Direktvertrieb
Banking by Mail, Banking by Phone.
kennzeichnet in klassischer, institutioneller Abgrenzung eine Distributionsform, mit deren Hilfe Waren- und Dienstleistungen ohne die Einschaltung von Absatzmittlern direkt an potentielle Kunden abgesetzt werden (Vertriebswegepolitik) sollen. Aus Anbietersicht wichtiges Merkmal dieser sog. direkten Absatzsysteme ist die unmittelbare Geschäftsbeziehung zwischen Anbieter und Nachfrager. Die Begriffsabgrenzung ist aber nicht einheitlich und kann auch andere Merkmale heranziehen. Die Abb. zeigt in Anlehnung an Engelhardt/Witte verschiedene Möglichkeiten. Bei enger Auslegung und vorsichtigen Schätzungen beträgt der Umsatz der im Konsumgütersektor auf diesem Vertriebsweg abgesetzten Waren ca. 27 Mrd. EUR, zzgl. ca. 162 Mrd. EUR aus klassischem Vertreterverkauf im Dienstleistungsbereich.
Mit Hilfe des Direktvertriebs werden Waren- und Dienstleistungen an Dritte durch Außendienstmitarbeiter (ADM) vorwiegend im persönlichen Verkauf bzw. im Wege des Telefonverkaufs abgesetzt (Direktvertrieb im funktionalen Sinne). Die Warenpräsentation erfolgt anhand von Originalen oder Mustern, in jüngster Zeit aber auch durch Einsatz elektronischer Medien (Computer Aided Selling). Der Verkauf ist hauptsächlich anbieterinitiiert und findet mit oder ohne Terminvereinbarung überwiegend in der Wohnung der Zielpersonen (Einzelpersonen oder Gruppen) oder auf der Straße statt (Straßenhandel, Heimdienst). Die Erscheinungsformen des Direktvertriebs sind nicht homogen. Diese Heterogenität resultiert aus dem Bemühen direktvertreibender Unternehmen, die quantitative und qualitative Ausgestaltung der Instrumente dem typischen Nachfrageverhalten der angesprochenen Nachfragersegmente anzupassen. In dieser individuellen Anpassung liegt das akquisitorische Potential des Direktvertriebs begründet: Wegen des unmittelbaren Kundenkontaktes eignet sich diese Vertriebsform in hohem Maße für präferenzpolitische Aktivitäten. Die Grundlage des strategisch ausgerichteten Direktmarketingkonzepts bilden einerseits die Ziele und Möglichkeiten des Anbieters, andererseits die Wettbewerbsbedingungen auf dem zu bearbeitenden Markt und das Nachfrageverhalten der anvisierten Zielgruppe. Weitere Einflußfaktoren, die letztlich die operative Ausgestaltung des absatzpolitischen Instrumentariums bestimmen, sind: - die Struktur des angebotenen Sortiments, - der Vorbereitungsgrad der Kaufverhand- lungsphase und - die angestrebte Stabilität der Kundenbeziehung. Auf dem Wege des Direktvertriebs lassen sich prinzipiell alle Waren und Dienstleistungen absetzen; wegen der intensiven Kundenkontakte ist der Direktvertrieb jedoch besonders für beratungsbedürftige Produkte geeignet. Im Investitionsgütermarketing stellt der Direktvertrieb den Regelfall dar. Die Tab. gibt einen Eindruck von der branchenspezifischen Bedeutung des Direktvertriebs im Konsumgüterbereich.
Die ursprünglich dominierenden Aspekte des Direktvertriebs sind mit zunehmend vergrößertem Wohlstand und verbesserten Angebotsformen des Handels in den Hintergrund gedrängt worden. Früher standen Gesichtspunkte wie die „Versorgung der Bevölkerung“ oder die „Einführung von Innovationen“ (Staubsauger, Waschmaschinen und Kühlschränke) im Vordergrund der Überlegungen. Heute sind es eher Bequem- lichkeits- und Zeitersparnisaspekte. Rechtlich betrachtet handelt es sich beim Direktvertrieb grundsätzlich um eine zulässige Vertriebsform. Allerdings konkurrieren die Grundrechte auf Schutz der Privatsphäre des einzelnen mit dem Recht auf Gewerbefreiheit. Sittenwidrig sind Aktivitäten nach § 6 c UWG, u. a. Schneeballsysteme sowie gefühlsbetonte Werbung (UWG, Direktmarketing). Einem negativen Gesamtimage in den Medien stehen lt. Befragungen überwiegend positive Erfahrungen von Privatkunden zu bestimmten Direktvertriebsangeboten gegenüber. Nach Angaben des Interessenverbandes kommt dies auch in einer Stornierungsquote von nur 3,8 Promille, einer Beschwerdequote von 0,23 Promille und einem Anteil der Stammkundschaft von 77% zum Ausdruck. Die genannten positiven Erfahrungen sind auf die Gestaltungsmöglichkeit der Verkaufsbedingungen von Seiten des Anbieters zurückzuführen, die das vom Kunden subjektiv empfundene Risiko eines Kaufes in der Wohnung reduzieren helfen. Zu den vertrauensbildenden Maßnahmen zählt das von der Legislative geschaffene allgemeine Widerruf srecht innerhalb einer Woche. Seitens der Anbieter werden Finanzierungs- und Lieferkonditionen angeboten, wie der Raten- oder Teilzahlungskauf, der Nachnahmeversand, die Lieferung auf Rechnung, die Umtauschgarantie u. ä.. Interessenvertreter der direkt vertreibenden Unternehmen ist der Arbeitskreis „Gut beraten- zu Hause gekauft“, der auch Verhaltensstandards für den Di- rektvertrieb kodifiziert hat. Bei der Außendienststeuerung unterscheidet man das Rotationsvertretersy- stem, wo der ADM ständig seinen Einsatzort und damit auch seinen Kundenkreis wechselt, während beim Platzvertretersy- stem der ADM in einem festgelegten Absatzgebiet eine möglichst dauerhafte Beziehung zum Kunden anstrebt. Neben der direkten Ansprache ist das Direct-Response-Marketing, bei dem durch eine positive Reaktion des potentiellen Kunden auf einen Werbemitteleinsatz die eigentliche Kaufhandlung vorbereitet werden soll, eine wichtige Form der Anbieterinitiative. Durch diese Vorgehensweise werden die negativen Überraschungsmomente, denen sich potentielle Kunden bei einem unan- gekündigten Vertreterbesuch ausgesetzt sehen, vermieden. Von diesen beiden Grundformen abweichende Konzepte sind die Freundschaftswerbung und der Party verkauf sowie Buchgemeinschaften. Abgesehen vom Fall der Buchgemeinschaften werden beim Direktvertrieb alle weiteren Aktivitäten durch die Entscheidung für den ADM-Einsatz geprägt; daraus ergeben sich auch die spezifischen Stärken und Schwächen dieser Vertriebsform. Die Strukturierung, Organisation und Steuerung des Außendienstes hat entscheidenden Einfluß auf die Sicherstellung der Markteffizienz. Der Außendienst gestaltet von der Kontaktanbahnung über die Kontakterhaltung, den Kaufabschluß und den Kundendienst alle wesentlichen interaktiven Momente zwischen Anbieter und Nachfrager. Er ist am besten über die Bedürfnisse der potentiellen Kunden informiert, weil er vor Ort die demographischen und psychographischen Strukturen erkundet; demzufolge kann er auch in jeder Phase des Absatzprozesses notwendige Informationen für den begleitenden absatzpolitischen Mitteleinsatz liefern. Hinsichtlich des Zentralisationsgrades des Außendienstes gibt es die Möglichkeiten einer zentralen Organisation mit direktem Kontakt zum ADM, einer dezentralen Organisation mit regionalen Niederlassungsleitern, ggf. auf mehreren Stufen oder einer mehrstufigen Organisation rechtlich selbständiger ADM. Mit zunehmendem Zentralisationsgrad steigt tendenziell die Möglichkeit der Einflußnahme auf den ADM durch die Zentrale. Dies erfordert einen hohen Organisationsaufwand, ermöglicht allerdings eine flexible Reaktion auf das Qualifikationspotential und das einheitliche Erscheinungsbild einer Unternehmung. Grundlegendes Element der Einflußnahme auf den ADM ist der von diesem erbrachte zeitliche Einsatz. Nebenberufliche ADM lassen sich i. d. R. nicht sehr stark an das Unternehmen binden. Die Mitglieder des Arbeitskreises „Gut beraten - zu Hause gekauft“ arbeiteten z.B. 1990 mit ca. 158.000 Vertriebsrepräsentanten, wovon ca. 7% hauptberuflich tätig sind. Der Anteil hauptberuflicher Vertreter im Angestelltenverhältnis beträgt im Einzelfall jedoch bis zu 70%. Literatur; Arbeitskreis „ Gut beraten - zu Hause gekauft“ e. V. (Hrsg.), Jahresberichte. Braun, ]., Die Optimierung der Vertriebsstruktur im Direktvertrieb, Frankfurt a.M. u.a. 1987. Engelhardt, W. H.; Witte, P., Direktvertrieb im Konsumgüter- und Dienstleistungsbereich, Stuttgart Tietz, B., Struktur und Dynamik des Direktvertriebs, Landsberg a. Lech 1985.
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