A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z
wirtschaftslexikon wirtschaftslexikon
 
Wirtschaftslexikon Wirtschaftslexikon

 

wirtschaftslexikon online lexikon wirtschaftslexikon
   
 
     
wirtschaftslexikon    
   
    betriebswirtschaft
     
 
x

Experimentelle Forschung


Inhaltsübersicht
I. Experimente als Methode der empirischen Wirtschaftsforschung
II. Erhebung und Auswertung Experimenteller Daten
III. Anwendungsgebiete der experimentellen Wirtschaftsforschung

I. Experimente als Methode der empirischen Wirtschaftsforschung


Die experimentelle Wirtschaftsforschung (im Folgenden mit EW abgekürzt) hat sich in den letzten Jahren als eine wichtige Methode der empirischen Wirtschaftsforschung etabliert. Während ihre Geschichte bis in die frühen 1950er-Jahre zurückreicht (siehe Tietz, R.  1990, S. 659 ff.; Roth, A.E.  1993, S. 184 ff.), ist insbesondere seit den 1980er-Jahren eine rasante Entwicklung zu beobachten. Die Zahl der Publikationen stieg deutlich an. Experimentelle Arbeiten wurden in vielen verschiedenen Fachzeitschriften – auch den namhaftesten – und in vielen ökonomischen Teildisziplinen veröffentlicht. Es gibt seit 1998 ein spezielles Fachjournal ( „ Experimental Economics “ ), und es erschienen mehrere Lehrbücher (Hey, J.D.  1991; Friedman, D./Sunder, S.  1994; Davis, D.D./Holt, C.A.  1993; Bergstrom, T.C./Miller, H.J.  1997), sowie Handbücher (Kagel, J.H./Roth, A.E.  1995; Plott, C.R./Smith, V.L.  2002).
Die EW ist kein eigenständiges Fachgebiet der Wirtschaftswissenschaften, sondern eine empirische Methode zur Beantwortung fachwissenschaftlicher Substanzfragen. Sie wird sowohl auf betriebswirtschaftliche als auch volkswirtschaftliche Fragen angewendet und ist interdisziplinär. Ein wichtiger Dialogpartner ist die Psychologie, die eine wesentlich längere Tradition experimenteller Forschung hat als die Wirtschaftswissenschaften. Bezüglich der Methoden gibt es zwischen EW und experimenteller Psychologie neben Gemeinsamkeiten allerdings auch Unterschiede (siehe z.B. Camerer, C.F.  1997, S. 313 ff.; Hertwig, R./Ortmann, A.  2001).
Ein Großteil der empirischen Forschung in den Wirtschaftswissenschaften (siehe auch den Beitrag Empirische Forschung) befasst sich mit der Analyse von Felddaten, d.h. Daten, die durch das tägliche Wirtschaftsleben ( „ das Feld “ ) erzeugt werden. Häufig werden diese Daten aus allgemeinem Interesse gesammelt (z.B. amtliche Statistik) und nicht um eine spezielle Forschungsfrage zu beantworten. Hingegen werden im Rahmen eines Experiments ökonomische Daten unter kontrollierten Bedingungen gesammelt. Die Datenerhebung ist auf eine spezielle Forschungsfrage zugeschnitten. Üblicherweise werden dabei menschliche Entscheidungen erhoben oder Daten, die auf solchen Entscheidungen basieren (z.B. Marktpreis und aggregiertes Angebot in einem Marktexperiment). In den meisten Fällen werden Experimente als Laborexperimente durchführt. Hierbei werden die Versuchspersonen für eine festgelegte Zeit an einen bestimmten Ort ( „ Labor “ ) zur Teilnahme an einem Experiment eingeladen. Im Gegensatz dazu finden Feldexperimente in der natürlichen Lebensumwelt der Versuchspersonen statt. In Feldexperimenten zur Untersuchung der Auswirkungen verschiedener Politikmaßnahmen wurden experimentelle Methoden wie z.B. die zufällige Zuordnung von Personen zu Ausbildungsprogrammen verwendet, um einzelne Ursachen zu isolieren (siehe z.B. Burtless, G.  1995, S. 63 ff.; Heckman, J.J./Smith, J.A.  1995, S. 85 ff.). Feldexperimente können auch dazu verwendet werden, ökonomische Theorien zu testen (siehe z.B. Lucking-Reiley, D.  1999, S. 1063), sie sind aber in der Regel wesentlich aufwendiger und kostspieliger als Laborexperimente. Unsere Darstellung bezieht sich im Folgenden insbesondere auf Laborexperimente.

II. Erhebung und Auswertung Experimenteller Daten


1. Experimentelle Entscheidungen


Im Experiment wird den Versuchspersonen (auch „ Subjekte “ genannt) eine Situation geschildert (z.B. ein Ein-Personen-Entscheidungsproblem, ein strategisches Spiel oder eine Marktsituation), für die sie dann Entscheidungen treffen müssen. Es ist in der EW üblich, die Teilnehmer in Abhängigkeit ihrer Entscheidungen und gemäß den Regeln der geschilderten Situation zu bezahlen. Deshalb handelt es sich hier um reale ökonomische Entscheidungen im Gegensatz zu hypothetischen Entscheidungen, die in Fragebogenstudien erhoben werden. Am Computer durchgeführte Simulationen gelten nicht als Experimente im Sinne der EW.

2. Kontrolle und Replizierbarkeit


Die Vorteile von Experimenten im Vergleich zu Feldstudien liegen in der Kontrolle und Replizierbarkeit des datenerzeugenden Prozesses. Entscheidungssituationen im Feld sind komplex. Viele Bedingungen, unter denen natürliche Entscheidungen zustande kommen, sind dem Feldforscher unbekannt und können nicht beeinflusst werden; oder sie ändern sich gleichzeitig, sodass keine Änderungen ceteris paribus beobachtbar sind. Im Gegensatz dazu kann die Entscheidungssituation im Experiment einfach strukturiert sein. Sie wird vom Experimentator kontrolliert. Entscheidungsbedingungen können einzeln, ceteris paribus, manipuliert werden. Entscheidungsursachen können isoliert werden. Mit Replizierbarkeit ist gemeint, dass ein Experiment zu einem anderen Zeitpunkt und an einem anderen Ort unter gleichen Bedingungen wiederholt werden kann. Felddaten sind hingegen in vielen Fällen historisch einmalig (wie z.B. die Daten einer Unternehmung oder einer Volkswirtschaft). Eine Wiederholung des Daten erzeugenden Prozesses unter gleichen Bedingungen ist hier nicht möglich. Oder die Erzeugung neuer historischer Daten dauert sehr lange, wie etwa bei Monats- oder Jahreszeitreihen. Hingegen erlaubt die Replizierbarkeit des Daten erzeugenden Prozesses im Falle von Experimenten eine Überprüfung von Theorien oder empirisch gefundenen Zusammenhängen anhand neuer Stichproben ( „ out of sample test “ ).

3. Treatmentvariation


Ein zentrales Prinzip experimenteller Forschung ist die Ursachenisolation durch eine so genannte „ Treatmentvariation “ (Treatment = Versuchsanordnung). Dabei werden die Entscheidungen von Individuen oder Gruppen unter verschiedenen systematisch variierten Treatments erhoben und miteinander verglichen. Unterschiede in den Beobachtungsdaten sind so auf die Wirkung der Treatmentvariation zurückzuführen. Die Festlegung der Treatments durch den Experimentator wird als experimentelles Design (im engeren Sinne) bezeichnet. Gelegentlich werden damit aber auch allgemeinere Aspekte der Experimentgestaltung bezeichnet, von der Modellierung der Entscheidungssituation bis zu den Details der Experimentdurchführung. In der Regel beinhaltet das experimentelle Design zwei oder mehr Treatments. Eine Ausnahme ist das „ Single treatment “ -Design. Hierbei erfolgt die Datenerhebung ohne Treatmentvariation. Ein Vergleich zwischen verschiedenen Treatments ist demnach nicht möglich, wohl aber ein Vergleich der Daten mit einer theoretischen Vorhersage. In vielen Fällen ist ein solcher Vergleich allerdings problematisch. Eine exakte quantitative Übereinstimmung der Beobachtungsdaten mit der Theorie ist nicht zu erwarten, da menschliche Entscheidungen im Labor wie im Feld neben systematischen auch von zufälligen Faktoren ( „ Noise “ ) beeinflusst werden. Beim Design mit zwei oder mehreren Treatments werden diese Einflüsse sozusagen „ herausgerechnet “ . Damit werden Theorien bezüglich ihrer komparativ-statischen Vorhersagen überprüft. Häufig werden nur qualitative im Gegensatz zu quantitativen Aussagen angestrebt.

4. Zusammenhang zwischen Experimentgestaltung und -auswertung


Bei der statistischen Auswertung experimenteller Daten stellen sich ex post dieselben methodischen Fragen wie bei der Auswertung von Felddaten. Da jedoch der Experimentator den datenerzeugenden Prozess steuert und weil der Prozess replizierbar ist, ergeben sich ex ante einige Besonderheiten. Denn die Art der Experimentgestaltung und der Umfang der Datenerhebung haben Implikationen für die bei der Datenauswertung anzuwendenden statistischen Verfahren. Umgekehrt können Probleme der Datenauswertung, die entweder hochspezifische Annahmen des statistischen Modells oder die Anwendung komplizierter Verfahren erfordern, durch eine geeignete Experimentgestaltung und Wahl des Stichprobenumfangs vermieden oder zumindest reduziert werden (vgl. auch die Diskussion in Smith, V.L.  1994, S. 126 ff. und in Starmer, C.  1999, S. 1 ff.). Viele experimentelle Studien erzielen ihre Resultate daher mit einfachen Verfahren, wie z.B. Mittelwertsvergleichen und nicht-parametrischen Testmethoden (siehe z.B. Siegel, S./Castellan, N.J.jr.  1988). Bei der Datenerhebung wird zwischen zwei grundlegenden Methoden unterschieden, dem „ between subjects “ -Design auf der einen Seite und dem „ within subjects “ -Design auf der anderen Seite. Die Wahl der Erhebungsmethode hat zugleich Konsequenzen für die statistische Auswertung. Beim „ between subjects “ -Design wird für jedes Treatment eine neue Gruppe von Versuchspersonen rekrutiert. Jede Versuchsperson entscheidet nur unter den Bedingungen eines Treatments. Die Auswirkungen der Treatmentvariation werden daher zwischen verschiedenen Individuen (oder Gruppen von Individuen) gemessen ( „ between subjects “ ). Beim „ within subjects “ -Design entscheidet jedes Individuum (oder jede Gruppe) wiederholt für verschiedene Treatments. Der Aspekt des wiederholten Messens ( „ related samples “ ) muss später bei der Wahl der statistischen Auswertungsmethoden berücksichtigt werden.
Ein Problem des „ between subject “ -Designs ist, dass sich Unterschiede zwischen den verschiedenen Stichproben nicht nur infolge der Treatments ergeben können, sondern auch aufgrund unbeobachteter Charakteristika der Versuchspersonen. Bei hinreichend großem Stichprobenumfang und unverzerrter Stichprobengewinnung ist dies allerdings vernachlässigbar. Beim „ within subject “ -Design wird das Problem umgangen, da individuelle Charakteristika von Versuchspersonen zwischen den Treatments konstant gehalten werden. Allerdings muss im „ within subject “ -Design die Reihenfolge der Treatments zwischen verschiedenen Versuchspersonen variiert werden, um auszuschließen, dass ein Erfahrungseffekt aufgrund der zeitlichen Abfolge der Treatments fälschlicherweise als Treatmenteffekt interpretiert wird. Trotz des Vorteils des „ within subject “ -Designs bezüglich der Kontrolle für unbeobachtete Versuchspersonencharakteristika verwenden wohl die meisten Studien ein „ between subjects “ -Design. Ein Grund könnte sein, dass es beim „ within subject “ -Design sehr leicht zu einem „ experimenter demand “ -Effekt (siehe Dawes, R.M.  1999, S. 21 ff.) kommen kann. Die Versuchspersonen erkennen, dass sich die Entscheidungssituationen bezüglich eines Aspektes (Treatment) unterscheiden und wählen nur deshalb verschiedene Entscheidungen für verschiedene Treatments, weil sie glauben, dass dies von ihnen erwartet wird.

5. Experimentelle Prozeduren und Bezahlung der Versuchspersonen


Zur Gewährleistung von Kontrolle und Replizierbarkeit des datenerzeugenden Prozesses lassen sich Anforderungen an die Prozeduren der Experimentdurchführung und an deren Dokumentation formulieren. Dies betrifft z.B. die Rekrutierung von Versuchspersonen, spezielle Charakteristika der Versuchspersonengruppe, Präsentation der Instruktionen, erläuternde und ggf. suggestive Beispiele, die Art der Interaktion und der Verteilung von Spielerrollen und Art der Bezahlung, etc. (siehe z.B. Davis, D.D./Holt, C.A.  1993, Kapitel 1). Es ergeben sich einige methodische Fragen, die hier nicht alle diskutiert werden können. Wir beschränken uns auf die Frage der monetären Bezahlung von Versuchspersonen.
Eine adäquate Bezahlung der Versuchspersonen ist heutzutage eine wesentliche Publikationsvoraussetzung in praktisch allen referierten wirtschaftswissenschaftlichen Fachzeitschriften. Die Bezahlung ist in der Regel entscheidungsabhängig und orientiert sich an den Opportunitätskosten der Experimentteilnahme (gemessen, z.B. im Falle studentischer Teilnehmer, an einem typischen Studentenjob). Aus theoretischen Gründen ist die Bezahlung der Versuchspersonen wichtig, da in den meisten Fällen nur so die ökonomischen Anreize, die in der Theorie unterstellt werden, auch tatsächlich implementiert werden. Ohne Bezahlung ist eine Versuchsperson bei ökonomischer Betrachtung der Entscheidungssituation indifferent bezüglich der Handlungsalternativen. Auch wenn realistischerweise unterstellt werden kann, dass Versuchspersonen nicht nur durch Geld motiviert sind, sondern auch andere Motive verfolgen, ist die Bezahlung wichtig, da hierdurch unter Umständen die sonstigen Motive an Bedeutung verlieren. Die Gestaltung der Auszahlung wird dadurch zum wichtigen Bestandteil der experimentellen Kontrolle von Präferenzen. Eine formale Begründung dieser Zusammenhänge wird durch die „ Induced Value “ -Theorie gegeben (Smith, V.L.  1976, S. 274 ff.; Smith, V.L.  1982, S. 923 ff.). Eine weitere inhaltliche Begründung für monetäre Bezahlung ist die Parallelität zwischen experimenteller Situation und Entscheidungsproblemen im natürlichen Umfeld (siehe Smith, V.L.  1982, S. 923 ff.). In alltäglichen Entscheidungssituationen sind häufig sowohl monetäre Aspekte als auch sonstige Motive relevant. Laborexperimente mit monetärer Auszahlung sind in diesem Sinne realistischer als Experimente ohne Bezahlung.

6. Interne versus externe Validität


Gemäß der obigen Argumentation ist es wichtig, dass überhaupt Geld ausgezahlt wird. Es gibt jedoch auch die Frage, in welcher Höhe Geld ausgezahlt werden sollte. Ein häufiger Einwand gegen experimentelle Untersuchungen ist, dass in Experimenten nur geringe Geldbeträge im Spiel sind. Ein weiterer Einwand ist, dass häufig nur Studierende und keine Fachleute (z.B. Manager) als Versuchspersonen verwendet werden, weshalb aus Laborexperimenten nichts über die Realität gelernt werden könne. Zunächst einmal ist hier anzumerken, dass beide Argumente die externe Validität experimenteller Befunde in Frage stellen, nicht aber deren interne Validität. Die im Experiment beobachteten Verhaltensänderungen infolge der Treatmentvariation sind für die Population der Experimentteilnehmer und für die untersuchten Auszahlungsbereiche gültig (interne Validität). Ob sie auf andere Populationen und andere Auszahlungsbereiche übertragbar sind (externe Validität), kann gemutmaßt oder auch empirisch untersucht werden. Dyer/Kagel/Levin (Dyer, D./Kagel, J.H./Levin, D.  1989, S. 108 ff.) vergleichen die Entscheidungen von professionellen Bietern öffentlicher Ausschreibungen (Manager der Bauindustrie) mit denen studentischer Versuchspersonen und finden keine Unterschiede. Auch die Fachleute unterlagen dem in der empirischen Auktionsforschung bekannten Phänomen des „ Winner\'s Curse “ Effekts. Das Argument, dass Fachleute anders und „ besser “ entscheiden als studentische Versuchspersonen, gilt also zumindest nicht immer.
Der Kritik an der Höhe der Auszahlungen lässt sich erstens entgegnen, dass ökonomische Theorien im allgemeinen nicht auf hohe Auszahlungen eingeschränkt sind. Und, zweitens, sind Entscheidungen, bei denen die Geldauszahlungen zwischen den Handlungsalternativen um sehr hohe Beträge schwanken, auch im natürlichen Umfeld selten. Bei den meisten ökonomischen Entscheidungen, die Individuen im Alltag treffen (z.B. Konsumentscheidungen), beträgt die Auszahlungsdifferenz zwischen den Alternativen wohl nur zwischen Null und 50 Euro. Die experimentellen Auszahlungsbeträge sind in diesem Sinne repräsentativ für das Gros der natürlichen ökonomischen Entscheidungen. In Camerer/Hogarth (Camerer, C.F./Hogarth, R.M.  1999, S. 7), werden 74 verschiedene Experimente untersucht, in welchen die Höhe monetärer Anreize variiert wurde. Demnach haben höhere Anreize keinen Einfluss auf das mittlere Entscheidungsverhalten (gemessen am Median), aber die Varianz der Entscheidungen wird reduziert.

III. Anwendungsgebiete der experimentellen Wirtschaftsforschung


Methoden der EW werden in vielen wirtschaftswissenschaftlichen Disziplinen angewendet. Das „ Handbook of Experimental Economics “ (Kagel, J.H./Roth, A.E.  1995) dokumentiert dies eindrücklich für die Gebiete Industrieökonomik, Entscheidungstheorie und Spieltheorie, Verhandlungstheorie, öffentliche Güter und Finanzmärkte. Beispiele für Experimente zu Fragen des Accounting und Controlling sind u.a. die Studien von DeJong, D.V./Forsythe, R./Uecker, W.C.  1985, S. 753 ff.; Fisher, J.G./Frederickson, J.R/Peffer, S.  2000, S. 93 ff.; Moser, D.V.  1998, S. 94 ff.).
Die meisten Experimente sind der Grundlagenforschung zuzurechnen. Beim Testen und Vergleichen von Theorien liegen die größten komparativen Vorteile der experimentellen Methode gegenüber Felddatenanalysen. Mit Experimenten kann nicht nur gezeigt werden, dass eine Theorie versagt, sondern auch, warum sie versagt. Experimente dienen auch der Theoriebildung: Im Labor beobachtete Verhaltensregelmässigkeiten können Bausteine für Weiterentwicklungen von Theorien sein. Beispiele dazu finden sich u.a. auf dem Gebiet der Entscheidungstheorie (z.B. Camerer, C.F.  1995, S. 587 ff.; Starmer, C.  2000, S. 332 ff.) und im Bereich der Bedeutung von Fairness- versus Eigennutzpräferenzen (siehe z.B. die Überblicksartikel von Fehr, E./Gächter, S.  2000, S. 159 ff. und Fehr, E./Schmidt, K.M. 2003).
Es gibt auch angewandte experimentelle Studien (siehe Smith, V.L.  1989, S. 151 ff.; Smith, V.L.  1994, S. 113 ff.); z.B. Studien, die für Prognosezwecke oder zur Politikberatung durchgeführt werden. Ein bekanntes Beispiel sind die „ Iowa Electronic Markets “ , wo laufend Aktienmarktexperimente zur Prognose politischer Ereignisse, insbesondere Wahlen, eingesetzt werden (siehe http://www.biz.uiowa.edu/iem/). Mit Hilfe von Experimenten können auch konkrete Politikmaßnahmen evaluiert werden (im Auditing-Kontext siehe beispielsweise Dopuch, N./King, R.R./Schatzberg, J.  1994, S. 103 ff.; Dopuch, N./King, R.R.  1991, S. 60 ff.). Das Labor wird hierbei sozusagen zum „ Windkanaltest “ für neue ökonomische Institutionen herangezogen. Ein Beispiel ist die Studie von McCabe/Rassenti/Smith (McCabe, K.A./Rassenti, S.J./Smith, V.L.  1991, S. 534 ff.), die für das Design von Strom- und Gasmärkten in den USA durchgeführt wurde. Des Weiteren wurden Experimente für die Ermittlung optimaler Allokationssysteme für Landerechte auf Flughäfen eingesetzt (Plott, C.R.  1987, S. 193 ff.) sowie für das optimale Design von Arbeitsmärkten für Ärzte verwendet (Kagel, J.H./Roth, A.E.  2000, S. 201 ff.). Gerade die „ Windkanal “ -Experimente demonstrieren, wie theoretisch motivierte experimentelle Ergebnisse aus dem Bereich der Grundlagenforschung für angewandte Zwecke fruchtbar gemacht werden können. Die EW kann somit auch einen Beitrag zu einer verstärkten Anwendungsorientierung der Wirtschaftswissenschaften leisten.
Literatur:
Bergstrom, Theodore C./Miller, John H. : Experiments with Economic Principles, New York et al. 1997
Burtless, Gary : The Case for Randomized Field Trials in Economic and Policy Research, in: The Journal of Economic Perspectives, Jg. 9, H. 2/1995, S. 63 – 84
Camerer, Colin F. : Roles for Experimenting in Psychology and Economics, and Why They Differ, in: Understanding Strategic Interaction: Essays in Honor of Reinhard Selten, hrsg. v. Albers, Wulf/Güth, Werner/Hammerstein, Peter, Berlin 1997, S. 313 – 327
Camerer, Colin F. : Individual Decision Making, in: Handbook of Experimental Economics, hrsg. v. Kagel, John H./Roth, Alvin E., Princeton 1995, S. 587 – 703
Camerer, Colin F./Hogarth, Robin M. : The Effects of Financial Incentives in Experiments: A Review and Capital-Labor-Production Framework, in: Journal of Risk and Uncertainty, Jg. 19, H. 1 – 3/1999, S. 7 – 42
Davis, Douglas D./Holt, Charles A. : Experimental Economics, Princeton 1993
Dawes, Robin M. : Experimental Demand, Clear Incentives, Both, or Neither?, in: Games and Human Behavior, hrsg. v. Budescu, David V./Erev, Ido/Zwick, Rami, Mahwah 1999, S. 21 – 28
DeJong, Douglas V./Forsythe, Robert/Uecker, Wilfred C. : The Methodology of Laboratory Markets and Its Implications for Agency Research in Accounting and Auditing, in: JAR, Jg. 23, H. 2/1985, S. 753 – 793
Dopuch, Nicholas/King, Ronald R. : The Impact of MAS on Auditors\' Independence: An Experimental Markets Study, in: JAR, Jg. 29, Supplement 1991, S. 60 – 98
Dopuch, Nicholas/King, Ronald R./Schatzberg, Jeffrey : An Experimental Investigation of Alternative Damage-Sharing Liability Regimes with an Auditing Perspective, in: JAR, Jg. 32, Supplement 1994, S. 103 – 130
Dyer, Douglas/Kagel, John H./Levin, Dan : A comparison of naive and experienced bidders in common value offer auctions: A laboratory analysis, in: Economic Journal, Jg. 99, March 1989, S. 108 – 115
Fehr, Ernst/Gächter, Simon : Fairness and Retaliation: The Economics of Reciprocity, in: Journal of Economic Perspectives, Jg. 14, 2000, S. 159 – 181
Fehr, Ernst/Schmidt, Klaus M. : Theories of Fairness and Reciprocity – Evidence and Economic Applications, in: Advances in economics and econometrics: theory and applications. Eighth World Congress, hrsg. v. Dewartripont, Matthias/Turnovsky, Steven/Hansen, Lars, Cambridge 2003
Fisher, Joseph G./Frederickson, James R./Peffer, Sean : Budgeting: An experimental investigation of the effects of negotiation, in: Acc. R, Jg. 75, 2000, S. 93 – 114
Friedman, Daniel/Sunder, Shyam : Experimental Methods. A Primer for Economists, Cambridge 1994
Heckman, James J./Smith, Jeffrey A. : Assessing the Case for Social Experiments, in: The Journal of Economic Perspectives, Jg. 9, 1995, S. 85 – 110
Hertwig, Ralph/Ortmann, Andreas : Experimental Practices in Economics: A Methodological Challenge for Psychologists?, in: Jg. 24, Behavioral and Brain Sciences, 2001, S. 383 – 403
Hey, John D. : Experiments in Economics, Oxford 1991
Kagel, John H./Roth, Alvin E. : The Dynamics of Reorganization in Matching Markets: A Laboratory Experiment Motivated by a Natural Experiment, in: Quarterly Journal of Economics, Jg. 65, 2000, S. 201 – 235
Kagel, John H./Roth, Alvin E. : The Handbook of Experimental Economics, Princeton 1995
Lucking-Reiley, David : Using Field Experiments to Test Equivalence Between Auction Formats: Magic on the Internet, in: American Economic Review, Jg. 89, 1999, S. 1063 – 1080
McCabe, Kevin A./Rassenti, Stephen J./Smith, Vernon L. : Smart Computer-Assisted Markets, in: Science, Jg. 254, 1991, S. 534 – 538
Moser, Donald V. : Using an Experimental Economics Approach in Behavioral Accounting Research, in: Behavioral Research in Accounting, Jg. 10, Supplement 1998, S. 94 – 110
Plott, Charles R. : Dimensions of parallelsim: some policy applications of experimental methods, in: Laboratory experimentation in economics: six points of view, hrsg. v. Roth, Alvin E., Cambridge 1987, S. 193 – 219
Plott, Charles/Smith, Vernon : Handbook of Results in Experimental Economics Volume 1, Amsterdam 2002
Roth, Alvin E. : The Early History of Experimental Economics, in: Journal of the History of Economic Thought, Jg. 15, Fall 1993, S. 184 – 209
Siegel, Sidney/Castellan, Jr. N. John : Nonparametric Statistics for the Behavioral Sciences, New York et al., 2. A., 1988
Smith, Vernon L. : Economics in the Laboratory, in: Journal of Economic Perspectives, Jg. 8, 1994, S. 113 – 131
Smith, Vernon L. : Theory, Experiment and Economics, in: Journal of Economic Perspectives, Jg. 3, 1989, S. 151 – 169
Smith, Vernon L. : Microeconomic Systems as an Experimental Science, in: American Economic Review, Jg. 72, 1982, S. 923 – 955
Smith, Vernon L. : Experimental Economics: Induced Value Theory, in: American Economic Review, Jg. 66, 1976, S. 274 – 279
Starmer, Chris : Developments in Non-Expected Utility Theory: The Hunt for a Descriptive Theory of Choice under Risk, in: Journal of Economic Literature, Jg. 38, 2000, S. 332 – 382
Starmer, Chris : Experiments in economics: should we trust the dismal scientists in white coats?, in: Journal of Economic Methodology, Jg. 6, H. 1/1999, S. 1 – 30
Tietz, Reinhard : On Bounded Rationality: Experimental Work and the University of Frankfurt/Main, in: Journal of Institutional and Theoretical Economics, Jg. 146, 1990, S. 659 – 672

 

 


 

<< vorhergehender Begriff
nächster Begriff >>
Experiment
 
expontielles Glätten