A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z
wirtschaftslexikon wirtschaftslexikon
 
Wirtschaftslexikon Wirtschaftslexikon

 

wirtschaftslexikon online lexikon wirtschaftslexikon
   
 
     
wirtschaftslexikon    
   
    betriebswirtschaft
     
 
x

Konsumentenverhalten


Inhaltsübersicht
I. Forschungsgegenstand und wissenschaftstheoretische Perspektiven
II. Modelle und Typen des Konsumentenverhaltens
III. Mikroperspektive: Der Konsument als Individuum
IV. Makroperspektive: Der Konsument im sozialen Kontext

I. Forschungsgegenstand und wissenschaftstheoretische Perspektiven


1. Forschungsgegenstand


Unter Konsumentenverhalten i.e.S. versteht man das beobachtbare »äußere« und das nicht-beobachtbare »innere« Verhalten von Menschen beim Kauf und Konsum wirtschaftlicher Güter. I.w.S. versteht man unter Konsumentenverhalten das Verhalten der »Letztverbraucher« von materiellen und immateriellen Gütern in einer Gesellschaft, also auch das Verhalten von Wählern oder Patienten.
Dieser Einteilung folgt auch die Marketing-Wissenschaft, die sich mit dem Produkt- und DienstleistungsmarketingDienstleistungsmarketing kommerzieller Anbieter, aber auch mit dem Marketing von nicht-kommerziellen Anbietern beschäftigt.

2. Entwicklung der Konsumentenforschung


Als selbstständiger Forschungszweig entstand die Konsumentenforschung in den 1960er-Jahren, als sich die empirische Marketing-Forschung an den amerikanischen Universitäten etablierte und die Erforschung des Konsumentenverhaltens zum vorrangigen Forschungsgegenstand wurde. Eines der ersten Lehrbücher, zugleich das bekannteste, erschien 1968 (Engel, J. F./Kollat, D. T./Blackwell, R. D. 1968; Engel, J. F./Blackwell, R. D./Miniard, P. W. 1993).
In Deutschland erschienen Anfang der 1970er-Jahre die ersten Veröffentlichungen zur Konsumentenforschung (Kroeber-Riel, W. 1972; Kroeber-Riel, W. 1973).
Die Konsumentenforschung erlebte einen schnellen Aufschwung; sie ist inzwischen zur dominanten Richtung der verhaltensorientierten Marketing-Forschung geworden. Führende Zeitschrift ist das Journal of Consumer Research (JCR). Die Association for Consumer Research (ACR), in der die meisten Forscher organisiert sind, umfasst über 1500 Mitglieder. Die zahlreichen Beiträge auf den internationalen Tagungen der ACR werden in den Advances of Consumer Research veröffentlicht. Ein Handbuch vermittelt einen Überblick über den Forschungsstand (Robertson, T. S./Kassarjian, H. H. 1991).

3. Wissenschaftstheoretische Perspektiven


Zentrale Ziele der Konsumentenforschung sind das wissenschaftliche Verstehen und Erklären des Verhaltens sowie die Ableitung von Handlungsempfehlungen zur Beeinflussung des Konsumentenverhaltens.
Das Verstehen und Erklären des Verhaltens ist auf interdisziplinäre und empirische Forschungsverfahren angewiesen. Die Konsumentenforschung ist geradezu ein Muster für interdisziplinäres Vorgehen geworden. Dieses richtet sich im Wesentlichen nach zwei verschiedenen Forschungsparadigmen, die als

-

positivistisch


und

-

verstehend


gekennzeichnet werden können (Guba, E. G. 1990; Solomon, M. R. 1992).
Die positivistische Richtung geht von erfahrungswissenschaftlichen Erkenntnistheorien aus. Danach ist die Forschung darauf gerichtet, generalisierbare und empirisch begründete Aussagen (Hypothesen und Theorien) zu formulieren. Diese Aussagen sollen dazu dienen, das Konsumentenverhalten zu erklären, Prognosen über das Verhalten zu erstellen und Empfehlungen über die Beeinflussung des Verhaltens abzugeben. Dabei wird vor allem an die empirischen Ansätze der Psychologie und der Soziologie angeknüpft. Immer wiederkehrende Probleme sind die Operationalisierung und Messung theoretischer Begriffe sowie die empirische Datenerhebung (Worcester, R. M./Downham, J. 1986).
Die empirisch abgesicherten Forschungsergebnisse über das Konsumentenverhalten lassen sich auf der Aktionsebene vielseitig umsetzten: Sie ermöglichen es, Handlungsempfehlungen für das kommerzielle und nicht-kommerzielle Marketing zu formulieren (typisches Buch: Assael, H. 1992), verbraucherpolitische Instrumente zur Aufklärung und zum Schutz der Verbraucher zu entwickeln (Kuhlmann, E. 1990) und auch zur Erklärung und Beeinflussung der kollektiven Kaufentscheidungen von Unternehmen und Organisationen beizutragen (Kuß, A. 1991; Bänsch, A. 1993; Ward, S./Webster, F. E. 1991).
Zur verstehenden Richtung: Die theoretischen Auseinandersetzungen der 1990er-Jahre werden stark von einer Forschungsrichtung beeinflusst, die das Verhalten »verstehen« und »interpretieren«, aber keine quantifizierbaren und generalisierbaren Erklärungen und keine Sozialtechniken zur Beeinflussung des Verhaltens liefern will. Das Verhalten der Konsumenten soll zu diesem Zweck mittels semiotischer und hermeneutischer Verfahren aus einem symbolischen oder realen Sinnzusammenhang erschlossen werden.
So wird zum Beispiel die Motivation, Marlboro zu rauchen, abgeleitet aus den Fantasien einer Frau, selbst die Rolle des Reiters zu spielen und damit Gefühle der persönlichen Schwäche zu überwinden. Einsichten in diese Bedeutung des Rauchens können durch projektive Tests, durch Interpretation von erzählten Geschichten usw. erschlossen werden oder – allgemeiner – durch eine semiotische Analyse zur Bedeutung des Cowboys in der amerikanischen Kultur (Solomon, M. R. 1992). Exponenten der verstehenden und interpretierenden Richtungen sind vor allem Hirschman und Holbrook (Hirschman, E. C./Holbrook, M. B. 1992; Hirschman, E. C. 1989; Holbrook, M. B./Hirschman, E. C. 1993).
Die Forschungsarbeiten der positivistischen Richtung beherrschen nach wie vor das Feld. Ethische Fragestellungen, die sich aus der Beeinflussung des menschlichen Verhaltens durch das Marketing ergeben, werden von beiden Forschungsrichtungen aufgegriffen (Raffée, H./Wiedmann, K. -P. 1985).

II. Modelle und Typen des Konsumentenverhaltens


Modelle des Konsumentenverhaltens geben im Allgemeinen – verbal oder formalisiert – die funktionalen Beziehungen zwischen den Bestimmungsgrößen des Verhaltens (unabhängige Variablen) und dem Verhalten (abhängige Variable) wieder.
Zur Einführung in das Konsumentenverhalten ist es zweckmäßig, die wesentlichen Größen (Variablen) und ihre Beziehungen darzustellen, die in die verschiedenen Modelle eingehen.

1. Die Variablen


Das Verhalten der Konsumenten lässt sich erklären durch das Zusammenwirken von Umwelteinflüssen und von psychischen Vorgängen, die sich in der Person abspielen. Die Modellvariablen beziehen sich demzufolge auf beobachtbare Reize der Umwelt = R, nicht beobachtbare, interne Verhaltensweisen = I, beobachtbares Verhalten = V.
Die internen Verhaltensgrößen werden auch intervenierende Variablen genannt, weil sie sich zwischen die beobachtbaren Reize der Umwelt und das Verhalten schieben, d.h. »intervenieren« (Kroeber-Riel, W. 1992a). Z.B.: Die in einem Geschäft dargebotenen Produkte lösen nicht direkt ein bestimmtes Verhalten aus; sie beeinflussen zunächst interne Vorgänge wie Wahrnehmung oder emotionale Erlebnisse, die dann das Verhalten bestimmen.

a) Die R-Variablen


Die Umwelt wird als Reizkonstellation R aufgefasst, die auf den Konsumenten einwirkt. Man unterscheidet die physische Umwelt (wie Landschaft oder Gebäude) und die soziale Umwelt der Konsumenten. Die nähere soziale Umwelt umfasst Personen, zu denen der Konsument durch persönliche Kontakte direkte Beziehungen unterhält, insb. die Familie und die Freunde. Die weitere soziale Umwelt besteht aus sozialen Gruppierungen, zu denen der Einzelne nur distanzierte Beziehungen hat, wie Parteien, Unternehmen, Gewerkschaften usw. Die Einflüsse der weiteren sozialen Umwelt werden über die Massenkommunikation vermittelt.

b) Die I-Variablen


Die inneren psychischen Vorgänge I im Konsumenten lassen sich einteilen in

-

aktivierende Prozesse,

-

kognitive Prozesse.


Zu den aktivierenden Prozessen gehören vor allem Bedürfnisse und emotionale Erlebnisse, das sind menschliche Antriebskräfte, die als »Motor« des Verhaltens aufgefasst werden.
Die kognitiven Prozesse sind für die gedankliche Steuerung des Verhaltens verantwortlich, sie sorgen dafür, dass das Verhalten auf bestimmte Ziele gerichtet wird. Es handelt sich um Vorgänge der Informationsverarbeitung wie Wahrnehmung oder Entscheiden.
Behrens führt als neuen, bisher von der Forschung vernachlässigten Prozess die motorischen Bewegungsabläufe ein, die nicht nur ein Ergebnis der aktivierenden und kognitiven Vorgänge im Konsumenten sind, sondern ihrerseits diese Vorgänge stark beeinflussen (Behrens, G. 1991).
Die klassischen Modelle des Konsumentenverhaltens konzentrieren sich auf die kognitiven Vorgänge, die bei Kaufentscheidungen zum Zuge kommen. Dazu wird der Entscheidungsverlauf in folgende I-Variablengruppen gegliedert:

-

Bedürfnisaktivierung (Problemerkennen),

-

Informationsstudie und Informationsverarbeitung,

-

Kaufentscheidung: Auswahl einer Alternative,

-

Nachentscheidungsverhalten.


Das sind die zentralen Konstrukte des verbalen »EKB-Strukturmodells« (Engel/Kollat/Blackwell-Strukturmodell; Engel, J. F./Blackwell, R. D./Miniard, P. W. 1993) und ähnlicher Modelle (Assael, H. 1992; Hawkins, D. I./Best, R. J./Coney, K. A. 1992).

c) Die V-Variablen


Als abhängige Variable wird im Allgemeinen das Kaufverhalten V untersucht. Nach dem Ausmaß der kognitiven Steuerung des Verhaltens lassen sich vier Kaufverhaltenstypen unterscheiden (angeordnet nach zunehmender kognitiver Steuerung):

-

impulsives Verhalten,

-

Gewohnheitsverhalten,

-

vereinfachtes Entscheiden,

-

extensives Entscheiden.


Weinberg charakterisiert diese Verhaltensweisen wie folgt (Weinberg, P. 1981):
Impulsives Kaufverhalten: Die Konsumenten reagieren affektiv auf die Reizwirkungen der Kaufsituation.
Gewohnheitskauf (habitualisiertes Verhalten): Das Kaufverhalten läuft weitgehend automatisch aufgrund von eingeschliffenen Gewohnheiten ab.
Vereinfachte Kaufentscheidungen: Die Auswahl der angebotenen Güter erfolgt mit geringem Problemlösungsaufwand nach wenigen bewährten Entscheidungskriterien.
Extensive, »echte« Entscheidungen sind gedankliche Prozesse, die eine starke kognitive Beteiligung, also einen hohen Problemlösungsaufwand, erfordern.
Diese Typen werden durch Kroeber-Riel um das Zufallsverhalten erweitert: In diesem Fall ist dem Konsumenten die Auswahl zwischen (austauschbaren) Produkten und Dienstleistungen völlig gleichgültig (Kroeber-Riel, W. 1992a).
Welches Verhalten zum Zuge kommt, hängt vor allem vom Involvement der Konsumenten ab. Darunter versteht man einen Zustand der Aktiviertheit, der vor allem durch die Handlungssituation bestimmt wird und dafür verantwortlich ist, inwieweit sich die Konsumenten aufmerksam und mit gedanklicher Beteiligung einem Gegenstand oder einer Handlung zuwenden. Extensive, überlegte Entscheidungen sind nur bei sehr starkem Involvement zu erwarten.

2. Die Modelle


Man kann die Modelle des Konsumentenverhaltens danach einteilen, welche Variablen verknüpft und wie diese verknüpft werden.
Da in der Konsumentenforschung nur Theorien geringer bis mittlerer Reichweite verfügbar sind, sind Totalmodelle wenig sinnvoll. Sie eignen sich bestenfalls in Form von Strukturmodellen dazu, einen Bezugs- und Orientierungsrahmen für die Abbildung von partiellen Variablenbeziehungen zu schaffen; nicht selten lediglich zu dem Zweck, um den Inhalt eines Buches über Konsumentenverhalten in einer übersichtlichen Form zu strukturieren (Schiffman, L. G./Kanuk, L. 1991; dort wird auch eine Übersicht über solche Totalmodelle gegeben).
Empirisch gehaltvolle Modelle können nur einzelne Variablen aus den Variablengruppen R, I, V und ihre Verknüpfung abbilden. Aus verhaltenswissenschaftlicher Sicht ist es zweckmäßig, zwei Modellkategorien auseinander zu halten:

-

Behavioristische Modelle mit R-V-Beziehungen,

-

Modelle, die I-Variablen einbeziehen.

a) Behavioristische Modelle


Diese Modelle stellen direkte Verknüpfungen zwischen den Reizkonstellationen der Umwelt und dem Verhalten oder zwischen Verhaltensvariablen her. Intervenierende Variablen werden nicht einbezogen (Müller-Hagedorn, L. 1986).
Repräsentativ dafür sind Lernmodelle, in denen das Verhalten in Abhängigkeit vom vorangegangenen Verhalten – von wiederholten »Erfahrungen« des Konsumenten mit einer Reizkonstellation – gesehen wird. Die meisten Lernmodelle werden verbal formuliert (Foxall, G. 1990). Es gibt aber auch zahlreiche formalisierte Modelle, die das Kaufverhalten als stochastischen Prozess in Abhängigkeit vom Verhalten in der Vorperiode abbilden, wie das lineare Lernmodell von Kuehn (Kuehn, A. A. 1972; weitere Modelle in Bänsch, A. 1993 und Lilien, GL./Kotler, P./Moorthy, K. S. 1992).

b) Modelle mit intervenierenden Variablen


Diese Modelle sind am häufigsten in der Konsumentenforschung vertreten. Es handelt sich in erster Linie um Modelle, die den Einfluss der physischen oder sozialen Umwelt auf das innere Verhalten darstellen (»Umweltmodelle«) oder die sich mit partiellen Beziehungen aus der Wirkungskette Produkt/psychische Vorgänge im Konsumenten/Verhalten auseinander setzen.
Umweltmodelle: Repräsentative Modelle, die bei der physischen Umwelt ansetzen, sind Arbeiten, die sich auf Mehrabian und Russell berufen und die emotionalen Wirkungen von Reizkonstellationen der Umwelt – z.B. von Ladenausstattungen – auf das Kaufverhalten untersuchen (Mehrabian, A./Russell, J. A. 1974; Gröppel, A. 1991; mit Hinweisen auf verschiedene Modelle).
Der Einfluss der sozialen Umwelt wird u.a. in Diffusionsmodellen wiedergegeben, in denen es darum geht, wie die Konsumenten aufgrund ihrer persönlichen Dispositionen und ihrer Umweltkontakte dazu kommen, Innovationen, z.B. neue Produkte, zu übernehmen (Mahajan, V./Muller, E./Bass, F. M. 1991).
Eine genauere Modellierung der internen Vorgänge ist vor allem in solchen Modellen zu finden, die sich mit dem Zustandekommen und den Verhaltenswirkungen einzelner aktivierender und kognitiver Vorgänge beschäftigen. Bekannte Beispiele sind Einstellungsmodelle, die dazu dienen, die Entstehung von Einstellungen und die Auswirkungen auf das Verhalten zu erklären (Trommsdorff, V. 1993).

III. Mikroperspektive: Der Konsument als Individuum


Bereits in den frühen Werken der Konsumentenforschung werden Mikro- und Makroperspektive des Verhaltens unterschieden. Bei der Mikroperspektive steht der einzelne Konsument mit seinen psychischen Vorgängen und individuellen Verhaltensweisen im Vordergrund. Aus der Makroperspektive wird die soziale Ausrichtung des Konsumentenverhaltens gesehen. Nach dieser noch heute weit verbreiteten Unterscheidung (dazu etwa Robertson, T. S./Kassarjian, H. H. 1991) wird als Erstes auf die intraindividuellen Verhaltensweisen eingegangen.

1. Die emotionalen Antriebskräfte des Konsumenten


Die grundlegenden Antriebskräfte des Menschen sind seine Emotionen (Gefühle). Darunter versteht man innere Erregungen und Spannungen, die als angenehm oder unangenehm empfunden und mehr oder weniger bewusst erlebt werden. Sind die Emotionen mit einer Zielorientierung verbunden, so spricht man von Motivation. Beispiel: Prestige ist ein typisches emotionales Konsumentenerlebnis. Wird der Konsument dazu getrieben, Prestige durch einen Sportwagen zu erreichen, so kommt eine Motivation zum Sportwagenkauf zustande.
Hinter dem Kauf und Konsum von Gütern steht i.d.R. das Streben nach emotionalen Erlebnissen, anders formuliert, das Streben nach der Befriedigung von emotionalen Bedürfnissen (zur Abgrenzung dieser Begriffe Kroeber-Riel, W. 1992a). Besonders verbreitete Konsumerlebnisse sind Neugier, Erotik, soziale Anerkennung, persönliche Freiheit, Natur und Gesundheit, Genuss, Geselligkeit.
Die Beschäftigung mit den emotionalen Erlebnissen der Konsumenten und mit ihren Auswirkungen auf das Verhalten ist zu einem starken Zweig der Konsumentenforschung geworden (Peterson, R. A./Hoyer, W. D./Wilson, W. R. 1986). Für die praktische Anwendung der Erkenntnisse gilt:

-

in hoch entwickelten Märkten wird der Erlebniswert der angebotenen Güter zum vorrangigen Angelpunkt für Konsumentenpräferenzen.

-

Emotionale Erlebnisse lassen sich gezielt durch das Marketing erzeugen.


Folgerung: Die Marketing-Aktivitäten zur emotionalen Beeinflussung von Konsumenten, vor allem durch Laden- und Produktgestaltung sowie durch Werbung, werden für den Markterfolg immer wichtiger. Das wird u.a. durch langfristige Trendanalysen zur Werbung nachgewiesen (Leiss, W./Kline, S./Jhally, S. 1986) und durch die Entwicklung von Instrumenten des Erlebnis-Marketing verdeutlicht (Weinberg, P. 1992).

2. Die kognitive Steuerung des Verhaltens


Die kognitiven Vorgänge entstehen durch die gedankliche Verarbeitung der aktuell aufgenommenen und der bereits gespeicherten Informationen. Zentrale Informationsverarbeitungsvorgänge sind:

-

die Wahrnehmung (insb. Produktbeurteilung),

-

die Entscheidung (insb. Produktauswahl).


Ein wesentlicher Ansatzpunkt für die Erklärung dieser Vorgänge ist das dauerhaft im Gedächtnis gespeicherte Wissen. Es ist dafür verantwortlich, wie die aus der Umwelt stammenden Reize (Informationen) aufgenommen, gedanklich verarbeitet und gespeichert werden.
Das Wissen wird im Gedächtnis vor allem in Form von verfestigten, »standardisierten« Vorstellungen über die Eigenschaften von Personen und Gegenständen und über den Ablauf von Ereignissen repräsentiert, die Schemata genannt werden (Markus, H./Zajone, R. B. 1985). Schemata sind z.B. »der Italiener« oder »die Pizza«. Sie ermöglichen eine schnelle Einordnung von aufgenommenen Informationen und lenken die Beurteilung und Auswahl der Produkte und Dienstleistungen in vorgezeichnete Bahnen (Grunert, K. G. 1990). Die gedanklichen Schemata der Konsumenten führen zu vereinfachten Wahrnehmungen und Entscheidungen; sie tragen wesentlich zur Erklärung der eingeschränkten Rationalität des Konsumentenverhaltens bei.
Beachtliche Unterschiede der Informationsverarbeitung ergeben sich aus der Modalität der dargebotenen Informationen. Abstrakte und sprachliche Informationen haben einen schwächeren Einfluss auf das Verhalten; sie ermöglichen einen geringeren Eingriff in die gedankliche Steuerung des Konsumenten als konkrete und bildliche Informationen. Die bildlichen Informationen werden besser erinnert, sie sind gedanklich besser verfügbar, und sie entfalten stärkere Wirkungen auf das Problemlösungsverhalten (Kroeber-Riel, W. 1993; Nisbett, R. E./Ross, L. 1980).

IV. Makroperspektive: Der Konsument im sozialen Kontext


Einkauf und Konsum von Produkten und Dienstleistungen sind in besonderem Maße soziales Handeln.

1. Gruppeneinfluss


An erster Stelle ist an den Einfluss zu denken, der durch den persönlichen Kontakt mit anderen entsteht, mit Familie, Freunden, Arbeitskollegen.
Dieser Kontakt kommt nicht nur mündlich oder schriftlich zustande, sondern auch durch die nonverbale Kommunikation. Dazu gehört die Körpersprache durch Mimik, Blickkontakte, Gestik usw. sowie die »Objektkommunikation« mittels Gegenständen wie Schmuck oder Geschenken (Siegman, A. W./Feldstein, S. 1987). Die nonverbale Kommunikation tritt als zweites Verständigungssystem neben die sprachliche Kommunikation. Sie hat in manchen Situationen sogar mehr Einfluss auf das Verhalten als diese.
Aus den Erkenntnissen über die nonverbale Kommunikation lassen sich wichtige Sozialtechniken für das Marketing ableiten, u.a. zur Steuerung des Konsumentenverhaltens durch Verkäufer (Weinberg, P. 1986) oder zur Konsumentenbeeinflussung durch nonverbale Kommunikation in der Fernsehwerbung (Beckmeier, S. 1989).
Einen besonders starken Einfluss üben die Bezugsgruppen aus. Das sind in erster Linie kleinere Gruppen aus der näheren sozialen Umgebung wie die Nachbarn, nach denen sich der Einzelne richtet, aber auch größere Gruppierungen wie bestimmte soziale Schichten – etwa der »Jet-Set« (Wiswede, G. 1991). Die Bezugsgruppen bestimmen die Art und Weise, wie der Konsument seine Umwelt und sich selbst wahrnimmt und beurteilt (komparativer Einfluss); sie liefern außerdem Standards für sein Verhalten (normativer Einfluss).
So werden z.B. Produkte so beurteilt und ausgewählt, wie es den Standards einer Bezugsgruppe entspricht. Das gilt in erster Linie für sozial auffällige Produkte und Marken.

2. Einfluss von Kultur und Subkultur


Die Kultur ist ein Hintergrundphänomen, das unser Verhalten prägt, ohne dass wir uns dieses Einflusses bewusst sind. Ob wir Schweinefleisch essen, Ostereier kaufen oder Hüte tragen, hängt davon ab, welche Verhaltensmuster in unserer Kultur (durch die Sozialisation) vermittelt werden.
Kultur besteht aus Denk-, Gefühls- und Verhaltensmustern sowie aus materiellen Gütern, die eine Gesellschaft kennzeichnen. Der Begriff Subkultur grenzt entsprechende soziale Einheiten innerhalb einer Gesellschaft ab. Subkulturen werden z.B. durch die abgrenzbaren Verhaltensweisen von Jugendlichen und Senioren, von Konsumenten geografischer Gebiete (wie Bayern) oder von sozialen Schichten gebildet. Eine Subkultur wie die Jugendkultur manifestiert sich u.a. in bestimmten Konsummustern. So trinken Jugendliche unter 20 Jahren zehnmal so viel Cola-Getränke wie ältere Leute über 60 Jahre.
Obwohl das Konsumentenverhalten weitgehend kulturabhängig ist und nur aus dem kulturellen Kontext erklärt werden kann, hat sich die Konsumentenforschung erst in den letzten Jahren verstärkt den kulturellen Determinanten des Verhaltens zugewandt. Dafür gibt es zwei Gründe: die zunehmende Bedeutung des interkulturellen Marketing – auch in der Europäischen Union – und die stärkere Beachtung von Forschungsmethoden, die den Konsum als symbolisches Verhalten verstehen: Kultureller Einfluss wird ja vor allem über Symbolsysteme vermittelt, über die Sprache und die Bilder einer Kultur, die Aufschluss über das Konsumentenverhalten geben. Z.B. geben die gemessenen Assoziationen einer Bevölkerung Auskunft über die kulturelle Bedeutung von Produkten oder von Werbebotschaften: »Brot« wird in den USA von der Vorstellung »Butter« begleitet, aber nicht in Frankreich (Kroeber-Riel, W. 1992b mit weiteren Ergebnissen und Literaturhinweisen).
Zur Erklärung des kulturabhängigen Konsumentenverhaltens haben sich auch vergleichende Untersuchungen des Lebensstils und vergleichende Analysen von rituellen und auch von kultischen Verhaltensweisen bewährt: Rituelle Anlässe wie Feiertage oder Hochzeiten bestimmen ja in beachtlichem Ausmaß den Konsum (Solomon, M. R. 1992: In diesem Buch enthält jedes Kapitel einen Abschnitt über multikulturelle Dimensionen des Verhaltens).

3. Komplexe soziale Beeinflussungsmuster


Der Einfluss von einzelnen Personen und Gruppen auf den Konsumenten und der Einfluss der weiteren sozialen Umwelt (Kultur und Subkultur) werden aus Gründen analytischer Vereinfachung oft getrennt dargestellt.
Die verschiedenen Einflüsse wirken jedoch in einem komplexen Beziehungsgeflecht zusammen. Ein Muster ist die mehrstufige Kommunikation: Dabei werden die von der Massenkommunikation vermittelten Eindrücke von einzelnen »Kommunikationsagenten« aufgenommen, verarbeitet und in der persönlichen Kommunikation weitergegeben. Dieses Muster findet man u.a. in Diffusions- und Sozialisationsprozessen:
In Diffusionsprozessen übernehmen Meinungsführer und Innovatoren aus der Massenkommunikation Informationen über neue Güter und geben diese in persönlichen und beeinflussungsstarken Gesprächen an andere Konsumenten weiter. Dadurch entstehen »Vermittlungseffekte« und »Beeinflussungseffekte« der Meinungsführer, die den Diffusionsprozess beschleunigen (Kaas, K. P. 1973).
Durch die (Primär-)Sozialisation werden Kinder mit ihrer Rolle als Konsumenten vertraut gemacht; sie lernen, was und wie man kauft und konsumiert. Vor allem Eltern und Erzieher wirken als Kommunikationsagenten, die den Kindern in der persönlichen Kommunikation kulturelle und subkulturelle Verhaltensweisen vermitteln. Dabei kontrollieren und modifizieren sie auch die Einflüsse der Massenkommunikation (insb. des Fernsehens) auf die Kinder (Moschis, G. P. 1987).
Literatur:
Assael, H. : Consumer Behavior and Marketing Action, 4. A., Boston/Mass. 1992
Bänsch, A. : Käuferverhalten, 5. A., München et al. 1993
Behrens, G. : Konsumentenverhalten, 2. A., Heidelberg 1991
Bekmeier, S. : Nonverbale Kommunikation in der Fernsehwerbung, Heidelberg 1989
Engel, J. F./Blackwell, R. D./Miniard, P. W. : Consumer Behavior, 7. A., Fort Worth et al. 1993
Engel, J. F./Kollat, D. T./Blackwell, R. D. : Consumer Behavior, 1. A., New York et al. 1968
Foxall, G. : Consumer Psychology in Behavioural Perspective, London et al. 1990
Gröppel, A. : Erlebnisstrategien im Einzelhandel, Heidelberg 1991
Grunert, K. G. : Kognitive Strukturen in der Konsumforschung – Entwicklung und Erprobung eines Verfahrens zur offenen Erhebung assoziativer Netzwerke, Heidelberg 1990
Guba, E. G. : The Paradigm Dialog, Newbury Park et al. 1990
Hawkins, D. I./Best, R. J./Coney, K. A. : Consumer Behavior, Implications for Marketing Strategy, 5. A., Homewood/Ill. 1992
Hirschman, E. C. : Interpretive Consumer Research, Provo/UT 1989
Hirschman, E. C./Holbrook, M. B. : Postmodern Consumer Research, Newbury Park 1992
Holbrook, M. B./Hirschman, E. C. : The Semiotics of Consumption – Interpreting Symbolic Consumer Behavior in Popular Culture and Works of Art, Berlin et al. 1993
Kaas, K. P. : Diffusion und Marketing, Stuttgart 1973
Kroeber-Riel, W. : Marketingtheorie. Verhaltensorientierte Erklärungen von Marktreaktionen, Köln 1972
Kroeber-Riel, W. : Konsumentenverhalten und Marketing, Opladen 1973
Kroeber-Riel, W. : Konsumentenverhalten, 5. A., München 1992a
Kroeber-Riel, W. : Globalisierung der Euro-Werbung. Ein konzeptioneller Ansatz der Konsumentenforschung, in: Marketing-ZFP, 1992b, S. 261 – 267
Kroeber-Riel, W. : Bildkommunikation. Imagerystrategien für die Werbung, München 1993
Kuehn, A. A. : Die Produktwahl des Konsumenten als Lernprozeß, in: Marketingtheorie. Verhaltensorientierte Erklärungen von Marktreaktionen, hrsg. v. Kroeber-Riel, W., Köln 1972, S. 156 – 170
Kuhlmann, E. : Verbraucherpolitik – Grundzüge ihrer Theorie und Praxis, München 1990
Kuß, A. : Käuferverhalten, Stuttgart 1991
Leiss, W./Kline, S./Jhally, S. : Social Communication in Advertising, Toronto et al. 1986
Lilien, G. L./Kotler, P./Moorthy, K. S. : Marketing Models, London et al. 1992
Mahajan, V./Muller, E./Bass, F. M. : New Product Diffusion Models in Marketing, in: Diffusion of Technologies and Social Behavior, hrsg. v. Nakicenovic, N./Grübler, A., Berlin et al. 1991, S. 125 – 178
Markus, H./Zajonc, R. B. : The Cognitive Perspective in Social Psychology, in: The Handbook of Social Psychology, Bd. 1, hrsg. v. Lindzey, G./Aronson, E., 3. A., New York et al. 1985, S. 137 – 230
McAlister, L./Rothschild, M. L. : Advances in Consumer Research, Bd. 20, Provo/UT 1992
Mehrabian, A./Russell, J. A. : An Approach to Environmental Psychology, Cambridge/Mass. 1974
Moschis, G. P. : Consumer Socialization – A Life-Cycle Perspective, Lexington/Mass. et al. 1987
Müller-Hagedorn, L. : Das Konsumentenverhalten. Grundlagen für die Marktforschung, Wiesbaden 1986
Nisbett, R. E./Ross, L. : Human Inference: Strategies and Shortcomings of Social Judgement, Englewood Cliffs/N.J. 1980
Peterson, R. A./Hoyer, W. D./Wilson, W. R. : The Role of Affect in Consumer Behavior, Lexington/Mass. 1986
Raffée, H./Wiedmann, K. -P. : Wertewandel und gesellschaftsorientiertes Marketing – Die Bewährungsprobe strategischer Unternehmensführung, in: Strategisches Marketing, hrsg. v. Raffée, H./Wiedmann, K. -P., Stuttgart 1985, S. 552 – 611
Robertson, T. S./Kassarjian, H. H. : Handbook of Consumer Behavior, Englewood Cliffs/N.J. 1991
Schiffman, L. G./Kanuk, L. : Consumer Behavior, 4. A., London et al. 1991
Siegman, A. W./Feldstein, S. : Nonverbal Behavior and Communication, 2. A., Hillsdale 1987
Solomon, M. R. : Consumer Behavior – Buying, Having and Being, Boston/Mass. et al. 1992
Trommsdorff, V. : Konsumentenverhalten, 2. A., Stuttgart et al. 1993
Ward, S./Webster, F. E. : Organizational Buying Behavior, in: Handbook of Consumer Behavior, hrsg. v. Robertson, T. S./Kassarjian, H. H., Englewood Cliffs/N.J. 1991, S. 410 – 458
Weinberg, P. : Das Entscheidungsverhalten der Konsumenten, Paderborn et al. 1981
Weinberg, P. : Nonverbale Marktkommunikation, Heidelberg 1986
Weinberg, P. : Erlebnismarketing, München 1992
Wiswede, G. : Soziologie, 2. A., Landsberg a.L. 1991
Worcester, R. M./Downham, J. : Consumer Market Research Handbook, 3. A., London et al. 1986

 

 


 

<< vorhergehender Begriff
nächster Begriff >>
Konsumentensouveränität
 
Konsumfreiheit