Arbeitnehmerüberlassung
Inhaltsübersicht
I. Begriff und gesetzliche Grundlagen
II. Andere Formen des Personaleinsatzes bei Dritten
I. Begriff und gesetzliche Grundlagen
Arbeitnehmerüberlassung (Zeitarbeit, Leiharbeit, Personalleasing) liegt vor, wenn ein Arbeitgeber (Verleiher) einem Dritten (Entleiher) aufgrund einer Vereinbarung bei ihm angestellte Arbeitnehmer (Leiharbeitnehmer) vorübergehend zur Verfügung stellt, die der Dritte (Entleiher) nach seinen Vorstellungen in seinem Betrieb wie seine eigenen Arbeitnehmer eingliedert und sie dort zur Förderung des Betriebszwecks nach seinen Weisungen einsetzt (BAG BB 2001, 98).
Das Gesetz zur Regelung der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung (AÜG) sieht (seit 1972) im Wesentlichen Regelungen vor, die zulässige von unzulässiger Arbeitnehmerüberlassung abgrenzen, die Einhaltung arbeitsrechtlicher Vorschriften sichern und Benachteiligungen von Leiharbeitnehmern ausschließen sollen. Die nicht gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung (z.B. die Überlassung von schwer vermittelbaren Arbeitnehmern durch gemeinnützige Träger unter sozialen oder therapeutischen Gesichtspunkten) ist gesetzlich nicht geregelt. Für bestimmte Bereiche der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung (z.B. Personenbeförderung, Bewachungsgewerbe) gelten gesetzliche Sonderregelungen, die den Bestimmungen des AÜG vorgehen. Gewerbsmäßige (erlaubnispflichtige) Arbeitnehmerüberlassung liegt vor, wenn der Verleiher nicht nur gelegentlich, sondern auf eine gewisse Dauer Arbeitnehmerüberlassung in der Absicht betreibt, daraus unmittelbare oder mittelbare wirtschaftliche Vorteile zu ziehen (BAG DB 1999, 2315). Entscheidend ist die Gewinnerzielungsabsicht; sie fehlt bei der (nicht erlaubnispflichtigen) Arbeitnehmerüberlassung, die nur ideellen Zwecken dient.
Der in der Praxis bedeutsamste Fall ist die (im Folgenden schwerpunktmäßig behandelte) erlaubnispflichtige gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung. Sie ist von anderen Formen des Personleinsatzes bei Dritten abzugrenzen, die nicht dem Anwendungsbereich des AÜG unterliegen. Die gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung bedarf einer besonderen Erlaubnis. Die Rechtsbeziehungen zwischen Verleiher, Entleiher und Leiharbeitnehmer werden durch eine Reihe von Besonderheiten geprägt. Für die illegale Arbeitnehmerüberlassung bestehen spezielle Vorschriften.
II. Andere Formen des Personaleinsatzes bei Dritten
1. Werk- und Dienstvertrag
Beim Werkvertrag (§§ 631 ff. BGB) schuldet der Werkunternehmer die Herbeiführung eines Erfolges (z.B. die Errichtung eines Bauwerks). Die Arbeitnehmer des Werkunternehmers, die im Betrieb des Werkbestellers projektbezogen tätig werden, sind Erfüllungsgehilfen des Werkunternehmers und unterliegen dessen Weisungsbefugnis. Demgegenüber sind bei der Arbeitnehmerüberlassung die Arbeitskräfte des Verleihers (die Leiharbeitnehmer) in den Betrieb des Entleihers eingegliedert und führen die Arbeiten ausschließlich nach dessen Weisungen aus. Diese scheinbar einfache Abgrenzung ist vor allem im Bau- und Montagebereich oft erschwert. Die maßgeblichen Unterscheidungsmerkmale sind hier die Eingliederung des überlassenen Arbeitnehmers in den fremden Betrieb und seine Unterstellung unter eine fremde Weisungsbefugnis. Für einen Werkvertrag spricht die gegenständliche Begrenzung des Bestellers auf ein konkretes Werk; für Arbeitnehmerüberlassung spricht, wenn der Besteller durch seine Anweisungen den Gegenstand der von den Arbeitnehmern zu erbringenden Leistung überhaupt erst bestimmt und damit Arbeit und Einsatz für die Arbeitnehmer bindend organisiert (BAG DB 1995, 1566). In der Praxis wird der Werkvertrag freilich oft dazu benutzt, um eine gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung zu verschleiern, die erlaubnispflichtig ist. Maßgeblich ist hier aber nicht die von den Parteien gewählte Vertragsbezeichnung, sondern die tatsächliche Durchführung der Vertragsbeziehungen (BAG DB 1994, 2502). Besitzt der zu Unrecht als Werkunternehmer auftretende Vertragsarbeitgeber (Scheinwerkunternehmer) keine Verleihererlaubnis, kommt kraft Gesetzes ein Arbeitsverhältnis mit dem auftraggebenden Unternehmen (Scheinwerkvertragsbesteller) zustande (§ 10 Abs. 1 AÜG).
Für den Dienstvertrag (§§ 611 ff. BGB) über selbständige Dienstleistungen gilt das für den Werkvertrag Gesagte entsprechend. Ein „ freier “ Dienstvertrag kommt nur dann in Betracht, wenn durch geeignete organisatorische Maßnahmen sichergestellt ist, dass die im Drittbetrieb eingesetzten Arbeitskräfte im Wesentlichen frei ihre Tätigkeit (z.B. im Hinblick auf Zeit und Art der Erfüllung der Dienste) bestimmen können. Für die Abgrenzung zur Arbeitnehmerüberlassung kommt es also auf den Grad der Selbstständigkeit an. Werden die Arbeitnehmer dem Weisungsrecht des Inhabers des Drittbetriebs unterstellt, so liegt in der Regel erlaubnispflichtige gewerbliche Arbeitnehmerüberlassung vor. Bei Scheindienstverträgen tritt – wie bei Scheinwerkverträgen – die Rechtsfolge des § 10 Abs. 1 AÜG ein.
2. Weitere Formen
Die Arbeitsvermittlung ist darauf gerichtet, einen Arbeit suchenden Arbeitnehmer mit einem Arbeitgeber zur Begründung eines Arbeitsverhältnisses zusammenzuführen. Bei der Arbeitnehmerüberlassung hingegen besteht zwischen Verleiher und Leiharbeitnehmer ein Beschäftigungsverhältnis mit Rechtsbeziehungen von gewisser Dauer, die während der Überlassung an den Entleiher weiter bestehen. Arbeitsvermittlung und Arbeitnehmerüberlassung schließen sich somit eigentlich aus. Allerdings wird nach § 1 Abs. 2 AÜG gesetzlich vermutet, dass bei Überlassung von Arbeitnehmern zur Arbeitsleistung an Dritte dann Arbeitsvermittlung vorliegt, wenn der Überlassende die üblichen Arbeitgeberpflichten oder das Arbeitgeberrisiko nicht übernimmt.
Die Abordnung von Arbeitnehmern zu einer Arbeitsgemeinschaft, die zur Herstellung eines Werkes gebildet wurde, stellt nach § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG keine Arbeitnehmerüberlassung dar, wenn der Arbeitgeber Mitglied der Arbeitsgemeinschaft ist, für alle Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft Tarifverträge desselben Wirtschaftszweiges gelten und alle Mitglieder aufgrund des Arbeitsgemeinschaftsvertrags zur selbstständigen Erbringung von Vertragsleistungen verpflichtet sind (für Arbeitgeber mit Geschäftssitz in einem anderen Mitgliedstaat des Europäischen Wirtschaftsraums gelten hierbei nach § 1 Abs. 1 Satz 3 AÜG Besonderheiten). Keine Arbeitnehmerüberlassung liegt ferner vor, wenn die Arbeitnehmer in einen Gemeinschaftsbetrieb entsandt werden, zu dessen gemeinsamer Führung sich ihr Vertragsarbeitgeber und ein Dritter rechtlich verbunden haben oder wenn zwar ein gemeinsamer Betrieb nicht vorliegt, die beteiligten Arbeitgeber aber im Rahmen ihrer unternehmerischen Zusammenarbeit mit dem Einsatz ihrer Arbeitnehmer jeweils ihre eigenen Betriebszwecke verfolgen (BAG NZA 2001, 259).
Bei der Überlassung von Maschinen mit Bedienungspersonal oder bei anderen gemischten Miet- und Dienstverschaffungsverträgen (z.B. Überlassung von Baumaschinen mit Bedienungspersonal, Chartern von Schiffen mit Besatzung) liegt keine Arbeitnehmerüberlassung vor, wenn nach Sinn und Zweck des Vertrages die Gebrauchsüberlassung der Maschine im Vordergrund steht und die Zurverfügungstellung des Personals nur dienende Funktion hat, indem sie den Einsatz der Maschine erst ermöglichen soll.
III. Erlaubnispflicht bei gewerbsmäßiger Arbeitnehmerüberlassung
Gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung darf nur mit Erlaubnis der Bundesagentur für Arbeit betrieben werden (§§ 1, 17 AÜG). Der Erlaubnisvorbehalt befreit vom generellen Verbot der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung. Dieses Verbot mit Erlaubnisvorbehalt dient dem individuellen arbeits- und sozialversicherungsrechtlichen Schutz des Leiharbeitnehmers. Grundsätzlich unzulässig und nicht erlaubnisfähig ist die gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung in Betrieben des Baugewerbes (Herstellung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken) für Arbeiten, die üblicherweise von Arbeitern verrichtet werden (§ 1 b Satz 1 AÜG; ausnahmsweise aber gestattet in den Fällen des § 1 b Satz 2 und 3 AÜG).
Nicht erlaubnispflichtig ist insbesondere die Arbeitnehmerüberlassung
- | zwischen Arbeitgebern desselben Wirtschaftszweiges zur Vermeidung von Kurzarbeit (§§ 169 ff. SGB III) oder Entlassungen, wenn ein für den Entleiher und Verleiher geltender Tarifvertrag dies vorsieht (§ 1 Abs. 3 Nr. 1 AÜG: Tarifvertrag zur kollegialen Arbeitnehmerüberlassung); | - | zwischen Konzernunternehmen (§ 18 AktG) unter einheitlicher Leitung, wenn der Arbeitnehmer seine Arbeit vorübergehend nicht bei seinem Arbeitgeber leistet und wieder in sein Stammunternehmen zurückkehren soll (§ 1 Abs. 3 Nr. 2 AÜG); | - | in das Ausland, wenn der Leiharbeitnehmer in ein (auf der Grundlage zwischenstaatlicher Vereinbarungen gegründetes) deutsch ausländisches Gemeinschaftsunternehmen verliehen wird, an dem der Verleiher beteiligt ist (§ 1 Abs. 3 Nr. 3 AÜG); | - | für einen Arbeitgeber mit weniger als 50 Beschäftigten, der zur Vermeidung von Kurzarbeit oder Entlassungen Arbeitnehmer bis zu zwölf Monaten an einen Entleiher überlässt, wenn der Arbeitgeber die Überlassung vorher schriftlich der Bundesagentur für Arbeit angezeigt hat (§ 1 a AÜG: z.B. „ Kollegenhilfe “ im Bereich des Handwerks). |
Das Erlaubnisverfahren regeln §§ 2 bis 8 AÜG. Für den Rechtsschutz des Verleihers gegen Verwaltungsakte und andere Maßnahmen der Erlaubnisbehörde ist der Rechtsweg zu den Sozialgerichten gegeben.
IV. Rechtsbeziehungen bei rechtmäßiger Arbeitnehmerüberlassung
Während der Arbeitsvertrag üblicherweise in der zweigliedrigen Beziehung Arbeitgeber – Arbeitnehmer besteht, ist die Arbeitnehmerüberlassung durch ein Dreiecksverhältnis aus Verleiher – Entleiher – Leiharbeitnehmer gekennzeichnet. Zu unterscheiden sind die Rechtsbeziehungen zwischen Verleiher und Leiharbeitnehmer, zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer und zwischen Verleiher und Entleiher.
1. Rechtsbeziehungen zwischen Verleiher und Leiharbeitnehmer
Zwischen Verleiher und Leiharbeitnehmer besteht ein Arbeitsverhältnis (Leiharbeitsverhältnis), für das grundsätzlich die allgemeinen arbeits-, sozialversicherungs- und lohnsteuerrechtlichen Vorschriften gelten. An Besonderheiten sind vor allem zu nennen:
- | Der Verleiher ist verpflichtet, die wesentlichen Vertragsbedingungen des Leiharbeitsverhältnisses schriftlich nach den Bestimmungen des Nachweisgesetzes niederzulegen (Einzelheiten in § 11 Abs. 1 und 2 AÜG). | - | Das arbeitsvertragliche Weisungsrecht gegenüber dem Leiharbeitnehmer wird vom Verleiher auf den Entleiher übertragen (s.u. 2.). | - | Die Höhe der Vergütung des Leiharbeitnehmers unterliegt grundsätzlich der freien Vereinbarung zwischen dem Verleiher und dem Leiharbeitnehmer. Allerdings gilt der Grundsatz, dass Leiharbeitnehmer während der Beschäftigung bei einem Entleiher gegenüber vergleichbaren Arbeitnehmern des Entleihers in Bezug auf die wesentlichen Arbeitsbedingungen (z.B. Dauer der Arbeitszeit und des Urlaubs) sowie das Arbeitsentgelt (einschließlich Zuschläge, Entgeltfortzahlung usw.) gleich zu behandeln sind (im Einzelnen §§ 3 Abs. 1 Nr. 3, 9 Nr. 2, 10 Abs. 4, 12 Abs. 1 Satz 2, 13 AÜG). Abweichungen hiervon sind nur durch Tarifvertrag zulässig (auch zuungunsten der Leiharbeitnehmer) und für die ersten sechs Wochen der Überlassung durch einzelvertragliche Vereinbarung, wenn ein angemessenes Schutzniveau für die Leiharbeitnehmer gewährleistet ist (§ 3 Abs. 2 Nr. 3 AÜG). Gewährt ein Verleiher einem Leiharbeitnehmer nicht die im Betrieb des Entleihers für einen vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers geltenden Arbeitsbedingungen (einschließlich des Arbeitsentgelts), so führt dies nicht nur zur Versagung, zur Rücknahme oder zum Widerruf der Verleiherlaubnis, sondern auch zur Unwirksamkeit der entsprechenden vertraglichen Vereinbarung mit dem Leiharbeitnehmer; dieser kann statt dessen für die Zeit des Verleihs die Arbeitsbedingungen vergleichbarer Stammarbeitnehmer des Entleihers verlangen (§ 10 Abs. 4 AÜG). | - | Im Grundsatz können auch Leiharbeitsverhältnisse befristet werden (unberührt bleiben dabei die Vorschriften über die Befristung nach dem Teilzeit- und Befristungsgesetz). | - | Auch bei Nichteinsatzmöglichkeit besteht Anspruch auf Entgeltzahlung; dabei unterliegt das zu zahlende Arbeitsentgelt weiterhin der Vereinbarung zwischen Verleiher und Leiharbeitnehmer (§ 11 Abs. 4 Satz 2 AÜG). | - | Der Verleiher muss dem Leiharbeitnehmer bei Vertragsschluss ein Merkblatt der Erlaubnisbehörde (bei Ausländern auf Verlangen in ihrer Muttersprache) aushändigen, das über den wesentlichen Inhalt des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes unterrichtet (§ 11 Abs. 2 AÜG). | - | Leiharbeitnehmer sind betriebsverfassungsrechtlich grundsätzlich Teil der Belegschaft des Verleiherbetriebs (§ 14 Abs. 1 AÜG). Gesetzliche Ausnahmen regeln § 14 Abs. 2 und 3 AÜG für die darin genannten Beteiligungsrechte (s.u. 2.). | - | Im Falle eines Arbeitskampfs im Betrieb des Entleihers steht dem Leiharbeitnehmer ein Leistungsverweigerungsrecht zu, auf das ihn der Verleiher hinzuweisen hat (§ 11 Abs. 5 AÜG). | - | Sozialversicherungsrechtlich begründet die erlaubte Arbeitnehmerüberlassung die Arbeitgebereigenschaft des Verleihers, der meldepflichtig ist und die Sozialversicherungsbeiträge zu zahlen hat (§§ 28a Abs. 1, 28e Abs. 1 SGB IV). Vorrangig verpflichtet zur Abführung der Lohnsteuer ist der Verleiher (§ 42d Abs. 1 EStG; s.u. 2.). |
2. Rechtsbeziehungen zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer
Zwischen Leiharbeitnehmer und Entleiher bestehen (bei erlaubter Arbeitnehmerüberlassung) keine vertraglichen Beziehungen. Im Rahmen des zwischen dem Entleiher und dem Leiharbeitnehmer bestehenden Beschäftigungsverhältnis stehen dem Entleiher das Recht auf die Arbeitsleistung und das Weisungsrecht zu. Grundsätzlich hat der Leiharbeitnehmer nur Rechte gegenüber dem Verleiher als Arbeitgeber; gegenüber dem Entleiher kann er keine arbeitsrechtlichen Ansprüche geltend machen. Ausnahmen bestehen insbesondere im Bereich der Haftung und der Betriebsverfassung:
- | Die Grundsätze der beschränkten Haftung von Arbeitnehmern bei betrieblich veranlassten Tätigkeiten gelten auch im Verhältnis zwischen Leiharbeitnehmer und Entleiher. | - | Vor Übernahme des Leiharbeitnehmers zur Arbeitsleistung hat der Entleiher die vorherige Zustimmung des Betriebsrats im Entleiherbetrieb nach § 99 BetrVG einzuholen (§ 14 Abs. 3 Satz 1 AÜG; auch wenn im Entleiherbetrieb weniger als 20 Arbeitnehmer beschäftigt sind). Betriebsverfassungsrechtlich ist der Leiharbeitnehmer, der Angehöriger des Betriebs des Verleihers bleibt (§ 14 Abs. 1 AÜG), im Entleiherbetrieb nicht wählbar. Er ist jedoch im Entleiherbetrieb wahlberechtigt, wenn er länger als drei Monate in diesem Betrieb eingesetzt wird (§ 7 Satz 2 BetrVG); sein Wahlrecht im Verleiherbetrieb bleibt davon unberührt (zu den betriebsverfassungsrechtlichen Rechten des Leiharbeitnehmers im Entleiherbetrieb vgl. § 14 Abs. 2 Satz 2, 3 AÜG). |
Die Tätigkeit des Leiharbeitnehmers beim Entleiher unterliegt den für den Betrieb des Entleihers geltenden öffentlich-rechtlichen Vorschriften des Arbeitsschutzrechts, z.B. den Unfallverhütungsvorschriften (§ 11 Abs. 6 Satz 1 AÜG); darüber hat der Entleiher den Leiharbeitnehmer entsprechend zu unterrichten (§ 11 Abs. 6 Satz 2, 3 AÜG). Im Hinblick auf Arbeitnehmererfindungen gilt der Entleiher als Arbeitgeber des Leiharbeitnehmers, wenn dieser während der Tätigkeit im Entleiherbetrieb eine Erfindung oder einen Verbesserungsvorschlag gemacht hat (§ 11 Abs. 7 AÜG).
Der Verleiher bleibt als Arbeitgeber des Leiharbeitnehmers meldepflichtig und zur Abführung der Sozialversicherungsbeiträge verpflichtet (§§ 28a Abs. 1, 28e Abs. 1 SGB IV). Ferner haftet der Entleiher für die Beitragszahlungspflicht des Verleihers wie ein selbstschuldnerischer Bürge (§ 28e Abs. 2 SGB V). Die Haftung des Entleihers für die Abführung der Lohnsteuer richtet sich nach § 42d Abs. 6 – 8 EStG.
3. Rechtsbeziehungen zwischen dem Verleiher und Entleiher
Notweniger Inhalt des Arbeitnehmerüberlassungsvertrags zwischen dem Verleiher und dem Entleiher ist die Verpflichtung des Verleihers gegenüber dem Entleiher, diesem zur Förderung von dessen Betriebszwecken Arbeitnehmer zur Verfügung zu stellen (BAG NZA 2001, 259). Dieser Vertrag bedarf der Schriftform (§ 12 Abs. 1 Satz 1 AÜG). Zwingend vorgeschrieben ist die schriftliche Erklärung des Verleihers, dass er die Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung besitzt (§ 12 Abs. 1 Satz 2 AÜG). Der Entleiher soll auf diese Weise geschützt werden, unwirksame Überlassungsverträge abzuschließen mit der Folge, dass das Arbeitsverhältnis zwischen ihm und dem Leiharbeitnehmer zustande kommt (s.u. V.3.). Der Verleiher muss ferner den Entleiher unter anderem über den Wegfall der Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung unterrichten (§ 12 Abs. 2 AÜG). Eine Vereinbarung, die dem Entleiher untersagt, den Leiharbeitnehmer nach der Beendigung von dessen Arbeitsverhältnis zum Verleiher einzustellen, ist unwirksam (§ 9 Nr. 3 AÜG).
V. Rechtsfolgen nicht rechtmäßiger Arbeitnehmerüberlassung
1. Fälle der nicht rechtmäßigen Arbeitnehmerüberlassung
Die gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung ist in zwei Fällen nicht rechtmäßig:
- | Es fehlt die Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung (sie ist nicht erteilt worden, abgelaufen oder nicht verlängert worden) oder die bestehende Erlaubnis wird für eine verbotene Branche (Baugewerbe) verwendet; | - | der Verleiher übernimmt nicht die Arbeitgeberpflichten oder das Arbeitgeberrisiko (§ 1 Abs. 2 AÜG). |
Die nicht rechtmäßige Arbeitnehmerüberlassung zieht ein Untersagungsverfahren nach sich, das mit Verwaltungszwang durchgesetzt werden kann (§ 6 AÜG; zu Versagung, Rücknahme oder Widerruf der Verleiherlaubnis wegen Verstoßes gegen § 9 Nr. 2 AÜG – Grundsatz des gleichen Lohns für gleiche Arbeit – vgl. oben IV. 1.).
2. Rechtsfolgen für das Verhältnis zwischen Verleiher und Entleiher
Bei fehlender oder unzulässig verwendeter Erlaubnis ist der zivilrechtliche Arbeitnehmerüberlassungsvertrag zwischen Verleiher und Entleiher unwirksam (§ 9 Nr. 1 AÜG); weder Verleiher noch Entleiher können aus dem unwirksamen Vertrag Rechte herleiten.
3. Rechtsfolgen für den Leiharbeitnehmer
Die illegale Arbeitnehmerüberlassung führt in Bezug auf den Leiharbeitnehmer zur Nichtigkeit des Arbeitsvertrages mit dem Verleiher und zur Fiktion eines Arbeitsverhältnisses mit dem Entleiher.
Die Unwirksamkeit des Arbeitsvertrages mit dem Verleiher (§ 9 Nr. 1 AÜG) bewirkt, dass der Leiharbeitnehmer gegen den Verleiher keine vertraglichen Ansprüche hat. Der Leiharbeitnehmer kann aber, sofern er den Grund für die Unwirksamkeit des Arbeitsvertrages nicht kannte, vom Verleiher Schadensersatz verlangen (§ 10 Abs. 2 Satz 1 AÜG). Hat der Verleiher das Arbeitsentgelt ganz oder teilweise an den Leiharbeitnehmer bezahlt, gilt er Dritten gegenüber weiterhin als Arbeitgeber und ist zur Zahlung an diese neben dem Entleiher verpflichtet; Verleiher und Entleiher haften dabei den Dritten gegenüber als Gesamtschuldner (§ 10 Abs. 3 AÜG). In diesem Fall bleibt auch der Verleiher zur Zahlung der Sozialversicherungsbeiträge (neben dem Entleiher als Gesamtschuldner) verpflichtet (§ 28e Abs. 2 Satz 3 und 4 SGB IV). Der illegale Verleiher haftet für die Lohnsteuer des Leiharbeitnehmers allein, soweit er selbst Arbeitsentgelt bezahlt hat, daneben auch der Entleiher als Gesamtschuldner, wenn dieser den Lohn an den Leiharbeitnehmer bezahlt hat (§ 45d Abs. 6, 7 EStG).
Ist der Arbeitsvertrag zwischen dem Verleiher und dem Leiharbeitnehmer unwirksam, so gilt kraft unabdingbarer gesetzlicher Fiktion zwischen dem Entleiher und dem Leiharbeitnehmer rückwirkend ein Arbeitsverhältnis als zustande gekommen (§ 10 Abs. 1 AÜG). Dieses fingierte Arbeitsverhältnis steht einem vertraglich begründeten Arbeitsverhältnis gleich. Sein Inhalt richtet sich grundsätzlich nach den Regelungen im Entleiherbetrieb (§ 10 Abs. 1 Satz 4 AÜG). Besonderheiten gelten im Hinblick auf Dauer, Arbeitszeit und Arbeitsentgelt:
- | Das Arbeitsverhältnis gilt nur als befristet zustande gekommen, wenn der Einsatz des Leiharbeitnehmers beim Entleiher nur befristet vorgesehen war und für die Befristung ein sachlicher Grund bestand (§ 10 Abs. 1 Satz 2 AÜG). | - | Die Arbeitszeit richtet sich im Hinblick auf Dauer und Lage nach der Abrede im Überlassungsvertrag zwischen Verleiher und Entleiher (§ 10 Abs. 1 Satz 3 AÜG). | - | Fehlt eine tarifliche Regelung, so ist dem ursprünglichen Leiharbeitnehmer als übliche Vergütung dasselbe Arbeitsentgelt zu zahlen wie Stammarbeitnehmern mit vergleichbaren Tätigkeiten. Mindestens hat der Leiharbeitnehmer aber gegen den Entleiher Anspruch auf das mit dem Verleiher vereinbarte Arbeitsentgelt (§ 10 Abs. 1 Satz 5 AÜG). | - | Sozialversicherungsrechtlich gilt, dass der Entleiher als Arbeitgeber für die Abführung der Sozialversicherungsbeiträge haftet (§ 28e Abs. 1 SGB IV); auch für die Lohnsteuer des Leiharbeitnehmers haftet der Entleiher (§ 42d Abs. 6 Satz 1, 4 EStG). |
VI. Betriebs- und volkswirtschaftliche Aspekte
Der Einsatz von Leiharbeitnehmern wird zumeist als flexible externe Personalreserve genutzt, insbesondere zur Überbrückung von zeitlich begrenzten Fehlzeiten, von befristeten Bedarfen (vor allem im Bereich der Informationstechnologien) sowie von Produktionsspitzen. Bei der kurzfristigen Arbeitnehmerüberlassung spart der Entleiher dadurch Personalbeschaffungs- und -verwaltungskosten ein. Ferner werden Beschäftigungsmöglichkeiten für Personen erschlossen, die nur vorübergehend tätig sein können oder wollen. Auf diese Weise kann die Arbeitnehmerüberlassung zur Erhöhung des Beschäftigtenstandes beitragen. In den letzten Jahren ist freilich zunehmend eine Tendenz bei Unternehmen festzustellen, die Arbeitnehmerüberlassung als ein Instrument der langfristigen Personalplanung anzusehen, um die Bildung von Personalreserven zu minimieren und Stammbelegschaften abzubauen. Die Arbeitnehmerüberlassung wird ferner zur Personalrekrutierung genutzt, wobei Unternehmen und Leiharbeitnehmer die Leiharbeit nutzen, um sich kennenzulernen. Dabei bietet sich auch für Arbeitslose (u.a. schwer vermittelbare bzw. schwerbehinderte) eine Möglichkeit zur Reintegration in den Arbeitsmarkt. Kritik wird unter anderem an der Bürokratisierung und Überregulierung durch das AÜG, am Überlassungsverbot in der Bauwirtschaft und an der Regelung des § 3 Nr. 3 AÜG (grundsätzlich gleiche Entlohnung von Leiharbeitnehmern und Stammarbeitnehmern des Entleihers) geübt.
Gegen die Arbeitnehmerüberlassung werden aber auch – vor allem von Gewerkschaften – personal- und sozialpolitische Bedenken angeführt: Aufgrund der fehlenden Zugehörigkeit zur Stammbelegschaft und der dadurch bedingten Isolation der Leiharbeitnehmer können Konflikte innerhalb der Belegschaft entstehen. Ferner sind die Beziehungen zum Verleiher schwach ausgeprägt (die meisten Arbeitsverhältnisse mit dem Verleiher dauern z.B. nur so kurz, dass der Kündigungsschutz des KSchG nicht greift). Die Gewerkschaften haben zudem Mühe, die Leiharbeitnehmer zu organisieren; auch für Betriebsratstätigkeiten im Verleiherbetrieb ist praktisch wenig Gelegenheit. Schließlich sind nicht die volkswirtschaftlichen Nachteile zu übersehen, die von der illegalen Arbeitnehmerüberlassung ausgehen (schwerpunktmäßig in der Bauwirtschaft, u.a. zur Umgehung von Mindestlohnregelungen).
Die Arbeitnehmerüberlassung hat nach wie vor nur einen verhältnismäßig kleinen Anteil am allgemeinen Arbeitsmarkt (Ende 2004 ca. 1,5% aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten). Allerdings ist die Zahl der Leiharbeitnehmer in den letzten Jahren stetig angestiegen (Ende 2004: ca. 390.000). Die metallbe- und verarbeitenden Berufe nehmen dabei die Spitzenposition ein, gefolgt von den Organisations-, Verwaltungs- und Büroberufen. Der Grund für die kontinuierliche Zunahme der Beschäftigtenzahlen (und der Zahl der Verleihbetriebe: Ende 2004 rd. 15.000 Erlaubnisinhaber, davon ca. 53% Mischbetriebe), liegt vor allem in den Umstrukturierungs- bzw. Rationalisierungsmaßnahmen in nahezu allen Produktions- und Dienstleistungsbereichen. Ein weiterer Grund ist die Unsicherheit der Unternehmen über den weiteren Konjunkturverlauf. Die Verleiher profitieren hier vom restriktiven Einstellungsverhalten der Unternehmen, die eher bereit sind, Personalbedarf mit Leiharbeitnehmern zu decken, als sich längerfristig an einen Arbeitnehmer mit unbefristetem Arbeitsvertrag zu binden.
Literatur:
Boemke, B./Lembke, M. : Arbeitnehmerüberlassungsgesetz – Kommentar, 2. A., Heidelberg 2005
Marschall, D. : Bekämpfung illegaler Beschäftigung – Schwarzarbeit, illegale Ausländerbeschäftigung und illegale Arbeitnehmerüberlassung, 3. A., München 2003
Sandmann, G./Marschall, D./Schneider, T. : Arbeitnehmerüberlassungsgesetz – Kommentar, Loseblattwerk, Frankfurt/M
Schüren, P./Hamann, W. : Arbeitnehmerüberlassungsgesetz – Kommentar, 3. A., München 2006
Thüsing, G. : Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG), München 2005
Ulber, J. : AÜG – Arbeitnehmerüberlassungsgesetz, 3. A., Frankfurt/M. 2006
Zehnter Bericht der Bundesregierung, : über Erfahrungen bei der Anwendung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes – AÜG – , Bundestags-Drucksache 15/6008 (vom 30.9.2005)
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