A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z
wirtschaftslexikon wirtschaftslexikon
 
Wirtschaftslexikon Wirtschaftslexikon

 

wirtschaftslexikon online lexikon wirtschaftslexikon
   
 
     
wirtschaftslexikon    
   
    betriebswirtschaft
     
 
x

Zolltheorie


1. Zollarten. Zölle sind Abgaben, mit denen der Staat den grenzüberschreitenden Warenverkehr belegt, und stellen somit Handelsschranken dar, die die Inlandspreise von den Weltmarktpreisen entkoppeln. Je nach Handelsrichtung unterscheidet man zwischen Importzöllen und Exportzöllen, je nach Bemessungsgrundlage zwischen Wertzoll (der als Prozentsatz des Wertes des gehandelten Gutes erhoben wird) und Stückzoll (bei dem die Abgabe als fester Geldbetrag pro Mengeneinheit festgelegt ist). Ein einheitlicher Wertzoll belastet hochwertige Güter relativ zum Preis stärker als geringwertige, beim Stückzoll ist es umgekehrt. In den Industrieländern gibt es vor allem wertmäßige Importzölle, in den Entwicklungsländern sind häufig auch Exportzölle zu entrichten. Sonderformen, vor allem bei landwirtschaftlichen Erzeugnissen, sind Mischzölle (Verzollung zunächst nach dem Wert des Gutes, dann aber stückspezifisch, wenn der Wert unter ein bestimmtes Niveau sinkt), Abschöpfungen (bei denen sich die Abgabe nach der Preisdifferenz zwischen In- und Ausland richtet) und Finanzzölle (die als indirekte Verbrauchssteuer für im Inland nicht hergestellte Güter erhoben werden). Bei Importzöllen können alle Lieferländer gleich behandelt werden (Meistbegünstigungszölle) oder ungleich. Letzteres gilt bei Präferenzzöllen (z.B. gegenüber Entwicklungsländern) oder bei einer Aufhebung von Binnenzöllen bei regionalen staatlichen Zusammenschlüssen (z.B. Zollunion , Freihandelszone). Eine Ungleichbehandlung liegt auch vor bei Anti-Dumping-Zöllen (gegenüber ruinöser Konkurrenz aus einzelnen Ländern), Retorsionszöllen (als Gegenmaßnahme, wenn andere Regierungen Importbeschränkungen aufbauen) und Strafzöllen (im Rahmen von wirtschaftlichen Sanktionen gegen einen bestimmten Staat). I.d.R. werden Zölle unterschiedlich nach Produktgruppen festgesetzt, wobei bei Importen der Zollsatz mit zunehmendem Verarbeitungsgrad steigt. Für Unternehmen und Branchen ergibt sich daraus ein Effektivzoll als Prozentsatz, um den die zu Inlandspreisen bewertete Wertschöpfung von der zu Weltmarktpreisen errechneten abweicht. Dieser Effektivzoll ist gleich dem Nominalzoll, wenn für ein Enderzeugnis die gleiche Abgabe erhoben wird wie für dessen Vorprodukte. Lastet auf Vorprodukten ein niedrigerer (höherer) Zoll, so ist für das Enderzeugnis der Effektivzoll höher (niedriger) als der Nominalzoll (Zolleskalation bzw. -deskalation). Außerdem ist bei gegebener Zollstruktur der Effektivzoll um so höher, je kleiner der Anteil der Wertschöpfung je Produkteinheit am Preis ist.
2. Zollargumente. In der Z. wird die Erhebung von Zöllen vor allem unter Wachstums-, Beschäftigungs-, Verteilungs- und Zahlungsbilanzgesichtspunkten analysiert. Unter Wachstumsgesichtspunkten (Wachstum) steht das Erziehungszollargument im Vordergrund. Danach brauchen junge Unternehmen oder Industrien einen temporären Schutz vor Auslandskonkurrenz, damit sie mit den technischen und organisatorischen Anfangsschwierigkeiten fertig werden, ihre Durchschnittskosten senken und Marktreife erlangen können. Dieses Argument wird in der Praxis häufig überstrapaziert. Streng genommen ist es nur vertretbar, wenn bei der Produktionsausdehnung langfristige und irreversible (externe Effekte) "externe Ersparnisse" anfallen, d.h. die Gesellschaft einen Nutzen erzielt, der dem Unternehmen nicht abgegolten wird (z.B. die Ausbildung von Arbeitskräften). Ein neues Wachstumsargument liefern die Modelle der strategischen Handelspolitik. Durch gezielte Protektion soll auf technologieintensiven, zukunftsträchtigen Wachstumsfeldern die Produktion in Verbindung mit Weltmarktanteilsgewinnen wohlfahrtserhöhend zu Lasten des Auslands gesteigert werden können. Angenommen wird u.a. oligopolistische Konkurrenz und überdurchschnittlich hohe, fixe Kosten. Die Modelle sind nicht sehr robust; ihre Anwendung in der Praxis beschwört die Gefahr von Handelsrestriktionen herauf. In bezug auf den Beschäftigungsgrad gelten Zölle als hilfreich, weil sie die Einfuhrgüter verteuern, die inländische Nachfrage auf Inlandsprodukte lenken und über Multiplikatoreffekte ein höheres Volkseinkommen entstehen lassen. Doch wird dann Arbeitslosigkeit ins Ausland exportiert ("beggar-my-neighbour policy"), was dort Gegenmaßnahmen auslösen dürfte, die den anfänglichen positiven Beschäftigungseffekt wieder zunichte machen. Mit Verteilungsargumenten soll gerechtfertigt werden, daß dem Staat zusätzliche Einnahmen zufließen (zu Lasten des privaten Sektors), daß die Realeinkommen der relativ knappen Produktionsfaktoren im Vergleich zu den Einkommen der reichlicher vorhandenen Faktoren steigen (Stolper-Samuelson-Theorem (Güterwirtschaftliche Außenwirtschaftstheorie ,
4.)) und daß das zollerhebende Land eine Verbesserung seiner terms-of-Trade erwirken und damit die Wohlfahrt erhöhen kann (Optimalzoll). Vor allem die beiden letztgenannten Fälle gelten freilich nur unter stark vereinfachenden Annahmen (z.B. vollkommene Konkurrenz auf den Güter- und Faktormärkten, keine internationalen Faktorwanderungen, linear-homogene und international für jedes Gut identische Produktionsfunktionen), die in der Wirklichkeit nicht anzutreffen sind. Unter Zahlungsbilanzgesichtspunkten läßt sich zeigen, daß ein Einfuhrzoll über den Preiseffekt die Leistungsbilanz verbessern kann, und zwar um so mehr, je preiselastischer die Importnachfrage ist. Doch kann über den Zahlungsbilanz -Multiplikator ein expansiver Prozeß im zollerhebenden Land in Gang kommen, in dessen Verlauf wieder mehr importiert und unter Umständen weniger exportiert wird, so daß sich die Leistungsbilanz wieder verschlechtert. Von Dauer wäre eine Verbesserung ohnehin nur, wenn es gelingt, die inländischen Verbrauchs- und Investitionsausgaben zu vermindern und die Ersparnisse zu erhöhen, und wenn das Ausland nicht seinerseits mit Handelsrestriktionen reagiert.
3. Zollwirkungen. Bis Einführung eines Importzolles wird der Inlandspreis des betreffenden Gutes den Weltmarktpreis übersteigen. Gleichzeitig werden die ausländischen Anbieter ihre Exportpreise reduzieren, um so die Zollbarriere zu überspringen. Je preisunelastischer Angebot und Nachfrage im zollerhebenden Land und je preiselastischer sie im Ausland sind, um so stärker wird der Inlandspreis steigen und um so weniger der Weltmarktpreis sinken; bei umgekehrten Elastizitätsbedingungen sind die Preiswirkungen im Ausland entsprechend ausgeprägter als im Inland. Die zollbedingte Verteuerung von Einfuhrgütern hat einen negativen Konsumeffekt und einen positiven Produktionseffekt, dessen jeweilige Größe von den Preiselastizitäten (Elastizitäten) des Angebots und der Nachfrage bestimmt wird. Die Konsumentenrente wird kleiner, die Produzentenrente größer, wobei insgesamt gesehen ein Wohlfahrtsverlust eintreten kann. Gegenüber dem Freihandelszustand stören Zölle die Spezialisierung des Landes gemäß seinen komparativen Vorteilen (Allokationsineffizienzen) (Theorie der komparativen Kosten). Es werden zu viele Produktionsfaktoren in Branchen gebunden, in denen der Effektivzoll überdurchschnittlich hoch ist; sie könnten bei einer alternativen Verwendung ein höheres Wertgrenzprodukt erbringen. Da es gleichzeitig weniger Wettbewerb gibt, wird der heilsame Zwang zur kontinuierlichen Produktivitätssteigerung (Produktivität) aufgeweicht, unter Inkaufnahme eines geringeren Spielraums für Realeinkommenssteigerungen. Der Zollschutz zugunsten einzelner Branchen verzerrt über die inter-industrielle Verflechtung die Preis- und Kostenstrukturen (materielle Zollinzidenz). Das Nachsehen haben vor allem die Exportindustrien. Sie müssen Vorleistungen teurer bezahlen und außerdem eine Aufwertung der heimischen Währung hinnehmen, die durch die zollbedingte Abnahme der Einfuhr induziert wird. I.d.R. ist demnach Zollprotektion für die Gesamtwirtschaft nicht lohnend. Zölle sind allerdings weniger nachteilig als mengenmäßige Handelsbeschränkungen, jedenfalls solange sie nicht prohibitiv hoch sind, weil der Marktmechanismus mit dem Spiel von Angebot und Nachfrage nicht außer Kraft gesetzt wird.
4. Zollunion. Sie entsteht, wenn sich bestimmte Staaten zusammenschließen, den Handel untereinander liberalisieren und gegenüber Drittländern einen gemeinsamen Außenzoll festsetzen (z.B. EWG). Durch die Beseitigung der Binnenzölle wird eine Handelsexpansion bewirkt, die aus zwei Quellen stammt: Zum einen aus Handelsschaffung, nachdem sich innerhalb der Union die Produktion von den weniger wettbewerbsfähigen zu den wettbewerbsfähigeren Standorten verlagert hat und die Nachfrage durch sinkende Preise stimuliert wird; zum anderen gibt es Handelsumlenkung, indem Exporteure aus Drittländern verdrängt werden, die eigentlich kostengünstiger produzieren, aber wg. des Außenzolls in der Union nunmehr teurer anbieten, als es Unternehmen innerhalb der Z. können, solange die Beseitigung des Binnenzolles deren Kostennachteile mehr als aufwiegt. Die handelsschaffenden Effekte verbessern normalerweise die Faktorallokation in der Zollunion als Ganzes, ohne daß der Güteraustausch mit Drittländern schrumpfen müßte; die handelsumlenkenden Effekte hingegen sind wohlfahrtsökonomisch eher nachteilig zu beurteilen.

Literatur: G. Haberler, Der internationale Handel. Erw. und wiederabgedr. A., Berlin-Heidelberg-New York 1970. U. Hiemenz/K. von Rabenau, Effektive Protektion. Tübingen 1973. G. Gandolfo, International Economics, Vol.
1. Berlin u.a. 1987. R. W. Tones/A. O. Krueger (Hrsg.), The Political Economy of International Trade. Oxford 1990. G. Bletschacher/H. Klodt, Strategische Handels- und Industriepolitik. Tübingen 1992.

 

 


 

<< vorhergehender Begriff
nächster Begriff >>
Zollmauer
 
Zollunion