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Assessment Center


Inhaltsübersicht
I. Begriff
II. (Ir-)Rationalitätskontext
III. Anatomie der Methode
IV. Anwendungsfelder
V. Entwicklungslinien

I. Begriff


Die bevorzugte Klientel des Assessment Centers (AC) sind Manager oder Führungskräfte, über die es Fremdbeurteilungen liefern soll, um daraus Selektionsentscheidungen, Potenzialprognosen und Entwicklungsmaßnahmen ableiten zu können. Die Regeln, unter denen die Fremdbeurteilung inszeniert wird, machen die Methode des AC aus.
Das AC hat seine Anfänge in der dt. Wehrmacht und ist der Dinosaurier unter den Personalinstrumenten, weshalb es vor allem in Großunternehmen verbreitet ist. Für Klein- oder Mittelbetriebe wäre es viel zu aufwendig und inflexibel; in der New Economy kommt es faktisch nicht vor.
Paradigmatisch beruht es auf einem saturierten Technizismus, der es zu einer ausschließlich technisch-methodischen Angelegenheit erhebt. Die Vertreter (!) dieser „ reinen Methode “ (z.B. Ballantyne, /Povah,  1995; Fisseni, /Fennekels,  1995; Obermann,  1992; Thornton,  1992) malen strenge, aber schöne Bilder vom AC, in denen seine hässlichen Flecken (Kontrolle, Macht, Herrschaft usw.) ausgespart bleiben. Diese gelten jedoch unter den Ikonoklasten erst als Grundbedingungen seiner Anwendung und Wirkungsweise (Kompa,  1989; Laske, /Weiskopf,  1996; Neuberger,  1989).

II. (Ir-)Rationalitätskontext


In der sensiblen Welt personeller Entscheidungen sind feste Größen, auf die man jene basieren könnte, leider nur selten anzutreffen. Letztendlich entscheidet der Erfolg, was richtig oder falsch war, aber auch der hat viele Gesichter und über seine Determinanten besteht selten Einigkeit. In diesem irrationalen Kontext, andernorts euphemistisch als „ Entscheidung unter Ungewissheit “ benannt, ist der Bedarf an beruhigenden Drogen (oder vereinfachenden „ Mythen “ ; vgl. Neuberger,  1989) unerschöpflich, unter denen die Rationalität selbst die stärkste Verführungskraft hat.
Rationalität in der Organisation wird erreicht, wenn die „ Organisation “ selbst zum archimedischen Punkt der personellen Entscheidung erhoben wird. Dies setzt die Konstitution einer Zweck-Mittel-Realität voraus, worin die Organisation ein Bündel objektiv gegebener Ziele ist und die Person zur reinen Sache wird, über die unter dem Gesichtspunkt ihrer bloßen Zieldienlichkeit entschieden wird. Das AC füllt diese Sachrationalität durch eine Materialisierung von Methodik (s. III) mit Leben. Die (Techno-)Droge AC wird aber nicht schon deswegen konsumiert, weil sie Rationalität verkörpert; vielmehr muss es die Organisation auch mit „ Rationalität “ oder Gutem beglücken können (s. IV).

III. Anatomie der Methode


Das methodische Gerüst des ACs besteht aus vorab festgelegten Bewertungskriterien (1), besonderen Prüfstationen (2), einer spezifischen Messvorrichtung (4) und einer Methode der Datenintegration (5). Der Rohstoff für diesen Methodenapparat ist das Verhalten (3), das darin zugerichtet, erfasst, geordnet, zusammengesetzt und bewertet wird, woraus am Ende dieses Prozesses das Urteil über den Teilnehmer resultiert (Abb. 1).
Assessment Center
Abb. 1: Methodische Elemente des AC.

1. Bewertungskriterien (Dimensionen)


In der AC-Architektur sind die Bewertungskriterien die tragenden Säulen, weil sie den Punkt darstellen, an dem die Organisation als Rationalitätsfiktion in das AC eindringt. Mit ihnen werden objektive Messlatten errichtet, die an die Person angelegt werden, um feststellen zu können, ob sie die Qualitäten besitzt, die der Organisation dienlich sind.
Damit ein solches objektives Messkriterium überhaupt einen Sinn macht, muss vorausgesetzt werden, dass die organisationsdienliche Qualität ihrerseits objektiv „ da “ ist. Solche personellen Kausalfaktoren liegen aber nur in den seltensten Fällen als messbare Dinge (z.B. Körpergröße) vor. I.d.R. sind sie Konstrukte (z.B. Eigenschaften oder Gewohnheiten), die in die Person hineinerfunden werden, um Verhaltensmuster zu erklären (Laske, /Weiskopf,  1996). Das Kriterium stößt förmlich ins Leere, da die Substanz fehlt, für die jenes ein Maßstab sein könnte.
Um es aus seinem unnützen Dasein zu erlösen, setzt das AC auf eine systematische Arbeitsanalyse. Damit findet man aber auch keine personellen Substanzen, sondern schafft lediglich einen Nomenklator. Er regelt, welche Begriffe man verwenden muss, um für eine Position Anforderungen an Personen in Form von personalen Erfolgsvoraussetzungen zu benennen. Faktisch ist es ohnehin unwichtig, ob sie existieren oder nicht; sobald sie als Entscheidungskriterien vorgegeben sind, z.B. durch eine Politik der „ Wertevermittlung “ (Obermann,  1992, S. 183), wird ihr „ objektiver “ Status ex post ratifiziert.
Die AC-Vertreter, die diese metaphysische Problematik der Anforderungen wenig interessiert, räsonieren statt dessen lieber über das Ergebnis der Anforderungsanalyse, das sie in Form von „ Dimensionen “ (z.B. „ Soziale Kompetenz “ ) in das AC als gesicherte Wahrheit (vgl. aber methodenkritisch Morgeson, /Campion,  1997) implantieren. Da diese Gebilde ein Leben nur in der Sprache führen, ist ihr Sinn fließend (Kauffman, /Jex, /Love, et al. 1993), weshalb auch Maßnahmen, z.B. Beurteilertraining, existieren müssen (Howard,  1997), um ihn zu fixieren.

2. Prüfstationen (Übungen)


Ob die Person die in den Dimensionen für die Position festgelegten Merkmale „ tatsächlich “ besitzt, wird in Prüfstationen ermittelt. Mit diesen sollen geeignete Reaktionen generiert werden, die Aufschluss über das zur Prüfung stehende Merkmal geben können.
Das Besondere an den Prüfstationen des ACs ist das „ Prinzip der Simulation “ (Obermann,  1992, S. 12). Es schreibt vor, eine Mini-Realität in Form von „ Übungen “ (z.B. „ Postkorb “ ) im AC-Labor zu errichten. In ihnen sollen kritische Bewährungssituationen simuliert werden, die für die Makro-Realität der Zielposition typisch sind. Gegen dieses Prinzip werden Bedenken geäußert (Bycio, /Alvares, /Hahn,  1987; Maukisch,  1989; Turnage, /Muchinsky,  1982), dass

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es eine zweifelsfreie objektive Realität nicht gebe, die Pate für die Übungskonstruktion stehen könnte;

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ohnehin nicht alle wesentlichen Aspekte der Realsituation simuliert werden könnten;

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trotz einer Rhetorik von Verhaltensdiagnostik faktisch Eigenschaftsdiagnostik betrieben werde, die nicht im geringsten Realitätstreue bzw. nicht zwingend überhaupt den Einsatz von Übungen verlangt.


Das Realitätsprinzip entbehrt aber nicht einer gewissen hintergründigen sozialen Logik. Es gestattet, „ Realitäts “ -Experten (Stelleninhaber) als Prüfpersonal einzusetzen. Dies macht die Prüfung „ valider “ ; denn diejenigen, die die harte Schule der Realität mitgemacht haben, wüssten am ehesten die Eignung anderer, die nun in vergleichbare Situationen hineingestellt sind, zu beurteilen. Dieses Argument lässt sich auch umdrehen: die Übungen sind nicht deshalb realitätsnah gestaltet, um vorhandene Sachkompetenz nutzen zu können, sondern um selbst eignungsdiagnostischen Laien, vor allem höheren Vorgesetzten, zu ermöglichen, „ sachgerechte “ Entscheidungen fällen zu können.

3. Verhalten


Die Versachlichung der personellen Entscheidung gebietet, den Teilnehmer so zu transformieren, dass er in der Urteilsbildung nur noch als reine „ Sache “ erscheint. Nicht umsonst spielt daher gerade das „ Verhalten “ eine „ fundamentale Rolle “ im AC, das „ den realsten Bezug zur gerechten Beschreibung “ (Fisseni, /Fennekels,  1995, S. 18) des Teilnehmers habe. Für dieses Argument spricht, dass das Verhalten zumindest den Schein von „ Realität “ hat; seine „ Realität “ hat eine hohe „ face validity “ .
Die Realitätsqualität des Verhaltens ist aber nicht a priori vorhanden, sondern beruht auf verschiedenen Konstitutionsleistungen, die das Verhalten auf der Seite seiner „ Existenz “ und auf der seiner Zugänglichkeit mit Realitätsattributen versorgen.

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Auf der Existenz-Seite muss es als eigenständiges Ding erscheinen. Facetten davon sind: a) „ bestimmte “ Eigenschaften haben (Einsatz von Kategoriensystemen, Definitionen, Verhaltensanker usw.); b) stabil, überdauernd sein (Einsatz multipler Übungen, die es gesetzesmäßig reproduzieren sollen); c) „ echt “ , es selbst, von der Person unmanipuliert sein (Erzeugung von Dauerstress und Erhöhung der Verfahrenstransparenz; vgl. Kleinmann,  1997, Fisseni, /Fennekels,  1995).

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Auf der Seite des Zugangs wird eine empiristische „ Beobachtung “ installiert, die nach dem Prinzip „ Trennung von Beobachtung und Urteil “ (ebd., S. 97) funktionieren soll, um so das „ existente “ Verhalten auch unmittelbar erfassen zu können.


4. Messvorrichtung (Beurteiler)


Das beobachtete „ reale “ Verhalten ist nun anhand von Messkriterien zu beurteilen. Diesen Messvorgang übernehmen im AC die Beurteiler. Im Gegensatz zu einem echten Messapparat messen sie das Verhalten aber nicht „ objektiv “ , sondern in einem nebulösen subjektiven Prozess.
Der Beurteiler wird daher mit allen nur erdenklichen Hilfsmitteln aufgerüstet, die aus seinem Urteilsprozess letztlich doch noch einen objektiven Vorgang machen sollen: Beurteilertraining, Dimensionsdefinitionen, Urteilsskalen und Beurteilungsregeln. Trotz alledem bleibt der Beurteiler das Sorgenkind des AC.
Seit Sackett und Dreher\'s (Sackett, /Dreher,  1982) „ troubling empirical findings “ wird immer wieder berichtet, dass die AC-Urteile der psychometrischen Forderung nach Konstruktvalidität nicht genügen: weder sind die Urteile für eine Dimension in sich konsistent, noch die Dimensionen von einander markant unterscheidbar. Die Frage, warum die Beurteiler so kläglich versagen, hält die Forschung auch heute noch in Atem (s. zusammenfassend Kleinmann,  1997; Lievens, /Klimoski,  2001).
Das „ Konstruktproblem “ beruht aber weniger auf einem Beurteiler- als vielmehr einem Systemfehler, weil die „ Realität “ zu einer „ Science-fiction “ -Story verwandelt wird: Die Führungsaufgabe sei eine rationale, durch abstrakte Kräfte beherrschbare Situation, in die Personen, an denen diese Kräfte im AC-Labor in Reinheit gemessen wurden, als Sozialroboter eingesetzt werden können. Daran muss der Beurteiler scheitern, weil sich die Effektivität von Führungskräften nicht losgelöst von einem jeweils konkreten, aber vorab unbestimmbaren sozialen Kontext beurteilen lässt, in dem sie wirken sollen.

5. Datenintegrator (Konferenz)


Eine Vorkehrung im AC gegen willkürliches Urteilsverhalten ist der Einsatz mehrerer Beurteiler – zumeist so, dass sie einen Teilnehmer abwechselnd in jeweils anderen Übungen „ beobachten “ . Das eigentliche Plus an „ Objektivität “ soll aber durch eine Endkonferenz erzielt werden, wo der subjektive Standpunkt des Einzelnen durch Konfrontation mit den „ Beobachtungen “ der anderen einer Prüfung unterzogen wird (Thornton,  1992). Es wird solange diskutiert, bis Konsens erzielt wird.
Dient das AC der Personalentwicklung oder der Potenzialanalyse, ist ein genaues Stärken- oder Schwächenprofil des Teilnehmers unabdingbar. Nur so kann er effektiv gefördert bzw. auf eine geeignete Position gezielt plaziert werden. Umstritten ist aber, ob die Konferenz diese differenzierte Analyse liefern kann (Lievens, /Klimoski,  2001). So ist auch mit stereotypen Urteilen zu rechnen (z.B. Clapham, /Fulford,  1997), oder mit solchen, in denen sich ganz andere als die offiziellen Merkmale verbergen, wie Gespür für Fremdurteile (Fletcher, /Kerslake,  1992; Halman, /Fletcher,  2000) oder für die „ verdeckte Regelstruktur “ (Kleinmann,  1997, S. 214) haben.
Unter dem Ziel der Personalauswahl wird in der Konferenz ein Gesamturteil gebildet, das idealerweise auf der im AC erstellten, elaborierten Datenbasis beruhen sollte. Sie wird aber nur ungenügend genutzt oder unangemessen gewichtet (z.B. Sackett, /Hakel,  1979). Auch hier verwenden die Beurteiler offenbar wieder eigene Merkmale: sie können leistungsbezogen sein, wie Intelligenz (Hoeft, /Schuler,  2001), aber auch „ irrational “ , wie „ Größenwahn “ (Nowack,  1997) oder „ Scharlatanerie “ (Randall, /Ferguson, /Patterson,  2000).
Es bedarf einer sozialen und eben nicht einer technischen Erklärung, dass die Konferenz trotz dieser Probleme nach wie vor beliebt ist. Sie neutralisiert die Gefahr, die aus der unaufhebbaren Irrationalität der Kriterien für die Machtbalance in der Organisation droht. Die Technik der „ Kollektivität “ taut die im individuellen Beurteiler festgefrorene Irrationalität wieder auf und bringt diese, wenn auch nur im Verborgenen, zum Zirkulieren, so dass sie zu einer allgemeinen, repräsentativen, vergesellschafteten Größe wird.

IV. Anwendungsfelder


Um dauerhaft attraktiv zu sein, genügt es nicht, dass das AC nur in sich rational ist. Vielmehr muss es, wenn es auf die personelle Menge angewandt wird, in ihr ein rationales „ Personal-Wesen “ erzeugen können. Das AC verspricht diese Versachlichung des Personals, indem es sich als effektives Instrument in den Feldern Personalmarketing, -entwicklung und -auswahl darstellt.

1. Personalmarketing


Personalmarketing versorgt die Organisation mit Attraktivität, um Energien spezifischer Zielgruppen zu mobilisieren. Sie beruht beim AC auf einer eigenartigen Schmerz-Lust-Kombination.

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Einerseits macht es das Individuum zu einem unterworfenen Prüfobjekt, das den Torturen einer unerbittlichen „ Test-Domina “ ausgesetzt wird (Stansfield, /Day,  1998); kein anderes Verfahren dringt so tief in die Privatheit und Intimität des Teilnehmers ein wie das AC.

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Andererseits wird es als Prüf-Happening, umrankt von einer Rhetorik von Transparenz, „ sozialer Validität “ (Schuler, /Stehle,  1983) und „ Fairness “ (Gilliland,  1993), inszeniert, um die Schmerzerfahrung zu einem Lusterlebnis umzupolen.


Nicht nur im Militärmilieu, dem das AC entstammt, ist diese „ sadistische “ Qualität rational. Auch das zivile Subjekt, mit dem Manager an dessen Spitze, funktioniert (noch) dank „ Erotisierung patriarchaler Beziehungen “ (Savran,  1998, S. 32) und dessen, was damit zusammenhängt: Ordnung, Disziplin und Prüfung.

2. Personalentwicklung


Mithilfe der Segnungen der Personalentwicklung soll sich der Mitarbeiter zu einem höheren, produktiveren Wesen empor erheben. Um dorthin zu gelangen, muss er zuerst die Hölle der Selbsterkenntnis durchschreiten. Das AC nehme ihm aber die Qual dabei, indem es die Mängel aus seiner Person, ohne ihn selbst zu verwunden, präzise heraus operiert und ihm in Form rein funktionaler, technisch reparierbarer „ Defekte “ zurückmeldet.
Doch trotz der paradiesischen Rationalität des AC, in dem Fehler und Mängel wertfrei existieren sollen, ist mit einem erheblichen Anteil von „ uneinsichtigen “ Teilnehmern zu rechnen (Halman, /Fletcher,  2000), wobei sich die Problemgruppe der „ Versager “ am stärksten gegen Übernahme ihrer „ Schwächen “ wehrt (Fletcher, /Kerslake,  1992). Aus der Resistenz der „ Versager “ gegen Feedback resultieren gar paradoxe Effekte (Carrick, /Williams,  1999): gerade diejenigen, die Fördermaßnahmen am nötigsten hätten, profitieren am wenigsten von der AC-Diagnose.
Selbst durch „ sanftere “ Feedback-Methoden (z.B. Thornton,  1992) sind Eitelkeit und Eigenliebe nicht zu bezwingen. Sie sind ein Strukturmerkmal des AC, in das Hierarchie, Status und Macht investiert wird, worauf sie bestens gedeihen.

3. Personalauswahl


Bei der Führungskräfteauswahl gesellt sich zu dem notorischen Zukunftsdefizit, unter dem die Personalauswahl allgemein leidet, noch das Problem, dass das Management auf jeden neuen „ Fremdkörper “ , der in es eindringt, äußerst sensibel reagiert. Es ist daher besonders empfänglich für Methoden, die vorgeben, bereits zum Zeitpunkt der Auswahl feststellen zu können, was noch in ferner Zukunft liegt.
Die Zauberformel, die aus der Wahrsagerei ein seriöses Handwerk macht, ist die prädiktive Validität. Das AC kokettiert mit der seinigen; in der Tat ist sie ansehnlich (Gaugler, /Rosenthal, /Thornton, et al. 1987), wiewohl nicht betörend (Schmidt, /Hunter,  1998), mitunter gar erbärmlich (Garavan, /Morley,  1998). In Zusammenhang mit der fraglichen Konstruktvalidität des AC (s. III) sorgen diese Ergebnisse aber für eine stetige Irritation.
In das magische Dunkel, dem die prädiktive Validität entsteigt, fällt Licht, wenn man „ Ideologie “ und „ Realität “ des ACs einander gegenüberstellt. Ideologisch ist es ein Instrument, mit dem nach Kriterien der Leistung oder Effektivität ausgewählt werden soll. Faktisch wird es an „ Fremdkörper “ -Kriterien (z.B. Karriere) validiert (Klimoski, /Strickland,  1977). Die gepriesene prädiktive Validität ist darum ein Zeichen, dass im AC beurteilt wird, „ whose \'faces fit\' “ (Cook,  1998, S. 191), oder hinter der Mauer seiner rationalen Methodik andere Formen von sozialer Logik (Klimoski, /Brickner,  1987) ihr übles Spiel treiben.
Sie bringen die Instanz der Validität selbst ins Wanken, jenes letzte Bollwerk, mit dem das AC sich als Technik verteidigt.

V. Entwicklungslinien


Die soziale Funktion des AC kann dazu dienen, die vielfältigen bisher vorgenommenen Verbesserungen und Erneuerungen an seiner Methodik (Dorner,  2001) zu ordnen und sich Linien möglicher Entwicklungen klarer vor Augen zu halten. Die Funktion der Gesinnungskooptation (Kompa,  1989) treibt das AC dazu an, seine prekäre „ Rationalität “ durch Modernisierung einzelner Verfahrenselemente immer wieder neu zu stützen. Sanierungsschwerpunkte sind (s. Beispiele in Jochmann,  1999; Sarges,  1996):

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Spezialisierung auf eine spezifische Anforderung (z.B. Internationales AC);

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Steigerung der Realitätsnähe (z.B. „ Real-Life “ -AC);

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Übungsstandardisierung und Kostenkontrolle durch Computer- und Videoeinsatz;

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Optimierung der Messoperation durch Technikunterstützung, verbessertes Beurteilertraining, alternative Urteilsformate oder -konzepte.


Veränderte Rahmenbedingungen (Kundenorientierung, „ flachere “ Strukturen, „ Employability “ usw.) führen zu Gesinnungsproduktion als erweiterter Gesinnungskooptation, die Elitebewusstsein ohne Elitestatus erzeugen soll. Dieser sozialen Funktion entsprechen ACs, in denen keine Prüfhierarchie existiert, weil die Teilnehmer sich selbst prüfen (z.B. Vloeberghs, /Rijke, de, /Strokappe,  2000). Da sie dennoch verbindliche Prüfkriterien vorgeben, arbeiten solche Zentren der Bewusstseinsbildung keineswegs in einem Machtvakuum. Sie basieren vielmehr auf einer neuen Machttechnologie, auf einer Form identitätsstiftender „ produktiver “ Macht (Foucault,  1977).
Literatur:
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Bycio, P./Alvares, K.M./Hahn, J. : Situational specifity in assessment center ratings: A confirmatory factor analysis, in: Journal of Applied Psychology, Jg. 72, 1987, S. 463 – 474
Carrick, P./Williams, R. : Development centres – a review of assumptions, in: Human Resource Management Journal, Jg. 9, H. 2/1999, S. 77 – 92
Clapham, M. M./Fulford, M. D. : Age bias in assessment center ratings, in: Journal of Managerial Issues, Jg. 9, 1997, S. 373 – 387
Cook, M. : Personnel selection, Chichester, 3. A., 1998
Dorner, T. : Assessmentcenter: Optimierungen und Innovationen, in: Assessmentcenter, hrsg. v. Durnwalder, K., München 2001, S. 1 – 24
Fisseni, H.-J./Fennekels, G. P. : Das Assessment-Center, Göttingen 1995
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Foucault, M. : Überwachen und Strafen, Frankfurt 1977
Garavan, T. N./Morley, M. : Graduate assessment centres: an empirical investigation of effectiveness, in: Education + Training, Jg. 40, H. 5/1998, S. 206 – 219
Gaugler, B. B./Rosenthal, D. B./Thornton, G. C. III : Metaanalysis of assessment center validity, in: Journal of Applied Psychology, Jg. 74, 1987, S. 493 – 511
Gilliland, S. W. : The perceived fairness of selection systems: an organizational justice perspective, in: Academy of Management Review, Jg. 18, 1993, S. 694 – 734
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