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Schließende Statistik

siehe unter Analytische Statistik siehe unter Beurteilende Statistik siehe unter Induktive Statistik siehe unter Inferenz-Statistik
1. Aufgabenbereich. Eine knappe und häufig verwendete Definition lautet: "Aufgabe der S. ist der Rückschluß von der Stichprobe auf die Grundgesamtheit ". Eine genauere Vorstellung über die Möglichkeiten und Grenzen der S. erhält man jedoch erst, wenn man die in dieser Definition benutzten Begriffe "Rückschluß", "Stichprobe" und "Grundgesamtheit" weiter hinterfragt und sich die Schwierigkeiten vor Augen führt, die mit der Tatsache verbunden sind, daß es sich bei einer Stichprobe um eine unvollkommene Informationsquelle handelt. Die zu untersuchende Grundgesamtheit muß im jeweiligen Anwendungsfall durch zeitliche, räumliche und sachliche Abgrenzungen festgelegt werden. Ferner kann die Grundgesamtheit auch hypothetisch (d.h. noch nicht konkret realisiert) sein, wie es etwa bei der Grundgesamtheit aller von einer (kürzlich installierten) Maschine im Laufe ihrer Nutzungsperiode produzierten Stücke der Fall ist. Die Stichprobe wird i.d.R. gemäß einer "reinen Zufallsauswahl" zu ziehen versucht, was bei einer hypothetischen Grundgesamtheit natürlich nicht unproblematisch ist. Häufig werden an eine Stichprobe auch andere Forderungen gestellt, beispielsweise diejenige nach Repräsentativität (die Stichprobe soll ein getreues Miniaturbild der Grundgesamtheit darstellen) oder nach Optimalität (wobei das Stichprobendesign unterschiedliche Auswahlwahrscheinlichkeiten für unterschiedliche Elemente der Grundgesamtheit vorsehen kann). Ob die selbstverständlich klingende Forderung nach Repräsentativität der Stichprobe im Einzelfall erfüllt ist, läßt sich in aller Regel nicht zuverlässig nachprüfen: Betrachten wir beispielsweise die Gesamtheit aller volljährigen Bundesbürger sowie eine Stichprobe, in der die Bundesländer, die Konfessionen und die Geschlecher entsprechend den global gültigen Proportionen vertreten sind. Man wird versucht sein, eine derartige Stichprobe als repräsentativ zu bezeichnen. Ob sie es tatsächlich ist, hängt entscheidend von dem Untersuchungsmerkmal ab. Ist beispielsweise die Einstellung zu einer Änderung der Ladenschlußgesetze zu untersuchen, so könnten anstelle obiger drei Merkmale gänzlich andere Merkmale wie etwa die Art der Beschäftigung oder die Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft wesentlich mehr Relevanz besitzen, und die Stichprobe in bezug auf diese relevanten Merkmale erheblich verzerrt sein. Der in der Eingangsdefinition erwähnte Rückschluß kann unterschiedliche Fragestellungen beinhalten; in obigem Beispiel könnte beispielsweise die Frage interessieren a) wie groß der Anteil aller volljährigen Bundesbürger ist, die die Änderung der        Ladenschlußgesetze befürworten, b) zwischen welchen Grenzen dieser Anteilswert liegt, c) ob sich der Anteil der Befürworter gegenüber dem Vorjahr vergrößert hat, d) wie die Verteilung der Einstellung ist (etwa gemessen auf einer Siebenpunkte-Skala mit den Polen "vollständige Ablehnung" und "uneingeschränkte Zustimmung"). Das klassische Aufgabengebiet der S. ist die Beantwortung von Fragen des Typs a), b) und c). Bei a) handelt es sich um eine Parameterpunktschätzung. Eine Punktschätzfunktion  angewandt auf eine konkrete Stichprobe  liefert einen eindeutigen Schätzwert für den interessierenden Parameter der Grundgesamtheit; im Beispiel könnte das Ergebnis etwa 0,68 lauten. Bei b) handelt es sich um eine Parameterintervallschätzung. Eine Intervallschätzfunktion  angewandt auf eine konkrete Stichprobe  liefert ein Intervall, das im Beispiel etwa 0,68 ± 0,08 bzw. [0,60; 0,76 lauten könnte. Bei c) handelt es sich um einen Hypothesentest, der im Beispiel etwa zur Ablehnung der Hypothese führen könnte. Bei d) handelt es sich um ein Schätzproblem, das offenbar etwas komplexer ist als die Schätzung eines einzelnen Parameters und auf die gleichzeitige Schätzung mehrerer Parameter hinausläuft. Solche Probleme zählen ebenfalls zum Aufgabenbereich der S.
2. Abgrenzungen zu anderen Teilgebieten der Statistik. Synonyma zu S. sind Analytische Statistik, Beurteilende Statistik, konfirmatorische Statistik und Inferenz -Statistik. Methoden, die keinen Bezug auf den Stichprobencharakter nehmen, sondern dazu dienen, ein gegebenes Datenmaterial rechnerisch zu komprimieren oder graphisch bzw. tabellarisch aufzubereiten, werden zur Deskriptiven (od. beschreibenden oder explorativen) Statistik  gezählt. Methoden, die den Stichprobencharakter explizit berücksichtigen und darüberhinaus Fehlentscheidungskosten sowie gegebenenfalls Stichprobenkosten und a priori Informationen einbeziehen, werden in der statistischen Entscheidungstheorie entwickelt.
3. Irrtumswahrscheinlichkeiten. Eine wesentliche Konsequenz der Unvollständigkeit der (Stichproben-) Information besteht in der Notwendigkeit, Irrtumswahrscheinlichkeiten in Kauf nehmen zu müssen. Bei Punktschätzproblemen ist die Irrtumswahrscheinlichkeit auch für die ausgeklügeltsten Schätzverfahren i.d.R. gleich 1; deshalb verwendet man hier anstelle der Irrtumswahrscheinlichkeit geeignetere und informativere Gütemaße, die in dem Stichwort " Schätzverfahren näher erläutert werden. Bei Intervallschätzproblemen kann die Irrtumswahrscheinlichkeit zwar beliebig klein gemacht werden; je kleiner jedoch die Irrtumswahrscheinlichkeit vorgegeben wird, desto größer und für praktische Zwecke unbrauchbarer wird das Schätzintervall. Bei Testproblemen gibt es unterschiedliche Irrtumswahrscheinlichkeiten, die sich zudem noch weitgehend gegenläufig verhalten. Für drei Hypothesen (z.B. die Einordnung eines zu kontrollierenden Artikels in die Rubriken "erste Wahl", "zweite Wahl", "Ausschuß") gibt es sechs denkbare Fehler und somit auch sechs verschiedene Irrtumswahrscheinlichkeiten. Im Standardfall zweier Hypothesen existieren dagegen nur zwei Irrtumswahrscheinlichkeiten. Wie in dem Stichwort " Testverfahren ausführlich dargelegt wird, behandelt man die beiden Hypothesen üblicherweise unsymmetrisch, nennt sie Nullhypothese H0 bzw. Alternativhypothese H1 und gibt sich die Wahrscheinlichkeit für eine fälschliche Ablehnung von H0 vor. Diese Irrtumswahrscheinlichkeit wird als Signifikanzniveau  bezeichnet; die entsprechenden Testverfahren werden als Signifikanztests bezeichnet.

Literatur: G. Bamberg/F. Baur, Statistik.
8. A., München-Wien 1993. L. Fahrmeir/A. Hamerle, (Hrsg.): Multivariate Statistische Verfahren. Berlin  New York 1984. J. Hartung, Statistik, 10. A., München-Wien 1995.

 

 


 

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