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Lager: Funktionen und Arten


Inhaltsübersicht
I. Bedeutung von Lägern in der Produktionswirtschaft
II. Funktionen von Lägern in der Wertschöpfungskette
III. Systematisierungs- und Ausgestaltungsmöglichkeiten von Lägern
IV. Planungs- und Entscheidungsbedarfe in der industriellen Lagerwirtschaft

I. Bedeutung von Lägern in der Produktionswirtschaft


1. Von der beständeoptimierenden Betriebswirtschaftslehre zur Vision einer lagerlosen Wirtschaft


Läger und Bestände als Objekte betriebswirtschaftlichen Denkens und Handelns haben eine wechselvolle Geschichte durchlaufen: In der Frühzeit des wissenschaftlichen Managements und der Betriebswirtschaftslehre fanden sie wenig systematische Aufmerksamkeit. Sie wurden als eher peripheres Element industrieller Systeme und sekundäres Problem der industriellen Wirtschaft nur gelegentlich betrachtet (vgl. z.B. Findeisen, F. 1923, Findeisen, F. 1925; Andler, K. 1929).
Erst in den 1950er- und 1960er-Jahren fanden Bestände breiteres Interesse: als potenziell bedeutsame makroökonomische Größen (z.B. im Zusammenhang mit der These von »beständeinduzierten Rezessionen« (Stockton, R. S. 1965, S. 1) und – aus betriebswirtschaftlicher Sicht – als erfolgskritische, kontroll- und optimierungsbedürftige Vermögenswerte in Unternehmen (vgl. Magee, J. F. 1958; Holt, C./Muth, J./Modigliani, F. et al. 1960). Besonders das erwachende Interesse dieser Zeit am Einsatz quantitativer analytischer Methoden zur Unterstützung unternehmerischer und wirtschaftspolitischer Entscheidungen dürfte dazu beigetragen haben, dass seitdem die rechnerischen Lösungsansätze zur Optimierung von Beständen zum elementaren Wissensbestand der Betriebswirtschaftslehre zählen. Vgl. die Beachtung, die die Arbeiten von Andler, Arrow/Harris/Marschak, Whitin und Hadley/Whitin (Andler, K. 1929; Arrow, K. J./Harris, T./Marschak, J. 1951; Whitin, T. M. 1953; Hadley, G./Whitin, T. M. 1953 seitdem in den Lehrbüchern und Curricula der Betriebswirtschaftslehre gefunden haben; vgl. auch die zahlreichen bei Kupsch (Kupsch, P. U. 1979) zitierten deutschsprachigen Quellen aus dieser Zeit).
Mit der zunächst allmählichen, seit den 1980er-Jahren sich rapide beschleunigenden Verbreitung logistischen Denkens (vgl. Klaus, P. 1993) stellte sich dann erneuter Wandel der Bedeutung von Beständen und Lägern ein. Seitdem werden sie zunehmend als Symptome schwachen, ungenügend koordinierten Managements gewertet. Die absolute Reduzierung von Beständen gilt als eine der zentralen Aufgabenstellungen erfolgreichen Managements.

2. Zentrale Begriffe


»Unter Lager ist ein Raum oder eine Fläche zum Aufbewahren von Stück- und/oder Schüttgut« zu verstehen, »das mengen- und/oder wertmäßig erfasst wird« (Jünemann, R. 1989, S. 143). Die Aktivität des Lagerns ist nach der Norm des Vereins Deutscher Ingenieure VDI 2411 (VDI, 1970) »jedes geplante Liegen von Arbeitsgegenständen im Materialfluss«. Die Aktivität des Lagerns, wie sie sich in typischen industriellen Lägern vollzieht, kann in eine Sequenz von Unteraktivitäten zerlegt werden, wie »Warenannahme, Wareneingangsprüfung, Einlagerung, Liegen, Auslagern, Bereitstellen für Fertigung bzw. Auslieferung, Beständeverwaltung, Beständekontrolle und -Inventur und Wartung der Einrichtungen« (Bichler, K. 1990, S. 181 ff.). Bestände sind die jeweiligen Mengen an Materialien und Gütern (nachstehend auch als Objekte bezeichnet), die sich im Lager befinden.
Zum Verständnis der aktuellen Diskussionen in der Betriebswirtschaftslehre um beständearmes Produzieren bzw. um die Vision lagerloser Produktionssysteme ist es notwendig, auf die Unterscheidung von Lägern im engeren Sinne als  physisch abgrenzbaren Lagerräumen  bzw. Lagerflächen- und Einrichtungen hinzuweisen und auf die Möglichkeit »funktionaler Äquivalente von Lägern«: Funktionale Äquivalente von Lägern können in physischen Beständen bestehen, die sich nicht in abgrenzbaren Räumen und Flächen (d.h. nicht in Lägern im engeren Sinne) befinden, sondern in Bewegung, z.B. auf mobilen Transport- und Fördermitteln und in Produktionsprozessen. Die Funktion von Lägern kann in vielen betrieblichen Situationen auch durch systematische, erweiterte Bereitstellung von (nicht physischen) Informationen erfüllt werden.

3. Zentrale Fragestellungen


Die zentralen Fragen und Aufgaben der Lagerbewirtschaftung ergeben sich aus der Unterschiedlichkeit möglicher Perspektiven – Läger und Bestände als Vermögensgegenstände und Ressourcen oder als Indizien mangelhafter Koordination – und aus der Vielfalt der Platzierungs-, Dimensionierungs- und Ausgestaltungsalternativen von Lägern in industriellen Systemen:

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Wann und in welcher Weise tragen Läger zur industriellen Wertschöpfung (vgl. Porter, M. E. 1986) und zum unternehmerischen Erfolg bei, und wie ist dieser Beitrag potenziell zu steigern?

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Welche Läger tragen nicht zur Wertschöpfung bei, wie sind solche Läger gegebenenfalls zu reduzieren, durch funktionale Äquivalente zu substituieren oder zu eliminieren?

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Wie sind als notwendig befundene Läger zu rationalisieren?


Um diese Fragen prinzipiell zu beantworten, sind die Funktionen von Lägern in industriellen Wertschöpfungsketten zu beschreiben, die Gestaltungsmöglichkeiten von Lägern und deren Äquivalenten zu systematisieren und die für das Management erreichbaren Hebel der Lagerrationalisierung zu identifizieren.
Lager: Funktionen und Arten
Abb. 1: Von der Logistik als Funktionsspezialisierung zu beherrschende material- und warenflussbezogene Interdependenzen
Lager: Funktionen und Arten
Abb. 2: Logistik als material- und warenflussbezogene Steuerungsfunktion

II. Funktionen von Lägern in der Wertschöpfungskette


1. Unmittelbar Wert schöpfende Funktionen


Die Produktion industrieller Güter muss der Vermehrung des Reichtums der Menschen dienen – nämlich durch Schaffung von »Nutzen« und »Wert« (Marshall, A. 1890, S. 116 ff.):

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durch Produktion von Gütern – der planmäßigen Transformation von Materie durch Zusammenfügen, Zerlegen oder Gestaltveränderung, die die Bedürfnisse von Menschen besser befriedigt als Materie im natürlichen Zustand,

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durch Transport – planmäßigen Transfer von Objekten im Raum von Orten, wo diese weniger Nutzen stiften, zu Orten, wo sie relativ mehr Nutzen stiften,

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durch Sortierung und Portionierung – planmäßige Veränderung der Ordnung bzw. Anordnung durch Umschlag und Kommissionierung sowie durch Verpackung von Gütern in einer Art und Weise, die sie für die Menschen besser konsumierbar oder gebrauchbar macht, oder

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durch Lagerung – planmäßige Überbrückung von Zeitunterschieden zwischen Zeitpunkten der Produktion, die von Natur, durch technische oder organisatorische Bedingungen vorgegeben sind, und von den Menschen präferierten Zeitpunkten der Konsumption oder des Gebrauchs.


Die Systematik von vier primären Nutzen industrieller Aktivitäten geht auf Marshall (Marshall, A. 1890) und Weld (Weld, L.D. H. 1919) zurück. Weld sprach von »form utility«, »place utility«, »possession utility« und »time utility« als prinzipielle Quellen wirtschaftlicher Wertschöpfung. Die Systematik findet sich aktuell bei Ihde (Ihde, G. B. 1991) wieder, der mit ihrer Hilfe die Bedeutung logistischer Leistungen in arbeitsteiligen Wirtschaftssystemen erläutert. Es lassen sich mit dieser Systematik die prinzipiellen Funktionen von Lägern und Lageraktivitäten in Wertschöpfungsprozessen ordnen und bewerten:
(1) Die augenscheinlichste Funktion von Lägern, die sich unmittelbar aus dem Alltagsgebrauch des Wortes herleitet, liegt in der Überbrückung von Zeitunterschieden zwischen Produktions- und Konsumptions- bzw. Gebrauchszeitpunkten. Offensichtlich ist z.B. die Notwendigkeit, Produkte der Natur zu lagern, die nur zu einer bestimmten Jahreszeit geerntet werden können, die aber ganzjährig gebraucht werden. Je begrenzter und zeitlich entfernter voneinander die Ernte- und Konsumptionsperioden eines Produktes sind, umso höher wird tendenziell der Wertzuwachs für die Menschen sein, der durch das Lagern erzeugt wird. Je sensibler das Produkt gegenüber Einflüssen im Zeitverlauf, d.h. je verderblicher es ist, umso höher werden die Anforderungen an die Ausgestaltung des Lagers und die mit der Lagerung verbundenen Aktivitäten sein, umso höher ist tendenziell wiederum der Wertzuwachs. In sehr vielen Fällen erfüllen Läger also eine den Wert der Lagerobjekte erhöhende Ausgleichsfunktion zwischen wirtschaftlichen Aktivitäten, die zu unterschiedlichen Zeiten ablaufen (Kupsch, P. U. 1979). Die Notwendigkeit der Überbrückung von Zeitunterschieden durch Läger kann auch aus stochastischen Fluktuationen der Verfügbarkeit und/oder der Preise von Gütern motiviert sein. Bestände werden zu einem Zeitpunkt angelegt, wenn anzunehmen ist, dass sie zu späterem Zeitpunkt höheren Wert haben werden als zum Zeitpunkt der Beschaffung. Das Lager übernimmt in diesem Fall eine Spekulationsfunktion (Kupsch, P. U. 1979) bzw. Arbitrage-Funktion in der Zeit.
(2) Läger und Lagerung von Gütern können aber auch andere Wert schöpfende Funktionen wahrnehmen. Lagerung als Veredelungsprozess ist notwendiger Teil der werterhöhenden Transformation von Produkten, wie im Falle des reifenden Camemberts, des alternden Cognacs oder des abzulagernden Bieres. Das Lager übernimmt damit die Funktion eines Produktionsmittels.
(3) Lager können Transferaktivitäten im Raum, also Förder- und Transportfunktionen wahrnehmen, wenn sie mobil ausgebildet sind, wie moderne Systeme dynamischer Lagerung in der Industrie: Produkte werden z.B. auf geneigten Rollenbahnen von einem Vorfertigungsort zu einem Montageort bewegt, die zugleich raumüberwindende innerbetriebliche Transportfunktionen, wie zeitüberbrückende Pufferfunktion übernehmen (vgl. Jünemann, R. 1989).
(4) Läger sind schließlich in vielen Fällen Ort der Veränderung der Ordnung von Beständen bzw. Anordnung von Gütern für bedarfsbedingte Zwecke. Beim Handel werden z.B. artikelorientiert, gebündelt von Herstellern angelieferte Waren zum Zwecke der kundenorientierten Sortimentsbildung in Lägern kommissioniert und portioniert. In industriellen Materiallägern werden Sätze aus verschiedenartigen Teilen montagefertig zusammengestellt, sodass diese einen höheren Wert als Input für einen Folgeprozess erlangen als unsortierte, nicht bedarfsgerecht portioniert bereitgestellte Materialien. Das Lager übernimmt in diesen Fällen die Funktion der planmäßigen Assortierung von Gütern (vgl. Kupsch, P. U. 1979).

2. Mittelbar wertsteigernde Funktionen industrieller Läger


Die vier oben benannten direkt Wert schöpfenden Funktionen von Lägern können um eine Reihe spezifischerer Funktionen von Lägern ergänzt werden, die mittelbar der Steigerung von wirtschaftlichem Nutzen bzw. von Wertzuwächsen durch Rationalisierung industrieller Aktivitäten dienen.
(1) Wenn »Economies of Scale« in der industriellen Produktion angestrebt werden, ist Bündelung bzw. Losbildung der Güter und Materialien, die in den betrachteten Produktionsprozess eingehen, notwendig. Läger haben in diesem Falle die Funktion, Objekte für nachgelagerte Aktivitäten in ökonomisch optimalen Mengen anzusammeln. Solche nachgelagerten Aktivitäten können neben der Produktion auch Transporte (Transportlosbildung, um Transportmittel mit fixen Kapazitäten optimal zu nutzen), Verpackung (Verpackungs-, Versand-, Ladeeinheitenbildung zur Optimierung von Verpackungsmaterialbedarfen und/oder Handlingsaktivitäten) oder administrative Vorgänge (z.B. bei Bildung von Sammelbestellungen) sein.
(2) Wenn einem Produktionsschritt mit begrenzter Durchsatzkapazität Aktivitäten vorgelagert sind, die in größeren Mengeneinheiten durchgeführt wurden, entstehen Bestände aus »Anbrüchen« bzw. dem allmählichen Abbau großer Vorratslose. Läger haben dann die Funktion der Entbündelung von Objekten.
(3) Die Schaffung möglichst gleichmäßiger Produktionsflüsse ist als eine der wichtigsten Voraussetzungen verschwendungsarmer industrieller Prozesse erkannt worden (vgl. das Konzept des »Levelling« bei Ohno, T. 1988). Daraus kann sich die wirtschaftliche Notwendigkeit ergeben, bei fluktuierenden Flüssen von Objekten durch Pufferung von temporären Mengenspitzen bzw. Warteschlangenbildung deren Beruhigung zu erreichen. Läger übernehmen die Funktion der Flussglättung.
Die bis hierher beschriebenen rationalisierungsorientierten, potenziell Kosten vermindernden Lagerfunktionen (1) bis (3) können auch als Mengen-Ausgleichfunktionen zusammengefasst werden (Kupsch, P. U. 1979).
(4) Eine weitere Möglichkeit der Rationalisierung in der industriellen Praxis, die zu Beständebildung und notwendigen Einrichtung von Lägern führt, besteht in der Optimierung von Reihenfolgen der Bearbeitung, um z.B. häufige Werkzeugwechsel und/oder Reinigungsaufwendungen von Lackieranlagen zu vermeiden. Wenn Aufträge in stochastischer Reihenfolge oder durch technisch bedingte Reihenfolgen, die aus vorangegangenen Produktionsschritten entstanden sind, in einen reihenfolge-sensiblen Prozess einfließen, dann müssen die umzuordnenden Objekte in Lägern kurzzeitig angesammelt werden, die die Funktion von Sortierpuffern wahrnehmen.
(5) in vielgliedrigen industriellen Prozessen werden Bestände und Läger schließlich dadurch notwendig, dass stochastische Ereignisse es unmöglich machen, die Fertigstellung von Produkten einer Produktionsstufe exakt auf den zeitlichen Start und den Mengenbedarf der nächstfolgenden Produktionsstufe abzustimmen. Um Abrisse des Güterflusses in Wertschöpfungsketten zu vermeiden bzw. definierte Verfügbarkeits- und Servicegrade einzuhalten, müssen deshalb Puffer- bzw. Sicherheitsbestände zur Überbrückung von potenziellen Verzögerungen und Mindermengen angelegt werden. Die Läger erfüllen in diesem Fall eine Sicherungsfunktion (Koch, R./Krampe, H. 1993).

III. Systematisierungs- und Ausgestaltungs- möglichkeiten von Lägern


1. Prinzipielle Systematisierungsoptionen


Aus der vorangegangenen Diskussion und aus der Auswertung betriebswirtschaftlicher und ingenieurwissenschaftlicher Literatur ergibt sich eine große Zahl von prinzipiellen Systematisierungsmöglichkeiten von Beständen und Lägern. In Abb. 1 ist eine Auswahl solcher Möglichkeiten in der Art eines morphologischen Kastens dargestellt.
Lager: Funktionen und Arten
Abb. 1: Arten von Lägern – Prinzipielle Systematisierungsmöglichkeiten

2. Konkrete Ausprägungen und Typen von Lägern


Konkrete Ausprägungen und Typen von Lägern ergeben sich aus der Dominanz bestimmter Ausprägung bzw. typischen Kombinationen solcher Ausprägungen:
(1) Wenn bestimmte Funktionen dominieren und den Zweck eines Lagers beschreiben, ist z.B. von Puffer-, Kommissionier- bzw. Transshipment- oder Veredelungslägern zu sprechen (vgl. Stock, J. R./Lambert, D. M. 1987; Bichler, K. 1990).
(2) Wenn die Läger einer spezifischen Position im industriellen Wertschöpfungsprozess zugeordnet werden können, dann ist von Rohmaterial-, Vormaterial-, Fertigungs-Zwischenlägern, Fertigprodukte-Lägern oder Distributionslägern zu sprechen (vgl. Kroeber-Riel, W. 1966).
(3) Mit der Systematisierung von Lägern nach Standortbezügen (zentral, regional, lokal) ist häufig eine bestimmte Ausprägung der Sortimentierung verknüpft (Vollsortiment oder Teilsortiment).
(4) Die Technologie der Lagerbauweise, -einrichtung und Lagermittel – vgl. für eine Übersicht Jünemann (Jünemann, R. 1989); Koether (Koether, R. 1993) – führt zu einer Klassifizierung z.B. nach Silo-, Flach- und Hochlägern, Boden- und Regallägern, statischen und dynamischen Lägern etc.
(5) Wenn die Lagerobjekte den Charakter bestimmen, dann spannt sich ein Spektrum güterartenspezifischer Lagerarten, z.B. nach ihrer Gestalt und Konsistenz als Flüssig-, Schütt- und Stückgütern, darunter »anonymen«, nur nach Artikelnummern zu identifizierenden und nach Aufträgen/Kunden spezifizierten Neo-Bulk-Stückgutlägern (z.B. von Markenartikeln und Normteilen) sowie von spezifizierten, nicht austauschbaren Stückgütern (wie z.B. industriellen Werkzeugen oder auftragsgefertigten Produkten) oder nach ihrer Funktion in der Fertigung definierten Gütern, z.B. industrielle Werkstoffe, Hilfs- und Betriebsstoffe – für eine geläufige Güterartensystematik vgl. Riebel (Riebel, P. 1987).
(6) Diese Systematik ist noch weiter aufzufächern nach den Organisationsprinzipien der Lagerplatzordnung (systematisch oder chaotisch), der der Wegeführung, der Auffüll- und Entnahmeprinzipien (FIFO oder LIFO) (Pfohl, H.-Chr. 1990 sowie der Stufigkeiten der Kommissionieraktivitäten.
(7) Schließlich können Läger nach der rechtlichen Zuordnung des Lagers zum Nutzer oder mehreren Nutzern, z.B. als Eigenlager oder Fremdlager, im letzteren Fall als dediziertes oder als »multi-user« Lager, oder der Lagerobjekte geordnet werden.

IV. Planungs- und Entscheidungsbedarfe in der industriellen Lagerwirtschaft


1. Strategische Aufgabenstellungen


Aus den eingangs gestellten Fragen und der Vielfalt der Gestaltungsmöglichkeiten der industriellen Lagerwirtschaft ergeben sich die prinzipiellen strategischen Planungs- und Entscheidungsbedarfe:
(1) Die strategischen Aufgabenstellungen von Lägern und die Rahmenbedingungen für deren Notwendigkeit und Ausgestaltung in spezifischen Produktionsprozessen ergeben sich aus deren Funktionen im industriellen Prozess. Sind diese direkt und eindeutig Wert schöpfend, so stellt sich die Frage nach Möglichkeiten der weiteren Steigerung des Wertschöpfungsbeitrages, z.B. durch Anreicherung der Zeitüberbrückungsfunktion des Lagers mit weiteren Wert schöpfenden Funktionen des Transports, der Assortierung und der Veredelung sowie auch der Anreicherung mit Kosten senkenden, mittelbar wertsteigernden Funktionen. Optimierte Läger in industriellen logistischen Prozessen zeichnen sich häufig durch intelligente Verknüpfungen, »Mixe« bzw. Funktionsprogramme Wert schöpfender und Kosten senkender Funktionen aus; vgl. z.B. die Empfehlungen zum »Reengineering« logistischer Ketten im Rahmen der Umsetzung von »Just-in-Time« und »Efficient Customer Response« Systemen in: (Ohno, T. 1988; Shingo, S. 1988; Hammer, M. 1990; Majima, I. 1994).
(2) Nach der Bestimmung des Funktionsprogrammes eines Lagers sind dann die weiteren strategischen Entscheidungen der Einbindung in übergreifende Beschaffungs- oder Distributionsnetze, der Standortwahl, der Dimensionierung, der Wahl des Automatisierungsgrades und sonstigen Struktur gebenden Parameter der technischen und organisatorischen Lagergestaltung zu treffen (vgl. Teller, K. J. 1981; Rupper, P./Scheuchzer, R. H. 1990).

2. Taktische Aufgabenstellungen


(1) Die Möglichkeiten der eventuellen Abbaubarkeit von Beständen, der Substituierbarkeit oder Eliminierbarkeit von traditionellen Lägern als taktische Mittel der Realisierung der Vision von der lagerlosen Produktion ergeben sich aus einer erweiterten Analyse der Funktionen. Jeder Lagerbestand lässt sich prinzipiell in direkt wertsteigernde Funktionselemente und Kosten senkende Funktionselemente, wie Losbildung, Entbündelung, Glättung, Sortierung und Sicherung dekomponieren. Ein typischer industrieller Produktionsmaterialvorrat von 100 Einheiten wird sich z.B. in 20 Einheiten Sicherheitsbestand, 50 Einheiten Anbruchmengen aus den gegebenen Einkaufslosen, 5 Einheiten Assortierungsbestände für die Kommissionierung von Montage-Teilesätzen und 25 Einheiten Glättungsreserve für saisonale Schwankungen zerlegen lassen. Erst aus der differenzierten Betrachtung dieser funktionsbezogenen Teilbestände ergeben sich realistische Bestandsreduzierungspotenziale, wie z.B. durch den Abbau der Anbruchmengen durch eine strikt auftragsmengenorientierte fertigungssynchrone Beschaffungslogistik oder den Abbau der Sicherheitsbestände durch Qualitätssicherung der vorgelagerten Prozesse.
(2) Darüber hinaus sind in einem kontinuierlichen Abstimmungsprozess die Lagerbauweise, Lagereinrichtungen und -technologie, die optimale interne Organisation und die rechtliche und organisatorische Einbindung des Lagers in unternehmensübergreifende Beziehungsketten zueinander in eine optimale Beziehung zu setzen.

3. Operative Entscheidungen


Schließlich sind im operativen Alltag des Lagermanagements die Zu- und Abflüsse der Objekte, damit die laufenden Bestände an Lagerobjekten zu regeln, das Sortiment zu pflegen, der Einsatz der Mitarbeiter- und Betriebmittel zu steuern sowie die notwendigen Inventur-, Controlling- und sonstigen Administrations- und Instandhaltungsaktivitäten zu sichern.
Literatur:
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Arrow, K. J./Harris, T./Marschak, J. : Optimal Inventory Policy, in: Ec, Jg. 19, 1951, S. 250 – 272
Bichler, K. : Beschaffungs- und Lagerwirtschaft, 5. A., Wiesbaden 1990
Findeisen, F. : Der eiserne Bestand in betriebswirtschaftlicher und steuerlicher Berechnung, Berlin 1923
Findeisen, F. : Der Lagerprozess, in: ZfB, 1925, S. 309 – 341
Hadley, G./Whitin, T. M. : Analysis of Inventory Systems, Englewood Cliffs/N.J. 1953
Hammer, M. : Don\'t Automate – Obliterate!, in: HBR, 1990 July-Aug., S. 104 – 112
Holt, C./Muth, J./Modigliani, F. : Planning Production, Inventories and Word Force, Englewood Cliffs 1960
Ihde, G. B. : Transport, Verkehr, Logistik, 2. A., München 1991
Jünemann, R. : Materialfluß und Logistik, Berlin 1989
Klaus, P. : Die dritte Bedeutung der Logistik, Arbeitspapier des Lehrstuhls für Logistik, Universität Erlangen-Nürnberg, Nürnberg 1993
Koch, R./Krampe, H. : Logistik in Industrieunternehmen, in: Grundlagen der Logistik, hrsg. v. Krampe, H./Lucke, H.-J., München 1993, S. 119 – 180
Koether, R. : Technische Logistik, München 1993
Kroeber-Riel, W. : Beschaffung und Lagerung, Wiesbaden 1966
Kupsch, P. U. : Lager, in: HWProd, hrsg. v. Kern, W., Stuttgart 1979, Sp.1029 – 1045
Loar, T. : Patterns of Inventory Management and Policy, in: Journal of Business Logistics, Vol. 13, No. 2/1992, S. 69 – 96
Magee, J. F. : Production Planning and Inventory Control, New York 1958
Majima, I. : Kostensenkung durch Just-in-Time Produktion, München 1994
Marshall, A. : Principles of Economics, Vol. I, London et al. 1890
Ohno, T. : Toyota Production System, Cambridge/Mass. 1988
Pfohl, H.-Chr. : Logistik-Systeme, 4. A., Berlin 1990
Porter, M. E. : Wettbewerbsvorteile, Frankfurt a.M. 1986
Riebel, P. : Betriebswirtschaftliche Grundüberlegungen zur Fahrzeugauswahl als Element der logistischen Gesamtkonzeption, in: Die Fahrzeugauswahl als logistische Aufgabe, hrsg. v. Gesellschaft für Verkehrsbetriebswirtschaft und Logistik e. V., , Frankfurt a.M. 1987, S. 11 – 47
Rupper, P./Scheuchzer, R.-H. : Lager- und Transportlogistik, 2. A., Zürich 1990
Shingo, S. : Non-Stock Production: The Shingo System for Continuous Improvement, Cambridge/Mass. 1988
Stock, J. R./Lambert, D. M. : Strategic Logistics Management, 2. A., Homewood/Ill. 1987
Stockton, R. S. : Basic Inventory Systems, Boston 1965
Teller, K. J. : Logistische Funktionen Transportieren, Umschlagen, Lägern, in: RKW-Handbuch Logistik, 2. Band, Kennzahl 2050, hrsg. v. Baumgarten, H. et al., Berlin 1981, S. 1 – 35
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Weld, L.D. H. : The Marketing of Farm Products, New York 1919
Whitin, T. M. : The Theory of Inventory Management, Princeton/N.J. 1953

 

 


 

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