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Stäbe


Inhaltsübersicht
I. Stabsbegriff und Stabsaufgaben
II. Gründe für Stabsbildung
III. Organisatorische Einordnung und Ausprägungen
IV. Bedeutung
V. Bewertung
VI. Lösungsansätze und Alternativen
VII. Würdigung und Ausblick

I. Stabsbegriff und Stabsaufgaben


Der Stabsbegriff ist in der Organisationsliteratur weit verbreitet, wird aber selten eindeutig geklärt (bereits Kosiol, Erich 1962, S. 134). Trotz dieser Unschärfe lassen sich doch gemeinsame Definitionsansätze identifizieren (vgl. zum Folgenden u.a. Staerkle, Robert 1961; Jaggi, Bakhshish L. 1969; Frese, Erich 2000, S. 346 ff.).
Stäbe sind organisatorische Einheiten, die Stellen mit Leitungsfunktionen (sog. Linieneinheiten oder Instanzen) unterstützen. Sie bilden somit Hilfsorgane der Führung. Die Hauptaufgabe von Stäben liegt in der Vorbereitung von Managemententscheidungen. Sie führen dazu planerische Tätigkeiten durch, die Leitungsstellen in die Lage versetzen sollen, optimale Entscheidungen zu treffen. Stäbe fungieren insofern als Berater. Hierzu sind sie u.a. in die Sammlung, Prüfung, Strukturierung und Auswertung von Informationen sowie in die Generierung und Bewertung von Entscheidungsalternativen involviert. Zudem können sie das Management durch die Wahrnehmung von entscheidungsnachgelagerten Aktivitäten (Realisations- und Kontrollhandlungen) unterstützen. Die konkrete Aufgabenausprägung leitet sich aus dem Tätigkeitsfeld der Linieneinheiten ab.
Allein die Leitungsaufgaben müssen bei den Instanzen verbleiben, da anderenfalls definitionsgemäß der Stabscharakter verloren geht. Charakteristisch für den Stab ist somit die fehlende Entscheidungs- und Weisungsbefugnis gegenüber der Linienorganisation.
Zu den Stäben zählen nur permanente, unternehmungsinterne Organisationseinheiten. Diese Merkmale grenzen sie von Projektorganisationen, Gremien sowie externen Beratern ab.
Nicht mit dem deutschen Stabsbegriff gleichzusetzen ist der „ staff “ der angelsächsischen Literatur. Dieser umschließt zumeist alle indirekten Bereiche der Unternehmung und beinhaltet etwa auch administrative und Servicefunktionen. Damit ist er deutlich weiter gefasst als im Deutschen (Müller, Helmut/Schreyögg, Georg 1981, S. 7).

II. Gründe für Stabsbildung


Ziel der Einrichtung von Stäben ist die Unterstützung der Instanzen, die so ihre komplexen Leitungsaufgaben besser oder überhaupt erst wahrnehmen können. Ausgangspunkt ist demnach das Überschreiten der Leistungsfähigkeit des Managements (Kosiol, Erich 1962, S. 133 f.). Dessen Kapazität wird durch Stäbe erweitert – insbesondere hinsichtlich Informationsbeschaffung und -verarbeitung, aber auch bei der Umsetzung und Sicherung getroffener Entscheidungen.

III. Organisatorische Einordnung und Ausprägungen


Das Stab-Linie-Konzept führt eine horizontale Arbeitsteilung und Spezialisierung entlang des Entscheidungsprozesses ein (Frese, Erich 2000, S. 347). Dabei übernehmen Stäbe vorbereitende und ggf. nachgelagerte Teile des Entscheidungsvorgangs. Den Linieneinheiten obliegt die eigentliche Entscheidungsfindung, sie bleiben für die Qualität der getroffenen Entscheidung verantwortlich.
Stäbe treten in unterschiedlichen Ausprägungen auf (siehe Tab. 1, vgl. Staerkle, Robert 1961, S. 40 ff.; Jaggi, Bakhshish L. 1969, S. 43 ff.). Hauptsächlich werden sie nach der Art der Leitungsunterstützung differenziert, die quantitativer oder qualitativer Natur sein kann. Quantitativ unterstützt der Stab, indem und soweit er Ressourcen vorhält, die dem Management dienen, anstehende Aufgaben mengenmäßig bzw. zeitlich zu bewältigen (Führungsstab). Eine qualitative Ausrichtung haben die Fachstäbe. Sie sind spezialisiert und bringen vertieftes Wissen in den Entscheidungsprozess ein. Aufgrund ihrer Fachexpertise lässt sich ihnen ein funktionales Weisungsrecht in der Organisation im Sinne einer fachlichen Führung zuordnen (Grochla, Erwin 1983, S. 185; kritisch aber Müller, Helmut/Schreyögg, Georg 1981, S. 25).
Stäbe
Stäbe können prinzipiell alle Managementeinheiten unterstützen. Sie lassen sich auf jeder Hierarchieebene und in allen Bereichen der Unternehmung einrichten, auch für die Beratung mehrerer Instanzen. Unterschiedliche Stabsfunktionen können organisatorisch separat oder in einer gemeinsamen Stabseinheit (ggf. mit stabsinterner Hierarchie) verankert sein.
Weitere Variablen bilden die Anzahl der Stabsmitarbeiter sowie die Heterogenität des Aufgabenspektrums. Der Begriff der Stabsstelle bezieht sich – wie der Stellenbegriff allgemein – auf die kleinste organisatorische Einheit, die Aufgabenkombinationen mit Stabscharakter ausübt.
Obwohl der Stab keine Entscheidungs- und Weisungsbefugnisse gegenüber den Linieneinheiten hat, verantwortet er selbstredend seine eigene Aufgabenerfüllung, d.h. insbesondere die Qualität der geleisteten Entscheidungsvorbereitung (Informations- und Beratungsverantwortung). In diesem Rahmen trifft er eine Vielzahl gewichtiger Vor- und Teilentscheidungen. Auch erteilt – bei mehrköpfiger Stabsbesetzung – die Stabsleitung Weisungen an Stabsmitarbeiter. Verantwortung und Binnenorganisation der Stabseinheit unterscheiden sich insoweit nicht grundsätzlich von anderen Organisationseinheiten (Höhn, Reinhard 1961, S. 43 ff.).
In Organigrammen werden Stäbe i.d.R. mit kreisförmigen oder abgerundeten Symbolen und waagerechter Anbindungslinie an die jeweilige Leitungseinheit abgebildet und so gegenüber den Linieneinheiten auch graphisch abgegrenzt (Kosiol, Erich 1962, S. 174).

IV. Bedeutung


1. Ursprung und gegenwärtige Bedeutung


Die betriebswirtschaftliche Diskussion um das Stabsprinzip ist vor allem in den 1960er-Jahren geführt worden. In der jüngeren Vergangenheit wurde das Thema „ wiederentdeckt “ und in größerem Kontext betrachtet.
Seine Wurzeln findet die Institutionalisierung der Entscheidungsvorbereitung in Kirche und Militär. In den Unternehmungen erfolgte die Einführung des Stabsprinzips zu Beginn des 20. Jahrhunderts (u.a. Grochla, Erwin 1983, S. 181 f.).
Stabsbereiche sind in der Praxis häufig nur schwer identifizierbar (Kreisel, Henning 1995, S. 140 ff.), u.a. da vielfältige Rand- und Mischformen des Stabswesens existieren und Stabseinheiten häufig nicht als solche bezeichnet sind. Untersuchungsergebnisse variieren ferner in hohem Maße mit dem gewählten Stabsbegriff. Insgesamt betrachtet wurde Stabseinheiten in den 1960er-Jahren noch flächendeckende Verbreitung zugeschrieben (Jaggi, Bakhshish L. 1969, S. 23). Studien der jüngeren Vergangenheit (etwa Frese, Erich/v. Werder, Axel v./Maly, Werner 1993) hingegen weisen das (reine) Stabsprinzip eher in Einzelfällen nach. Dennoch wird Stabsstellen nach wie vor praktische Bedeutsamkeit bescheinigt (Frese, Erich 2000, S. 348).

2. Zukünftige Entwicklung


Die zukünftige Bedeutung des Stabsprinzips bewegt sich in einem Spannungsfeld. Zwar führen forcierte Dezentralisierung und Prozessorientierung sowie Fokussierung auf die Kernkompetenzen (Outsourcing) vielfach in den Unternehmungen zu einem Abbau zentraler Einheiten. Verbleibende unterstützende Funktionen lösen sich darüber hinaus vermehrt vom klassischen Stabsmodell und wenden sich etwa einem Servicekonzept zu.
Andererseits haben unlängst viele Organisationen Führungsebenen abgebaut. Auf das verbleibende Management kommt durch die damit verbundene Aufgabenumverteilung eine höhere Belastung zu, sodass sich eine typische Konstellation für die Bildung von Stäben ergibt. Der Einsatz entscheidungsvorbereitender Einheiten wird zudem unterstützt durch die zunehmend betriebswirtschaftlich und juristisch geforderte Fundierung von Management-Entscheidungen (v.Werder, Axel v. 1996). Vorläufige Indizien finden sich u.a. in der Zunahme der Konsultation interner Berater.
Welche dieser gegenläufigen Tendenzen am Ende dominiert, bleibt abzuwarten. Die weitere Existenzberechtigung des Stabsprinzips erscheint jedoch im Grundsatz ungebrochen.

V. Bewertung


1. Beurteilung des Stabsprinzips


Der entscheidende Vorteil des Stabsprinzips liegt darin, die Entscheidungsvorbereitung zu institutionalisieren. Mit Hilfe der Stabsressourcen können die Managementeinheiten ihre Beiträge zur Problemstrukturierung erhöhen, sodass die Entscheidungsfindung gestrafft wird. Geht man davon aus, dass die Stabsarbeit die zu treffenden Entscheidungen auf eine fundiertere Basis stellt, so steigt auch die Entscheidungsqualität. Dies gilt in besonderem Maße im Falle der Fachstäbe, die ergänzende methodische und funktionsbezogene Expertisen einfließen lassen.
In der Literatur dominieren bei der Beurteilung des Stabsprinzips konfliktäre Aspekte. Zusammengefasst beziehen sie sich vor allem auf drei Kritikfelder:

(a)

Interdependenzen,

(b)

Faktische Einflussnahme,

(c)

Personenmerkmale und Grundorientierungen.


Zu a): Da Entscheidungsvorbereitung und Entscheidungsfindung eng verknüpft sind, führt eine entsprechende Arbeitsteilung zu starken struktur-immanenten Interdependenzen zwischen Stab und Linie (Theuvsen, Ludwig 1994, S. 274 ff.). Somit wird ein hohes Maß an Koordination und Integration mit entsprechendem Aufwand erforderlich.
Zu b): Der Stab trifft wesentliche Vorentscheidungen etwa hinsichtlich der Intensität der Entscheidungsvorbereitung, der Qualität und Auswahl weitergegebener Informationen sowie der Vorbewertung und -selektion von Alternativen. Sie sind der Linie i.d.R. nicht vollständig transparent und damit nur bedingt überprüfbar. Vor allem Irle (Irle, Martin 1971) leitet hieraus eine informationelle Macht ab, die dem Stab trotz formal fehlender Weisungsbefugnis faktische Einflussmöglichkeiten auf die Entscheidung eröffne (kritisch hierzu Frese, Erich 2000, S. 351 f.).
Dabei wird übersehen, dass es dem Linienmanagement freisteht, ob bzw. wie intensiv die Stabsergebnisse Berücksichtigung finden. Die Linie determiniert damit die Beratungsaufträge und letztlich die Stabsexistenz (Theuvsen, Ludwig 1994, S. 280 f.).
Zu c): Stabsmitarbeiter sind in der Tendenz jünger als das Linienpersonal, verfügen über eine höhere, wissenschaftliche Qualifikation und gelten als ambitioniert und karriereorientiert. Zugleich sind Stäbe von vergleichsweise hoher Fluktuation und damit geringerer praktischer Erfahrung der Stelleninhaber gekennzeichnet. Die Stabsarbeit ist ferner darauf ausgerichtet, Veränderungen anzustoßen und Innovationen voranzutreiben, die die Aufgabenerfüllung der Linieneinheiten in Frage stellen (zum Vorstehenden Dalton, Melville 1959, S. 87 ff.; Golembiewski, Robert T. 1967, S. 60 ff.). Darüber hinaus wird von erhöhter Unzufriedenheit der Stabsmitarbeiter infolge mangelnder Entscheidungskompetenzen berichtet (Grundei, Jens 1999, S. 367). Aus diesen Differenzen resultieren potenziell Rivalität und Konflikte zwischen Stab und Linie (Mintzberg, Henry 1983, S. 201 ff.) mit entsprechenden Reibungsverlusten in der Zusammenarbeit.

2. Betrachtung der Stabskritik


Frese bescheinigt den zentralen Stimmen der Stabskritik eine geringe Aussagefähigkeit (Frese, Erich 2000, S. 352) aufgrund

-

schwacher empirischer Basis der Argumente;

-

unpräzisem zugrunde gelegtem Stabsbegriff;

-

Einseitigkeit der Kritik.


Zudem entzündet sich Kritik z.T. an Aspekten, die nicht immanent mit dem Stab-Linie-Prinzip verbunden sind (etwa Fragen der personellen Besetzung).

VI. Lösungsansätze und Alternativen


Zur Lösung der Probleme des Stabskonzepts setzt die Literatur primär auf Teamlösungen, in denen die dominante Position der Linieneinheiten aufgegeben wird und Stabs- und Linienvertreter das Entscheidungsproblem gemeinsam bearbeiten ( „ Task-Force-Prinzip “ bei Irle, Martin 1971, S. 218 ff.; „ Colleague Concept “ bei Golembiewski, Robert T. 1967, S. 118 ff.). Dieses Vorgehen erkennt die Notwendigkeit einer engen Zusammenarbeit zwischen Stab und Linie. Der hohe Abstimmungsaufwand dürfte allerdings nur bei fundamentalen Entscheidungen gerechtfertigt sein. Auch entfernt sich die Mitentscheidung durch Stabsmitarbeiter letztlich vom Stabskonzept.
Flankierende motivationsorientierte Maßnahmen (z.B. Anreizsysteme), die den Stab auf eine optimale Entscheidungsvorbereitung ausrichten, erscheinen denkbar, sind aber bislang wenig diskutiert.
Die o.g. Schwierigkeiten lassen sich ferner durch die Abkehr vom Stabskonzept umgehen, u.a. durch:

-

Übergang zum Servicekonzept durch Einführung interner marktlicher Steuerungsmechanismen;

-

Einführung von Matrixstrukturen zwischen Stabs- und Liniendimension (ähnlich den o.g. Teamlösungen);

-

Vergabe entscheidungsvorbereitender Beratung an Externe, z.B. Unternehmensberater;

-

Rückverlagerung der Entscheidungsvorbereitung in die Linie. Hierbei ist das Problem begrenzter Managementkapazitäten zu lösen, z.B. durch Etablierung multipersonaler Leitungseinheiten, verstärkte Delegation oder Reduzierung der entscheidungsvorbereitenden Aktivitäten.


Letztlich darf jedoch nicht übersehen werden, dass diese Alternativen ihrerseits mit spezifischen Nachteilen behaftet sind, die es in der Organisationsgestaltung abzuwägen gilt.

VII. Würdigung und Ausblick


Bei dem Stabskonzept handelt es sich trotz aller Kritikpunkte nach wie vor um eine beachtenswerte und praktisch relevante organisatorische Alternative. Der Vorbereitung und Umsetzung unternehmerischer Entscheidungen kommt sogar ein tendenziell gestiegener Stellenwert zu. Ohne entsprechend spezialisierte Einheiten lässt sich die benötigte Expertise vielfach nicht wirtschaftlich vorhalten. Dabei ist zu vermuten, dass Stäbe zunehmend mit ergänzenden organisatorischen (und personalwirtschaftlichen) Elementen versehen werden und somit neue Varianten entstehen.
Literatur:
Dalton, Melville : Men Who Manage, New York 1959
Frese, Erich : Grundlagen der Organisation, 8. A., Wiesbaden 2000
Frese, Erich/Werder, Axel v./Maly, Werner : Zentralbereiche, Stuttgart 1993
Golembiewski, Robert T. : Organizing Men And Power, Chicago 1967
Grochla, Erwin : Unternehmungsorganisation, 9. A., Opladen 1983
Grundei, Jens : Effizienzbewertung von Organisationsstrukturen, Wiesbaden 1999
Höhn, Reinhard : Die Führung mit Stäben in der Wirtschaft, Bad Harzburg 1961
Irle, Martin : Macht und Entscheidungen in Organisationen, Frankfurt a.M. 1971
Jaggi, Bakhshish L. : Das Stabsproblem in der Unternehmung, Berlin 1969
Kosiol, Erich : Organisation der Unternehmung, Wiesbaden 1962
Kreisel, Henning : Zentralbereiche, Wiesbaden 1995
Mintzberg, Henry : Power In And Around Organizations, Englewood Cliffs 1983
Müller, Helmut/Schreyögg, Georg : Zur Zusammenarbeit von Stab und Linie, in: RKW-Handbuch Führungstechnik und Organisation, hrsg. v. Franz, Otmar, 8. Lfg., Nr. 1542, Berlin 1981, S. 1 – 33
Staerkle, Robert : Stabsstellen in der industriellen Unternehmung, Bern 1961
Theuvsen, Ludwig : Interne Beratung, Wiesbaden 1994
Werder, Axel v. : Grundsätze ordnungsmäßiger Unternehmungsleitung (GoU), in: Grundsätze ordnungsmäßiger Unternehmungsführung (GoF), Sonderheft 36/1996 der ZfbF, hrsg. v. Werder, Axel v., S. 27 – 73

 

 


 

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