Beschaffung
Inhaltsübersicht
I. Das Handlungsfeld und seine Bezeichnungen
II. Die Interaktionsobjekte
III. Professionalisierungsschwerpunkte
IV. Der Beschaffungsprozess
V. Supportaspekte
VI. Managementkonsequenzen
I. Das Handlungsfeld und seine Bezeichnungen
Das Handlungsfeld Beschaffung rückt zunehmend in das Blickfeld unternehmerischer Entscheidungen. Im internationalen Wettbewerb reicht es nicht mehr aus, die Einkaufspreise durch Machtausübung zu drücken. Entlang der Wertschöpfungskette entstehende Optimierungspartnerschaften präferieren eine gänzlich andere Vorgehensweise: Über die Funktions- und Unternehmensgrenzen hinweg werden bestmögliche Lösungen (Kooperationen) gesucht. Fusionen werden häufig mit Einsparmöglichkeiten in der Beschaffung begründet. Dem Bedeutungszuwachs in der Praxis entspricht die Realität in der Forschung noch nicht.
Der Bedeutungswandel kommt auch durch die in Unternehmen verwendeten Begriffe zum Ausdruck. Vom bestellschreibenden Einkauf über die verwaltende Materialwirtschaft steht heute die Beschaffung im Fokus. Der Bundesverband Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik e.V. (BME) betont ebenso die Beschaffung wie die Verbandszeitschrift „ Beschaffung aktuell “ . So wird auch in der Aufbauorganisation der Bereich genannt, der sich dieser Aufgabe widmet. Man kann auch von Beschaffungsmanagement sprechen. Stellt man den Marktaspekt heraus, um die Interaktion zu betonen, bietet sich analog zum Absatzmarkt die Bezeichnung Beschaffungsmarketing an. Hier besteht die Aufgabe darin, Koalitionen mit internen Kunden und externen Lieferanten zu bilden. Das spielt insbesondere dann eine Rolle, wenn in großen Unternehmen die Beschaffungsaufgabe als Servicegesellschaft zentralisiert wird.
II. Die Interaktionsobjekte
Im Rahmen des Business Reengineering wurde das Objektfeld der Beschaffung deutlich erweitert. Man kann die folgende Struktur zugrunde legen (Abb. 1).
Abb. 1: Interaktionsprozesse
Was benötigt ein Unternehmen, um durch Fremdbedarfsdeckung seine Ziele zu verwirklichen? Die Produktionsfaktorsystematik bietet erste Ansatzpunkte. Im Mittelpunkt stehen noch Sachgüter (Roh-, Hilfs-, Betriebsstoffe, Halbfabrikate, Fertigteile, Systeme, Werkzeuge, Maschinen, Anlagen, Endprodukte). Bei der Entscheidung „ Beschaffung oder eigene Produktion “ wird die Sachgütererweiterung deutlich: IBM lässt in China fertigen und schließt eigene Produktionsstätten, Porsche vergibt die Produktion des Boxter an Valmet (Finnland), nur noch wenige Markenhersteller der Textilindustrie stellen selbst her: Die Produktion wird in low-cost-countries verlagert. Zunehmend wird der Beschaffung die Versorgung mit Dienstleistungen übertragen (Informationen, Beratung, Service, Fleetmanagement, Ingenieur- und Werkstattdienstleistungen, Logistikleistungen, Facility-Management, Wirtschaftsprüfung, Recht, Personalleasing, Zeitarbeitskräfte usw.). Die beiden letzten Interaktionsobjekte bilden eine Brücke zur Personalbeschaffung als einen Teil der Personalfunktion im Unternehmen. Auch zum Finanzbereich gibt es Überschneidungen, wenn die Sachgutbeschaffung (z.B. Anlage) mit der Finanzierung einhergeht (z.B. Leasing). Umgekehrt kann die eigene Beschaffung durch eigene Finanzierungshilfe, die man dem Lieferanten anbietet, erleichtert werden. Die Entscheidungsstruktur von Sachgüter- und Nominalgüterbeschaffung differiert nur wenig. Auch bei der Beschaffung von Immobilien und Unternehmen, die vorrangig von der Unternehmensleitung vorgenommen wird, lassen sich Ansätze der Professionalisierung mit Hilfe der Beschaffung feststellen.
Der beschaffte Input muss sich im anschließenden Leistungserstellungs- und -verwertungsprozess bewähren. Die Beschaffung ist also selbst Dienstleister für die anschließenden Prozessstufen. Der mit dem Lieferanten zu verhandelnde Bedarf wird letztlich aus der Engpasssituation, vom Absatzmarkt bestimmt. Daraus ergeben sich ablauforganisatorische Konsequenzen.
III. Professionalisierungsschwerpunkte
Der Professionalisierungsgrad streut in der Beschaffungspraxis ganz erheblich. Auch in der Theorie klaffen noch erhebliche Lücken. Mehrere Aspekte bedürfen stärkerer Beachtung.
1. Die Strategische Fokussierung
Vor lauter operativer Arbeit kommt die strategische zu kurz. Das Tagesgeschäft muss erledigt werden, erst dann seien strategische Überlegungen möglich. Diese Verhaltensweise verhindert Verbesserungsprozesse (Boutellier, Roman 2003, S. 23). Aufgespannt zwischen den Dimensionen Leistungs- und Kostenbedeutsamkeit ist eine 4-Felder-Matrix möglich (Abb. 2).
Abb. 2: Entscheidungsfelder
Die Arbeit beginnt in dem für das Unternehmen wichtigsten Quadranten (Feld 1), wegen der hohen Kosten und Leistungen sind hier für das Unternehmen die höchsten Erfolgspotenziale zu erwarten. Die Arbeit konzentriert sich darauf, bei hoher Leistungskonstanz möglichst nahe an oder sogar in Feld 3 zu gelangen. Feld 2 kann in Richtung Feld 1 durch Leistungserhöhung oder in Richtung Feld 4 durch Kostensenkung verlassen werden. Es kann auch geprüft werden, ob die bisherige Leistungshöhe unbedingt notwendig ist, oder ob es nicht sinnvoller ist, durch Leistungssenkung aus Feld 3 in Feld 4 zu gelangen. Und aus Feld 4 kann man schließlich in Feld 1 streben, wenn man nach Regelungen sucht, um aus dem operativen Tagesgeschäft z.B. durch Rahmenverträge über E-Procurement-Plattformen auszusteigen – die Abwicklung wird vom Bedarfsort aus vorgenommen. Diese strategische Entscheidung kann in längeren Abständen (z.B. alle 2 Jahre) überprüft werden. Damit wird Zeit aus dem operativen Arbeiten ins strategische übertragen.
2. Die Prozessdominanz
Die mangelnde Prozessorientierung hat mehrere schädliche Konsequenzen. Es wird das bestellt (eingekauft), was als Bedarf gemeldet wird – man kann das als Bestellschreiberverhalten bezeichnen. Der mit dem Lieferanten zu verhandelnde Bedarf ist jedoch das Ergebnis eines crossfunktionalen Entscheidungsprozesses innerhalb des eigenen Unternehmens und zum Lieferanten hin (Optimierung des Wertschöpfungsprozesses). Die Beschaffungsplanung beginnt am Engpass – das ist in Wettbewerbsmärkten meist der Absatz. Hier setzt die Strategie des Simultaneous Engineering an und wird in strategischen Beschaffer-Lieferanten-Partnerschaften fortgesetzt.
Die Prozessperspektive erleichtert auch eine umfassendere Kostenperspektive. Statt alleiniger Betrachtung der Beschaffungsobjektkosten werden auch die Beschaffungsprozesskosten in das Entscheidungskalkül einbezogen.
3. Methodenvielfalt
Das in der Beschaffungspraxis genutzte Methodenarsenal ist überschaubar. Dass sich Methoden dem Problem anzupassen haben und sich eine Methode nicht für alle Probleme eignet, wird zu wenig beachtet: Ernst hat in einer umfangreichen Arbeit die Problemwelt strukturiert (Problemidentifikation, Informationssammlung, Alternativengenerierung, Bewertung, Entschlussfassung, Kontrolle, Methoden der Prognose), diese Problemwelt den Stufen des Beschaffungsprozesses zugeordnet und dann diesen Feldern die bekannten Methoden zugeordnet (Ernst, Achim 1995). Der mögliche Methodenreichtum überrascht die Praxis, wenn sie damit konfrontiert wird.
4. Entscheidungstransparenz
Die zunehmende Kompetenz der Beschaffungsmitarbeiter ermöglicht Entscheidungen auf niedrigerer Hierarchieebene. Das durch Crossfunktionalität bedingte Entscheiden im Projektteam führt zur Mitwirkung mehrerer, unterschiedlicher Funktionsträger. Es trägt zur Reduktion langwieriger Debatten bei, wenn die Entscheidungsbedingungen allen Mitwirkenden bekannt sind, wenn sie außer ihren eigenen Entscheidungsmustern auch die der anderen Funktionsbereiche kennen lernen, um dann Optimallösungen für das gesamte Unternehmen zu generieren. Fertigt man Entscheidungsprotokolle mit Begründungen an, hat man auch die Möglichkeit, Mitarbeiterwechsel zu verkraften.
Aus einem großen Fundus von möglichen sind inzwischen auch praxistaugliche Entscheidungsoperatoren (Wenn-Bedingungen) gefiltert worden (Koppelmann, Udo 2004, S. 48 ff.).
5. Theoretische Bezüge
Es gilt zu prüfen, welche Theorien als Grundlagen für das Beschaffungshandeln herangezogen werden können. Die Transaktionskostenanalyse (Anbahnungs-, Vereinbarungs-, Abwicklungs-, Kontroll-, und Anpassungskosten (Picot, Arnold 1991, S. 344) schärft den Blick für die Prozesskosten. Neben dem Kostensenkungsziel müssen jedoch auch weitere Beschaffungsziele (Qualität/Leistung, Flexibilität/Autonomie, Risikosenkung) beachtet werden. Auch Hinweise, dass mit wachsender Unsicherheit, Komplexität und Spezifität einerseits und Transaktionskosten andererseits die Marktlösung unvorteilhafter sei (Homburg, Christian/Werner, Harald 1998, S. 985) decken sich nur begrenzt mit der Realität. Auch die Theorien zur Informationsasymmetrie helfen nur begrenzt. Will man die Interaktionen zur Optimierung des Inputs entlang der Wertschöpfungskette erfassen, dann benötigt man Verhandlungstheorien, die den jeweiligen Partnernutzen in den Mittelpunkt rücken. Hilfreicher für die Beschaffer-Lieferanten-Interaktion sind die Koalitionstheorie (Simon, Herbert 1955; March, James G./Simon, Henry A. 1958; Cyert, Richard/March, James 1963) und die Anreizbeitragstheorie (March, James G./Simon, Henry A. 1976). Die Koalitionstheorie gibt Hinweise zum Bestand, zur Auflösung von Koalitionen, die Anreiz-Beitrags-Theorie erleichtert das Verständnis, wie Beziehungen gestaltet, beeinflusst werden können. Weil sich dieses Konzept als besonders tragfähig erwiesen hat, wird die Adaption auf die Beschaffer-Lieferanten-Beziehung herausgestellt. Folgendes Beziehungsgefüge (s. Abb. 3) wird unterstellt.
Abb. 3: Anreiz-Beitrags-Elemente
Die Beschafferanforderungen sollen möglichst durch Lieferantenleistungen erfüllt werden. Der Lieferant nennt seine Preisforderung bzw. akzeptiert/lehnt die Preisforderung des Beschaffers ab. Es kommt zu Verhandlungen. Sie können über eine Änderung der Beschafferanforderung zur Reduktion der Lieferleistungen führen. Interessanter werden jedoch Verhandlungen darüber, was der Beschaffer jenseits des Preises für Leistungen anbieten kann, die dem Lieferanten wichtig sind, bei ihm mehr bewirken, als sie den Beschaffer kosten und damit eine überproportionale Preissenkung ermöglichen.
Die Netzwerktheorie (vgl. Sydow, Jörg 1992) bemüht sich um die Klärung des Phänomens, dass es langfristige Beziehungen vertikaler und horizontaler Art zwischen Unternehmen gibt, die in starkem Maße vertrauensbasiert sind. Zu klären sind Interaktionen (z.B. gemeinsame Weiterentwicklungsaktivitäten), ohne dass dem eine vertragliche Regelung zugrunde liegt. Dies spielt insbesondere in außergewöhnlichen Situationen (z.B. bei Rückrufaktionen, Schadensfällen) eine erhebliche Rolle. Auch das Wissen um das gemeinsame Bemühen und das Vertrauen auf das gemeinsame Optimierungshandeln kann als eine Form rationalen Handelns verstanden werden.
IV. Der Beschaffungsprozess
Statt einige Handlungsinhalte isoliert darzustellen, sollen sie im Handlungszusammenhang dargestellt werden. Das kann in diesem Kontext nur überblickartig erfolgen. Zugrunde liegt folgender Beschaffungsprozess (Abb. 4), welcher sich auch in der Realität bewährt hat.
Abb. 4: Der Beschaffungsprozess
Geht man vom Engpassgesetz der Planung (Gutenberg, Erich 1983, S. 163 ff.) aus, beginnt die Wertschöpfungsplanung in Wettbewerbswirtschaften im Regelfall beim Absatz. Was dort als Problem definiert wurde, bestimmt den folgenden Problemlösungsprozess. Gemeinsam mit an diesem Prozess beteiligten Funktionsträgern muss nun über die Funktionsgrenzen hinweg (crossfunktional) nach einer für das gesamte Unternehmen optimalen Lösung gesucht werden. Das kann in einer Projektorganisation erfolgen. In das Projektteam bringt der für die Beschaffungsaufgabe Verantwortliche die versorgungswirtschaftlichen Fragen und Lösungsmöglichkeiten ein. Nur so kann der auf den eigenen Funktionsbereich begrenzten Sicht begegnet werden. Sie führt häufig zu Fehlsteuerungen. Nur aus der Gesamtsicht lässt sich z.B. die Alternative Produktion oder Beschaffung lösen. Die in Abb. 4 strukturierten Handlungsinhalte werden als funktionsspezifische Problemfelder in den Gesamtprozess integriert.
Der Planungs- und Entscheidungsprozess beginnt in der Situationsanalyse damit, dass der Handlungshintergrund geprüft wird. Marktliche oder unternehmensinterne Konstellationen können das morgige Beschaffungshandeln erleichtern oder erschweren. Konstellationen schlagen sich in Leistungs-, Mengen-, Preis-, Zeit- und Ortsänderungen nieder. Unerwünschten Änderungen muss je nach Beschaffungssituation vorgebeugt werden. Ziele und Potenziale müssen in die Planung integriert werden. Der für den Leistungsinput wichtigste Bereich folgt mit der Bedarfsanalyse und -formulierung. Noch so gute Optimierungsbemühungen können eine schlechte Bedarfsfixierung nicht ausgleichen. Mehrere Prinzipien sind zu berücksichtigen. Aus der Crossfunktionalität (interne Kooperation) folgt, dass die Anforderungen aller an der Problemlösung mitwirkenden Funktionsbereiche beachtet werden müssen; dabei sollten Funktionshierarchien vermieden werden. Aus dem Vollständigkeitsprinzip folgt, dass man einen systematischen Anforderungsrahmen benötigt, um nachfolgende Korrekturen zu vermeiden. Wegen der Anforderungsvernetzung führen sie zu aufwändigen Reparaturarbeiten. Und schließlich handelt es sich um eine dynamische Betrachtung. Das Heute ist nur insoweit interessant, als es Hinweise für morgen Mögliches gibt. Die so erhobenen Anforderungen werden häufig bereits in dieser Entwicklungsstufe näherungsweise an den jetzt offenkundigen Marktmöglichkeiten gespiegelt. Dabei sind erste Überlegungen zu den eigenen Beschafferleistungen möglich, die man dann später aufgrund der Lieferanforderungen in den Verhandlungsprozess einbringen kann (siehe Abb. 3). In diesen Kontext gehört auch die Outsourcingproblematik. Die Produktionsfaktoren, die man bisher selbst erzeugte, die Prozesse, die man bisher selbst verantwortete, werden zunehmend der kritischen Überprüfung unterworfen, ob man dafür nicht besser eine marktliche Lösung statt der hierarchischen wählen sollte. Die Reduktion der internen Komplexität wird durch die Steigerung der marktlichen Komplexität erkauft. Handelt es sich nur um eine Auslagerung, verbleiben also die Mitarbeiter im eigenen Unternehmen, wird überlegt, was an bisher vom Markt Bezogenem wieder im Unternehmen erzeugt werden kann (Insourcing).
Vor der Lieferantenanalyse steht die des Marktes. Der Markt kann kaum, der Lieferant schon eher beeinflusst werden. Auch hier bewährt sich das Trichtermodell. Geht man vom Weltmarkt (Global Sourcing) aus, werden zunächst die offenkundig ungeeigneten Märkte ausgeschlossen. Die weiteren Filterkriterien konzentrieren sich auf Risiko-, Leistungs- und Kostenaspekte. Stehen die Lohnkosten im Mittelpunkt des Interesses, wendet man sich insbesondere den Low-Cost-Countries (LCC) zu. Die Zunahme von Qualitätsmängeln (z.B. Rückrufaktionen in der Automobilindustrie) rückt in jüngerer Zeit den Qualitäts-(Leistungs-)aspekt wieder in den Fokus. Premiumprodukte müssen ihr Leistungsversprechen halten, wollen sie keinen irreparablen Imageschaden erleiden. Bei geringer eigener Wertschöpfungstiefe kommt damit der Beschaffung stärkere Bedeutung im Qualitätsmanagement zu.
Es folgt die Lieferantenauswahl. Neben jetzt bereits möglichen interessiert die Entwicklung neuer Lieferanten. Das Internet hat das Blickfeld wesentlich erweitert. Es wird geprüft, inwieweit sie willens und in der Lage sind, die erwähnten Anforderungen zu erfüllen. Dies muss auch vor dem Hintergrund ihres eigenen Marktes (siehe oben) gewertet werden. In diesem Zusammenhang sind auch die möglichen Liefereranforderungen zu eruieren, um sie mit den bereits ermittelten Beschafferleistungen zu korrelieren. Diese Betrachtung folgt der analogen im Absatz, in dessen Mittelpunkt die Erhebung der Konsumentenansprüche steht. Weil der Lieferant für den eigenen Erfolg mitentscheidend ist, wächst die Bedeutung des Supplier-Relationship-Management (SRM). Daraus können vertikale Kooperationen (z.B. Simultaneous Engineering), strategische Partnerschaften erwachsen. Diese Vorüberlegungen erleichtern einen zügigen und erfolgreichen Verhandlungsprozess. Auch hier empfiehlt sich wieder die crossfunktionale Arbeitsweise. Das aus den beteiligten Funktionsbereichen zusammengesetzte Buying-Team übermittelt dem ebenso zusammengestellten Selling-Team die eigenen Forderungen und Leistungen. Gemeinsam wird dann nach einem für beide Seiten tragfähigen und Erfolg versprechenden Kompromiss (Win-Win-Situation) gesucht. Dies schlägt sich in der Wahl der beschaffungspolitischen Instrumente nieder (Beschaffungs-Mix). Sie haben eine jeweils spezifische forderungs- und/oder anreizpolitische Ausprägung. Der Mix ist dadurch gekennzeichnet, dass der Forderungsmix mit einem möglichst wenig kostenden Anreizmix realisiert wird. Noch liegt bei den meisten Unternehmen die Abwicklung in der Beschaffung. Als Konsequenz der Überlegungen zum Business-Reengineering empfiehlt sich, um Doppelarbeit zu vermeiden, die Abwicklung in den Logistikbereich zu übertragen und sich stattdessen intensiver mit der Lieferantenpflege zu befassen. Damit wäre eine klare Schnittstelle zum Supply-Chain-Management gewonnen. Ein wesentliches Hilfsmittel zur Abwicklung bildet das Internet. Bei Reverse Auctions wird mit ausgewählten Lieferanten das preislich zu verhandelnde Interaktionsobjekt genau festgelegt, um dann die Lieferanten während der Auktion sich unterbieten zu lassen. Entgegen mancher Erwartung wird damit nur ein sehr kleiner Teil des Beschaffungsvolumens abgedeckt. Das E-Procurement über Marktplattformen (z.B. Chemplorer) kann als Abwicklungsinstrument (Rahmenvertrag für ausgewählte Beschaffungsobjekte) benutzt werden, indem die Verbrauchsstellen direkt ohne Einschaltung der Beschaffungsabteilung ihre Bedarfe decken. Dann sind alle Beschaffungsbedingungen fixiert. Sie gelten nur für den einzelnen Beschaffer. Diese Rahmenverträge werden in größeren Zeitabständen jeweils neu geschlossen – dann haben sie für die Beschaffung strategischen Charakter. Das setzt Beschaffungskonstanz und Standardisierung voraus und kennzeichnet vor allem C-Produkte.
V. Supportaspekte
Um die Handlungsinhalte bewältigen zu können, die Prozesse zu verbessern, sind Informationen nötig.
- | Im Rahmen der Beschaffungsmarktforschung wird schwerpunktmäßig der Ist-Zustand erhoben, um die Marktrealität zu erfassen. Dabei wird zunächst festgelegt, für welches Interaktionsobjekt sich die Marktforschung lohnt, um dann die Informationen zu nennen, die man benötigt. Dann muss geprüft werden, mit welchen Methoden man diese Informationen gewinnen kann. Hier hat sich durch das Internet ein Informations- und Kommunikationsinstrument herausgeschält, das weltweit kostengünstig Entscheidungshilfen liefert. Bei komplexen Produkten müssen andere Informationsmethoden (z.B. Betriebsbesichtigung) gewählt werden. Zum Schluss müssen die gewonnenen Informationen aufbereitet, interpretiert und gespeichert werden. | - | Die Früherkennung befasst sich mit der Ermittlung „ früher Signale “ , um schleichende Entwicklungen möglichst im Entstehungsstadium zu erfassen und dann entsprechend zu handeln. Das gilt für die Entwicklung von Marken und Lieferanten. Die strategische Früherkennung spielt in der Beschaffung noch keine große Rolle. | - | Kontrollinformationen werden zur Steuerung benötigt. Benchmarking als Ist-Ist-Kontrolle erstreckt sich auf den Vergleich des eigenen mit fremden Unternehmen, um Best-Practise-Lösungen zu finden. Die Beschaffungskontrolle als innerbetrieblicher Soll-Ist-Vergleich dient der Leistungsmessung und -verbesserung. |
VI. Managementkonsequenzen
Beschaffung ist weitaus mehr als operativer Einkauf. Um das Professionalitätsniveau zu heben, empfiehlt sich eine organisatorische Aufgabenspreizung: Dem Bedarfsmanager obliegt die interne Konfliktlösung. Er muss vor Ort die Gegebenheiten, Möglichkeiten und Interessen kennen. Er muss wissen, weshalb die Anforderung so und nicht anders genannt wurde, und wie und in welchem Umfang Änderungen denkbar sind. Der Lieferantenmanager gilt als externer Konfliktlöser. Er kennt den Markt und die Situation bei Lieferanten, weiß was dort möglich und wünschenswert ist, erkennt frühzeitig Änderungen, um, falls sie unerwünscht sind, gegenzusteuern. Ihm obliegt die Lieferantenpflege. Der Informationsmanager gilt als Methodenspezialist. Er weiß, wie er welche Informationen valide gewinnt. Er weiß, welche Informationen benötigt werden. Noch ist es in der Beschaffung weit verbreitete Praxis, dass der Einkäufer bezogen auf seinen Objektbereich alles erledigt.
Daraus ergeben sich Konsequenzen für die Kompetenzen der Beschaffungsmitarbeiter. Fröhlich-Glantschnig hat in einer umfangreichen Delphi-Studie die prognostizierten Kompetenzschwerpunkte erhoben (Fröhlich-Glantschnig, Elisabeth 2004). Bezogen auf die erwartete Fach-, Methoden-, Sozial- und Selbstkompetenz lassen sich in der Realität noch große Lücken feststellen.
Literatur:
Boutellier, Roman/Wagner, Stephan M./Wehrli, Hans-Peter : Handbuch Beschaffung, München et al. 2003
Cyert, Richard M./March, James G. : A Behavioral Theory of the Firm, Englewood Cliffs 1963
Ernst, Achim : Methoden im Beschaffungsmarketing, Köln 1995
Fröhlich-Glantschnig, Elisabeth : Berufsbilder in der Beschaffung, Wiesbaden 2005
Gutenberg, Erich : Die Produktion, 24. A., Berlin 1983
Homburg, Christian/Werner, Harald : Situative Determinanten relationalen Beschaffungsverhaltens, in: Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung, Jg. 50, H. 11/, S. 979 – 1009
Koppelmann, Udo : Beschaffungsmarketing, 4. A., Berlin 2004
March, James G./Simon, Herbert A. : Organizations, New York 1958
March, James G./Simon, Herbert A. : Organisation und Individuum, Wiesbaden 1976
Picot, Arnold : Ein neuer Ansatz zur Gestaltung der Leistungstiefe, in: Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung, Jg. 43, H. 4/1991, S. 336 – 357
Simon, Herbert A. : A Behavioral Model of Rational Choice, in: Quarterly Journal of Economics, Jg. 69, H. 1/, S. 99 – 118
Sydow, Jörg : Strategische Netzwerke. Evolution und Organisation, Wiesbaden 1992
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