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Prüfungsnormen


Inhaltsübersicht
I. Normenbegriff und -funktionen
II. Beziehungsgeflecht zwischen Rechnungslegungs- und Prüfungsnormen
III. Normenquellen und Bindungswirkung
IV. Normenarten
V. Zu den Problemen der Normensetzung

I. Normenbegriff und -funktionen


Normen drücken nicht das aus, was ist, sondern was sein soll und beinhalten insofern eine Wertung. Dem folgend ist eine Prüfungsnorm als Regel definiert, die den Anspruch erhebt, das Verhalten des Prüfers zu steuern. Der vorliegende Beitrag bezieht den Terminus Prüfung zumeist auf einen externen Jahresabschluss. Die nachstehenden Ausführungen sprechen zentrale Normenfunktionen an (Marten, /Quick, /Ruhnke, 2003).
Richten sich die Normen an den Wirtschaftsprüfer (WP), indem sie bestimmte Handlungen vorschreiben oder verbieten, erfüllen sie eine präskriptive Funktion. Des Weiteren nehmen Normen eine deskriptive Funktion wahr, indem sie über Art und Umfang der durchgeführten Prüfung informieren. Erst ein solches Vorgehen ermöglicht es dem Empfänger des Prüfungsurteils, das für ihn sichtbare Prüfungsergebnis sachgerecht zu interpretieren. Erfüllen die Normen die beiden genannten Funktionen, tragen sie gleichzeitig dazu bei, dass die geprüften Abschlussinformationen hinsichtlich ihrer Glaubwürdigkeit vergleichbar sind (Standardisierungsfunktion).
Eng mit der deskriptiven Funktion verknüpft ist die auf den Mandanten bezogene prophylaktische Funktion: Indem die Überwachten durch die Prüfungsnormen Kenntnis über die Prüfung erlangen, lassen sich durch die normeninduzierte Abschreckung Fehler in der Rechnungslegung des Mandanten von vornherein vermeiden. Des Weiteren stärken Prüfungsnormen in Konfliktfällen die Stellung des Prüfers gegenüber dem Mandanten. Hier entfalten die Normen eine Schutzfunktion, da es dem Mandanten schwer fallen dürfte, seine Vorstellungen gegenüber dem Prüfer durchzusetzen, sofern dem konkrete und verbindliche Normen entgegenstehen.

II. Beziehungsgeflecht zwischen Rechnungslegungs- und Prüfungsnormen


Eine Prüfung erfordert eine Beurteilung des Prüfungsobjektes (Ist-Objekt) auf seine Konformität mit den Normen, die es bei der Erstellung des Ist-Objektes zu beachten gilt. Im Bereich der Abschlussprüfung bilden die Aussagen des Managements hinsichtlich der Abbildung ökonomischer Realität im vorläufigen Jahresabschluss (assertions; vgl. ISA 500.17; IDW PS 300.7) das Ist-Objekt. Das Ziel einer Prüfung besteht darin, die Abgabe eines Urteils darüber zu erlangen, ob der Abschluss in allen wesentlichen Punkten den in den angegebenen Rechnungslegungsnormen gesetzten Maßstäben (z.B. HGB oder International Financial Reporting Standards (IFRS)) entspricht (ISA 200.2; IDW PS 200.8 ff.). Folglich bildet der vorläufig erstellte Abschluss das Ist-Objekt und ein den Rechnungslegungsnormen entsprechender Abschluss das Soll-Objekt der Prüfung.
Die Prüfungsnormen legen wiederum die Maßstäbe hinsichtlich Art und Umfang der Prüfung nebst der zu gewährenden Prüfungssicherheit fest. Die durch die Rechnungslegungsnormen determinierten Aussagenkategorien des abschlusslegenden Unternehmens bilden demnach die Prüfkategorien des Abschlussprüfers. Abb. 1 verdeutlicht das Beziehungsgeflecht zwischen den Prüfungs- und den Rechnungslegungsnormen.
Prüfungsnormen
Abb. 1: Beziehungsgeflecht zwischen Prüfungs- und Rechnungslegungsnormen

III. Normenquellen und Bindungswirkung


Prüfungsnormen lassen sich nach der Quelle ihrer Herausgabe systematisieren. Als Quellen kommen vorzugsweise berufsständische Organisationen sowie der Gesetzgeber in Betracht. Die Normenquelle bestimmt wiederum, welche Bindungswirkung eine Norm aus dem Status ihrer Quelle heraus maximal entfalten kann. Für einen in Deutschland agierenden Prüfer kommen vorzugsweise die deutschen Rechtsnormen, die deutschen und die seitens der International Federation of Accountants (IFAC) herausgegebenen internationalen berufsständischen Normen sowie betriebliche Normen in Betracht. Auf die Abschlussprüfung bezogene Rechtsnormen finden sich im HGB und in der WPO. Besonders bedeutsam sind die §§ 316 – 324a und 332 f. HGB sowie die §§ 43 – 56 WPO. An die Rechtsnormen ist der Prüfer zwingend gebunden.
Die deutschen berufsständischen Normen konkretisieren die gesetzlichen Regelungen. Berufsständische normensetzende Institutionen sind das Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW) und die Wirtschaftsprüferkammer (WPK).

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Die Berufssatzung der Wirtschaftsprüferkammer konkretisiert insbes. die in § 43 WPO kodifizierten allgemeinen und besonderen Berufspflichten. Innerhalb der durch diese Statusausfüllung gezogenen Grenzen entfaltet die Berufssatzung ein Verpflichtungspotenzial, das dem der Rechtsnormen sehr nahe kommt.

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Die Verlautbarungen des IDW beinhalten vorzugsweise Konkretisierungen zu den §§ 316 f. und 322 f. HGB. Dem IDW als Privatrechtssubjekt fehlt die Kompetenz zum Erlass von Rechtsnormen. Gleichwohl dürfte es dem Prüfer schwer fallen, sich vor Gericht zu exkulpieren, sofern er von einer IDW-Verlautbarung abweicht, die ein im vorliegenden Einzelfall geeignetes prüferisches Vorgehen explizit anspricht und erörtert. In diesem Fall besteht eine faktische Verpflichtung, die Inhalte dieser Verlautbarungen zur Kenntnis zu nehmen. Im Haftungsfall muss der Prüfer dann vorbereitet sein, ein Abweichen von den Inhalten einer Verlautbarung zu begründen. Das IDW strukturiert seine Normen seit 1998 sachorientiert und unterscheidet dabei zwischen Prüfungsstandards (IDW PS) sowie ergänzenden Prüfungshinweisen (IDW PH).


Auf europäischer Ebene werden keine Prüfungsnormen gesetzt. Vielmehr erkennt die Fédération des Experts Comptables Européens (FEE) die Normensetzungskompetenz der International Federation of Accountants (IFAC) auf internationaler Ebene ausdrücklich an. Die mit der Herausgabe internationaler berufsständischer Normen befasste IFAC strukturiert ihre Normen gleichfalls sachorientiert und unterscheidet dabei zwischen Standards (ISA) sowie ergänzenden Statements (IAPS) (IFAC, 2005; Hayes, /Dassen, /Schilder, /Wallage, 2005).
Die Satzung der IFAC verpflichtet ihre Mitgliedsorganisationen (hierzu gehören auch das Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW) und die Wirtschaftsprüferkammer (WPK)) nach besten Kräften auf eine Beachtung der IFAC-Normen hinzuwirken (IFAC Constitution 4.c.ii). Dabei kommt dem IDW die Aufgabe zu, die ISA und IAPS sukzessive in IDW PS und IDW PH zu transformieren. Wurde eine internationale Norm sachgerecht in eine nationale Verlautbarung transformiert, ist die nationale Norm auch anzuwenden (sog. Dominanz nationaler Normenäquivalente; Ruhnke, 2000). Allerdings sieht Art. 26 Abs. 1 der 8. EU-Richtlinie vor, dass die internationalen fachtechnischen Prüfungsnormen für die Durchführung von gesetzlichen Abschlussprüfungen direkt anzuwenden sind. Gleichwohl können nationale Prüfungsgrundsätze (IDW PS) so lange angewendet werden, wie die Kommission keine internationalen Prüfungsgrundsätze (ISA und damit zusammenhängende Verlautbarungen und Standards), die für denselben Bereich gelten, angenommen hat.
Das IDW hat auf die Neufassung der 8. EU-Richtlinie, welche eine direkte Anwendung der ISA auf nationaler Ebene vorsieht, bereits reagiert. Ergänzend zu den ISA werden IDW IPS (Internationale PS) herausgegeben, welche sich auf die deutschen Besonderheiten der Transformation beschränken. Zusätzlich gibt das IDW ein gesondertes Dokument heraus, welches die ISA synoptisch in englischer und deutscher Sprache darstellt; dabei sind die deutschen Besonderheiten durch spezielle Ergänzungstextziffern gekennzeichnet. Die Nummerierung der IDW PS lehnt sich an die der ISA an (z.B. zum Regelungsbereich fraud ISA 240 und IDW IPS 240).
Ist ein nach US-GAAP erstellter Abschluss zu prüfen, gelangen die US-amerikanischen Prüfungsvorschriften (US-GAAP; Bailey, 2005) zur Anwendung. Diese nationalen Bestimmungen weichen inhaltlich nur geringfügig von den internationalen IFAC-Normen ab (AU Appendix B).
Betriebliche Normen sollen das prüferische Verhalten auf der Ebene der einzelnen Prüfungsorganisationen steuern. Der Geltungsbereich dieser Normen ist demnach nicht an Ländergrenzen, sondern an den räumlichen Wirkungsbereich der jeweiligen Organisation gebunden. Betriebliche Normen finden ihren Ausdruck im Prüfungshandbuch (audit manual) der jeweiligen Organisation. Diese Normen besitzen Anweisungs- und Leitliniencharakter und dienen der Konkretisierung der gesetzlichen und der berufsständischen Normen.
Zu fragen ist auch, inwieweit ein Richterspruch eine beachtenswerte Normenquelle darstellt. Obgleich ein Richterspruch nur die am konkreten Verfahren Beteiligten bindet, kann ein solcher Spruch auch auf künftige Prüfungen wirken und insofern eine präskriptive Funktion entfalten. Wesentliche Urteile betreffen die Vereinbarkeit von Prüfung und Beratung (BGH, 1997) sowie den Umfang der Prüfung (OLG Düsseldorf, 1996).
Als weitere Normenquellen sind zu nennen: die Äußerungen betriebswirtschaftlich orientierter Arbeitskreise und der Finanzministerien sowie das Fachschrifttum. Diese Quellen können gleichfalls begründete fachliche Argumentationen enthalten; in diesem Fall ergibt sich die Bindungskraft über die in § 43 I Satz 1 WPO kodifizierte Pflicht zur Beachtung fachlich anerkannter Regeln.
In Zusammenhang mit den zuvor genannten Normenquellen erlangen die Grundsätze ordnungsmäßiger Abschlussprüfung (GoA) besondere Bedeutung. GoA erheben zweifelsfrei den Anspruch auf Verhaltenssteuerung. Demnach ist jeder Prüfungsgrundsatz auch eine Prüfungsnorm. Gleichwohl besitzt der Umkehrschluss, jede Norm sei auch ein Grundsatz, keine Gültigkeit. Vielmehr ist unter Anwendung besonderer Ermittlungsmethoden (insbes. Induktion, Deduktion und Hermeneutik) festzustellen, ob eine mittels der zuvor genannten Normenquellen herausgegebene Prüfungsnorm den Status eines Prüfungsgrundsatzes besitzt (Forster, K. H. 1990).

IV. Normenarten


1. Überblick und Systematisierung


Während die Normenquellen angeben, welche Institution oder welcher Akteur mit der Herausgabe einer Regelung befasst ist, setzen die Normenarten einen anderen Fokus, indem sie die vorhandenen Normen hinsichtlich der Natur ihres Regelungsbereichs systematisieren. Dabei lassen sich die folgenden Normenarten unterscheiden:

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Bei der eigentlichen Berufsausübung hat der Prüfungsträger fachtechnische Normen zu beachten, welche direkt Art und Umfang der zu erbringenden Prüfungsdienstleistung regeln.

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Voraussetzung für die Erbringung einer solchen Dienstleistung ist, dass der Prüfer über einen gewissen Ausbildungsstand verfügt und sich zudem kontinuierlich weiterbildet (Ausbildungsnormen).

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Überdies vermag eine Prüfung den gegebenen Abschlussinformationen nur dann Glaubwürdigkeit zu verleihen, wenn der Prüfer den in den ethischen Normen formulierten Anforderungen wie z.B. der Unabhängigkeit und der Unbefangenheit genügt.

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Eine weitere Voraussetzung für das Einhalten der zuvor formulierten Anforderungen ist, dass die Wirtschaftsprüferpraxis bestimmten qualitativen Mindestansprüchen genügt (Qualitätsnormen).

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Zudem beinhalten Durchsetzungsnormen Anreize (z.B. Sanktionen), um die Erfüllung der präskriptiven Funktion der zuvor genannten Normenarten sicherzustellen.


Das in Abb. 2 darstellte Beziehungsgeflecht zwischen den zuvor genannten Normenarten lässt sich wie folgt beschreiben:
Die fachtechnischen Normen bilden den Kernbereich. Ohne ihre Existenz lassen sich die Inhalte der anderen Normenarten nicht sachgerecht bestimmen. Während die Ausbildungsnormen darauf abzielen, den Prüfer in die Lage zu versetzen, das geforderte fachliche Niveau einzuhalten, zielen die Qualitätsnormen primär auf das Handeln des Prüfers im Hinblick auf die Etablierung von Maßnahmen zur Qualitätssicherung ab. Zudem sprechen ethische Normen die inneren Voraussetzungen an, die ein Wollen des Prüfers zur Normenbefolgung begründen. Dagegen betonen Durchsetzungsnormen vorzugsweise die (externe) Anreizkomponente unter der Annahme eines opportun agierenden Prüfers.
Prüfungsnormen
Abb. 2: Beziehungsgeflecht zwischen den Normenarten
Als Prüfungsdienstleistungen (assurance engagements) kommen neben der Prüfung des Jahresabschlusses (audit) auch ein review (ISRE 2400 sowie IDW PS 900) sowie eine examination zukunftsorientierter Informationen (ISAE 3400) in Betracht. Darüber hinaus können weitere assurance engagements erbracht werden, deren Inhalte sich weitgehend frei vereinbaren lassen. Diese Leistungen sind nicht bereits ex ante in vollem Umfang normiert. Gleichwohl erfolgt eine Normierung dergestalt, dass das IFAC Framework die Elemente dieser frei zu vereinbarenden Dienstleistungen festlegt und beschreibt.
Darüber hinaus existieren im System der US-GAAS weitere normierte Prüfungsdienstleistungen in Form einer examination: So ist z.B. die Dienstleistung \'WebTrust\' darauf ausgerichtet, der Abwicklung internetbasierter Geschäftsprozesse (E-Commerce) Glaubwürdigkeit zu verleihen (vgl. AICPA/CICA Privacy Framework sowie jüngst IDW PS 890).

2. Normenarten im Einzelnen


Die folgenden auf die Jahresabschlussprüfung bezogenen Ausführungen ordnen den einzelnen Normenarten ausgewählte deutsche und internationale Prüfungsnormen zu. Die angegebenen Vorschriften erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

a) Fachtechnische Normen


Fachtechnische Normen geben das Prüfungsziel an (IDW PS 200.8 ff.; ISA 200.2) und behandeln den gesamten Prozess zur Zielerreichung. Der Prüfungsprozess setzt sich aus mehreren Teilprozessen zusammen, die überwiegend zeitlich parallel ablaufen, sich zudem gegenseitig beeinflussen und teilweise interagieren.
Demnach regeln fachtechnische Normen den zeitlichen Ablauf einer Prüfung

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von der Auftragsannahme (IDW PS 220 und ISA 210);

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der Prüfungsplanung (IDW PS 240, §§ 4 Abs. 3, 24a Berufssatzung und ISA 300);

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dem Einsatz von Methoden zur Erlangung von Prüfungsnachweisen (z.B. IDW PS 260, 300, 301, 302, 312, 314 und ISA 500 ff.); Prüfungsnachweise (audit evidence) sind durch eine i.S.d. Risikomodells geeignete Kombination der nachstehend genannten Methoden zu erlangen: Systemprüfungen, analytische Prüfungen (Plausibilitätsbeurteilungen; Richtsatz- und Kennziffernprüfung) sowie Einzelfallprüfungen (bewusste und/oder zufällige Auswahl der zu prüfenden Geschäftsvorfälle und Salden). Setzt der Mandant IT-gestützte Informationssysteme (insbes. IT-gestützte Rechnungslegung) ein, hat der Prüfer hieraus resultierende Einflüsse auf den Einsatz der zuvor genannten Methoden zu berücksichtigen (IDW PS 330, IDW PH 9.330.1, ISA 315, 330).

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den begleitenden Dokumentations- und Kommunikationserfordernissen (§ 51b WPO, IDW PS 460, ISA 230, 260);

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über die Urteilsbildung (ISA 700.2) bis hin zur Aggregation von Teilurteilen zu einem Gesamturteil. Hierzu finden sich keine ins Detail gehende Normen. Als Regeln zur Verwendung der Arbeit von Anderen (Ergebnisse Dritter) sind IDW PS 320, 321, 322 und ISA 600, 610, 620 zu nennen.

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Auch die Berichterstattung ist normiert: Zentrales Instrument der externen Berichterstattung ist der Bestätigungsvermerk (§ 322 HGB, IDW PS 400 und ISA 700, 700R, 701). Intern erfolgt die Berichterstattung in Deutschland im schriftlich abzufassenden Prüfungsbericht (§ 321 HGB, IDW PS 450).


Die fachtechnischen Normen geben die prozessuale Orientierung teilweise bewusst auf, um sich abgegrenzten Bereichen zuzuwenden, die als besonders bedeutsam erachtet werden. Hervorzuheben sind hier die Frage nach der Aufdeckung absichtlicher Handlungen, die zu wesentlichen Falschdarstellungen im Jahresabschluss führen (sog. fraud; IDW E-IPS 240 und ISA 240), sowie die Frage, ob und inwieweit eine Pflicht zur Prüfung der going concern-Annahme besteht (§§ 317 Abs. 1 Satz 3 HGB, IDW E-IPS 240, ISA 240). Zudem hat der Prüfer sonstige Informationen in Dokumenten (z.B. Geschäftsbericht; Börsenprospekt; Prospektbeurteilung), die einen Jahresabschluss beinhalten, durchzusehen, um wesentliche Widersprüche zu dem geprüften Abschluss festzustellen (IDW PS 202; ISA 720).
Darüber hinaus lassen sich sachlich abgegrenzte Bereiche identifizieren, bei denen Besonderheiten des Prüfungsobjektes und/oder spezifische nationale oder internationale Prüfungserfordernisse eine eigenständige Behandlung sinnvoll erscheinen lassen. Nur nationale Rechnungslegungs- und Prüfungsnormen existieren für die Prüfung des Lageberichtes (§ 317 II HGB i.V.m. IDW PS 350), für Gemeinschaftsprüfungen (IDW PS 208) sowie für die Prüfung des Risikoüberwachungssystems (§ 317 IV HGB i.V.m. IDW PS 340). Als nur in den internationalen Normen behandelte Sachverhalte sind z.B. die Prüfung von Konzernabschlüssen (ED ISA 600), von Segmentberichten (ISA 501.42-45), von Finanzinstrumenten (IAPS 1012) sowie die Behandlung von Umweltaspekten bei der Abschlussprüfung (IAPS 1010) zu nennen.

b) Ethische Normen


Im Prüfungskontext berühren ethische Normen moralische Wertvorstellungen, die das Verhalten des Prüfers gegenüber dem Mandanten, den eigenen Standesgenossen sowie der Öffentlichkeit betreffen. In einem marktwirtschaftlich orientierten System sprechen ethische Normen vorzugsweise den Zielkonflikt von Gewinnerzielung und Erlangung eines vertrauenswürdigen Urteils an.
In Deutschland behandeln verschiedene Normenquellen ethische Fragestellungen (HGB, WPO, Berufssatzung). Die IFAC kennzeichnet die ethischen Regelungen formal als eigenständige Normenart (Code of Ethics). Die internationalen ethischen Normen geben fundamentale ethische Prinzipien sowie einen Bezugsrahmen zur Anwendung dieser Prinzipien vor. Dieser Bezugsrahmen hält den Prüfer nicht zur Einhaltung spezifischer Regeln an, sondern soll ihn dabei unterstützen, Gefährdungen der Unabhängigkeit (threats) zu identifizieren und zu beurteilen; ggf. muss der Prüfer Schutzmaßnahmen (safeguards) anwenden, um die Gefährdungen zu beseitigen oder auf ein akzeptables Niveau zu reduzieren (threats and safeguards-approach). Gleichwohl erkennt die IFAC ausdrücklich an, dass es aufgrund der nationalen Unterschiede in den kulturellen, sprachlichen, rechtlichen und sozialen Systemen primär den nationalen Mitgliedsorganisationen obliegt, detaillierte ethische Anforderungen aufzustellen. Daher muss der Prüfer regelmäßig auf die nationalen Normen zurückgreifen (Hayes, /Dassen, /Schilder, /Wallage, 2005; Ruhnke, 2000).
Ethische Normen regeln u.a. die folgenden Problemkreise:

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Integrität und Objektivität (§§ 43 I und 49 WPO; §§ 1 f., 20, 23 Berufssatzung, § 319 II, III HGB; Code of Ethics, Sec. 110, 120),

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Lösung ethischer Konflikte (Code of Ethics, Sec. 100.16 ff.),

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Verschwiegenheit (§ 323 HGB; § 43 I WPO; §§ 9 f. Berufssatzung; Code of Ethics, Sec. 140),

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Erfordernis der tatsächlichen und der äußerlichen Unabhängigkeit (§§ 43 I, 49 WPO; § 319 II, III, 319a HGB; §§ 2 und 20 – 24 Berufssatzung; Code of Ethics, Sec. 290),

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Honorarvereinbarungen (§ 55a WPO, § 27 Berufssatzung; Code of Ethics, Sec. 240),

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auftragsbezogene und öffentliche Werbung (§ 52 WPO; §§ 31 – 36 Berufssatzung; Code of Ethics, Sec. 250).

c) Ausbildungsnormen


Ausbildungsnormen regeln den Berufsweg zum WP von der Zulassung für das Wirtschaftsprüferexamen, der Bestellung und Ausübung des Berufs bis hin zu den Ausbildungserfordernissen, die sich im Zuge der Berufsausübung ergeben. International existieren mit den International Education Standards (IES) und International Education Guidelines (IEG) eigenständige Ausbildungsnormen. Dabei obliegt es wiederum den nationalen Mitgliedsorganisationen, detaillierte Ausbildungsnormen festzulegen (IFAC, 2005).
Die (nationalen) Ausbildungsnormen lassen sich, dem Werdegang des WP folgend, in die Bereiche

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Zugang zum Wirtschaftsprüferberuf (§§ 5 – 14, 131 WPO; konkretisierend in der Wirtschaftsprüferprüfungsverordnung) und

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Weiterbildungserfordernisse (§ 43 II Satz 4 WPO; § 6 I Berufssatzung; konkretisierend in VO 1/1993 und E-VO 1/2005)


systematisieren. Die internationalen Normen gehen in beiden Bereichen teilweise fachlich weiter und greifen auch ethische Aspekte einer Prüferausbildung auf (IEG 10.16 – 19).

d) Qualitätsnormen


Die Normen zur internen Qualitätssicherung umfassen sämtliche Maßnahmen, die eine WP-Praxis zu ergreifen hat, um die Einhaltung ihrer beruflichen Pflichten sicherzustellen. Die Maßnahmen umfassen Regelungen zur allgemeinen Praxisorganisation, zur Auftragsabwicklung sowie zur internen Nachschau (Berichtskritik). International sind vor allem ISQC 1 und ISA 220 bedeutsam. Nahezu alle Anforderungen dieser Standards werden durch E-VO 1/2005 in eine deutsche Norm transformiert; besonders relevant auf nationaler Ebene sind weiterhin §§ 55b, 57a, 130 Abs. 1 WPO sowie VO 1/1993 und VO 1/1995.
Die externe Qualitätskontrolle ist eine Systemprüfung zum Zwecke der Beurteilung von Angemessenheit und Wirksamkeit der Grundsätze und Maßnahmen zur internen Qualitätssicherung. Eine solche Kontrolle ist gem. 8. EU-Richtlinie sowie international gem. SMO 1 obligatorisch. National verpflichtet § 57a Abs. 1 WPO den gesetzlichen Abschlussprüfer hierzu; weitere zentrale nationale Normen sind § 319 Abs. 1 HGB, §§ 57b – h WPO, IDW PS 140 und IDW PH 9.140.

e) Durchsetzungsnormen


Die allein auf nationaler Ebene bestehenden Durchsetzungsnormen setzen Anreize zur Erfüllung der präskriptiven Funktion der zuvor angesprochenen Normenarten. Zivilrechtliche Haftungsnormen legen Schadensersatzbeiträge fest, die der Prüfer im Fall einer nicht-normenkonformen Prüfung für den hieraus entstandenen Schaden zu entrichten hat. Als Haftungsgläubiger kommen neben dem Mandanten (Auftraggeberhaftung) auch Dritte wie z.B. Gläubiger und Investoren (Dritthaftung) in Betracht (§ 323 HGB; §§ 823, 826 BGB).
Dagegen zielen die nachstehend genannten reinen Anreiznormen nicht direkt darauf ab, einen entstandenen Schaden zu ersetzen. Vielmehr drohen sie dem Prüfer (unabhängig von einem eingetretenen Schaden) im Falle eines normenabweichenden Verhaltens mit

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berufsrechtlichen (Disziplinaraufsicht durch die WPK oder Berufsgerichtsbarkeit; §§ 57, 63, 67 ff. WPO),

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strafrechtlichen (Verletzung der Berichtspflicht oder der Geheimhaltungspflicht; §§ 332 f. HGB) oder

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ordnungsrechtlichen (§ 334 II, III HGB)


Konsequenzen.

V. Zu den Problemen der Normensetzung


Während sich bestimmte Anforderungen an Normen (z.B. hinsichtlich ihrer Widerspruchsfreiheit, Vollständigkeit und Eindeutigkeit) zweifelsfrei formulieren lassen, gestaltet sich die Frage nach einer geeigneten Normenstruktur weitaus schwieriger. Der Strukturgehalt (Detaillierungsgrad) einer Norm ist stets dem zu regelnden Sachverhalt anzupassen: Strukturtiefe Normen sind einer Objektivierung des prüferischen Vorgehens und einer hohen Prüfungsqualität zumeist dienlich, wenn es gilt, klar strukturierte Prüfungsaufgaben in einem stabilen Umfeld zu normieren. Dagegen ist bei Prüfungsaufgaben hoher Komplexität in einem dynamischen Umfeld von Normen mit hohen Strukturvorgaben abzuraten. In diesem Sinne deuten empirische Studien darauf hin, dass Prüfungsnormen, die versuchen, die Aufdeckung betrügerischer Handlungen durch den Einsatz strukturgebender Prüfungstechniken (z.B. red-flag-Fragebögen) zu unterstützen, die Aufdeckung solcher Handlungen nicht fördern, sondern behindern.
Empirische Belege stützen zudem die Annahme einer nur bedingten Steuerbarkeit ethischen Verhaltens über Normen, die versuchen, dieses Verhalten direkt und detailliert vorzuschreiben. Gleichwohl lässt sich ethisches Verhalten zumindest bedingt erlernen; dies würde z.B. dafür sprechen, den Prüfer über Ausbildungsmaßnahmen hinsichtlich ethischer Aspekte zu sensibilisieren (IEG 10.7 – 19).
Darüber hinaus bestehen weitere Problemfelder der Normensetzung: Beispielsweise wäre zu fragen, wie der Prozess des standard setting auszugestalten ist und wie Entscheidungen über die Verabschiedung von Normen herbeizuführen sind, damit die gesetzten Prüfungsnormen dem öffentlichen Interesse entsprechen (Ruhnke, 2000).
Literatur:
Bailey, L. P. : 2005 Miller GAAS Guide, 2005, San Diego u.a. 2005
BGH, : Urteil v. 21.04.1997, in: BB 1997, S. 1470 – 1472
Forster, K. H. : Generally accepted auditing standards, in: HWR, hrsg. v. Chmielewicz, K./Schweitzer, M., 3. A., Stuttgart 1990, Sp. 2206 – 2215
Hayes, R./Dassen, R./Schilder, A./Wallage, P. : Principles of auditing, an international perspective, 2. A., London u.a. 2005
IFAC, : Handbook of International Auditing, Assurance and Ethics Pronouncements 2005, New York 2005
Marten, K.-U./Quick, R./Ruhnke, K. : Wirtschaftsprüfung, 2. A., Stuttgart 2003
OLG Düsseldorf, : Urteil v. 27.06.1996, in: WPK-Mitt. 1996, S. 342 – 346
Ruhnke, K. : Normierung der Abschlussprüfung, Stuttgart 2000

 

 


 

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