A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z
wirtschaftslexikon wirtschaftslexikon
 
Wirtschaftslexikon Wirtschaftslexikon

 

wirtschaftslexikon online lexikon wirtschaftslexikon
   
 
     
wirtschaftslexikon    
   
    betriebswirtschaft
     
 
x

Identifikationsproblem


1. Das I. ist ein Problem empirisch ausgerichteter Wissenschaften, die einen Realitätsausschnitt durch eine mit zunächst unbekannten Parametern in Modellform (Modell) vorliegende Theorie erklären wollen. Dieser Ausschnitt wird durch eine oder mehrere beobachtbare Variable repräsentiert, die durch Meßfehler bedingt den Charakter von Zufallsvariablen haben. Dadurch und durch Hinzunahme latenter Variablen, um Fehler in den Modellgleichungen auszudrücken, wird das Erklärungsmodell zu einem durch eine Verteilung charakterisierten stochastischen Modell. Unterstellt wird die korrekte Spezifikation des Modells, die man nach erfolgreicher Lösung des Identifikationsproblem und der Parameterschätzung anhand diverser Tests feststellen kann. Das Modell S enthält alle Strukturen S, die aufgrund von Vorkenntnissen zur Erklärung des Realitätsausschnitts relevant und zulässig sind. Eine Struktur ist eine ganz bestimmte, durch Wertezuweisung für alle Modellparameter festgelegte Ausprägung des Modells. Das Modell ist die Menge seiner Strukturen. Jede Struktur legt eindeutig einen empirischen Sachverhalt fest, der in Form von Variablen beobachtbar ist. Das I. besteht nun darin, festzustellen, ob umgekehrt die Beobachtung des Sachverhalts ausreicht, die sie erzeugende Struktur S innerhalb des Modells zweifelsfrei zu bestimmen (identifizieren
Identifikationsproblem

 etwas genau wiedererkennen, lt. Duden).
2. Das I. wird häufig nur als Problem simultaner Gleichungssysteme in der Ökonometrie angesehen; es ist aber allgemeiner. Seien
Identifikationsproblem

 ein Beobachtungsvektor, der von der gemeinsamen Dichte
Identifikationsproblem

erzeugt sein soll, und
Identifikationsproblem

 ein Vektor unbekannter Parameter aus einem Parameterraum W. Definition 1: Zwei Strukturen
Identifikationsproblem

 und
Identifikationsproblem

 in W heißen beobachtungsäquivalent, wenn
Identifikationsproblem

 für alle
Identifikationsproblem

. Definition 2: Die Struktur
Identifikationsproblem

 in S heißt (global) identifizierbar, wenn es keinen anderen Vektor
Identifikationsproblem

 gibt, der zu
Identifikationsproblem

 beobachtungsäquivalent ist. In den Anwendungen ist man oft nur an einem Teil
Identifikationsproblem

 von
Identifikationsproblem

 interessiert. Man betrachtet dann die Zerlegung 
Identifikationsproblem

 und der Wert
Identifikationsproblem

 heißt identifizierbar, wenn es keine zulässigen Werte
Identifikationsproblem

,
Identifikationsproblem

 und
Identifikationsproblem

 mit
Identifikationsproblem

 gibt, für die
Identifikationsproblem

 .
3. Als Beispiel seien die monatlichen Verkaufszahlen zweier Automobiltypen betrachtet, die mit gleicher Varianz s2 normalverteilt sein sollen: X1 ~ n(m1: s2), X2 ~ n(m2: s2). Beobachtet sind nur die summierten Verkaufszahlen beider Typen: yt = x1t + x2t; t = 1, ..., T. Unter der Voraussetzung der Unkorreliertheit von X1 und X2 und deren Autokorrelationsfreiheit lautet die gemeinsame, die Daten generierende Dichte:         
Identifikationsproblem

. Zu jedem Wertepaar
Identifikationsproblem

, für das
Identifikationsproblem

 und
Identifikationsproblem

 so gewählt werden, daß 
Identifikationsproblem

, ergibt sich
Identifikationsproblem

, so daß keine Werte von m1und m2 identifizierbar sind. Hingegen sind alle Werte von s2 identifizierbar. Unterstellt man m1 = m2 =: mY und
Identifikationsproblem

, so ist nun mY identifizierbar, aber wegen
Identifikationsproblem

 keine der Varianzen. Ist keine funktionale Beziehung zwischen m1, m2,
Identifikationsproblem

 und
Identifikationsproblem

 bekannt, so sind weder die Erwartungswerte noch die Varianzen identifizierbar. In weiterer Abwandlung des Beispiels sei eine Relation zwischen Erwartungswerten und Varianzen, z.B.
Identifikationsproblem

 und
Identifikationsproblem

 unterstellt. Der Erwartungswert der Beobachtungsvariablen Y ist noch immer m1 + m2 = mY , und es scheint, als ob m1 und m2nicht identifizierbar sind, da es unendlich viele Paare
Identifikationsproblem

 mit
Identifikationsproblem

 gibt. Da jedoch für die Varianz von Y gilt:
Identifikationsproblem

, existiert kein von
Identifikationsproblem

 abweichendes Paar, das denselben Erwartungswert mY und dieselbe Varianz
Identifikationsproblem

 liefert wie (m1, m2), so daß m1 und m2 identifizierbar sind.  Am vorstehenden Beispiel erkennt man, was auch allgemein nachzuweisen ist, daß Identifizierbarkeit durch Aufstellung von genügend vielen Restriktionen und damit durch Einschränkung des Modells S erreichbar ist. Liegen zu wenig Restriktionen vor, spricht man von Unter- oder Nichtidentifizierbarkeit und eine Parameterschätzung ist unangebracht. Bei Überidentifikation hat man zu viele Restriktionen, und es hängt dann vom jeweiligen Schätzverfahren ab, ob es den Informationsüberfluß durch Reduktion oder geeignete Kombination verarbeitet.
4. Hinsichtlich der Identifizierbarkeit der Parameter des klassischen linearen Regressionsmodells (Regressionsanalyse) gilt: Satz 1: Im linearen Modell
Identifikationsproblem

 mit
Identifikationsproblem

,
Identifikationsproblem

 mit
Identifikationsproblem

 als Einheitsmatrix und
Identifikationsproblem

 als fester Designmatrix sind die Varianz
Identifikationsproblem

 stets und die Regressionskoeffizienten
Identifikationsproblem

 dann identifizierbar, wenn
Identifikationsproblem

 vollen Rang hat. Der Beweis ist einfach. Die Verteilung der Daten hat
Identifikationsproblem

 und
Identifikationsproblem

. Man sieht sofort, daß es keine zwei verschiedenen Werte von s2 mit ein und derselben Kovarianzmatrix
Identifikationsproblem

 für
Identifikationsproblem

 geben kann. Zum Beweis der Identifizierbarkeit von
Identifikationsproblem

 sei angenommen, es gäbe zwei Werte
Identifikationsproblem

 und
Identifikationsproblem

 mit gleichem
Identifikationsproblem

, d.h.
Identifikationsproblem

. Dann ist
Identifikationsproblem

. Hat
Identifikationsproblem

  vollen Rang, folgt
Identifikationsproblem

, so daß verschiedene Werte von
Identifikationsproblem

 nicht denselben Erwartungswert von
Identifikationsproblem

 induzieren können. Hat
Identifikationsproblem

 jedoch einen Rangabfall, so spricht man von perfekter Multikollinearität der Regressoren, und es gibt
Identifikationsproblem

 mit
Identifikationsproblem

. Bei perfekter Multikollinearität ist
Identifikationsproblem

 nicht identifizierbar.
5. Die reduzierte Form
Identifikationsproblem

 zu einem ökonometrischen Modell mit Strukturform
Identifikationsproblem

 und
Identifikationsproblem

 sowie
Identifikationsproblem

 besteht aus einer Anzahl scheinbar nicht in Relation zueinander stehender linearer Regressionsmodelle mit gemeinsamer Designmatrix
Identifikationsproblem

. Aus Satz 1 folgt die Identifizierbarkeit der reduzierte-Form-Parameter in
Identifikationsproblem

 bei vollem Rang von
Identifikationsproblem

.  Für die Identifizierbarkeit der Strukturform-Parameter in
Identifikationsproblem

 und
Identifikationsproblem

 erweist sich der folgende Satz 2 als nützlich. Satz 2: Wenn
Identifikationsproblem

 ein Vektor identifizierbarer Parameter ist und j eine eindeutige Funktion von q, etwa
Identifikationsproblem

, dann ist auch j identifizierbar. Zum Beweis von Satz 2 betrachte man zwei verschiedene Werte j´ und j* aus dem Wertebereich von g. Da g eindeutig ist, müssen auch die zu j´ und j* gehörenden Werte von
Identifikationsproblem

 verschieden sein, und da
Identifikationsproblem

  identifizierbar ist, können die zu j´ und j* gehörenden Verteilungen nicht gleich sein, so daß j identifizierbar ist, wenn er als eindeutige Funktion der reduzierte-Form-Parameter zu schätzen ist. Auf dieser Aussage basieren in der Ökonometrie die üblichen Identifikationskriterien, wie z.B. die Rang- und Abzählkriterien (vgl. Rinne, 1976).

Literatur: R. Bowden, The Theory of Parametric Identification. Econometrica 41, 1973, 1069-1074. F. M. Fisher, The Identification Problem in Econometrics. New York, 1966. H. Rinne, Ökonometrie. Stuttgart, 1976. T. J. Rothenberg, Identification in Parametric Models. Econometrica 39, 1971, 577-591.

 

 


 

<< vorhergehender Begriff
nächster Begriff >>
Identifikation und Loyalität
 
Identität