Faktorpreisbildung
Die F. vollzieht sich entsprechend Angebot und Nachfrage auf den Märkten für die Produktionsfaktoren Arbeit , Boden und Kapital . Sie folgt dabei den Prinzipien der Preisbildung auf den Produktmärkten. Eine spezielle Preistheorie für Faktormärkte (Lohn-, Renten- und Zinstheorie) ist nur dann erforderlich, wenn einzelne Faktormärkte Besonderheiten aufweisen.
1. Auf Faktormärkten fragen Unternehmen (Betrieb, I.) Produktionsfaktoren nach, und Haushalte (Haushalt,
1.) bieten Arbeit sowie ökonomisch interpretiert Boden und Kapital an. Das Faktorangebot ist direkt aus Nutzenkalkülen ableitbar: Das Arbeitsangebot wird in Abhängigkeit von Lohnsatz und Freizeitpräferenz durch die Arbeitszeit-Freizeit-Entscheidung bestimmt (Faktorangebotstheorie des Haushalts), das Angebot an (Spar-)Kapital wird in Abhängigkeit von Zinssatz und Gegenwartsvorliebe durch die Konsum-Spar-Entscheidung (Wahl zwischen Gegenwarts-und Zukunftskonsum) determiniert. Dagegen kann die Faktornachfrage nicht wie die Nachfrage nach Endprodukten unmittelbar aus Nutzenkalkülen, sondern nur mittelbar aus dem Güterangebot hergeleitet werden: Sie ist eine "abgeleitete" Nachfrage (Marshall) (abgeleitete Nachfrage ,
2.), die bei gegebenen Preisen durch die Grenzproduktivität bestimmt wird. Mit diesen Überlegungen wurde die Mikroökonomie geteilt in eine "Werttheorie", die die Preisbildung auf Produktmärkten untersuchte, und eine "Verteilungstheorie" (Grenzproduktivitätstheorie), die Faktorpreisbildung und Verteilung erklären sollte. Unabhängig davon, daß die Grenzproduktivitätstheorie lediglich eine Theorie der Faktornachfrage ist und sie allein F. und Verteilung nicht erklären kann, ist die Unterteilung spätestens seit der "Neuen Konsumtheorie" überholt, in der Produktmärkte analytisch wie Faktormärkte behandelt werden.
2. Da die Grenzproduktivitätstheorie für alle Produktionsfaktoren angewendet werden kann, ist nachfrageseitig kein Differenzierungsbedarf zwischen den einzelnen Produktionsfaktoren zu begründen. Hierzu müssen Besonderheiten auf der Faktorangebotsseite herangezogen werden. Früher wurde die Besonderheit des Faktors Boden betont, weil dieser nicht vermehrbar sei. Diese Argumentation vernachlässigt, daß der Produktionsfaktor Boden bei gegebenem Faktorbestand sehr wohl qualitativ verbessert bzw. die Leistungsabgabe oder Faktornutzung erhöht werden kann. Hinsichtlich der F. besteht somit kein prinzipieller Unterschied zwischen den Produktionsfaktoren Boden und Kapital. Heute werden Besonderheiten des Faktors Arbeit hervorgehoben, die eine spezielle Lohntheorie begründen sollen. Hiervon sind einige (z.B. jene, die monopolistische Elemente auf dem Arbeitsmarkt betonen) bedeutungslos, weil sie auch auf Produktmärkten existieren und mit der allgemeinen Preistheorie analysiert werden können (Preisbildung unter monopolistischen Bedingungen). Bedeutsam sind hingegen zwei andere Aspekte, auf die bereits frühzeitig hingewiesen wurde (Marshall): Erstens existiere für den Produktionsfaktor Arbeit i. Ggs. zu Boden und Kapital kein Markt für Faktorbestände (Ausnahme: Sklaverei), sondern lediglich ein Markt für Faktorleistungen. Diese Unterscheidung rechtfertigt keine spezifische Lohntheorie, weil auch bei den Produktionsfaktoren Boden und Kapital zwischen auf Vermögensmärkten gehandelten Faktorbeständen (Bestandsmärkte mit der Preisdimension EUR/Mengeneinheit) und Faktornutzungen (Strommärkte mit der Preisdimension EUR/Zeiteinheit) zu unterscheiden ist und auf den Faktormärkten keine Verfügungsrechte, sondern ausschließlich Nutzungsrechte gehandelt werden, also bei allen Produktionsfaktoren lediglich die Faktorleistungen preisbestimmend sind. Zweitens sind mit der zwangsläufig persönlichen Leistungsabgabe beim Faktor Arbeit stets auch nicht-pekuniäre Vor- und Nachteile verbunden, die allerdings weniger eine spezielle Theorie des Lohnniveaus, sondern eher analog zur Zinstheorie eine Theorie der Lohnstruktur begründen können. Insofern sind die verbleibenden Unterschiede eher graduell als prinzipiell.
3. Neue Impulse hat die Theorie der F. durch die "Neue Mikroökonomie" erhalten, die streng zwischen nominalen und realen Faktorpreisen unterscheidet und die Auswirkungen inflationärer Impulse vor allem auf dem Arbeitsmarkt analysiert. Bei unvollkommener Information (Informationsökonomik) und eingeschränkter Preisflexibilität, also bei Existenz von Informations- und Veränderungskosten, erhalten Bildung und Antizipation von Inflationserwartungen (Inflationstheorie ,
2.) ein besonderes Gewicht. Dabei wurde im Rahmen der Phillips-Kurven-Diskussion (Phillips-Theorem) zunächst herausgearbeitet, daß Reallohnvariationen und entsprechende Beschäftigungseffekte nur bei falschen Inflationserwartungen entstehen. Im Anschluß daran hat die "Kontrakttheorie" aufgezeigt, daß auch wg. relativ langer Laufzeiten der Arbeitskontrakte unverzügliche Nominallohnanpassungen verhindert werden können. Dadurch verändert sich selbst dann der Reallohn, wenn Arbeitsanbieter und -nachfrager die Inflationsrate zwar korrekt erwarten, aber wg. bestehender Lohnkontrakte nicht antizipieren können. Erwartungsirrtümer oder fehlende Antizipationsmöglichkeiten begründen reale Faktorpreisänderungen nicht nur auf dem Arbeitsmarkt, sondern auf allen Faktormärkten: Sowohl bei der Pacht- und Mietpreisbildung als auch bei der Preisbildung auf den Kreditmärkten werden Inflationserwartungen berücksichtigt, wobei die Unterscheidung zwischen nominalem und realem Kreditzins schon frühzeitig diskutiert wurde (Fisher-Effekt ; Gibson-Paradoxon). Insofern kann auch die Einbeziehung von Inflationserwartungen keine spezifische Theorie der F. für den Arbeitsmarkt rechtfertigen. Neuere Entwicklungen in der Mikroökonomie haben die ehemals vorherrschende Auffassung relativiert, daß strikt zwischen der Preisbildung auf Produkt- und Faktormärkten zu trennen ist. Sie begründen zugleich, daß nur graduelle und keine prinzipiellen Unterschiede der Preisbildung auf einzelnen Faktormärkten bestehen.
Literatur: M. Friedman, Price Theory.
2. A., Chicago 1976; dt. Übers.: Die Theorie der Preise. München 1977. J. Schumann, Grundzüge der mikroökonomischen Theorie.
6. A., Berlin, Heidelberg, New York 1992. A. Woll, Allgemeine Volkswirtschaftslehre. 11. A., München 1993.
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