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Handelsmarketing


Inhaltsübersicht
I. Die Abgrenzungen
II. Das Grundkonzept der Handelsprogrammpolitik
III. Die Daten des Handelsmarketing
IV. Die Marketing-Strategien im Handel
V. Die Beziehungen zwischen Handelsmarketing und Handelsmanagement
VI. Ausgewählte Fragen des Großhandelsmarketing
VII. Ausgewählte Fragen des Einzelhandelsmarketing

I. Die Abgrenzungen


Handelsmarketing ist das Marketing der Handelsbetriebe, zu denen Großhandel, Handelsvermittler und Einzelhandel, auch selbstständige Vertriebsgesellschaften der Hersteller gehören. Im Vordergrund der Betrachtung stehen Warenhandelsbetriebe, weniger Dienstleistungshändler.
Das Handelsmarketing ist wegen der in der Regel unveränderten Weitergabe von Transaktionsgegenständen durch eine besonders enge Beziehung zwischen dem Beschaffungs- und dem Absatzmarketing geprägt. Von der Marktrichtung her sind für Handelsbetriebe die Aktivitäten des Beschaffungsmarketing oft sehr bedeutend: »Im Einkauf liegt der Segen!«
Durch den Handel und damit das Handelsmarketing werden die Transaktionspotenziale zwischen Lieferanten und Kunden erhöht. Der Brückencharakter des Handels bedingt einerseits Eigenheiten der Ausgestaltung der Marktbearbeitungsinstrumente und andererseits spezifische Konzepte im Management. Bei einer marktwirtschaftlichen Wirtschaftsordnung dominiert der Handel die Marktbearbeitungsfragen und alle weiteren Bereiche der Handelsprogrammpolitik. Für den Erfolg des Handelsmarketing sind in besonderem Maße die Interdependenzen und der Zwang zur Übereinstimmung gegenüber der Managementpolitik bedeutend. Im Handelsmanagement wird seit alters her über die organisatorische und verantwortungsmäßige Trennung oder Zusammenfassung von Einkauf und Verkauf, aber auch über zentralen oder dezentralen Einkauf der Filialen und Niederlassungen sowie über die Zentralisierung des Einkaufs für nur eine oder mehrere Vertriebsschienen nachgedacht. Die harmonisierte Verantwortung für Einkauf und Verkauf findet ihren Niederschlag im Merchandising und der Position des Merchandisers (Tietz, B. 1993a).
Beim Handelsmarketing sind nach den Handelsobjekten insbesondere Waren-, Dienstleistungsmarketing und Immobilienmarketing zu unterscheiden.
Handelsmarketing kann institutionell von unterschiedlichen Handelskettengliedern betrieben werden:

1.

Marketing von Lieferanten für Handelsbetriebe: Trade Marketing,

2.

Marketing der Handelsbetriebe; Handelsmarketing im engeren Sinne,

3.

Marketing von Handelsbetrieben für Lieferanten: Reverse Marketing.


Hier wird eine Einengung auf das Marketing der Handelsbetriebe vorgenommen. Jedoch ist das Handelsmarketing nicht ohne die Einflüsse des Trade Marketing der Lieferanten zu gestalten. So gibt es oft im gleichen Handelsbetrieb teils ein von Lieferanten dominiertes, fremdbestimmtes Marketing, z.B. bei Rack Jobbern oder Shop-in-the-Shop-Lösungen, und ein eigenbestimmtes Marketing mit eigenständiger Politik.
Weitere Differenzierungen ergeben sich aus der Stellung des Handelsunternehmens, u.a. in Zentralgroßhandelsmarketing, auch Kontormarketing, Großhandelsmarketing oder Einzelhandelsmarketing. Im Großhandel lassen sich das Marketing gegenüber Handels- oder Handwerkskunden (Kundenmarketing) und das Marketing gegenüber Konsumenten und sonstigen Endverbrauchern (Kundenkundenmarketing) unterscheiden. Man kann dabei von einstufigem und mehrstufigem Marketing sprechen. Erhebliche Unterschiede erwachsen überdies aus der Systemgebundenheit:

1.

individuelles oder systemungebundenes Marketing,

2.

Kooperationssystem-Marketing,

3.

Filialsystem-Marketing.


Der Facettenreichtum des Handelsmarketing übersteigt den des Herstellermarketing erheblich, da durch die Bildung von Waren- und Dienstesortimenten sehr unterschiedliche Vorleistungen mit ebenfalls potenziell divergenten Eigenleistungen verknüpft werden können. So werden gleiche Waren durch intensive Services im Einzelhandel oder beim Cash-and-carry-Prinzip im Großhandel mit Preis-Leistungs-Differenzen von 10 bis 20% des Verkaufspreises abgesetzt. Im Einzelhandel hat ein Fachdiskonter bei Lebensmitteln eine Handelsspanne von 12 bis 13%, der Servicesupermarkt kommt auf Durchschnittswerte von 25 bis 30% des Konsumentenpreises. SB-Warenhäuser benötigen Handelsspannen von etwa 22%, Warenhäuser von 45%. Diese Differenzen werden durch die Betriebstypenkultur begründet, die oft nicht verändert werden kann.

II. Das Grundkonzept der Handelsprogrammpolitik


Das Handelsmarketing ist Teil der Leistungsprogrammpolitik des Handels. Insgesamt können bei der Unternehmenspolitik der Handelsbetriebe drei große betriebliche Entscheidungsfelder herausgestellt werden (Tietz, B. 1993a):

1.

Die Leistungsprogrammpolitik, für den Handel auch Handelsprogrammpolitik genannt: Sie befasst sich mit der Frage, was ein Unternehmen im Markt leisten will und welche materiellen und finanziellen Ressourcen dazu erforderlich sind. Die Bereiche sind Grundstrukturpolitik, Marktbearbeitungspolitik, Faktorkombinations- und Kostenpolitik sowie Finanzierungspolitik.

2.

Die Managementpolitik: Sie befasst sich mit der Frage der immateriellen betrieblichen Voraussetzungen zur Erfüllung der Aufgaben der Leistungsprogrammpolitik, also mit Planung, Organisation, Führung, Kontrolle und Information.

3.

Die Realisationstechnologiepolitik, verkürzt auch als Technologiepolitik oder Know-how-Politik bezeichnet: Darunter wird die Politik der konkreten Maßnahmen und Aktionen verstanden, die erforderlich sind, um das durch die Leistungsprogrammpolitik Gewollte und durch die Managementpolitik Vorbereitete umzusetzen und zu realisieren.


Die Leistungsprogramm- und die Managementpolitik dienen primär der Auffindung und Gestaltung von Konzepten, die Realisationstechnologiepolitik primär der Durchsetzung des Gewollten.
Die Handelsprogrammpolitik kann nach zwei Merkmalen gegliedert werden:

1.

nach dem Problemgewicht, d.h. nach der Bedeutung und den Auswirkungen der Maßnahmen für das Entstehen, den Bestand und die Auflösung eines Unternehmens in die Grundstruktur-, Folgestruktur- und Ablaufpolitik,

2.

nach den Hauptsachbereichen des Unternehmens, d.h. durch erlös- (output-), kosten- (input-) bzw. finanzorientierte Betrachtung des Handelsprogramms in Grundstruktur-, Markt-, Faktorkombinations- sowie Finanzierungspolitik.


Die Instrumente der Grundstrukturpolitik der Handelsbetriebe sind umfassend und wirken im Allgemeinen simultan auf die Markt- und Faktorkombinations- sowie auf die Finanzierungspolitik. Von manchen Autoren werden Bereiche der Grundstrukturpolitik unmittelbar der Marktpolitik zugeordnet (Hansen, U. 1990; Müller-Hagedorn, L. 1993).
Im Rahmen der Grundstrukturpolitik werden die groben Leitlinien fixiert und die Instrumente zu ihrer Realisierung dimensioniert. In der Folgestruktur- und Ablaufpolitik finden diese Bestrebungen ihren konkreten Ausdruck, u.U. mit vorher nicht erkennbaren Rückwirkungen auf die zuvor festgelegten Politiken. Grund- und Folgemerkmale sind von der Zielsetzung und der Problemstellung des Handelsunternehmens abhängig.
Durch das Konzept der Problemgewichte ergibt sich eine Instrumentalhierarchie und damit eine Entscheidungsreihenfolge, bei der die Instrumente der Grundstrukturpolitik Daten für die Marktpolitik darstellen. Somit gibt es Grundentscheidungen, z.B. über den Standort und das Kooperationssystem oder die Filialisierung, und Folgeentscheidungen, z.B. über Preis und Sortiment. Im konkreten Falle kann jedoch die Betriebstypenentscheidung die Standortentscheidung dominieren.
Eine Schwierigkeit besteht darin, die wichtigste Entscheidung festzulegen, die als erste getroffen werden muss und die dann die Sukzessivität des Entscheidungsprozesses und des Instrumentaleinsatzes bestimmt. Letztlich geht es um die Frage nach der »Henne und dem Ei«, z.B.: Ist die Entscheidung über den Standort oder das Preisniveau primär? Die erste Entscheidung führt zwingend zu bestimmten Folgeentscheidungen.

III. Die Daten des Handelsmarketing


Für den Handelsbetrieb sind zunächst die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Rahmendaten von weit reichendem Einfluss.
Der Einfluss des Standpunktes auf die Marktbetrachtung: Da Unternehmen nur erfolgreich sind, wenn die Kunden, z.B. Konsumenten, die angebotenen Waren und Dienste als erstrebenswert und nützlich empfinden, sind alle Marktpartner auf gute Informationen über Kunden angewiesen. Aus der Interessenlage von Hersteller, Großhandel und Einzelhandel ergeben sich jedoch unterschiedliche Schwerpunkte der Befassung mit den Konsumenten.
Die Konsumenten: Konsumenten fragen Waren für sich selbst als Individuen, für andere Haushaltsmitglieder oder für Dritte, z.B. bei Geschenken, nach. Das Verbraucherverhalten beruht auf mindestens folgenden Dimensionen:

-

unbeeinflussbaren physischen und psychischen Gesetzmäßigkeiten,

-

beeinflussbaren Verhaltensgesetzmäßigkeiten,

-

soziodemografischen Merkmalen, so Alter, Beruf, Einkommen, Umweltmerkmalen, so Zugehörigkeit zu Gruppen, aber auch weiteren Merkmalen wie Klima, Arbeitsbedingungen, Medienverfügbarkeit.


Neben dem Marktentnahme- und damit dem Einkaufsverhalten der Konsumenten haben alle waren- und diensterelevanten Verhaltensweisen, z.B. das Eigentums- und Besitzstreben, Einfluss auf die Nachfrage.
Jeder Betriebstyp hat ein spezifisches Image, das eine Attraktion auf die angestrebten Kunden ausübt und das vor allem auch die Grundlage der Identifikation des Kunden mit dem Betriebstyp darstellt. Die Griffigkeit und Kraft dieser Ausstrahlung sind zentrale Voraussetzungen für die Durchsetzung und den dauerhaften Erfolg des Betriebstyps im Markt.
Die Wandlungen bei den  Herstellern: Das Größenwachstum der Lieferanten führt zur Festlegung von erhöhten Mindestabnahme- oder Liefermengen, durch die die größeren Handelsbetriebe begünstigt werden bzw. das Wachstum bereits großer Betriebe beschleunigt wird. Kleinere Unternehmen sind nicht in der Lage, die Mindestabnahmemengen, die von vielen Lieferanten gefordert werden, zu realisieren. Die Konzentration bei den Lieferanten führt für den Abnehmer, der ebenfalls wächst, zu tendenziell günstigeren Konditionen. Das Aufkommen neuer Lieferanten oder die Erschließung neuer Beschaffungsmärkte, z.B. China, begünstigen tendenziell die größeren Unternehmen oder führen zum Entstehen einer neuen Importgroßhandelsstufe.
Die Konkurrentendynamik: Für jedes Handelsunternehmen ist bei einer gegebenen Abnehmerveränderung im Marktgebiet die Konkurrentendynamik – der Bedeutungsrückgang, das Verschwinden oder die Bedeutungssteigerung von Konkurrenten, das Hinzukommen neuer Konkurrenten oder die Umstrukturierungen durch Kauf und Verkauf von Betrieben – die wichtigste Grundlage für die Beurteilung der eigenen Entwicklungsmöglichkeiten.
Weil eine Profilierung eines Handelsunternehmens nur auf der Grundlage guter Kenntnisse über die Konkurrenz erfolgen kann, insbesondere in Richtung einer Ausnutzung von Schwächen der Konkurrenz, sind Konkurrenzanalysen für die Entwicklung und Beurteilung des eigenen Marketing-Mix bedeutend.
Zunehmend entstehen Informationssysteme, bei denen Hersteller, Handel und Konsumenten an der Gewinnung von Daten zur besseren Gestaltung der Marktbearbeitungspolitik zusammenwirken, so bei Marktkommunikations- und Produkteinführungsdaten der Industrie, Sortiments- und Marktentnahmedaten des Handels, z.B. über Scanning, sowie Daten der Werbemittelnutzung und der Preissensibilität der Konsumenten. So werden sich Handelsunternehmen zu Informationsspezialisten entwickeln.

IV. Die Marketing-Strategien im Handel


1. Der Gegenstand


Beim Einsatz der absatzpolitischen Instrumente lassen sich im Markt Leistungspakete oder Marketing-Konzepte mit unterschiedlichen Schwerpunkten durchsetzen. So gibt es Großhandelsunternehmen mit hoher Werbeintensität gegenüber Konsumenten in den Medien Zeitungen, Zeitschriften Funk oder Fernsehen. Andere Unternehmen legen ihren Schwerpunkt auf die Werbung am Verkaufspunkt (Point of Sale) und setzen in erster Linie Maßnahmen der Verkaufsförderung ein. Bei einer dritten Gruppe von Unternehmen steht die Außendiensttätigkeit im Vordergrund.
Die zentrale Frage bei jeder Marketing-Mix-Entscheidung betrifft die Marktwirkungen und damit die Akzeptanz des eigenen Konzeptes: Welche Umsatz- und Rohertragswirkungen haben u.U. alternative Marketing-Konzepte nach Abteilungen, Betriebstypen oder Filialnetzen? Wie unterscheiden sich beim gleichen Ladentyp die Umsätze bei einer oder mehreren Bedienungsabteilungen für Frischwaren gegenüber der Selbstbedienung?
Für das Marketing-Mix im Handel besteht eine Kernfrage darin, ein angestrebtes Profil mit einem angestrebten Preisniveau auf der Basis eines Kostengefüges zu erreichen, das die erwarteten Gewinne, Überschuss- oder mindestens zeitweise Liquiditätsziele zu erreichen gestattet. Gelingt es nicht, die Kosten im Griff zu behalten, bleiben die Erfolge aus.
Weitere Fragen berücksichtigen schließlich Marktbedingungen: Wie verändern sich im Zeitablauf die Zielgruppen in ihrer Anzahl sowie in ihrem qualitativen und quantitativen Nachfrageverhalten, und welche Konsequenzen ergeben sich daraus für die Marketing-Politik?

2. Die Marktbearbeitungsphilosophie und komplexe Ziele


Ein erfolgreicher Betriebstyp beruht auf einem klaren, möglichst unverwechselbaren Konzept, das in eine Philosophie oder Ideologie des Betriebstyps mündet. In diesem Zusammenwirken von menschlichen und sachlichen Elementen eines Betriebstyps erfüllt sich auch das jedem Betriebstyp zugrunde liegende Gesetz: Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile.
Die wichtigsten Elemente der Marktbearbeitungsphilosophie als Kernstück der Unternehmensphilosophie und die Basisvorstellungen über die Unternehmensidentität und damit auch die Corporate Identity sind in den Unternehmensgrundsätzen enthalten. So hat Douglas, das Kosmetikfilialunternehmen der Douglas AG, Hagen, folgende Leitlinien der Marktbearbeitungsstrategie: Qualität, Aktualität, Top-Standorte, Sortimentsvielfalt, Mode und Qualität, Design und Ambiance, Service und Beratung, Herzlichkeit und Sympathie.
Die Philosophie muss vom Unternehmer oder Manager und den Mitarbeitern anerkannt werden. Sie müssen sich damit voll identifizieren, d.h. die Formel, die für die sachliche Strukturierung des Betriebstyps gefunden wurde, und die entsprechenden Verhaltensweisen aller Menschen im Betrieb müssen aufeinander abgestimmt, miteinander harmonisiert sein. Daraus folgt zwingend: Wenn ein Unternehmer sich mit seinem Betriebstyp nicht identifiziert, weil seine Mentalität anders ist, bleibt der Erfolg aus (Tietz, B. 1983).
Aus den Unternehmensgrundsätzen werden die komplexen Handels- und Marktbearbeitungsziele abgeleitet. Komplexe Handelsziele liegen z.B. dem Trading up, Trading down und Side grading zugrunde (Ausschuss für Begriffsdefinitionen aus der Handels- und Absatzwirtschaft, 1994).
Trading up: Als Trading up bezeichnet man die Erweiterung, Vertiefung und/oder qualitative Anhebung des Leistungssortimentes eines Handelsbetriebes, z.B. durch größere Auswahl, höheres Qualitäts- und Preisniveau, umfangreichere Dienstleistungen oder anspruchsvollere Geschäftsausstattung. In der Regel ist damit eine Erhöhung der Kosten und der Handelsspannen verbunden.
Trading down: Beim Trading down handelt es sich um leistungs- und kostensenkende Maßnahmen, z.B. Senkung des Qualitäts- und Preisniveaus, Reduzierung der Auswahl und sonstiger Dienste, einfachere Geschäftsausstattung, Verminderung der Zahl der Mitarbeiter.
Side grading: Side grading bedeutet eine Umstrukturierung auf gleichem Niveau, vor allem zur besseren Anpassung an Zielgruppen und Lebensstile, dies ohne Veränderung des Bruttoertrags und Kostenniveaus. Side grading hat bei Supermärkten und Fachgeschäften Verbreitung.
Als übergeordnete Marktzielbündel werden weiter die Pull-Strategien und die Push-Strategien unterschieden. Bei Ersteren wird versucht, mit Mitteln der Information und Kommunikation eine Unabhängigkeit von anderen Instrumenten zu erreichen. Bei Push-Strategien wird auf kommunikative Instrumente verzichtet und das Produkt dem Kunden direkt nahe gebracht, insbesondere durch persönlichen Verkauf, segmentierte, d.h. geschichtete Absatzwegeselektion und Preispolitik (Sabel, H. 1974).
Pull- und Push-Strategien wurden von der Industrie entwickelt, haben sich heute aber auch im Großhandel und Einzelhandel durchgesetzt. Der Großhandel produziert für Kunden seiner Kunden Kataloge und Prospekte, um Pull-Effekte zu generieren, mit Preisnachlässen, Sonderprodukten und Außendienstaktivitäten versucht er, Push-Effekte zu erreichen. Die Medienwerbung von Direktvertriebsunternehmen wie Avon soll Pull-Effekte bewirken, die Betreuung durch Beraterinnen in der Wohnung oder am Arbeitsplatz enthält Push-Elemente.

3. Die Marktbearbeitungsinstrumente


Jeder Betriebstyp des Einzelhandels beruht auf zwei Komponenten:

1.

den sachlichen Merkmalen, z.B. Außengestaltung, Innenlayout, Ladeneinrichtung, Werbe-, Sortiments- und Preiskonzept,

2.

den subjektiven Merkmalen des Inhabers bzw. Leiters eines Betriebes und seiner Mitarbeiter.


Die Sortimentspolitik ist im Einzelhandel wie im Dienstleistungsgewerbe ein tragendes Merkmal der Betriebstypendifferenzierung wie auch der Betriebstypendynamik. Das Sortiment in Einzelhandelsbetrieben bestimmt typprägend das absatzpolitische Gefüge, d.h. den Absatz-Mix, insbesondere die Preis-, Service- und Standortpolitik, und beeinflusst die Faktorkombinationspolitik.
Wesentliche Unterschiede zwischen Handelsmarketing und Herstellermarketing hinsichtlich des Einsatzes der Instrumente lassen sich durch Abb. 1 kennzeichnen, wenn sich auch im Rahmen der vertikalen Systembildung zunehmend Mischtypen ergeben.
Handelsmarketing
Abb. 1: Ein Vergleich der Marketing-Instrumente zwischen Hersteller, Großhandel und Einzelhandel
Ein Kernbereich des Handelsmarketing ist die Filialisierung, die teilweise im Bereich der Absatzwegepolitik behandelt wird.

4. Ausgewählte Aspekte des Marketing-Mix der Handelsbetriebe


Bei der Marktbearbeitungspolitik der Handelsbetriebe stehen sich zwei Konzepte gegenüber:

1.

Das Zielgruppenkonzept, bei dem sich der Betrieb auf eine oder mehrere Kundengruppen orientiert. Es wird angestrebt, den Zielgruppenbedarf möglichst umfassend abzudecken. Man kann hier auch von einer Dominanz der Kundenpolitik sprechen. Die gewünschten Zielgruppenkunden bilden die Grundlage für die Fixierung und Gestaltung der Marktbearbeitungsstrategie. Man sucht bestimmte Kunden, die mit einem Betriebstyp betreut werden sollen.

2.

Das Angebotskonzept, bei dem der Handelsbetrieb die Sortimentsoptimierung nach eigenen Preis-Leistungs-Vorstellungen gestaltet und davon ausgeht, dass eine genügende Anzahl von Kunden dieses Konzept akzeptiert.


Zielgruppen- und Angebotskonzept finden ihren Ausdruck in unterschiedlichen Betriebstypen des Handels. Zielgruppenorientiert sind Fachgeschäfte, angebotsorientiert sind Fachmärkte, oft auch SB-Warenhäuser.
Der wichtigste Trend in der Sortimentsbildung ist der Übergang von allgemeinen bedarfsorientierten Sortimenten zu klar profilierten Zielgruppen- und Lebensstilsortimenten oder zu profilierten Angebotssortimenten, vgl. dazu Abb. 2 und Abb. 3.
Handelsmarketing
Abb. 2: Die Konkretisierung der Strategiealternativen im Großhandel
Handelsmarketing
Abb. 3: Die Konkretisierung der Strategiealternativen im Einzelhandel
Die Ziel- und Zielgruppendefinitionen lassen sich nicht voneinander trennen. Nur wenn ein Unternehmen weiß, in welchem Markt mit welchen Kunden und Lieferanten es tätig sein will, kann es tragfähige Ziele entwickeln.
Zum Kern der Marketing-Strategien im Handel gehören die Positionierung wie auch die Umpositionierung eines Unternehmens. Eine qualifizierte Positionierung beruht auf einer griffigen Vertriebs- bzw. Betriebstypenformel (Tietz, B. 1992). Das Pendant zum Markenartikel der Industrie ist auf der Einzelhandelsstufe der Betriebstyp. Für beide gilt: je mehr Profilierung im Hinblick auf eine bestimmte Marktsituation, desto größer der Erfolg.
Daten der Betriebstypenprofilierung im Einzelhandel sind vor allem:

1.

der Wertepluralismus der Konsumenten,

2.

die Sortimentsdynamik,

3.

die Strategiekraft leistungsfähiger Unternehmer und Manager.


Bei der Betriebstypenprofilierung – bei Verbundgruppen und Filialunternehmen auch Schienenprofilierung genannt – sind zwei Aspekte zu unterscheiden:

1.

die Profilierung eines neuen, noch nicht bestehenden Betriebes,

2.

die Profilierung eines bereits im Markt tätigen Betriebes.


Nachfragewandlungen führen zu Anpassungserwägungen eines Marketing-Mix. So befindet sich ein Marketing-Mix im Zeitablauf im stetigen Wandel.
In vielen Fällen gehen Veränderungen des Absatzprogramms von der Preispolitik aus. so gibt es Unternehmen, die nur Waren einer bestimmten Preisklasse führen. Ein hervorragender Vertreter dieses Unternehmenstyps waren die klassischen Pennystores von Woolworth, die später Waren bis zur Höchstgrenze von 1 bzw. 5 US-Dollar führten. Sie haben sich mit einem breiten Sortiment bei Heraufsetzung der Preisobergrenze zu den Kleinpreisgeschäften bis zu Kleinwarenhäusern (Junior Department Stores) entwickelt.
Andere Unternehmen beschränken ihr Sortiment nicht auf Waren bis zu einem freiwillig festgesetzten Höchstpreis, sondern orientieren sich an einer festgelegten absoluten Handelsspanne. In diesem Falle werden die gekauften Waren mit einem u.U. gestaffelten absoluten Handelsaufschlag belegt, so bei Fachdiskontern.

V. Die Beziehungen zwischen Handelsmarketing und Handelsmanagement


Die Qualität des Management, insbesondere die Kreativität und Marktsensitivität bestimmen den Erfolg des Marketing-Mix.
Im Allgemeinen werden die Ziele der Managementpolitik so ausgerichtet, dass die Ziele der Handelsprogrammpolitik realisiert werden können. Die eigenständigen Managementziele legen bereits die Wege für die Realisierung der Handelsprogrammpolitik fest. Als wichtige Managementziele lassen sich herausstellen.

-

die Sicherung der Anpassungsmöglichkeiten des Unternehmens bei unerwarteten Veränderungen der externen oder internen Daten,

-

die Sicherung der aktiven Beteiligung an Innovationen im Rahmen des sozialen Wandels,

-

die Sicherung von Mitarbeiterinteressen.


Als weitere Ziele können die Verbesserung der betrieblichen Steuerung im Rahmen des Routinemanagement und der Realisationschancen im Projektmanagement bezeichnet werden. Management ist stets auch Steuerung, und somit ist die Optimierung von Steuerungskriterien ein hervorragendes Ziel. Das Bewusstein der Führung und damit der steten Steuerung und Korrektur ist gegenüber allen Mitarbeitern zu fördern.
Jede Struktur und Größe eines Handelsunternehmens bedarf anderer Managementkonzepte. Daraus folgt eine Parallelität des Handelsprogramm-Mix und des Management-Mix auf der Grundlage der in einer bestimmten Situation oder Phase zu erledigenden Marketing-Aktivitäten, vgl. dazu Abb. 4.
Handelsmarketing
Abb. 4: Die Beziehungen zwischen Marketing und Management in unterschiedlichen Situationen bei Handelsbetrieben

VI. Ausgewählte Fragen des Großhandelsmarketing


Im Mittelpunkt der Großhandelsstrategien steht – stärker als im Einzelhandel – die Zielgruppenstrategie (Tietz, B. 1992). Die Segmentierung der Kunden kann nach fachlichen, betriebsgrößenbezogenen oder betriebstypenspezifischen Kriterien erfolgen.
Die Marktbearbeitungsdominanz: Bei Unternehmen aller Größenklassen ist die Frage der Gebietsexpansion oder der Beschränkung auf ein bestimmtes Absatzgebiet immer wieder neu zu stellen. Die Absatzpolitik des Großhandels ist hinsichtlich der Marktgröße durch zwei Alternativen gekennzeichnet:

1.

großräumiger Absatz in einem spezifischen Marktsegment mit geringer Marktdurchdringung,

2.

bewusst räumlich beschränkter Absatz, u.U. mit dem Bestreben intensiver Marktbearbeitung.


Mit beiden Strategien wird gleicherweise erfolgreich im Markt operiert. Die erstgenannte Strategie ist auf Nischen im großen Markt ausgerichtet; mit der zweiten Strategie versucht man, die Kunden in räumlicher Nähe intensiv zu betreuen und ein vergleichsweise bedeutender Partner für jeden Kunden zu sein. Mischtypen orientieren sich an Kundengruppen, Warengruppen oder Bedarfsgruppen.
Auf der Beschaffungsseite ergeben sich entsprechend – jedoch nicht unbedingt parallel zur jeweiligen Lösung im Absatzmarkt – ein weltweiter Einkauf, teilweise mit wenig intensiven Lieferantenbeziehungen, oder die starke Bindung an einen oder wenige Beschaffungspartner.
Großhandlungen haben unterschiedlich breite und tiefe Marktbearbeitungsprogramme. Man spricht hier allgemein von Vollfunktionsgroßhandlungen und Teilfunktionsgroßhandlungen, so z.B. Dispositions- oder Logistikgroßhandlungen.
Zu einem spezifischen Kriterium der Differenzierung der Großhandlung hat sich die Dienstleistungsintensität entwickelt. So gibt es Großhandlungen mit Verzicht auf Dienstleistungen und Großhandlungen mit hoher Dienstleistungsintensität. Die meisten Großhandelsunternehmen werden dem Typ der Servicegroßhändler zugerechnet. Zentrale Funktionen und Aktivitäten des Servicegroßhandels sind:

1.

die kompetente Wahrnehmung der Sortimentsfunktion,

2.

die kurzfristige Lieferfähigkeit,

3.

die gute Präsentation der Waren,

4.

die persönliche Kommunikation,

5.

die Sachmittelkommunikation.


Services können hinsichtlich der Vielfalt und Intensität unterschiedlich angeboten werden. Beispiele sind: Außendienst und Beratung, warenbezogene Dienstleistungen, logistische Dienstleistungen, Reparatur- und Garantiedienste, Finanzdienste, Marktforschung für Kunden und Lieferanten.
Der Systemgroßhändler: Ein vergleichsweise breites und tiefes Leistungsprogramm haben Systemgroßhändler, die oft enge Bindungen zu Kunden und Lieferanten aufgebaut haben. Sie agieren teilweise als Eigenhändler, teilweise sind sie die Systemköpfe von Verbundgruppen des Einzelhandels und des Großhandels sowie der Industrie. Durch die weitere Auffächerung der Arbeitsteilung ist eine Zunahme von Service- oder Systemgroßhändlern zu verzeichnen.

VII. Ausgewählte Fragen des Einzelhandelsmarketing


Der Handelsspielraum des Einzelhandelsmarketing wird durch mehrere Gesetzmäßigkeiten geprägt. Das Gesetz der steigenden Handelsspannen besagt, dass etablierte Betriebstypen im Zeitablauf wegen der Erhöhung der Faktorkosten, vor allem für Personal und Miete, bei vergleichsweise geringerer Anpassungsfähigkeit der Produktivität und wegen des Trends zum Trading up ihren relativen Eigenleistungsanteil erhöhen müssen. So ist von 1960 bis 1994 eine Verdoppelung der Handelsspannen bei Fachgeschäften und Warenhausunternehmen eingetreten. In enger Verbindung dazu steht das Gesetz des zunehmenden relativen Gewinnanteils und des zunehmenden Eigenkapitalanteils.
Weiter wird das Einzelhandelsmarketing durch die weit reichenden rechtlichen Restriktionen mitgeprägt, vor allem Standortrestriktionen (§ 11 Satz 3 BauNVO), Ladenzeitregelungen, Preisangabe- und Rabattregelungen, Wettbewerbsregelungen in GWB und UWG.
Weiter sind folgende Entscheidungen von Bedeutung:

1.

die Wahl von Mono- und Multitypenstrategien (Monoplayer, Multiplayer),

2.

die Wahl der Einschaltung neuer Betriebstypen, der Aufgabe bestehender Betriebstypen und der Umstrukturierung von Betriebstypen,

3.

die Wahl der Kombinierbarkeit von Betriebstypen, d.h. von Modularität.


Dabei spricht man im Handel bei Beschränkung auf einen Betriebstyp von einem Monoplayer, z.B. Aldi, beim Einsatz mehrerer Betriebstypen einer Branche von Branchenplayer und bei mehreren Branchen von Multibranchenplayer, z.B. Metro-ASKO.
Warenhausunternehmen eröffnen Fachgeschäftsketten oder schaffen innerhalb der Häuser Fachgeschäftskonzepte, so Selfridges bei Bekleidung, House of Fraser u.a. mit den Facheinzelhandelstypen Astral Sports Shops, Benjamin Simon, Carvela Shoes und Chanelle. Die Möbelabteilungen werden als Spezialhäuser ausgegliedert, so Allder\'s mit Clover, Debenham mit At home oder Karstadt mit seinen Möbelhäusern.
Oft gibt es Basis- und Ergänzungsstrategien. So ist der Ikea-Katalog eine Ergänzung des stationären Geschäfts. Die Corso-Läden von Otto sind eine Ergänzung des Versandhandels zur Warenabschleusung.
Eine hoch entwickelte Identitätsstrategie betreiben in Deutschland insbesondere Fachmarktunternehmen, so Media-Markt, WOM, Praktiker, Hornbach, oder SB-Warenhausunternehmen, so real, oder Markt-Kauf.
Auch innerhalb eines Betriebstyps gibt es spezifische und differenzierte Positionierungen, die auf einem unterschiedlichen Einsatz der Marketing-Instrumente beruhen.
Spezifika des Einzelhandelsmarketing sind weiter:

-

das Ladenlayoutmarketing,

-

das Visualisierungsmarketing,

-

das Schaufenstermarketing,

-

das Verkaufsförderungsmarketing, auch POS-Marketing (Point of Sale),

-

das Instore-Media-Marketing,

-

das Ladenzeitenmarketing, teilweise mit Beschränkung auf Nachmittagsöffnung, so beim Modefachmarkt Bessmann, Möbeldiskonter Roller oder Weinfachmarkt Jacques\' Weindepot,

-

das Bedienungs- und Beratungsmarketing,

-

das Prospekt- und Anzeigenmarketing.


Diese Beispiele zeigen, dass neben der Sortiments- und Preispolitik vor allem die Kommunikationspolitik in ihren vielfältigen Erscheinungsformen im Einzelhandel zunehmende Aufmerksamkeit findet. Inzwischen erreicht bei Einzelhandelsunternehmen mit Möbeln und Textilien das Sachwerbebudget das Personalkostenbudget. Damit dürfte das Gesetz der steigenden Handelsspannen durch zunehmende Marktwiderstände auch weiterhin gelten.
Literatur:
Ausschuss für Begriffsdefinitionen aus der Handels- und Absatzwirtschaft, : Katalog E, 4. A., Köln 1994
Barth, K. : Betriebswirtschaftslehre des Handels, Wiesbaden 1988
Gümbel, R. : Handel, Markt und Ökonomik, Wiebaden 1985
Hansen, U. : Absatz- und Beschaffungsmarketing des Einzelhandels, 2. A., Göttingen 1990
Müller-Hagedorn, L. : Handelsmarketing, 2. A., Stuttgart et al. 1993
Sabel, H. : Absatzpolitik, in: HWA, hrsg. v. Tietz, B., Stuttgart 1974, Sp.78 – 87
Tietz, B. : Betriebspolitik der Handelsbetriebe, in: HWA, hrsg. v. Tietz, B., Stuttgart 1974, Sp. 385 – 394
Tietz, B. : Die Grundlagen des Marketing, 3 Bände, München 1975/1976
Tietz, B. : Konsument und Einzelhandel, 3. A., Frankfurt a.M. 1983
Tietz, B. : Euromarketing, 2. A., Landsberg a.L. 1990
Tietz, B. : Einzelhandelsperspektiven für die Bundesrepubilk Deutschland, Frankfurt a.M. 1992
Tietz, B. : Der Handelsbetrieb, 2. A., München 1993a
Tietz, B. : Großhandelsperspektiven für die Bundesrepublik Deutschland bis zum Jahre 2010, Frankfurt a.M. 1993b
Tietz, B. : Zukunftsstrategien für Handelsunternehmen, Frankfurt a.M. 1993c

 

 


 

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