Bronner, Rolf 1992, Sp. 2511) – und Instrumente der Verantwortung – explizite Regelungen, eher implizite Normen und positive bzw. negative Sanktionen (Bronner, Rolf 1992, Sp. 2512).
IV. Wirkungen von Verantwortung
Eine Korporation verantwortlich zu machen kann auch einen ersten Schritt zur grundsätzlichen Verantwortungszuschreibung bei korporativem Handeln darstellen; in einem zweiten Schritt lässt sich dann das korporationsinterne Verteilungsproblem behandeln bzw. die Frage der Beziehung, Distribution oder evtl. Reduktion der korporativen Verantwortung auf die persönliche Verantwortung. Besonders Probleme der Verantwortungsverteilung und -beteiligung stellen sich in Korporationen allgemein und Unternehmen speziell durch die vertikale und horizontale Teilung der Arbeit, zumal durch den minimalen Anteil und geringe persönliche Zuordenbarkeit des eigenen Arbeitsanteils am ganzen Produktions- oder Arbeitsergebnis sowie durch Komplexität und Anonymität. Diese Faktoren und Struktureffekte bewirken in Korporationen eine faktische Diffusion der individuellen Verantwortung. Je mehr Personen an einer Aufgabe verantwortlich beteiligt sind, desto kleiner scheint die je individuelle Verantwortung zu werden. So gelte das klassische Kongruenzprinzip als „ Übereinstimmung von Aufgabe, Kompetenz und Verantwortlichkeit “ nach Brings (Brings, Karl 1977, S. 30 f.) heute nur noch bedingt: Es „ lässt sich nicht unmittelbar auf komplexe und mehrdimensionale Entscheidungsprozesse übertragen “ . Gruppenentscheidungen und Kompetenzüberschreitungen, komplexe Probleme und iterativ zu durchlaufende Entscheidungsprozesse „ verhindern die Zurechnung einer Alleinverantwortlichkeit auf einen Aufgabenträger “ ; die „ klassische Kongruenzforderung [ ? ] berücksichtigt [ ? ] allein hierarchisch-formale Aspekte “ (ebd.). Brings möchte das Kongruenzprinzip zu einem Prinzip der „ Bereitstellung adäquater Mittel zur Aufgabenerfüllung “ erweitern und in ihm nicht bloß ein Mittel zur Ermittlung der Rechenschaftspflicht sehen (Brings, Karl 1977, S. 111 ff.). Gerade in (komplexen) Linie-Stab-Systemen haben die beratenden, die Entscheidungen vorbereitenden Stäbe eine Mitverantwortlichkeit (vgl. Brings, Karl 1977, S. 87 ff.). „ Die fiktive bzw. irreale Globalverantwortlichkeit des Finalentscheidungsträgers “ müsse „ durch partielle Verantwortlichkeiten aller am Entscheidungsprozeß Beteiligten ersetzt werden “ (Brings, Karl 1977, S. 89). Die Teilverantwortlichkeiten resultieren aus dem jeweiligen „ Leistungsbeitrag zu dem komplexen Ganzen “ , „ aus den Funktionen der Aktionsträger “ (ebd.). Die partiellen Verantwortlichkeiten lassen sich jedoch nur äußerst schwierig, wenn überhaupt, zuordnen (vgl. Brings, Karl 1977 S. 94). Für Bronner bestehen die Wirkungen von Verantwortung für die Korporation bzw. Organisation insbesondere in „ Unsicherheitsreduktion “ und „ Komplexitätsabbau “ (Bronner, Rolf 1992, Sp. 2512).
Abschließend seien folgende Thesen formuliert:
1. Es lassen sich sicherlich nur recht allgemeine (Verteilungs-)Regeln aufstellen. Diese oft nur relativ abstrakt und analytisch oder idealtypisch fassbaren Regeln gilt es, auf konkrete Fälle anzuwenden.
2. Die Korporationsstruktur, die Entscheidungsstrukturen und -prinzipien – wie Individual-, Kollektivinstanzen, Einstimmigkeits-, Mehrheitsprinzip – bestimmen die formelle Verantwortungsverteilung, die Verantwortungsstruktur. Je nach Organisations-, Hierarchie- und Strukturform der Korporation und in Abhängigkeit von Entscheidungsprozeduren ergeben sich unterschiedliche Herrschaftsbeziehungen und Kompetenzen und somit unterschiedliche Verantwortlichkeiten – z.B. partizipatorische oder repräsentative. Verantwortung kann hierarchisch gestuft oder mehr gleich verteilt, unmittelbar oder mittelbar (nachrangig) sein. Brings (Brings, Karl 1977, S. 25 ff.) unterscheidet Gesamt- und Teilverantwortlichkeit (entsprechend dem Umfang der Verantwortlichkeit: Aufgabe bzw. Teilaufgabe), individuelle und kollektive Verantwortlichkeit (entsprechend der Anzahl der Entscheidungsberechtigten, der Verantwortlichen) und kommt so zu vier Grundarten der Verantwortlichkeit: individuelle bzw. kollektive Global- und/oder Partialverantwortlichkeit. Weitere Typen sind die Handlungs- und Führungsverantwortlichkeit, die „ weitgehend “ mit der Eigen- und Fremdverantwortlichkeit übereinstimmen (Brings, Karl 1977, S. 27). Die Handlungs- bzw. Eigenverantwortlichkeit betrifft die Rechenschaftspflicht für eigene Handlungen, die Führungs- bzw. Fremdverantwortlichkeit die Rechenschaftspflicht für das Handeln der Untergebenen ( „ mit der Möglichkeit der Exkulpation “ im Falle der sorgfältigen „ Auswahl, Unterweisung, Information und Überwachung “ ) und für fremdes Handeln (vgl. 6.).
3. Die externe moralische, rechtliche, Rollen- bzw. Handlungsverantwortung gegenüber Dritten, gegenüber der Gesellschaft und vor entsprechenden Instanzen ist wesentlich abhängig von der Korporationsstruktur, dem Einfluss oder der Herrschaft des betreffenden Einzelnen, vom individuellen Handlungsbeitrag und dessen Ausmaß sowie allgemein von der internen Verantwortungsverteilung (i.S. der Kompetenzen- und der Aufgabenverteilung). – Je nach Rechtsform fällt sie unterschiedlich aus; auch die Außenvertretung der Korporation ist entsprechend rechtlich geregelt – z.B. über Prokura. Die externe Verantwortung von Korporationsmitgliedern kann als repräsentative Verantwortung oder als partizipatorische Mitverantwortung gegeben sein; dies gilt auch für die interne Verantwortung in unterschiedlich strukturierten Korporationen.
4. Die interne Verantwortung für die Aufgaben-, Rollenerfüllung und gegenüber Kollegen ist vor allem von der Korporationsstruktur bestimmt. Sie ist in erster Linie Rechenschaftspflicht gegenüber Vorgesetzten und somit ein Unterfall der allgemeinen Rollen- und Aufgabenverantwortung: „ Verantwortung “ bzw. „ Verantwortlichkeit “ bedeutet in Korporationen i.d.R. Rechenschaftspflicht vor Vorgesetzen für die Erfüllung instanzen-, positions- und rollenbezogener Aufgaben oder, rechtlich gesehen, Haftung (vgl. Hauschildt, Jürgen 1969). Die Wahrnehmung dieser Pflichten ist oft sogar rechtlich geboten oder geregelt (Vertrag); sie kann aber auch höherstufig (Vertragseinhaltung!) moralisch geboten sein.
5. Die Rollen- und Aufgabenverantwortung ergibt sich aus der meist vertraglich geregelten Abgrenzung von Rollen und Aufgaben, die i.d.R. aber durchaus nicht immer formell bis ins Einzelne festgelegt sind. Sie und ihre Verteilung ist (mit-) bedingt von der Korporationsstruktur und von der internen formalen und faktischen Entscheidungsstruktur, der Hierarchie und den Positionen der Verantwortungsträger. Die Wahrnehmung der Rollenverantwortung lässt sich auch moralisch beurteilen – wie die Rollenverantwortung selbst.
6. Aufgaben, Kompetenzen und damit einhergehend die diesbezügliche Aufgaben- oder Rollenverantwortung können delegiert werden. Damit hört jedoch die Verantwortung der Delegierenden nicht (notwendigerweise) auf. Moralische Verantwortung ist jedoch auch in Korporationen charakteristischerweise nicht an andere Personen oder an die jeweilige Korporation delegierbar.
7. Die personal-moralische Verantwortung als nur direkt und persönlich zuschreibbare Verantwortung gegenüber externen oder internen Adressaten aktualisiert sich in den eigenen Handlungen und Handlungsmöglichkeiten. Moralische Verantwortung ist eine Funktion von Macht, Einfluss und auch Wissen. Die Mitverantwortung bestimmt sich entsprechend der strategischen Stellung eines Individuums in der betreffenden Korporation; sie nimmt mit wachsender Anordnungsbefugnis und Hierarchieebene zu. Moralische Verantwortung ist beteiligungsoffen.
8. Die rechtliche Verantwortung bzw. Verantwortungsverteilung ist gesondert nach juristischen oder natürlichen Personen, nach zivilrechtlichen, strafrechtlichen, verwaltungsrechtlichen oder staats- und verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten zu behandeln. Das Innenverhältnis wird i.d.R. mit der Geschäftsführung, das Außenverhältnis mit der Stellvertretung geregelt. So haftet die juristische Person i.d.R. gegenüber Dritten (extern) zivilrechtlich für die für sie handelnden Organe und Repräsentanten, jedoch strafrechtlich etwa in der Bundesrepublik (noch) nicht. Intern kann die juristische Person aber durchaus Regressansprüche gegen den sie Vertretenden haben. Anders jedoch bei Korporationen, die keine juristischen Personen sind, wie etwa bei der BGB-Gesellschaft: hier haftet gegenüber Dritten i.d.R. jeder Gesellschafter gesamtschuldnerisch.
Literatur:
Brings, Karl : Kompetenz und Verantwortung der Entscheidungsträger in mehrdimensional strukturierten Organisationssystemen, Univ. Karlsruhe 1977
Bronner, Rolf : Verantwortung, in: HWO, hrsg. v. Frese, Erich, 3. A., Stuttgart 1992, Sp. 2503 – 2513
Hauschildt, Jürgen : Verantwortung, in: HWO, hrsg. v. Grochla, Erwin, Stuttgart 1969, Sp. 1693 – 1702
Lenk, Hans : Einführung in die angewandte Ethik: Verantwortlichkeit und Gewissen, Stuttgart et al. 1997
Lenk, Hans : Interpretationskonstrukte. Zur Kritik der interpretatorischen Vernunft, Frankfurt a.M. 1993
Lenk, Hans : Über Verantwortungsbegriffe und das Verantwortungsproblem in der Technik, in: Technik und Ethik, hrsg. v. Lenk, Hans/Ropohl, Günter, Stuttgart 1987, S. 112 – 148
Lenk, Hans/Maring, Matthias : Verantwortung II, in: Historisches Wörterbuch der Philosophie. Bd. 11, hrsg. v. Ritter, Joachim et al., Darmstadt 2001, Sp. 569 – 575
Lenk, Hans/Maring, Matthias : Wer soll Verantwortung tragen? Probleme der Verantwortungsverteilung in komplexen (soziotechnischen-sozioökonomischen) Systemen, in: Verantwortung. Prinzip oder Problem?, hrsg. v. Bayertz, Kurt, Darmstadt 1995, S. 241 – 286
Lenk, Hans/Maring, Matthias : Verantwortung – Normatives Interpretationskonstrukt und empirische Beschreibung, in: Ethische Norm und empirische Hypothese, hrsg. v. Eckensberger, Lutz H./Gähde, Ulrich, Frankfurt a.M. 1993, S. 222 – 243
Lenk, Hans/Maring, Matthias : Deskriptive und normative Zuschreibungen von Verantwortung, in: Zwischen Wissenschaft und Ethik, Lenk, Hans, Frankfurt a.M. 1992, S. 76 – 100
Maring, Matthias : Kollektive und korporative Verantwortung. Begriffs- und Fallstudien aus Wirtschaft, Technik und Alltag, Münster 2001
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