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Revealed Preference Analyse


1. Grundlegendes Konzept der neoklassischen Haushaltstheorie ist die ordinale Nutzenfunktion. Maximiert der Haushalt diese Nutzenfunktion unter der Nebenbedingung gegebener Güterpreise und eines fest vorgegebenen verfügbaren Einkommens , resultiert ein Nachfrageverhalten, welches bestimmten allgemein gültigen Eigenschaften genügt. Samuelson stellte 1938 die Frage, ob die Theorie des Konsumentenverhaltens auch in einer Form entwickelt werden kann, die ganz und gar auf das Nutzenkonzept verzichtet. In gewisser Weise steht der Nutzenbegriff der Psychologie und der Philosophie näher als den Wirtschaftswissenschaften ; auf jeden Fall ist der Nutzen als Ausdruck subjektiver Wertvorstellungen nicht oder nur unvollständig beobachtbar und meßbar. Objektiv feststellbar sind jedoch von Individuen getätigte Güterkäufe. In seiner R. ist es Samuelson gelungen nachzuweisen, daß wesentliche Teile der statischen Theorie des Konsum- bzw. Nachfrageverhaltens tatsächlich aus offenbarten Güterkäufen hergeleitet werden können, wenn das beobachtete Kaufverhalten einer bestimmten Konsistenzbedingung genügt. Die Nachfragetheorie (Haushaltstheorie) kann also weitgehend ohne das Konzept der Nutzenfunktion auskommen. Aus der geforderten Konsistenzeigenschaft kann aber andererseits auf die Existenz einer den Kaufentscheidungen des Konsumenten zugrundeliegenden Nutzenfunktion oder Präferenzrelation geschlossen werden.
2. Betrachten wir einen Konsumenten, welcher zu zwei Zeitpunkten t = 0 und t = 1 n verschiedene Güter kauft. Dem Individuum seien zu beiden Zeitpunkten die Preise dieser n Güter bekannt, ebenfalls kenne es das ihm jeweils für die Käufe zur Verfügung stehende Einkommen. Sei
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die Preis-Einkommen-Situation zum Zeitpunkt t = 0 mit den entsprechenden Güterkäufen
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, welche das Güterbündel Q0 repräsentieren. Sei
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die Preis-Einkommen-Situation zum Zeitpunkt t = 1 mit den Güterkäufen
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, welche das Güterbündel Q1 darstellen. Für den Wert der beiden gekauften Konsumbündel erhält man:                     
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                         und                        
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Gilt nun  p0 × Q1 £ p0 × Q0  ,so hätte im Zeitpunkt t = 0 auch das Bündel Q1 gekauft werden können. Wie wir wissen, wurde es jedoch von unserem Konsumenten nicht gekauft, so daß wir feststellen können, daß das Individuum in seinen Güterkäufen eine Präferenz für das Bündel Q0 offenbart hat ("revealed preferred"). Dies läßt sich unter Verwendung der formalen Sprache folgendermaßen schreiben:              p0 Q1 £ p0 Q0 und Q0 > Q1 Hätte das Individuum zum Zeitpunkt t = 1 das Bündel Q0 kaufen können (es hat, wie wir wissen, das Güterbündel Q1 gekauft), würde gelten:             p1 Q0 £ p1 × Q1 und Q1 > Q0         . Samuelson fordert nun, daß die Kaufentscheidungen des Konsumenten eine bestimmte Form von Konsistenz aufweisen: es soll nicht gleichzeitig Q0 > Q1 und Q1 > Q0 zugelassen sein. Dieses Konsistenzaxiom läßt sich in der folgenden Form angeben  und damit formulieren wir das sog. "schwache Axiom der offenbarten Präferenzen":
(1)                 p0 × Q1 £ p0 × Q0 impliziert                                             p1 × Q0 £ p1 × Q1. Dies bedeutet in Worten, daß sich unser Individuum nicht das eine Mal (bei t = 0) für den Kauf des Bündels Q0, das andere Mal (bei t = 1) für den Kauf des Bündels Q1 entscheiden darf. Ausdruck
(1) besagt, daß der Konsument im Zeitpunkt t = 1 nur deshalb das Bündel Q1 erworben hat, weil bei den dann herrschenden Preisen und dem zur Verfügung stehenden Einkommen Q0 für ihn zu teuer geworden ist, d.h. wertmäßig y1 übersteigt. Dieser Sachverhalt ist in der Figur 1 graphisch wiedergegeben.                        
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3. Samuelson hat gezeigt, daß das im schwachen Axiom der offenbarten Präferenzen zum Ausdruck kommende Konsistenzpostulat einige fundamentale Eigenschaften des Nachfrageverhaltens impliziert (Fundamentaltheorem): (a)         Die Nachfrage nach jedem einzelnen Gut ist eindeutig in bezug auf alle Güterpreise und das Einkommen. (b)         Die Nachfragefunktion für jedes Gut ist homogen vom Grade Null in allen Preisen und dem Einkommen (Homogenitätskriterium). (c)         Bei Einkommenskompensation aufgrund von Preisänderungen ist der    Substitutionseffekt bei eigener Preisvariation des betrachteten Gutes stets nicht-positiv. Diese Eigenschaft wird fälschlicherweise häufiger als "Gesetz der Nachfrage" bezeichnet. Analog zu Postulat
(1) gilt i.S. der Samuelson\'schen Konsistenzforderung
(2)        p1 . Q0 <=  p1 . Q1 impliziert               p0 . Q1 >   p0 . Q0 . Die Nicht-Positivität des Substitutionseffekts läßt sich leicht in der folgenden Weise herleiten. Ändern sich die Preise von p0 nach p1, verändert sich das Konsumgüterbün-del von Q0 nach Q2, falls y0 unverändert bleibt. Wir führen nun eine Einkommenskom-pensation durch, indem wir dem Konsumenten aufgrund der Preisänderung ein Einkommen y1 geben mit der Eigenschaft y1 = p1Q0.  Dies bedeutet, daß der Konsu-ment nach Preisänderung ein Einkommen zur Verfügung hat, welches ihm gestattet, das ursprüngliche Bündel Q0 weiterhin zu erwerben. Tatsächlich kauft der Konsument bei dem Einkommen y1 und den Preisen p1 das Bündel Q1. Es gilt nun:
(3)         p1 . Q0 = p1 . Q1 . Aufgrund von
(2) folgt dann aber, daß p0 . Q1 > p0 . Q0 gilt, welches wir in den Ausdruck
(4)         p0(Q0 - Q1) < 0 umschreiben. Subtrahieren wir nach 
(3) p1(Q0 - Q1) = 0 von
(4), erhalten wir:
(5)        (p0 - p1)(Q0 - Q1) < 0 . Bleiben beim Übergang von t = 0 nach t = 1 alle Güterpreise bis auf den Preis von Gut i konstant, folgt aus
(5)
(6)       
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Dies bedeutet: falls
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, gilt
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; falls
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, folgt
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. Dieser Zusammenhang zeigt nun, daß der Substitutionseffekt bei Einkommenskompensation nicht positiv ist.
4. Im Falle von nur zwei Gütern gewährleistet Samuelsons Konsistenzaxiom, daß sich die Kaufentscheidungen des betrachteten Konsumenten durch eine ordinale Nutzenfunktion oder Präferenzrelation beschreiben lassen. Im Fall von mehr als zwei Gütern hat Houthacker durch die Formulierung des sog. "starken Axioms der offenbarten Präferenzen" eine notwendige und hinreichende Bedingung für die Existenz einer Nutzenfunktion angegeben: Ist die Ungleichung                                  pt-1 . Qt £ pt-1 . Qt-1 für jedes
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 erfüllt und sind für mindestens zwei Zahlen i und j die Bündel Qi und Qj voneinander verschieden, muß gelten:                                                                   pT .  QT < pT Q0  Houthacker nannte die in seinem Axiom geforderte Eigenschaft die Eigenschaft der "Semi-Transitivität". Andere Autoren haben die aufgestellte Forderung in der Weise beschrieben, daß Q0 dem Güterbündel QT über eine Folge weiterer Bündel "indirekt faktisch vorgezogen" wird (siehe Figur 2). Eine empirische Überprüfung der Axiome von Samuelson und Houthacker wird kaum möglich sein. Unterschiedliche Preisvektoren werden "normalerweise" zu verschiedenen Zeitpunkten beobachtet, zwischen denen sich Bedürfnis- bzw. Geschmacksänderungen vollzogen haben können. Die R. ist jedoch statischer Natur.                        
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Literatur: P. A. Samuelson, A Note on the Pure Theory of Consumer’s Behaviour. Economica 1938, Bd. 5, 61-71 sowie 353-354 (Anhang). P. A. Samuelson, Foundations of Economic Analysis. Cambridge, Mass. 1947. H. S. Houthakker, Revealed Preference and the Utility Function, Economica 1950, Bd. 17, 159-173.

 

 


 

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