Integriertes Marketing
Obwohl in der klassischen Definition des Marketing, verstanden als „ Planung, Koordination und Kontrolle aller auf die aktuellen und potentiellen Märkte ausgerichteten Unternehmensaktivitäten “ bereits explizit auf das Koordinationserfordernis hingewiesen wird, hat das erweiterte Anspruchsspektrum des Marketing sowie Probleme in der organisatorischen und unternehmensübergreifenden Abstimmung von Marketingaktivitäten den Terminus „ Integriertes Marketing “ seine Berechtigung erfahren lassen.
Die Betonung des Integrationserfordernisses bei der Gestaltung und Umsetzung von Marketingkonzepten resultiert ursprünglich aus der Gefahr eines isolierten und nicht hinreichend abgestimmten Einsatzes der einzelnen Marketinginstrumente. Zielsetzung eines integrierten Marketing ist es deshalb, alle Marketinginstrumente unter Berücksichtigung bestehender Inter-dependenzen zur effizienten Erreichung der angestrebten Unternehmens- und Marketingziele aufeinander abzustimmen.
Diese eher instrumentelle Sichtweise des Integrationsgedankens ist jedoch durch aktuelle Herausforderungen zunehmend erweitert worden. Einerseits hat sich das Anspruchsspektrum des Marketing in den letzten Jahrzehnten gewandelt. Neben der Kundenorientierung erlangte die konkurrenz- und gesell-schaftsorientierte Ausrichtung des Marketing im Rahmen eines marktorientierten Führungskonzeptes an Bedeutung. Somit stellt sich im Konzept eines integrativen Marketing die Frage, wie diese unterschiedlichen Perspektiven in einem Marketingkonzept zu vereinen sind.
Weiterhin ist dem Integrationsproblem im Zusammenhang mit der organisatorischen Verankerung des Marketing im Unternehmen besondere Beachtung zu schenken. In divisiona-lisierten Unternehmen stellt sich vielfach ein marktbezogenes Interdependenzproblem, dass im Hinblick auf bestimmte Marketingziele und Zielgruppen die dezentral planenden Divisionen ihre Marketingaktivitäten aufeinander abstimmen müssen. Hier werden neben den Inhalten der Integration insbesondere die organisatorischen Möglichkeiten zur Umsetzung der Integrationserfordernisse diskutiert.
Weiterhin wird der Integrationsgedanke im Marketing in einem unternehmensübergreifenden Koordinationserfordernis deutlich, wenn Marketingkonzepte in mehrstufigen Absatzsystemen umgesetzt werden müssen. Hier gilt es, mit verschiedenen Marktpartnern den Einsatz von Marketinginstrumenten über die Unternehmensgrenzen hinweg abzustimmen.
Ausgangspunkt eines integrierten Marketing bildet ein geschlossenes Marketingkonzept. Die Marketingkonzeption ist das Ergebnis detaillierter strategischer Analysen und umfaßt Festlegungen auf drei Konzeptionsebenen und zwar der Ziel-, Strategie- und Instrumental- bzw. Marketingmixebene. Während die Marketingziele als Ergebnis eines Zielbildungsprozesses den erstrebenswerten Zustand für die Unternehmung definieren, stellen die Marketingstrategien strukturierende Maßnahmen dar, innerhalb derer sich die Festlegung des Marketing-Mix als operativer Planungsprozeß vollzieht. Marketingziele und -Strategien müssen darauf ausgerichtet werden, durch Wettbewerbsvorteile eine dauerhafte Befriedigung der Kundenbedürfnisse unter Berücksichtigung gesellschaftlicher Ansprüche sicherzustellen. Insbesondere bei der Festlegung von Marketingstrategien stellt sich die Frage, inwieweit bereits eine Spezifizierung der einzelnen Verhaltenskorridore für die einzelnen Marketingmixbereiche erfolgen soll. Um einen hohen Integrationsgrad sicherzustellen, sind durch eine Verknüpfung einer bottom-up-und top-down-Planung unter Einbeziehung der mittleren Managementebenen die einzelnen Marketingmixstrategien zu präzisieren.
Für die abgestimmte Planung der Marketinginstrumente werden in der Literatur analytische Planungsverfahren (sog. „ Mar-keting-Mix-Modelle “ ) sowie heuristische Prinzipien empfohlen. Während die analytischen Verfahren aufgrund ihrer restriktiven Annahmen in der Praxis kaum Verbreitung gefunden haben, herrschen hier eher robuste Planungsheuristiken vor. Hierbei wird zwischen zwei Planungsschritten, der Grobplanung und der Feinplanung, differenziert. Im ersten Planungsschritt wird eine Vorauswahl relevanter Marketingmixinstrumente auf der Grundlage qualitativer Auswahlheuristiken empfohlen, welche die Vielzahl der Instrumentekombinationen auf ein überschaubares Maß reduzieren. In der zweiten Phase ist eine Feinplanung des Marketingmix auch unter Einbeziehung quantitativer Entscheidungsmodelle einzusetzen. In der Vergangenheit wurden für die Grobplanung z. B. produktspezifische Auswahlheuristiken vorgeschlagen, bei denen die Wirkung einzelner Marketinginstrumente unter Einbeziehung der typischen Produktmerkmale abgeschätzt wird. Diese Heuristiken ermöglichen jedoch nur erste Hinweise über die Zusammensetzung des Marketing-Mix. Auf der Basis eines gut ausgebauten Marketinginformationssystems sind verfügbare Wirkungsanalysen einzelner Instrumente, Benchmarks relevanter Wettbewerber sowie Zielgruppeninformationen u.a.m. bei der Gestaltung des Marketing-Mix zu berücksichtigen. Hierbei sind inhaltliche und zeitliche Interdependenzen zwischen den einzusetzenden Marketinginstrumenten zu beachten. Letztendlich ist jenes Marketingmix auszuwählen, welches bei einem gegebenen Marketingbudget den höchsten Zielerreichungsgrad sicherstellt.
Bei stark divisionalisierten Unternehmen, in denen die einzelnen Sparten als Profit-Center autonom ihre Marketingkonzepte entwickeln und umsetzen, behindert vielfach der Grundsatz „ Strategie follows Structure “ die Verwirklichung eines integrierten Marketing. Ein über einzelne Sparten hinweg abgestimmtes Marketing ist dann notwendig, wenn zwischen einzelnen Sparten Marktinterdependenzen in der Form bestehen, dass z. B. verschiedene Divisionen ihre Aktivitäten auf gleiche Zielgruppen ausrichten. Die Sicherstellung eines integrativen Marketing erfordert eine spartenübergreifende Koordination durch die Einrichtung von Zentralabteilungen oder anderen Koordinationsformen (z. B. spartenübergreifende Teamkonzepte, Kollegien). Zur Querschnittskoordination unter einer kundenorientierten Perspektive finden auch eigenständige Management- und Organisationskonzepte, wie z. B. das Kunden- bzw. Key-Account-Management, in der Praxis eine organisatorische Umsetzung.
Das integrierte Marketing erlangt auch aus einer unternehmensübergreifenden Perspektive an Bedeutung. Gerade in mehrstufigen Märkten erfolgt der Absatz des Leistungsangebotes gegenüber dem Kunden durch das Zusammenspiel des Hersteller- und Handelsmarketing. Um ein einheitliches Marketingkonzept über alle Absatzstufen durchzusetzen, steht dem Hersteller ein breites Spektrum von vertraglichen Vertriebssystemen zur Verfügung. Mit Hilfe von Vertriebsbindungen bis hin zu Franchisesystemen können Hersteller einen hohen Integrationsgrad der Marketinginstrumente und einen einheitlichen Marketingauftritt bis zum Endverbraucher sicherstellen.
Abschließend bleibt festzuhalten, dass die Betonung des integrierten Marketing aufgrund des Implementierungsversagens von Marketingkonzepten oder eines falsch verstandenen Grundverständnisses im Marketing seine Berechtigung gefunden hat. Knüpft man an der Philosophie des klassischen Marketingansatzes an, so ist richtig verstandenes Marketing eigentlich immer auch ein integriertes Marketing.
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