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Neue Politische Ökonomie (NPÖ)

Ansatz zur Neuorientierung der Theorie der Wirtschaftspolitik, der an Denkansätze der klassischen, nichtmarxistischen Politischen Ökonomie (Adam Smith, David Ricardo, John Stuart Mill) anknüpft. Wie bei den Klassikern, wird die Rolle der politischen Institutionen (Parteien, Regierungen, Verwaltungen) stärker in die Analyse einbezogen. Daraus erklärt sich die Namensgebung für diesen Ansatz. Die Unterstellung selbstlosen, nur an der wirtschaftlichen und sozialen Wohlfahrt der Wirtschaftssubjekte orientierten Handelns politischer Institutionen, kennzeichnend für die neoklassisch-wohlfahrtsökonomisch orientierte Theorie der Wirtschaftspolitik, wird aufgegeben. Sie führt nach Auffassung der N. zu Fehleinschätzungen der Rolle politischer Institutionen. Sie führt insbesondere, da sie die vielfältigen Kosten der Staatstätigkeit systematisch unterschätzt, zu Konzeptionen der Wirtschaftsordnung , die dem Staat ein zu großes Maß an Kompetenzen und Verantwortung für die Wohlfahrt der Bürger zuweisen. Dementsprechend tendieren solche wohlfahrtsstaatlichen Konzeptionen dazu, den Wirtschaftssubjekten weniger Selbstverantwortung und Kompetenzen zuzuerkennen. Durch diese Denkweise wurde die Entstehung und Verbreitung des modernen Wohlfahrtsstaates gefördert, der sich durch ein paternalitisches Verhältnis gegenüber Individuen, Familien und Unternehmen auszeichnet. Dieser Staatstyp mit seiner Vielfalt von Sozial-, Gesundheits-, Erziehungs-, Regulierungs- und Genehmigungsbürokratien sowie Interessenverbänden, macht neue Methoden der wissenschaftlichen Analyse erforderlich. Die N. versucht, dieser Vielfalt von Entscheidungs- und Koordinationsmechanismen (Institutionen) in stärkerem Maße Rechnung zu tragen als die traditionelle Theorie der Wirtschaftspolitik. Zur Vorgeschichte: Insbesondere die ökonomische Theorie der Demokratie, als Theorie eines spezifischen politischen Entscheidungs- und Koordinationsmechanismus, ist seit Ende der 50er Jahre durch Anwendung von Methoden aus den Wirtschaftswissenschaften entwickelt worden. Sie hat das Interesse an der Analyse demokratischer und nichtdemokratischer politischer Institutionen mit Hilfe dieser Methoden verstärkt. Von diesem Gebiet her kam der Anstoß zu einer Analyse von Entscheidungs- und Koordinationsmechanismen im weitesten Sinne, zum vertieften Verständnis ihres Zusammenwirkens und damit zur Entwicklung der N. als einer ökonomischen Theorie, die sich in besonderem Maße der Institutionen annimmt. Vergleich mit anderen Erklärungsansätzen: Gerade die für die N. typische, systematische und differenzierte Betrachtung verbändeartiger, staatlicher sowie politischer Institutionen und ihres Zusammenwirkens mit den für die Wirtschaft kennzeichnenden Koordinationsmechanismen, insbesondere mit Märkten und Unternehmenshierarchien, darf als einer ihrer besonderen Vorzüge gegenüber der marxistischen Politischen Ökonomie angesehen werden. Auch andere, der N. zum Teil eng verwandte Richtungen, wie Public Choice und Theorie der Verfügungsrechte ("property rights"), wenden die Methoden der Wirtschaftswissenschaften bei der Analyse von Entscheidungs- und Koordinationsmechanismen an. Als Hauptmerkmale lassen sich der methodologische Individualismus (homo oeconomicus) und das Rationalverhalten der Individuen nennen. Deshalb fällt eine Abgrenzung zu diesen Richtungen schwer. Erkennbar sind unterschiedliche Forschungsschwerpunkte der Hauptvertreter und Unterschiede im Verständnis von Gemeinsamkeiten.S Schwerpunkt des "Public Choice"-Ansatzes, auch als "Nichtmarktökonomik" bezeichnet, ist die mit der ökonomischen Theorie der Demokratie einsetzende Analyse der demokratischen Verfassungen, der Abstimmungssysteme, des Stimmentausches, der fiskalischen Transfers usw. bezüglich ihrer Rationalität, ihrer Stabilität, insbesondere ihrer Auswirkungen auf die Allokation der Ressourcen. In jüngster Zeit ist dieser Ansatz auch auf die Analyse der internationalen Wirtschaftsorganisationen und der internationalen Koordination der Wirtschaftspolitik angewendet worden. Schwerpunkte der Theorie der Verfügungsrechte  sind die spezifischen Zuweisungen von Rechten und Entscheidungskompetenzen bei der Verfügung über Güter (Gut), durch die sich Entscheidungs- und Koordinationsmechanismen, wie etwa vom Prinzipal-Agent-Typ (Hierarchien) (principal-agent-Beziehung) oder vom Typ der Markt-, Kooperations- und Gesellschafterverträge unter Gleichgeordneten, auszeichnen. Alternative Zuweisungen ("Verfügungsrechtsstrukturen") werden betrachtet bezüglich ihrer Anreizwirkungen auf das Verhalten wirtschaftlicher Akteure und bezüglich der daraus sich ergebenden Wahl von Güter- und Faktorkombinationen sowie institutionellen Arrangements. Verfügungsrechtsstrukturen, ihre ökonomischen Entstehungsgründe und ihre Wirkungen sind somit ein besonderer Aspekt von Institutionen, die nach einer Periode der Vernachlässigung durch die Wissenschaft auch von der N. in den Vordergrund ihres Forschungsinteresses gerückt worden sind.

Literatur:  J.M. Buchanan, G. Tullock, The Calculus of Consent, Ann Arbor 1962. J.M. Buchanan, The Constitution of Economic Policy, in: American Economic Review, Vol. 77 (1987), S. 243 - 250. A. Downs, Ökonomische Theorie der Demokratie. Tübingen 1968. B. S. Frey, Internationale Politische Ökonomie, München 1985. B.S. Frey, G. Kirchgässner, Demokratische Wirtschaftspolitik,
2. A., München 1994. G. Kirsch, Neue Politische Ökonomie,
3. A., Düsseldorf 1993.  W.C. Mitchell, M.C. Munger, Economic Models of Interest Groups, in: American Journal of Political Science, Vol. 35 (1991), S. 512 - 546. D.C. Mueller, Public Choice II,
2. A., Cambridge 1989.  W.A. Niskanen, Bureaucracy and Public Economics, Aldershot 1994. K.-E. Schenk,  Die neue Institutionenökonomie, in: Zeitschrift für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, Bd. 112 (1992), S. 337 - 378. J. Schumpeter, Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie.
5. A., München 1980.

 

 


 

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