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Energiepolitik


1. Energiepolitische Aufgaben. Die E. stellt einen Teilbereich der sektoralen Wirtschaftspolitik (Theorie der Wirtschaftspolitik,
2.) dar und umfaßt alle wirtschaftspolitischen Aktivitäten, die die Energieversorgung beeinflussen sollen, um eine als energiewirtschaftlich unbefriedigend angesehene Ist-Situation bestmöglich einer angestrebten Soll-Situation anzunähern und anzupassen. Diese Gesamtheit aller energiepolitischen Ziele, Instrumente und Maßnahmen fußt einmal auf naturwissenschaftlich-technischen Grundlagen, die der Staat kontrolliert und auf die er einwirkt; sowie in den westlichen Ländern zum anderen zumeist auf einer ordnungspolitisch-marktwirtschaftlichen Grundkonzeption (Wirtschaftsordnung, Marktwirtschaft), wenngleich diese marktwirtschaftliche Systembindung der Energiepolitik nie besonders eng war und sich in letzter Zeit eher gelockert als gefestigt hat. Die E. richtet sich auf die Energieversorgung, zu der alle Aktivitäten rechnen, um Energie bereitzustellen. Dies umschließt die Gewinnung von erschöpfbaren, praktisch unerschöpflichen und regenerierbaren Primärenergien wie Kohle, Mineralöl, Naturgas, Natururan, Wasserkraft, die Sekundärenergien Heizöl, Strom u.a. sowie die Umwandlung von Endenergie in die Nutzenergien Wärme, Kraft und Licht. Als übergeordnetes Ziel der E. gilt unbestritten der Leitsatz einer möglichst sicheren und preisgünstigen Energieversorgung. Das Sicherheitsziel stellt dabei auf den Mengenaspekt ab und läßt sich als Lieferkonstanz auffassen, die von der regionalen Streuung der Bezugsquellen sowie von Ausmaß und Tempo der Substitution zwischen einzelnen Energieträgern abhängt. Der Grad der angestrebten Versorgungssicherheit ergibt sich aus einer Abwägung der energiepolitischen Instanzen mit der Preiswürdigkeit der Energiedarbietung. Diese Preiswürdigkeit formuliert man häufig als Kostenansatz und das energiepolitische Ziel lautet dann, den Energiebedarf langfristig zu möglichst günstigen volkswirtschaftlichen Kosten (Kosten) zu decken. Beide Ziele zeigen, daß die Hauptaufgabe der E. darin besteht, die statische und dynamische Allokationseffizienz (Allokation) des Energiesektors zu sichern, u.zw. sowohl für seine strukturelle und technologische Entwicklung als auch für jeden einzelnen seiner Teilbereiche (Energiearten). Dieser allokationspolitische Auftrag steht nun unter der erschwerenden Bedingung, daß ein großer Teil der Primärenergien zu den nichtregenerierbaren, gleichwohl aber produktionsnotwendigen natürlichen Ressourcen zählt. Die Theorie der intertemporalen Allokation hat hierzu die für die Energiepolitik bedeutsame Schlußfolgerung erbracht, daß sich bei wohl definierten Verfügungsrechten die Marktallokation keineswegs, wie Begründungen für direkte energiepolitische Lenkungseingriffe immer wieder behaupten, gegenüber der zukünftigen Energieversorgung mit ihren Verknappungstendenzen blind verhält, ein allgemeines energiewirtschaftliches Marktversagen also als unbegründet gelten muß. Daraus folgt, daß die E. für störungsfreie wettbewerbliche Marktprozesse zu sorgen hat und mithin Wettbewerbsbeschränkungen möglichst vermeiden sollte. Die Energiewirtschaft unterliegt seit langem einem tiefgreifenden Strukturwandel. So drang vor allem in den sechziger Jahren das Erdöl vor und erreichte schließlich einen Versorgungsanteil von rund fünfzig Prozent, während der Anteil der festen Brennstoffe von über 60 Prozent auf unter 30 Prozent absank. Ein Umschwung trat dann durch die Ölkrisen der siebziger Jahre mit ihren sprunghaften Preissteigerungen ein, so daß sich die nunmehr zu bewältigenden Umstrukturierungen unter veränderten Bedingungen vollziehen. So muß man davon ausgehen, daß sich der Primärenergieverbrauch (PEV) weiter erhöht, obwohl sich die Energieintensität         
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verringert. Zwar besteht bei den Energieressourcen insgesamt keine alarmierende Knappheit, doch werden sich die Anteile der einzelnen Energiearten an der Bedarfsdeckung wg. der unterschiedlichen Reservesituationen beträchtlich verschieben müssen. Insgesamt muß man auch im längerfristigen Trend mit steigenden, sich teilweise ruckartig erhöhenden Energiepreisen rechnen. Um sich an solche veränderten Versorgungslagen mit häufig eskalierenden Energiepreisen anzupassen, können E. wie Energieverbraucher zwei Strategien einschlagen, nämlich          -           eine Energiesparstrategie, was zugleich eine Steigerung der Energieeffizienz  einschließt, um die Nutzenergien mit einem geringeren Einsatz an Endenergien zu  erstellen, und                  -           eine Substitutionsstrategie, also relativ teuere Energieträger durch kostengünstigere   zu ersetzen. Da die Energieträger mit der stärksten Verknappungstendenz immer auch  einen hohen Preis aufweisen, bedeutet dies bei den jetzigen  Knappheitsverhältnissen eine Energiepolitik zu verfolgen "weg vom Öl". Dies deckt sich mit den Schwerpunkten, die die Bundesregierung für die E. gesetzt hat, nämlich: Energieeinsparung, Zurückdrängung des Öls, Erweiterung des Energieangebots und Krisenvorsorge. Beide Strategien beruhen freilich letztlich auf einer Substitution von Energie durch Kapital , das zusätzlich benötigt wird, um Energiewandlungsgeräte und Energiegewinnungsanlagen sowie andere Produktionsmittel und Anlagegüter (Anlagevermögen , Güter) umzurüsten oder auszutauschen.
2. Instrumente und Maßnahmen. Über Erfolg und Mißerfolg der beiden energiepolitischen Strategien entscheidet, ob die E. deren Funktionsbedingungen einhält oder nicht. Diese Funktionsbedingungen für eine Marktallokation in der Anpassung an veränderte Knappheitsverhältnisse lauten:       -           Verzicht auf störende Marktinterventionen (Intervention), u. zw. insbesondere: Verzicht auf dirigistische Preiseingriffe.    -           Abbau und Verhinderung von Wettbewerbsbeschränkungen . Die deutsche E. widerstand zwar der Versuchung, die Auswirkungen der Ölkrise mit unmittelbaren staatlichen Preiseingriffen bekämpfen zu wollen, doch besaß sie trotzdem bisher keine einheitliche ordnungspolitische Grundkonzeption, die sich durchgängig an einem marktwirtschaftlichen Ordnungsrahmen orientiert hätte. Vielmehr kennzeichnet sie eine große Liste von energiepolitischen Einzeleingriffen, die aus beinahe allen Maßnahmekategorien stammen und von wettbewerbsorientierten Instrumenten über marktwirtschaftliche Interventionen bis hin zu lenkungswirtschaftlichen Eingriffen reichen. Dies trägt in die E. beträchtliche Fehlentwicklungen hinein, weil der Instrumenteneinsatz nicht mehr widerspruchsfrei geschieht, weil sich die Wirkungen der einzelnen Maßnahmen überlagern und gegenseitig verstärken oder aufheben, weil die Zielrealisierung darunter leidet und weil dies alles zusammen genommen in der Energieversorgung wettbewerbliche Marktprozesse verzerrt, behindert oder gar lahmlegt. Nicht selten benutzt die E. sogar Wettbewerbsbeschränkungen als Instrument, um bestimmte Versorgungsergebnisse zu erreichen. Obwohl es höchst zweifelhaft ist, ob solche Instrumentalisierungen von Marktprozessen überhaupt ein taugliches energiepolitisches Mittel darstellen, sollten sie trotzdem der energiewirtschaftlichen Strukturanpassung dienen, um Überkapazitäten und Engpässe bei einzelnen Energiearten abzubauen. Vielmehr müßte die E. bei ihren Maßnahmen, vor allem auch bei finanziellen Hilfen, um Umstellungs- und Anpassungsprozesse zu verlangsamen und zu glätten, beachten, daß auch der Strukturanpassungspolitik eine wettbewerbspolitische Kausaltherapie vorauszugehen hat, daß es keinen zuverlässigen, marktorientierten Indikator für die Ausgestaltung von Umstellungshilfen gibt und daß das Fehlen empirischer Nachweise der Überwälzung von Anpassungshilfen eine Erfolgskontrolle ungemein erschwert. Eine solche lenkungseffiziente Abgrenzung energiepolitischer und marktlicher Funktionen bei der Allokation der Energieressourcen gilt es gleichermaßen bei der Sparstrategie wie auch bei der Substitutionsstrategie zu befolgen. Gerade von der Sparstrategie erwartet man große energiewirtschaftliche Erfolge, u. zw. in allen Verbrauchssektoren vor allem jedoch von der Transformationsstufe durch ein Zurückdrängen der Verluste durch Abwärme, also durch eine Steigerung der Nutzungsgrade bei der Energieumwandlung. Bei der Energieeinsparung vertraut die E. teilweise auf die Wirkung steigender Preise, zu einem nicht geringen Teil setzt sie aber auch auf Einspareffekte administrativer Regelungen des Energieverbrauchs und des Energieeinsatzes. Solche Lenkungseingriffe dämpfen aber den Anstieg der Energiepreise, verzerren die Preisrelationen und verfälschen somit die zeitliche Energieallokation. Das verhindert rasche Umstellungen auf sich verändernde Knappheitsverhältnisse bei den einzelnen Energiearten und verringert insgesamt unnötig die energiewirtschaftliche Anpassungsflexibilität. Die ordnungspolitischen Voraussetzungen gelten in gleicher Weise auch für die energiepolitische Substitutionsstrategie, um Erdöl durch andere Energieträger zu ersetzen, was auf absehbare Zeit in nennenswertem Umfang nur durch Kohle und/od. Kernenergie geschehen kann. Ein häufig geforderter schneller Ausstieg aus der Kernenergie ist über Energiesparen nicht annähernd zu kompensieren, hätte im übrigen beträchtliche negative volkswirtschaftliche Rückwirkungen und würde eine potentielle Strahlengefährdung nicht entscheidend verringern, solange die Nachbarländer weiterhin Kernkraftwerke betreiben. Die Vorteile marktwirtschaftlicher Allokationseffizienz lassen sich jedoch nur solange und soweit nutzen und sichern, wie die energiewirtschaftliche Koordination in wettbewerblichen Marktprozessen vor sich geht. Da Wettbewerbsbeschränkungen diesen Vorzug erheblich mindern, müßte die E. zunächst dafür sorgen, Wettbewerbsbeschränkungen überall dort abzubauen, wo sie sich beseitigen lassen. Auf diesem Gebiet weist die E. allerdings ein großes Defizit auf. Denn in beinahe allen Teilbereichen der Energieversorgung liegen mehr oder weniger durchgreifende Wettbewerbsbeschränkungen vor, die größtenteils grundsätzlich wirtschaftspolitisch korrigierbar sind und nur in seltenen Ausnahmefällen auf ein tatsächliches, nicht interventionistisch hervorgerufenes Marktversagen zurückgehen. Die E. weist in ihren spezifischen Maßnahmen für die energiewirtschaftlichen Teilbereiche eine beträchtliche Spannweite auf. So besteht das Ziel der Kohlepolitik darin, den Beitrag der einheimischen Steinkohle zur Energieversorgung zu erhöhen, nicht etwa der Steinkohle schlechthin. Neben einer umfassenden Subventionierung (Subvention) geschieht dies seit mehr als dreißig Jahren durch eine weitgehende Marktschließung nach außen über eine Importkontingentierung und nach innen über eine Absatzsicherung für Lieferungen an die Elektrizitätswirtschaft (Kohlepfennig) sowie an die Eisen- und Stahlindustrie. Diese Regelungen nehmen auf Allokations- und Wettbewerbspunkte kaum Rücksicht. Hingegen beschränkt sich die Ölpolitik weitgehend auf wettbewerbspolitische Maßnahmen, um Preis- oder Behinderungsmißbräuche marktstarker Mineralölunternehmen zu verhindern. Demgegenüber konzentriert sich die E. für die leitungsgebundene Energieversorgung (Strom, Gas) auf eine Instrumentalisierung von Wettbewerbsbeschränkungen in Form eines engmaschigen Gebietsschutzsystems, für das ein wettbewerbspolitischer Ausnahmebereich geschaffen wurde. Die E. hat dies ergänzt durch eine staatliche Regulierung (Fach-, Preis- und Kartellaufsicht), die zwar für die Abnehmer eine kompensatorische Schutzfunktion erfüllen soll, sich jedoch nicht nur als ordnungsinkonform, sondern ebensoviel als wenig leistungsfähig erweist. Denn es kann ihr höchstens gelingen, offensichtliche Fehlentwicklungen und grobe Verhaltensmißbräuche zu vermeiden, sie kann aber niemals die Steuerungs- und Kontrolleffizienz wettbewerblicher Marktprozesse erreichen. Die Anstrengungen zur Vollendung des EG-Binnenmarktes zielen neuerdings darauf, auch in der Energiewirtschaft wettbewerbsbeschränkende Hemmnisse abzubauen.

Literatur: W. Mönig/D. Schmitt/H. K. Schneider/J. Schürmann, Konzentration und Wettbewerb in der Energiewirtschaft. München 1977. H. Gröner, Energiepolitik, in: O. Issing (Hrsg.), Spezielle Wirtschaftspolitik. München 1982.

 

 


 

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