Lagebericht
Inhaltsübersicht
I. Grundlagen
II. Grundsätze ordnungsmäßiger Lageberichterstattung
III. Inhalt des Lageberichts nach § 289 HGB
IV. Besonderheiten des Konzernlageberichts
V. Vergleich mit internationalen Vorschriften und Entwicklungen
VI. Prüfung des Lageberichts
I. Grundlagen
1. Aufstellungs- und Offenlegungspflicht, Sanktionen
Ein Lagebericht nach § 289 HGB ist gemäß § 264 I Satz 1 HGB grundsätzlich von allen Kapitalgesellschaften zu erstellen. Für kleine Kapitalgesellschaften besteht nach § 264 I Satz 3 1. Halbsatz HGB eine Ausnahme. Tochterunternehmen können von der Aufstellung eines Lageberichts nach den Kriterien des § 264 III HGB befreit sein. Personengesellschaften, bei denen nicht mindestens ein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist, werden gemäß § 264a I HGB wie Kapitalgesellschaften behandelt.
Unternehmen, die nach den Kriterien des § 290 HGB einen Konzernabschluss erstellen, müssen einen Konzernlagebericht nach § 315 HGB erstellen. Ausländische Mutterunternehmen, die einen befreienden Konzernabschluss nach den Vorschriften der §§ 291 oder 292 HGB i.V.m. der Konzernbefreiungsverordnung aufstellen, müssen einen Konzernlagebericht aufstellen, der mit Artikel 36 der 7. EG-Richtlinie übereinstimmt bzw. gleichwertig ist. Unternehmen, die einen Konzernabschluss nach international anerkannten Rechnungslegungsgrundsätzen erstellen (§ 292 a HGB), müssen sich, um den Einklang mit den EG-Richtlinien und die gleichwertige Aussagekraft mit einem Konzernabschluss nach HGB zu erreichen, bei der Berichterstattung an §§ 289, 315 HGB orientieren; eine Berichterstattung gemäß Art. 36 der 7. EG-Richtlinie gilt als nicht ausreichend (Dörner, /Bischof, 1999).
Unternehmen, die nach dem PublG rechnungslegungspflichtig sind und keine Einzelkaufleute oder Personenhandelsgesellschaften sind (§ 5 II PublG), müssen einen Lagebericht aufstellen. Für den Konzernlagebericht bestehen keine Ausnahmen für Mutterunternehmen mit dieser Rechtsform. Weiterhin müssen Genossenschaften (§ 336 HGB), Kreditinstitute (§ 340 a I, § 340 i I HGB), Versicherungsunternehmen (§ 341 a I, § 341 i I HGB), gemeinnützige Wohnungsunternehmen (§ 23 II WGGDV), Verwertungsgesellschaften gemäß § 9 I des Gesetzes über die Wahrnehmung von Urheberrechten und verwandten Schutzrechten, privatrechtliche Unternehmen, bundesunmittelbare juristische Personen des öffentlichen Rechts, an denen die öffentliche Hand beteiligt ist (§ 65 I Nr. 4 i.V.m. § 112 II BHO), und kommunale Eigenbetriebe (§§ 270 I, 278 III EigVO (NRW)), einen Lagebericht aufstellen (Lück, 1995).
Wird ein Lagebericht freiwillig erstellt, hat er auch dann die Vorschriften des § 289 HGB zu beachten, wenn kein Bestätigungsvermerk nach § 322 HGB unter Beachtung des Abs. 3, der den Lagebericht berührt, erteilt werden soll (Dörner, /Bischof, 1999; a.A. Wiedmann, H. 1999).
Der Lagebericht ist nach § 264 I Satz 2 HGB von den gesetzlichen Vertretern zusammen mit dem Jahresabschluss grundsätzlich innerhalb der ersten drei Monate des Geschäftsjahres für das vorhergehende Geschäftsjahr aufzustellen; für den Konzernlagebericht gilt nach § 290 I HGB grundsätzlich eine fünfmonatige Frist. Sämtliche Mitglieder der Unternehmensleitung sind für den Inhalt des Lageberichts verantwortlich, auch wenn die Aufstellung im Rahmen einer internen Geschäftsverteilung einem Mitglied der Unternehmensleitung übertragen wird. Die Offenlegung richtet sich nach den allgemeinen Publizitätsvorschriften für Kapitalgesellschaften nach §§ 325 ff. HGB. Darüber hinaus sind Sondervorschriften für Kreditinstitute, Versicherungen oder Genossenschaften zu beachten.
Eine unrichtige Wiedergabe oder Verschleierung der Verhältnisse der Kapitalgesellschaft durch die gesetzlichen Vertreter im Lagebericht wird gemäß § 331 Nr. 1 HGB mit Freiheits- oder Geldstrafen geahndet; Ordnungsgelder nach § 334 I Nr. 3 HGB können verhängt werden, wenn die gesetzlichen Vertreter bei der Aufstellung die verpflichtenden Mindestangaben nicht erfüllen (Ellrott, 1999a).
2. Lagebericht als Ergänzung des Jahresabschlusses
Der Lagebericht ist nicht Teil des Jahresabschlusses, sondern stellt einen eigenständigen Teil zur Rechenschaftslegung und Informationsvermittlung dar (Ellrott, 1999a; Wiedmann, H. 1999).
Der Lagebericht soll die Adressaten dabei unterstützen, sich ein Bild über die tatsächliche Unternehmensentwicklung im abgelaufenen Geschäftsjahr inkl. des Geschäftsergebnisses und die zukünftige Entwicklung des Unternehmens zu machen. Der Lagebericht hat somit Rechenschaftsfunktion über den Geschäftsverlauf und das -ergebnis sowie eine Informationsfunktion über die wirtschaftliche Lage (Ellrott, 1999a). Dazu soll der Lagebericht den Jahresabschluss um wichtige Informationen ergänzen, die nicht in Bilanz, Gewinn- und Verlustrechnung und Anhang gegeben werden können.
Da insbesondere abbildungsverzerrende Bilanzierungsnormen nur einen begrenzten Einblick erlauben, ist es sachgerecht, dem Jahresabschluss einen Lagebericht zur Seite zu stellen, der diesen Einschränkungen nicht unterliegt. Der Verzicht auf den Vorbehalt der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung bringt diese Korrekturfunktion zum Ausdruck (Sieben, 1987). Neben der zeitlichen Ergänzung des Jahresabschlusses durch Prognoseinformationen sind sachliche Erweiterungen durch Informationen mit „ qualitativem Charakter “ möglich. Im Lagebericht ist beispielsweise über die Absatz- und Personallage oder die Marktstellung zu informieren.
Mit der Fair Value-Richtlinie und der Modernisierungs-Richtlinie wurden Erweiterungen und v.a. Konkretisierungen der bisherigen Regelungen zur Lageberichterstattung auf EU-Ebene verabschiedet. Mit dem Bilanzrechtsreformgesetz (BilReG) zogen diese Änderungen auch in das deutsche Recht ein, die für nach dem 31.12.2004 beginnende Geschäftsjahre anzuwenden sind. Eine Konkretisierung der abstrakten gesetzlichen Regelungen für den Konzernlagebericht stellt der DRS 15 vom Dezember 2004 dar, der damit den IDW RS HFA 1 ersetzt; vom IDW wurden daneben im Jahr 2005 die Rechnungslegungshinweise IDW RH HFA 1.005 und IDW RH HFA 1.007 erlassen. Da die gesetzlichen Anforderungen der §§ 289, 315 HGB an Lagebericht und Konzernlagebericht weitgehend identisch sind, kann DRS 15 analog auf den Lagebericht angewendet werden.
II. Grundsätze ordnungsmäßiger Lageberichterstattung
Da keine gesetzlichen Gliederungsvorschriften im Einzelnen vorliegen, besteht grundsätzlich Gestaltungsfreiheit über die Form, den Aufbau und den Umfang des Lageberichts. Wird im Geschäftsbericht nur eine verkürzte Version abgedruckt, ist auf den vollständigen Lagebericht hinzuweisen (Dörner, /Bischof, 1999). Laut DRS 15 sind die allgemeinen Grundsätze der Vollständigkeit, Richtigkeit, Klarheit und Übersichtlichkeit sowie die Grundsätze der Vermittlung der Sicht der Unternehmensleitung und der Konzentration auf die nachhaltige Wertschaffung zu beachten (Ellrott, 1999a).
Der Grundsatz der Vollständigkeit verlangt keine lückenlose Berichterstattung über alle Geschäftsvorfälle, es muss jedoch eine Gesamtbeurteilung des Geschäftsverlaufs, der Lage und der voraussichtlichen Entwicklung unter Einfluss wesentlicher Chancen und Risiken möglich sein. Chancen und Risiken dürfen dabei nicht saldiert werden. Umfang und Auswahl der berichtspflichtigen Sachverhalte orientieren sich neben der Wesentlichkeit auch an der Größe, der Branche und der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens.
Der Umfang der Berichterstattung im Lagebericht hat sich an den Informationsinteressen der Adressaten zu orientieren. Auch wenn diese Informationsinteressen heterogen sind, ist von besonderem Interesse, ob der Fortbestand des Unternehmens gesichert ist (Baetge, /Schulze, D. 1998). Dies dürfte nur die Untergrenze darstellen: Es sollte darüber hinaus über jene Sachverhalte informiert werden, die für den Aufsichtsrat und die Gesellschafter-/Hauptversammlung wichtig sind für die Feststellung des Jahresabschlusses, die Gewinnverteilung oder die Entlastung der Geschäftsführung (Ellrott, 1999a).
Umstritten ist, ob Informationen, deren Veröffentlichung einen erheblichen Nachteil für das Unternehmen bedeutet, mit diesem Hinweis unterlassen werden können. Bei Angaben im Risikobericht über die zukünftige Entwicklung wird die Gefahr sich selbst erfüllender Prognosen gesehen. Bei einer Abwägung ist jedoch die Schützwürdigkeit der Adressaten höher als die des Unternehmens zu sehen, da ja gerade der Risikobericht eine Früherkennung ermöglichen soll (Küting, /Hütten, 1997; Baetge, /Schulze, D. 1998; Dörner, /Bischof, 1999).
Der Grundsatz der Richtigkeit von Angaben im Lagebericht ist mit einem Verschweigen oder „ Schönreden “ von Sachverhalten nicht zu vereinbaren (Ellrott, 1999a). Für Verlaufs- und Zustandsprognosen im Lagebericht wird verlangt, dass sie intersubjektiv nachprüfbar und plausibel sind, nicht im Widerspruch zum Jahresabschluss oder anderen Unterlagen und den wirtschaftlichen Tatsachen stehen sowie Folgerungen aus den zugrunde liegenden Prämissen und Angaben rechnerisch und sachlich richtig sind und willkürfrei gezogen wurden (Dörner, /Bischof, 1999). Es ist ausgewogen über Chancen und Risiken zu berichten, Meinungen und Tatsachen sind ebenso zu trennen wie zukunftsbezogene und stichtags- oder vergangenheitsbezogene Informationen. Hinsichtlich zukunftsbezogener Aussagen ist darauf hinzuweisen, dass die tatsächliche von der erwarteten Entwicklung abweichen kann (DRS 15.14-16).
Der Grundsatz der Klarheit und Übersichtlichkeit verlangt, dass der Lagebericht als solcher zu kennzeichnen und insbesondere gegenüber freiwilligen Angaben im (ungeprüften) Geschäftsbericht oder dem Anhang (als Teil des Jahresabschlusses) abzugrenzen ist. Die Ausführungen haben klar und eindeutig zu sein, sie dürfen nicht an anderer Stelle des Berichts relativiert werden. Um die Vergleichbarkeit im Zeitablauf zu verbessern, ist ein stetiger und einheitlicher Berichtsaufbau anzustreben (Dörner, /Bischof, 1999).
Der Grundsatz der Vermittlung der Sicht der Unternehmensleitung entspringt dem Management Approach, durch den die Einschätzung der einzelnen Berichtsteile durch das Management in den Vordergrund gestellt wird. Es wird mit zusätzlichen Informationen über interne Entscheidungsprozesse gerechnet (DRS 15.28; Fink, /Keck, 2005).
Der ebenfalls neue Grundsatz der Konzentration auf die nachhaltige Wertschaffung entspricht dagegen der Shareholder Value- bzw. Wertorientierung der Unternehmenssteuerung. Der Grundsatz fordert, dass alle finanziellen und nichtfinanziellen Leistungsindikatoren mit wesentlichem Einfluss auf den künftigen Unternehmenswert angegeben und erläutert werden. Dazu sind vergangenheits- und gegenwartsbezogene Informationen angemessen aufzubereiten, um dem Lageberichtsadressaten als Prognosegrundlage zu dienen (DRS 15.30).
III. Inhalt des Lageberichts nach § 289 HGB
1. Überblick
Nach den gesetzlichen Vorschriften des § 289 I HGB sind im Lagebericht der Geschäftsverlauf inkl. Des Geschäftsergebnisses und die Lage so darzustellen, dass ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild vermittelt wird. Die Darstellung von Geschäftsverlauf und Lage sind miteinander verbunden, wenngleich der Begriff der Lage zukunftsbezogen zu interpretieren ist, während der Geschäftsverlauf und das Geschäftsergebnis auf das abgelaufene Geschäftsjahr bezogen werden. Der Lagebericht hat unter Berücksichtigung bedeutsamer finanzieller Leistungsindikatoren eine ausgewogene, umfassende sowie dem Umfang und der Komplexität der Geschäftstätigkeit entsprechende Analyse des Geschäftsverlaufs und der Lage zu beinhalten (Wirtschaftsbericht). Ferner ist seit dem BilReG die Berichterstattung über die Risiken der künftigen Entwicklung um die entsprechenden Chancen zu erweitern. Damit ist der (Chancen- und) Risikobericht mit dem Prognosebericht verbunden; Letzterer ist somit auch Pflichtbestandteil des Lageberichts.
In § 289 II HGB werden mit den Vorgängen von besonderer Bedeutung nach dem Ende des Geschäftsjahres (Nachtragsbericht), Finanzinstrumenten, Forschung und Entwicklung sowie bestehenden Zweigniederlassungen konkrete Inhalte der Berichterstattung genannt. Die als Soll-Vorschrift formulierte Anforderung ist so zu interpretieren, dass eine Angabe erfolgen muss, wenn die Sachverhalte vorliegen. Die Angaben sind keineswegs fakultativ (Sieben, 1987; Wiedmann, H. 1999).
In § 289 HGB wird nur ein Mindestumfang zur Lageberichterstattung festgelegt. Weitere freiwillige Angaben sind üblich (Wiedmann, H. 1999).
2. Geschäftsverlauf und Lage (Wirtschaftsbericht)
Der Geschäftsverlauf liefert einen Überblick über die Entwicklung des Unternehmens in der abgelaufenen Periode. Dabei ist eine Wertung des Managements gefordert, ob es diese Entwicklung als günstig oder ungünstig beurteilt. Insbesondere ist auf die Entwicklung der Branche und die Stellung des Unternehmens in der Branche einzugehen. Im Einzelnen ist über Umsatz- und Auftragsentwicklung, Veränderungen im Produktsortiment, Beschaffung und Veränderungen in der Beschaffungsstrategie, Sach- und Finanzinvestitionen, Finanzierungsmaßnahmen und -vorhaben, Personal und Umweltschutz zu berichten.
Weiterhin ist über wichtige Ereignisse des Geschäftsjahres zu berichten. Darunter fallen der Erwerb oder die Veräußerung von wesentlichen Beteiligungen und Geschäftsfeldern, Spaltungen oder Ausgliederungen, Abschluss oder Beendigung wichtiger Unternehmensverträge, Kooperationen oder Veränderungen der Gesellschafterstruktur (Ellrott, 1999a). Ein Katalog über notwendige Angaben kann keineswegs vollständig sein, er hat lediglich Beispielcharakter. Mithilfe dieser Informationen soll sich ein kundiger Leser selbstständig ein Bild vom Geschäftsverlauf des Unternehmens und seinen Einflussgrößen machen können.
Die Lage kann man analog zum true and fair view-Prinzip als Vermögenslage, Finanzlage und Ertragslage verstehen (Ellrott, 1999a).
Im Rahmen der Berichterstattung über die Ertragslage sollte über die Fähigkeit, zukünftige Erträge zu generieren, berichtet werden. Dazu ist ein bereinigtes Jahresergebnis anzugeben, in dem ungewöhnliche, außerordentliche oder steuerliche Einflüsse sowie Änderungen von Ansatz- und Bewertungsvorschriften gegenüber dem Vorjahr eliminiert werden. Häufig wird ein Ergebnis nach DVFA/SG ausgewiesen. Hinsichtlich der Umsatzentwicklung sind Angaben über die Ursachen wesentlicher Preis- oder Mengenänderungen zu machen. Erwartungen über zukünftige Erträge sind zu machen, wenn sie wesentlich von den in der Vergangenheit erwirtschafteten Erträgen abweichen. Börsennotierte Aktiengesellschaften berichten häufig freiwillig anhand von Shareholder-Value-Kennzahlen über den Erfolg des Unternehmens oder von einzelnen Geschäftsbereichen.
Im Rahmen der Finanzlage soll neben den Grundsätzen und Zielen des Finanzmanagements über nicht bilanzwirksame Finanzinstrumente und Haftungsverhältnisse berichtet werden. Nur im Einzelfall werden zukunftsbezogene Angaben zur finanziellen und liquiditätsmäßigen Situation empfohlen. Es sollte jedoch über durchgeführte und anstehende Kapitalerhöhungen bzw. -herabsetzungen sowie über die Kreditpolitik berichtet werden (Ellrott, 1999a). Ein Hinweis auf Kreditlinien oder andere noch nicht ausgeschöpfte Finanzierungsquellen erfolgt i.A. nicht. Eine umfassende Berichterstattung über die Finanzlage ist durch die Bindung an vergangene Daten nur begrenzt möglich (Selchert, 1999).
Für die Beurteilung der Vermögenslage wird die Offenlegung von Höhe und Zusammensetzung des Vermögens verlangt, insbesondere ist auf nicht bilanzierte Finanzinstrumente und selbst geschaffene Vermögenswerte einzugehen. Darüber hinaus wird empfohlen, stille Reserven anzugeben sowie die Entwicklung der Vermögenslage mit Strukturkennzahlen darzustellen (Fink, /Keck, 2005); dabei werden Zeitvergleiche und ein Benchmarking mit branchenüblichen Werten vorgeschlagen (Dörner, /Bischof, 1999).
Eine Gesamtaussage zur aktuellen wirtschaftlichen Lage beschließt den Wirtschaftsbericht.
3. Nachtragsbericht
Die Berichterstattung im Lagebericht unterliegt keinem Stichtagsprinzip. Durch die Berichterstattung über Vorgänge von besonderer Bedeutung nach dem Schluss des Geschäftsjahres soll die Aktualität der Berichterstattung verbessert werden. Insbesondere sollen die Eigentümer informiert werden, bevor diese in der Gesellschafter-/Hauptversammlung über die Entlastung der Geschäftsleitung und die Gewinnverwendung abstimmen (Ellrott, 1999a). Die Berichterstattung hat grundsätzlich alle Bereiche zu umfassen, über die im Zusammenhang mit dem Geschäftsverlauf der abgelaufenen Periode zu berichten ist. Falls keine Vorgänge aufgetreten sind, ist eine Negativerklärung erforderlich.
Eine alleinige Konzentration auf negative Entwicklungen erscheint nicht sachgerecht. Auch auf positive Entwicklungen, die nach dem Stichtag eingetreten sind, ist hinzuweisen (Wiedmann, H. 1999). Allerdings haben negative Entwicklungen wegen der Schutzfunktion eine größere Bedeutung (Ellrott, 1999a). Die Ergebniswirkungen werden nicht offen gelegt. Eine Quantifizierung der Vorgänge erfolgt i.A. nicht.
4. Risikobericht
Die mit dem Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG) gesetzlich verankerte Pflicht zur Risikopublizität wurde mit dem BilReG um die Berichterstattung der wesentlichen Chancen erweitert. Durch sie soll den Adressaten die Risikosituation des Unternehmens bewusst gemacht werden (Ellrott, 1999a). Für inhaltliche Konkretisierungen verweist DRS 15.83 auf DRS 5 zur Risikoberichterstattung (Fink, /Keck, 2005).
Offen ist der Begriff des Risikos. Ist er umfassend als Unsicherheit über die zukünftige Entwicklung oder enger als die Gefahr ungünstiger Entwicklungen zu verstehen? Die mit der Rechnungslegung verbundene Schutzfunktion für die Gläubiger und Eigenkapitalgeber lässt vermuten, dass der Begriff des Risikos auf die Beeinflussung der vorrangig finanziellen Entscheidungen der Adressaten abstellt.
Eine umfassende und detaillierte Berichterstattung kann vom Gesetzgeber nicht gewollt sein, zumal dann über bereits getroffene oder erst noch geplante unternehmerische Maßnahmen berichtet werden müsste (Moxter, 1997). Im Interesse der Klarheit sollte sich die Darstellung auf Risikokonzentrationen und bestandsgefährdende Risiken beschränken, die zu Risikokategorien zusammenzufassen sind (DRS 5.12-16).
In der Kommentierung werden umfassende Kataloge mit möglichen berichtspflichtigen Risiken aufgeführt. Dort ist die Rede von Preis-, Wechselkurs- und Zinsrisiken, Gefahr von Lohnforderungen, branchenbezogene Risiken wie Marktveränderungen, Wettbewerbsbedingungen oder Verbrauchsverschiebungen, Engpässe oder Abhängigkeiten bei Produktion, Absatz, Personal oder Investitionen und Finanzierung (Ellrott, 1999a). Eine bloße Nennung dürfte nicht ausreichend sein, vielmehr sind die Ursachen und Auswirkungen anzugeben. Daneben ist noch eine Risikobewertung erforderlich. Diese verlangt eine Quantifizierung der Risiken nach Verlusthöhe und Eintrittswahrscheinlichkeit (DRS 5.18 – 20; Dörner, /Bischof, 1999; Baetge, /Schulze, 1998; Küting, /Hütten, 1997).
Die Frage des Fortbestands hat bei der Berichterstattung über Risiken einen besonderen Stellenwert. Daher hat für jeden Abschlussstichtag eine auf den Verhältnissen dieses Zeitpunktes beruhende, zukunftsbezogene Einschätzung hinsichtlich der Insolvenzgefährdung des Unternehmens zu erfolgen. Insbesondere wenn von der Fortführung nicht mehr auszugehen ist bzw. Anhaltspunkte für eine bedrohte Unternehmensfortführung vorliegen, muss dies im Lagebericht deutlich und unter Angabe von Gründen bzw. Anhaltspunkten dargestellt werden. Auch wenn bestandsgefährdende Sachverhalte noch nicht den Bestand des Unternehmens unmittelbar bedrohen, ist auf solche Gefährdungen hinzuweisen.
5. Prognosebericht
Neben den Chancen und Risiken ist aber allgemein über die zukünftige Entwicklung zu berichten. Die Erwartungen an einen Lagebericht sollten nicht überzogen sein: Zum einen kann eine umfassende Berichterstattung über zukünftig erwartete Zahlungsströme im Rahmen einer externen Rechnungslegung oder eine umfassende Auflistung der den Unternehmenserfolg bestimmenden Faktoren nicht erwartet werden (Moxter, 1997; Sieben, 1987). Unternehmen würden auf diese Weise große Teile ihrer internen Planungsinformationen preisgeben, was in einer Wettbewerbswirtschaft nicht unproblematisch ist. Zum anderen zeigen Untersuchungen über die bisherige Praxis der Rechnungslegung, dass Prognosen i.A. kaum erfolgen (Sorg, 1994; Krumbholz, 1994; Ballwieser, 1997; Brotte, 1997).
Der Berichtsinhalt orientiert sich am pflichtgemäßen Ermessen der Geschäftsleitung (Management Approach; Ellrott, 1999a). Die besondere Problematik bei der Abgabe von Prognosen über die zukünftige Entwicklung ergibt sich aus der Tatsache, dass zwischen denen, die eine Prognose erstellen, und jenen, die sie nutzen, Interessenunterschiede bestehen. Prognosen sind insbesondere unter dem Aspekt der intersubjektiven Nachprüfbarkeit zu sehen.
Allgemeine Aussagen über die Erwartung, dass alle Vorgaben in der Zukunft erreicht werden, sind für den Adressaten ohne Informationsgehalt (Sieben, 1987). Bei Prognosen über die voraussichtliche Entwicklung sind die zugrunde liegenden Annahmen und Wirkungszusammenhänge im Lagebericht zu erläutern. Dabei sind die Art der Schätzung und der Zeithorizont anzugeben. Da einwertige Schätzungen wegen der Zukunftsunsicherheit eine Scheingenauigkeit vortäuschen, sollten Bandbreiten oder vergleichende verbale Darstellungen bevorzugt werden. Prognosen sollten sich nicht von Wunschvorstellungen der Unternehmensleitung leiten lassen, aber auch nicht einer pessimistischen oder imparitätischen Sichtweise folgen (Dörner, /Bischof, 1999).
Hinsichtlich der sonstigen Chancen und Risiken ist darzustellen, wie sie sich innerhalb eines überschaubaren Zeitraums, es ist die Rede von zwei Jahren nach dem Abschlussstichtag, auf die Vermögenslage, Finanzlage und Ertragslage auswirken; bei Unternehmen mit längeren Marktzyklen oder komplexen Projekten wird ein längerer Prognosezeitraum empfohlen. Aufgrund der zunehmenden Unsicherheit sollten Prognosen für einen längeren Zeithorizont für die kommenden Geschäftsjahre getrennt angegeben werden (DRS 15.84, 15.87, 15.120).
6. Finanzinstrumente
Bezüglich der Verwendung von Finanzinstrumenten sind entsprechende Angaben zu den Zielen und Methoden des Risikomanagements sowie zu den mit dem Einsatz verbundenen Preisänderungs-, Liquiditäts-, Ausfall- und Zahlungsstromrisiken zu machen. In Bezug auf Sicherungsgeschäfte sind die Absicherungsmethoden anzugeben. Diese Angaben sind jedoch nur anzuführen, wenn sie für die Beurteilung der Lage oder der zukünftigen Entwicklung von Belang sind (§§ 289 II, 315 II HGB).
7. Forschung und Entwicklung
Die Bedeutung der Berichterstattung über Forschung und Entwicklung beruht auf der Tatsache, dass zwar die Ausgaben das Ergebnis des Geschäftsjahres belasten, dafür aber zukünftige Erfolgspotenziale geschaffen werden sollen, um ein Überleben des Unternehmens in der Zukunft sicherzustellen. Die Informationen über Forschung und Entwicklung sollen einen globalen Eindruck über Aktivität und Intensität der Forschungs- und Entwicklungsbemühungen des Unternehmens und die daraus resultierenden Möglichkeiten und Erfolgspotenziale erlauben (Ellrott, 1999a).
In der Berichterstattung sind neben dem Umfang der Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen auch Angaben zu machen über Forschungs- und Entwicklungsinvestitionen, bestehende Forschungs- und Entwicklungseinrichtungen, Mitarbeiter und bedeutende Zuwendungen von privaten Dritten oder öffentlichen Stellen. Konkrete Zahlenangaben sind nicht zwingend, jedoch sollte ein verbaler Vergleich mit den Vorjahreszahlen erfolgen. Eine Berichterstattung über konkrete Forschungsergebnisse, Entwicklungsprojekte oder gar Angaben über die Ausgaben in einzelnen Projekten werden nicht erwartet. Aus Wettbewerbsgründen sind Angaben über konkrete Forschungsergebnisse oder Entwicklungsvorhaben nicht zu erwarten (Ellrott, 1999a; Wiedmann, H. 1999).
8. Bestehende Zweigniederlassungen
Zweigniederlassungen sind dauerhafte, von der Hauptniederlassung personell und organisatorisch getrennte Einrichtungen, die selbstständig am Geschäftsverkehr teilnehmen. Ihre Standorte sind ebenso aufzuführen wie Neugründungen, Schließungen oder Verlegungen (Wiedmann, H. 1999). Dabei ist auf die im abgelaufenen Geschäftsjahr getätigten Umsätze, wesentliche Investitionsprogramme sowie die Zahl der Beschäftigten einzugehen (Ellrott, 1999a). Auf diese Weise erhält der Adressat einen Eindruck über die geographische Verbreitung und damit verbundene Chancen und Risiken.
9. Besondere Berichtspflichten abhängiger Gesellschaften
Werden Aktiengesellschaften und KGaA als abhängige Gesellschaften i.S.d. Aktiengesetzes eingeordnet und besteht kein Beherrschungsvertrag, muss der Vorstand in den ersten drei Monaten eine Schlusserklärung zum Abhängigkeitsbericht in den Lagebericht aufnehmen (§ 312 III Satz 3 AktG). Dort hat er zu erklären, ob Nachteile, die den Gesellschaften aus Rechtsgeschäften oder anderen Maßnahmen im abgelaufenen Geschäftsjahr mit dem herrschenden Unternehmen oder damit verbundenen Unternehmen entstanden sind, ausgeglichen wurden. Die Angaben dienen dem Schutz der Gläubiger und Minderheitsaktionäre, damit diese gegebenenfalls Schadenersatzansprüche durchsetzen können. Allein schon durch den Bericht über nachteilige Geschäfte soll eine Abschreckung erreicht werden (Förschle, /Kropp, 1999).
IV. Besonderheiten des Konzernlageberichts nach § 315 HGB
Der Konzernlagebericht ist ein eigenständiges Instrument, dass über die Lage der wirtschaftlichen Einheit Konzern entscheidet. Er kann nicht als Zusammenfassung der einzelnen Lageberichte der Tochterunternehmen und des Mutterunternehmens gewertet werden. Auch wenn er häufig mit dem Lagebericht des Mutterunternehmens zusammengefasst wird, darf keine Deckungsgleichheit der Informationen unterstellt werden (DRS 15.21; Ellrott, 1999b). Der Kreis der in die Darstellung einzubeziehenden Unternehmen geht über den Kreis der vollkonsolidierten Tochtergesellschaften hinaus und erfasst Gemeinschaftsunternehmen und assoziierte Unternehmen (Ellrott, 1999b).
Bei börsennotierten Mutterunternehmen ist eine Kapitalflussrechnung – neben der Segmentberichterstattung – Bestandteil des Anhangs (§ 297 HGB) und sollte nicht im Konzernlagebericht erneut angeführt werden (DRS 15.20).
V. Vergleich mit internationalen Vorschriften und Entwicklungen
1. Vorbemerkung
Die Ausführungen über mit dem Lagebericht vergleichbare Berichterstattungen nach internationalen Vorschriften sollen einen Vergleich über den Umfang der Berichterstattung ermöglichen. Zudem können die verschiedenen Vorschriften Diskussionsgrundlage hinsichtlich der internationalen Angleichung von den Jahresabschluss ergänzenden Berichtsinstrumenten darstellen (Fink, /Keck, 2005).
2. IFRS/IAS
In den IFRS/IAS ist ein dem Lagebericht vergleichbarer Bericht nicht vorgesehen. Das Framework weist explizit darauf hin, dass „ discussion and analysis by management and similar items that may be included in a financial or annual report “ kein Bestandteil des Financial Statement ist (IAS F 7). Aufgrund dessen müssen deutsche Unternehmen, die die IFRS anwenden, zusätzlich einen Lagebericht nach HGB aufstellen und offen legen.
Nach IAS 1.9 werden die Unternehmen jedoch ermuntert, in dem sog. „ Financial Review of Management “ über folgende Sachverhalte zu berichten:
- | Einflussfaktoren auf die Ertragslage; | - | Herkunft des Kapitals und Verschuldung; | - | Bedeutung der Ressourcen, die nicht in der Bilanz erkennbar sind. |
Bei der Berichterstattung über wertbegründende Ereignisse ist neben der Ursache des Ereignisses ein Hinweis über die geschätzten finanziellen Auswirkungen erforderlich bzw. es ist auf die Unmöglichkeit der Schätzung explizit hinzuweisen (IAS 10.21(b)). Umfangreich sind die Offenlegungspflichten zu Forschungs- und Entwicklungsausgaben: Neben den angewandten Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden, den angewandten Abschreibungsverfahren, der Nutzungsdauer oder angewandter Abschreibungssätze ist auch die Entwicklung der aktivierten Beträge im Zeitablauf anzugeben (IAS 38.118 f.). Darüber hinaus ist der Gesamtbetrag der Ausgaben anzugeben, der sofort als Aufwand verrechnet wurde (IAS 38.126).
Da das IASB inzwischen die Bedeutung von „ other information “ für die Zweckerfüllung des Financial Reporting erkannt hat, wurde das Projekt „ Management Commentary (MC) “ ins Leben gerufen. Im November 2005 veröffentlichte diese Projektgruppe ein entsprechendes Diskussionspapier, dessen Kommentierungsfrist Ende April 2006 endet.
3. US-GAAP
Dem Lagebericht vergleichbar ist in der amerikanischen Rechnungslegung der „ Operating and Financial Review and Prospects “ (OFR), früher Management\'s Discussion and Analysis (MD&A). Er ist Bestandteil der von ausländischen Gesellschaften einzureichenden Form 20-F. Der zeitliche Umfang der Darstellung des Geschäftsverlaufs und der Lage in dem OFR ist umfassender als nach HGB. Danach müssen die Erläuterungen die vergangenen drei Jahre erfassen, während sie nach § 289 I HGB nur für das abgelaufene Geschäftsjahr gemacht werden.
Bei der Erläuterung der Ertragslage sind u.a. Angaben zu machen über ungewöhnliche Ereignisse, die das Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit beeinflusst haben. Starke Umsatzsteigerungen müssen mithilfe von Preis- und Mengenkomponenten erläutert werden. Wenn Änderungen zu erwarten sind, ist außerdem auf künftige Entwicklungen hinzuweisen (Form 20-F, Item 5.A). Darüber hinaus sind Angaben zur Liquidität und Kapitalausstattung erforderlich, die zusammengefasst werden können. Die Ausführungen sollen erkennen lassen, ob sich die Fähigkeit der Gesellschaft verbessert oder verschlechtert hat, in der Zukunft die Ausgaben durch Einnahmen decken zu können. Dies soll u.a. erreicht werden durch Angaben
- | zu Ereignissen, die zu einer Veränderung der Liquidität führen, | - | zu internen und externen Liquiditätsquellen oder | - | über ungenutzte Liquiditätsreserven (Form 20-F, Item 5.B). |
Die Berichterstattung ist in der Praxis unterschiedlich. Insbesondere die Angaben über Zukunftsaussichten sind eher unvollständig und vage (Brotte, 1997; Bruns, H.-G./Renner, 2001).
Angaben über besondere Vorgänge nach dem Schluss des Geschäftsjahres sind nach amerikanischem Verständnis in den Notes zu erläutern oder sogar bis zur Aufstellung der Financial Statements zu berücksichtigen. Entsprechende Ereignisse werden in den einzelnen Statements des FASB angeführt. Angaben zu Forschungs- und Entwicklungsausgaben sind in SFAS 2.13 geregelt: Danach sind die gesamten Aufwendungen des Geschäftsjahres anzugeben. Bei der SEC registrierte US-amerikanische Unternehmen haben in Form 10-K über den Stand der Forschung und Entwicklung zu berichten (Regulation S-K, Item 101 (a) (2) (iii) (B) (2) und (c ) (1) (xi)). Die Berichterstattung über Forschung und Entwicklung ist nicht detaillierter als nach HGB (Brotte, 1997).
4. Business Reporting nach den Vorstellungen des AICPA
Ein vom AICPA vorgelegter Musterunternehmensbericht empfiehlt neben der Berichterstattung über den Jahresabschluss und die damit verbundenen Informationen folgende neun Elemente, die auch nichtfinanzielle Angaben umfassen (AICPA, 1994):
- | Kennzahlen und Leistungsgrößen, die das Management für die Unternehmensführung einsetzt; | - | Ursachen und Gründe für die Veränderung finanzieller, operativer und leistungsbezogener Angaben sowie Auswirkungen wichtiger Entwicklungen; | - | Chancen und Risiken, die sich aus wichtigen Entwicklungen ergeben; | - | Pläne der Unternehmensleitung und kritische Erfolgsfaktoren; | - | Vergleich der gegenwärtigen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit mit früher ausgewiesenen Chancen, Risiken und Plänen; | - | Informationen über Management und Großaktionäre; | - | Unternehmensziele und -strategien; | - | Art und Umfang des Geschäftsbetriebs und des Betriebsvermögens; | - | Auswirkungen der Branchenstruktur auf das Unternehmen (Berndlmaier, /Klein, G. 1997; Böcking, /Orth, C. 1998). |
Im Rahmen des Folgeprojekts „ Enhanced Business Reporting (EBR) “ entwickelte das AICPA einen Entwurf eines EBR-Rahmenkonzepts, das eine über den Musterunternehmensbericht hinausgehende Bereitstellung nichtfinanzieller Angaben für eine verbesserte Kommunikation mit dem Kapitalmarkt proklamiert (Kleinmanns, 2004; Fink, /Keck, 2005).
VI. Prüfung des Lageberichts
1. Gegenstand und Umfang der Prüfung
Hinweise für den Umfang der Prüfung ergeben sich aus den §§ 317, 321 und 322 HGB. Danach muss der Lagebericht formal den gesetzlichen sowie ergänzenden gesellschaftsvertraglichen bzw. satzungsmäßigen Vorschriften entsprechen (§ 321 II Satz 1 HGB). Gemäß § 317 II HGB ist vom Abschlussprüfer materiell zu prüfen, ob
- | der Lagebericht mit dem Jahresabschluss und den bei der Prüfung gewonnenen Erkenntnissen übereinstimmt, | - | eine zutreffende Vorstellung von der Lage des Unternehmens vermittelt wird (vgl. § 322 III Satz 1 HGB) und | - | die Chancen und Risiken der zukünftigen Entwicklung zutreffend dargestellt sind. |
Umfassende Veränderungen für die Prüfung resultieren aus der Frage, ob die Chancen und Risiken der zukünftigen Entwicklung zutreffend im Lagebericht dargestellt sind (§ 317 II Satz 2 HGB). Die Auseinandersetzung insbesondere mit den Risiken der zukünftigen Entwicklung im Rahmen der Prüfung ist erforderlich, weil der Abschlussprüfer im Prüfungsbericht vorweg aufgrund der geprüften Unterlagen und des Lageberichts zur Beurteilung der wirtschaftlichen Lage durch das Management Stellung zu beziehen hat, wobei er insbesondere auf die Beurteilung des Fortbestandes und die künftige Entwicklung der Gesellschaft einzugehen hat (§ 321 I Satz 2 HGB). Darüber hinaus ist auf festgestellte, bestandsgefährdende Risiken im Bestätigungsvermerk gesondert einzugehen und die zutreffende Darstellung der Risiken der zukünftigen Entwicklung zu beurteilen (§ 322 II Satz 3, III Satz 1 HGB). Die Abschlussprüfung ist somit mehr denn je eine Einschätzung über den Fortbestand und die Entwicklung des Unternehmens und ist stärker als bisher prospektiv auszurichten, um zukünftige Chancen und Risiken zu erkennen (Hachmeister, 1999).
Im Zuge der Verabschiedung des DRS 15 und der damit einhergehenden Abschaffung des IDW RS HFA 1 ist die Überarbeitung bzw. Anpassung des bisherigen IDW PS 350 „ Prüfung des Lageberichts “ unerlässlich. Aufgrund dessen steht der IDW EPS 350 n.F. zur Kommentierung bis Ende Mai 2006 aus.
2. Besondere Prüfungshandlungen
Die Berichterstattung über mögliche Chancen und Risiken durch die Unternehmensleitung ist mit dem DRS 15 deutlicher als bisher herausgestellt worden. Die Prüfung, ob die Berichterstattung über die Chancen und Risiken ordnungsgemäß ist, muss mit der Art und Weise beginnen, wie Einschätzungen über diese Chancen und Risiken gewonnen werden. Die Prüfung des nach § 91 II AktG einzurichtenden (Chancen-)Risikomanagementsystems ist somit Ausgangspunkt auch für die Lageberichtsprüfung; das Risikomanagementsystem ist dafür von Seiten der Unternehmen um die Chancenkomponente zu erweitern (Kaiser, 2005). Im Rahmen der Lageberichtsprüfung ist insbesondere die Angemessenheit derjenigen Angaben zu den Zielen und Methoden des Risikomanagements sowie den dort zu managenden Risiken zu prüfen, die sich auf die Verwendung von Finanzinstrumenten durch die Gesellschaft beziehen. Diese Angaben umfassen demzufolge nicht das gesamte Risikomanagement- bzw. Risikofrüherkennungssystem (IDW EPS 350 n.F.).
Problematisch erscheint die Prüfung der Prognosen und anderer in die Zukunft reichender Wertungen sowie der Fortführungsfähigkeit des Unternehmens. Im Rahmen der Prognose- und Schätzprüfung erfolgt eine plausible Beurteilung der Aussagen der gesetzlichen Vertreter, ob die die Prognose bestimmenden Annahmen und Wirkungszusammenhänge sowie die Art der Schätzung und der Zeithorizont hinreichend erläutert sind. Die Einflussfaktoren sind auf Plausibilität, Widerspruchsfreiheit und Vollständigkeit zu prüfen (IDW PS 350; IDW EPS 350 n.F.). Damit Prognoseangaben geprüft werden können, muss sich der Prüfer von der Zuverlässigkeit und Funktionsfähigkeit der unternehmensinternen Planungssysteme überzeugen, soweit sie für die Beurteilung des Lageberichts erforderlich sind (Hachmeister, 1999). Der Abschlussprüfer muss sich in größerem Umfang als bisher mit betriebswirtschaftlichen Analysen über die Produkte des zu prüfenden Unternehmens, dem Markt und den Wettbewerbern beschäftigen (Dörner, 2000).
Bedeutung gewonnen haben die abschließenden Prüfungshandlungen, mit denen Jahresabschluss und Lagebericht unter Beachtung der Ergebnisse der Prüfung zu würdigen sind. Analytische Prüfungshandlungen sollen sicherstellen, dass die ursprünglichen Wertungen zu Beginn und im Lauf der Prüfung weiterhin Bestand haben (Einschätzung der Prognosesicherheit). Kennziffernanalysen, wie sie für die Berichterstattung verwendet werden, können gute Anhaltspunkte liefern (Baetge, /Schulze, D. 1998).
3. Berichterstattung über das Prüfungsergebnis
Bei der Berichterstattung über das Ergebnis der Lageberichtsprüfung sind vom Abschlussprüfer im Prüfungsbericht möglicherweise eigene Akzente zu setzen; auf wesentliche Punkte ist von ihm ausführlicher einzugehen als in dem für die Öffentlichkeit bestimmten Lagebericht (IDW PS 350; IDW EPS 350 n.F.). Trotzdem obliegt die Berichterstattung über die Lage des Unternehmens weiterhin den gesetzlichen Vertretern. Berichterstattung der gesetzlichen Vertreter an die Adressaten des Lageberichts und Prüferkommentar an die Adressaten des Prüfungsberichts (Aufsichtsrat) sind konsequent zu trennen (Hommelhoff, 1998).
Auf Tatsachen, die den Bestand des Unternehmens gefährden oder seine Entwicklung beeinträchtigen, hat der Abschlussprüfer im Rahmen seiner Redepflicht explizit hinzuweisen. In dem für die Öffentlichkeit bestimmten Bestätigungsvermerk hat der Abschlussprüfer, unabhängig von einer im Lagebericht erfolgten Darstellung bestandsgefährdender Risiken, auf entsprechende Sachverhalte, die er im Rahmen seiner Prüfungshandlungen festgestellt hat, einzugehen (IDW PS 350; IDW EPS 350 n.F.).
4. Grenzen der Prüfung
Ziel des KonTraG war es, Abschlussprüfung und Berichterstattung darüber zukunftsorientierter zu gestalten. Insbesondere die Prüfung des Lageberichts sollte an die Erwartungen der Öffentlichkeit angepasst werden (Deutscher Bundestag, 1997). Unkenntnis über den Prüfungsumfang könnte jedoch eine bestehende Erwartungslücke vergrößern.
An die umfassendere Berichterstattung im Lagebericht, verbunden mit der weitergehenden Prüfung durch einen Abschlussprüfer nach Verabschiedung des KonTraG und des DRS 15, sollten keine zu hohen Erwartungen geknüpft sein. Die Abschlussprüfung wird nur die Ordnungsmäßigkeit des Zustandekommens des Risiko- und Prognoseberichts beurteilen. Mit der Prüfung ist weiterhin keine Prüfung der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens im Sinne eines Vergleichs der tatsächlichen Lage mit einer Soll-Lage verbunden (Böcking, /Orth, C. 1998; Hachmeister, 1999). Erreicht werden sollte durch die Änderungen lediglich, dass sachkundige Leser eine grobe Zuordnung des Unternehmens in entsprechende Risikoklassen vornehmen können (Moxter, 1997; Dörner, /Bischof, 1999).
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