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technischer Fortschritt


1. Begriff. Mit t. bezeichnet man alle Neuerungen, die dazu führen, eine bestimmte Menge von Gütern, z.B. das Sozialprodukt (Y), mit einem geringeren Einsatz von  Produktionsfaktoren bzw. mit gegebenen Faktoren eine größere Produktmenge als vorher zu erzeugen. Maßziffer für t. ist demgemäß die Zunahme der Produktivität, mit der zugleich eine Steigerung des Lebensstandards, gemessen durch das Sozialprodukt pro Kopf, indiziert wird. Gleiche oder ähnliche Bedeutung kommt den Begriffen Verschiebung der  Produktionsfunktion und Innovation zu. Man unterscheidet Prozeß- und Produktinnovationen, womit deutlich wird, daß sich t. in der Entwicklung neuer Produktionsverfahren oder neuer bzw. verbesserter Güter konkretisiert. Allerdings umfaßt t. nicht nur die erstmalige Neuerung, sondern auch deren weitere Verbreitung, die Diffusion . Nicht dem Begriff des t. zuzuordnen  wenngleich empirisch nur schwer davon zu trennen und daher auch im gemessenen Produktivitätszuwachs enthalten  sind Vorgänge wie zunehmende Skalenerträge (economies of scale) oder die Beseitigung von sogenannten X-Ineffizienzen .
2. Arten des t. Je nachdem, wie man bei der Analyse vorgeht, ergeben sich verschiedene Arten des t. Man kann sich auf die Ermittlung seiner Wirkungen beschränken (autonomer t.) oder seine Ursachen und Bestimmungsgründe untersuchen (induzierter t.). Je nach Annahmen lassen sich diese beiden Hauptarten dann weiter untergliedern: -        Autonomer t.                        -           Der t. bedarf keiner "Vehikel", um wirksam zu werden; er fällt gleichsam "wie Manna   vom Himmel": rein organisatorischer, unverkörperter (unembodied) t.                        -           Die Durchsetzung des t. erfordert                  -           neue Anlagen und Ausrüstungen, also neues Sachkapital : kapitalgebundener (embodied) t.                          -           neue Kenntnisse und Fähigkeiten beim Faktor Arbeit , also die Bildung von  Humankapital : ausbildungsgebundener t. - Induzierter t.                        -           Die faktor- (arbeits- bzw. kapital-) sparende Richtung ("bias") des t. ist abhängig                  -           von der relativen Änderung der Faktorpreise: faktorpreisinduzierter t.;                  -           vom relativen Gewicht oder der Veränderung der gesamten Faktorkosten bzw.  Einkommensquoten : einkommens-induzierter t.;                                              -           Nicht um die faktorsparende Richtung, sondern um die eigentlichen Ursachen des t.   geht es bei jenen Ansätzen, die ihn zurückführen                       -           auf die gesamtwirtschaftliche Aktivität, meist indiziert durch die bisher vorgenommenen Bruttoinvestitionen (Investition) investitions-induzierter t.;                      -           auf Forschung und Entwicklung : FuE-induzierter t.
3. Neutralitätsdefinitionen des t. Ein anderer Klassifikationsansatz geht von der Frage aus, wie t. auf bestimmte, ausgewählte ökonomische Variable wirkt. Läßt er diese unverändert, so wird er neutral genannt. Die drei bekanntesten Neutralitätsdefinitionen stammen von J. R. Hicks, R. F. Harrod und R. M. Solow. Hicks-neutraler t. liegt vor, wenn sich bei gegebener Kapital-/Arbeitseinsatzrelation (Kapitalintensität , K/N) die Durchschnitts- und Grenzproduktivitäten (Produktivität) beider Faktoren proportional erhöhen. Der t. wirkt dann so, als ob die Produktionsfaktoren proportional zugenommen hätten; er ist gleichmäßig faktorvermehrend (factor-augmenting). Dies ist der Fall, wenn sich die Produktisoquanten (Isoquanten) radial-parallel gegen den Ursprung verschieben.Der t. ist dagegen Hicks-arbeits- bzw. -kapitalsparend, wenn er bei konstantem K/N die Faktorproduktivität unterschiedlich verändert. Die Produktisoquanten drehen sich in diesem Falle zur Kapital- (Arbeits-) Achse hin. Harrod-neutraler t. ist gegeben, wenn bei konstantem Kapitalkostensatz (Realzins) der Kapitalkoeffizient (K/Y) unverändert bleibt. Wegen der begrifflichen Beziehung K/Y = K/N : Y/N impliziert das eine proportionale Erhöhung von Kapitalintensität und Pro Kopf-Sozialprodukt. Der t. wirkt ausschließlich arbeitsproduktivitäts-erhöhend bzw. arbeitsvermehrend (labour-augmenting). Diese Wirkungen spiegeln die langfristige Entwicklung wichtiger ökonomischer Größen in Industriewirtschaften, die sogenannten "stilisierten Fakten", recht gut wider. Harrod-neutraler t. spielt daher eine große Rolle in der Wachstumstheorie . Er stellt die einzige Form des t. dar, die langfristiges Gleichgewichtswachstum (Wachstum im "steady state") (Gleichgewicht) ermöglicht. Ein Harrod-arbeits- (kapital-) sparender t. läßt bei konstantem Realzins den Kapitalkoeffizienten steigen (sinken). Solow-neutraler t. ist quasi spiegelbildlich zur Harrod-Neutralität definiert; er läßt bei konstantem Reallohn den Arbeitskoeffizienten (N/Y) unverändert. Das bedeutet, daß die Kapitalintensität im gleichen Ausmaß sinkt, wie die Kapitalproduktivität steigt; der t. wirkt ausschließlich kapitalvermehrend (capital-augmenting). Da eine solche Situation z.T. auf übervölkerte Entwicklungsländer zutrifft, wird diese Form des t. auch U-neutral ("U" für Unterentwicklung) genannt. Ein Solow-arbeits- (kapital-) sparender t. läßt bei konstantem Reallohn den Arbeitskoeffizienten sinken (steigen). Alle drei Neutralitätsdefinitionen zeichnen sich durch die gemeinsame Eigenschaft aus, daß sie die Einkommensverteilung nicht verändern. Deshalb können sie auch nicht mehr voneinander unterschieden werden, wenn eine Cobb-Douglas-Produktionsfunktion unterstellt wird. Diese ist ja durch eine Substitutionselastizität von Eins und damit ebenfalls durch eine konstante Einkommensverteilung (Einkommensverteilungstheorie) gekennzeichnet.
4. Weitere Ansätze. Zweifel an der Möglichkeit, die Wirkungen von - Faktormengenänderungen innerhalb der (gegebenen) Produktionsfunktion und       - Verschiebungen der Produktionsfunktion durch t. eindeutig voneinander trennen und identifizieren zu können, haben zur Konzeption der sogenannten technical progress-Funktion geführt (N. Kaldor). In ihr wird die Veränderungsrate der Produktivität als (positiv, aber abnehmend) abhängig von der Investitionsrate pro Beschäftigten postuliert, wobei die Lage der Funktion vom "technical dynamism", d.h. der Risikobereitschaft, dem Erfindergeist, der Innovationsneigung usw. einer Gesellschaft abhängt. Damit werden zwar wichtige Ursachen des t. genannt, bleiben selbst aber  zunächst  unerklärt. Andere Ansätze gehen auf Lebenszyklushypothesen zurück, wonach angebotsseitig (technology push) oder nachfrageseitig (demand pull) verursachte Änderungen von Produkten und Produktionsprozessen einem S-förmigen (logistischen) Funktionsverlauf folgen. Sie werden z.T. kombiniert mit der im Zuge der "Schumpeter-Renaissance" sich vollziehenden Wiederbelebung der Theorie langer Wellen und tragen insoweit den Tatbeständen des strukturellen Wandels und der ungleichmäßigen wirtschaftlichen Entwicklung Rechnung  im Gegensatz zur neoklassischen Tradition, die den t. eher in die Theorie des gleichgewichtigen Wirtschaftswachstums zu integrieren trachtet. Neuerdings wird t. in ein umfassendes Konzept "ökonomischer Evolution" einzubinden versucht (R.R. Nelson/ S.G. Winter, G. Dosi, K. Kühne u.a.). Danach ist er Resultat eines komplexen Zusammenspiels von -      routinemäßigen Veränderungen entlang sogenannter technologischer Trajektorien   einerseits, sowie -      grundlegenden Routinewechseln andererseits, d.h. dem Auffinden neuer   technologischer Paradigmen, die aus Fortschritten der Wissenschaft und ihres ökonomischen Anwendungspotentials, dem Wandel sozioökonomischer und institutioneller Faktoren und verändertem Umweltbedingungen resultieren (C. Perez). Zu ausgeprägt interdisziplinärer Vorgehensweise verbinden sich solche evolutionstheoretischen Vorstellungen mit neueren naturwissenschaftlichen Ansätzen, z.B. der Theorie dissipativer Strukturen (I. Prigogine) oder der Synergetik (H. Haken).

Literatur: H. Walter, Der technische Fortschritt in der neueren ökonomischen Theorie. Berlin 1969. H. Walter, Technischer Fortschritt I: in der Volkswirtschaft. HdWW, Bd. 7, 1977. H. Walter, Wachstums- und Entwicklungstheorie. Stuttgart u. New York 1983.

 

 


 

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