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Konflikt- und Kooperationsmanagement


Inhaltsübersicht
I. Konflikte und Kooperationen: Begriffsdefinitionen
II. Konfliktsituationen in der Unternehmung
III. Konflikt- und Kooperationsmanagement
IV.  Instrumente des Konflikt- und Kooperationsmanagements
V. Theoretische Grundlagen des Konflikt- und Kooperationsmanagements

I. Konflikte und Kooperationen: Begriffsdefinitionen


Ein Konflikt (lat. confligere = zusammenstoßen, kämpfen) ist dadurch gekennzeichnet, dass sich die Interessengegensätze mehrerer Parteien durch nicht vereinbare Handlungen manifestieren. Mit dieser Definition eines Konflikts sind implizit die Rahmenbedingungen festgelegt, die eine Konfliktsituation charakterisieren (Jost,  1999, S. 12):

-

Es gibt mindestens zwei interagierende Parteien.

-

Die Entscheidungen der Parteien sind interdependent, d.h. die Handlung der einen Partei hat Auswirkungen auf die Handlung der anderen Partei.

-

Jede Partei handelt gemäß ihren eigenen Interessen, d.h. sie versucht, mit ihrem Handeln ihre eigenen Ziele zu verwirklichen.

-

Die Parteien haben unterschiedliche Interessen, d.h. die Handlungen, die sie zur Erreichung ihrer Ziele einzusetzen planen, sind nicht kompatibel.


Eine Konfliktpartei kann dabei ein Mitarbeiter, eine Arbeitsgruppe oder eine größere organisatorische Einheit sein. Damit konzentrieren wir uns im Folgenden auf soziale Konflikte. Im Unterschied dazu entstehen psychologische Konflikte, wenn eine Person verschiedene Ziele verfolgt, die miteinander unvereinbar sind.
Die obige Definition einer Konfliktsituation weist auf zwei Ursachen für das Entstehen eines Konflikts hin: Die Existenz individueller, konkurrierender Interessen der Parteien sowie die Interdependenz ihres Handelns. Diese beiden Konfliktursachen sind notwendig für das Entstehen eines Konflikts.
Unsere Begriffsbildung impliziert aber auch, dass nicht jede Konfliktsituation notwendigerweise in einen Konflikt münden muss. Vielmehr setzt die Existenz eines Konflikts voraus, dass sich die Interessengegensätze durch unvereinbare Handlungen der beteiligten Parteien manifestieren. Im Allgemeinen werden die Parteien in einer Konfliktsituation aber nicht nur konkurrierende Interessen besitzen, sondern es wird auch Handlungsalternativen geben, die ihren kooperativen Interessen förderlich sind. Konkurrierende und kooperative Interessen der Parteien sind demnach miteinander verwoben (Schelling,  1960). Situationen, in denen dann ausschließlich konkurrierende Interessen vorliegen, werden als reine Konkurrenzsituationen bezeichnet. Situationen mit ausschließlich kooperativen Interessen bezeichnet man hingegen als reine Kooperationssituationen.

II. Konfliktsituationen in der Unternehmung


Freeman (Freeman,  1984, S. 25) definiert die Stakeholder einer Unternehmung als „ Individuen oder Gruppen, die die Ziele einer Organisation beeinflussen können oder die von deren Zielerreichung betroffen sind. “ Gehen wir davon aus, dass die verschiedenen Stakeholder jeweils ihre eigenen Interessen vertreten und dass ihre jeweiligen Beiträge zum Erfolg der Unternehmung notwendig sind, dann ist unmittelbar die Möglichkeit für das Entstehen von Organisationskonflikten gegeben: Jeder Stakeholder möchte an den von der Unternehmung geschaffenen Werten möglichst umfassend partizipieren und wird versuchen, das Verhältnis zwischen Anreizen und Beiträgen zu seinen eigenen Gunsten zu beeinflussen (Barnard,  1938). Es bestehen daher grundsätzliche Interessengegensätze zwischen den Stakeholdern. Zudem ist die Beziehung zwischen den Stakeholdern interdependent, da der Gesamterfolg der Unternehmung aus den Beiträgen aller Stakeholder resultiert.
Im Folgenden werden wir uns bei der Diskussion von Organisationskonflikten auf interne Konflikte beschränken: Diese bestehen zwischen internen Stakeholdern einer Unternehmung, also solchen Personen, die unmittelbar Mitglieder der Unternehmung sind und nicht zur Unternehmensumwelt gehören. Hierzu gehören die Mitarbeiter und organisatorischen Einheiten vom Top-Management bis zur operativen Ebene. Externe Organisationskonflikte, die aufgrund der Umweltverbundenheit der Unternehmung entstehen können, beispielsweise zwischen staatlichen Stellen und dem Management als Repräsentant der Unternehmung oder zwischen Lieferanten und der Unternehmung, werden hingegen nicht betrachtet.

1. Interdependenzen


Interdependenzen zwischen verschiedenen organisatorischen Einheiten in einer Unternehmung sind eine direkte Folge des ökonomischen Prinzips der Arbeitsteilung. Demnach können Individuen mehr oder in besserer Qualität produzieren, wenn sie sich spezialisieren und miteinander kooperieren. Eine Unternehmung ist also ein komplexes Geflecht interdependenter Leistungsbeziehungen.
Die innerbetriebliche Arbeitsteilung kann dabei in horizontaler und vertikaler Weise erfolgen: Im Rahmen der horizontalen Differenzierung wird die Durchführung einer Aufgabe auf mehrere gleichrangige Aufgabenträger übertragen, deren wechselseitige Abhängigkeiten als laterale Interdependenzen bezeichnet werden. Bedingt die horizontale Differenzierung einen hinreichend hohen Bedarf an Koordination zwischen den einzelnen Aufgabenträgern, dann führt der Einsatz eines Koordinationsspezialisten darüber hinaus zu vertikalen Interdependenzen.

2. Interessengegensätze


Interessengegensätze zwischen verschiedenen organisatorischen Einheiten sind die Folge des Strebens nach Eigennutz: Jede organisatorische Einheit ist geprägt durch ihre individuellen bzw. korporativen Ziele. Sie versucht, diese Ziele durch ein geeignetes Handeln möglichst umfassend zu erreichen. Sind ihre eigenen Zielvorstellungen dabei unvereinbar mit den Zielen anderer organisatorischer Einheiten oder den Unternehmenszielen, besteht ein Interessengegensatz. Dieser wird als lateraler bzw. vertikaler Interessengegensatz bezeichnet.
Betrachten wir zunächst den einzelnen Mitarbeiter. Seine Ziele sind zum einen durch persönliche Faktoren bestimmt, die in seinem Streben nach umfassender Bedürfnisbefriedigung ihren Ausdruck finden. Zum anderen können seine Ziele aber auch durch die strukturellen organisatorischen Rahmenbedingungen beeinflusst sein. Durch die Arbeitsteilung wird dem Mitarbeiter beispielsweise eine bestimmte organisatorische Rolle zugewiesen, die sein Handeln beeinflusst. So wird ein Key-Account Manager die Interessen seines Kunden vertreten. Zudem kann auch der Status eines Mitarbeiters seine Ziele beeinflussen, etwa wenn der Marketingleiter das ihm zur Verfügung stehende Budget oder die Anzahl der ihm unterstellten Mitarbeiter zu erhöhen versucht.
Es ist offensichtlich, dass die Ziele eines Mitarbeiters in Konkurrenz zu den Zielen anderer Kollegen stehen können. Wenn beispielsweise die Unternehmung in einem Funktionsbereich den Abbau von Stellen plant, wird jeder der betroffenen Mitarbeiter um seine eigene Stelle kämpfen. Gleiches gilt bei Beförderungen, wenn nur einige der insgesamt in Frage kommenden Mitarbeiter befördert werden. Vertikale Interessengegensätze zwischen den Zielen eines Mitarbeiters und den Unternehmenszielen bestehen, wenn z.B. der Mitarbeiter an einer uneingeschränkten Arbeitsplatzgarantie interessiert ist, die Unternehmung jedoch flexibel auf die wirtschaftliche Lage reagieren muss und daher u.U. gezwungen ist, Stellen abzubauen.
Auch bei größeren organisatorischen Einheiten können laterale und vertikale Interessengegensätze auftreten. So bestehen in funktionalen Unternehmungen systematisch divergierende Interessen zwischen den verschiedenen verrichtungsorientierten Abteilungen, z.B. zwischen der Marketing- und Produktionsabteilung bei der Frage, ob ein neues Produkt eher kundenspezifisch oder losgrößenorientiert entwickelt werden sollte. Auch die von Golembiewski (Golembiewski,  1967) untersuchten Konflikte zwischen Stabs- und Linienabteilungen, beispielsweise aufgrund einer unterschiedlichen Ausbildung und Berufserfahrung der jeweiligen Mitarbeiter, sind hier einzuordnen. Vertikale Interessenkonflikte bestehen, wenn die Ziele einer Einheit mit den Zielen der Unternehmung konkurrieren. In der organisationspsychologischen Literatur ist seit den Hawthorne-Studien (Roethlisberger, /Dickson,  1939) beispielsweise das Phänomen erkannt, dass eine Gruppe ihr Arbeitsniveau bewusst unterhalb eines festgelegten Standards setzt. In der ökonomischen Literatur ist dieses Phänomen auch als Ratchet-Effekt bekannt (Baron, /Besanko,  1984).

III. Konflikt- und Kooperationsmanagement


Nicht jede Konfliktsituation muss notwendigerweise in einen Konflikt münden. So hat jede organisatorische Einheit in einer Konfliktsituation in einem gewissen Umfang immer auch die Interessen der Unternehmung im Auge, da vom Unternehmenserfolg letztendlich auch die Existenz der organisatorischen Einheit abhängt. Daher bestehen in einer organisationsinternen Konfliktsituation in der Regel sowohl kooperative als auch konkurrierende Interessen zwischen den verschiedenen Parteien.
Dieses Nebeneinander von kooperativen und konkurrierenden Interessen ist Ausgangspunkt des Konfliktmanagements. Seine Aufgabe ist es, Konflikte im Sinne der Unternehmensziele zu steuern und unerwünschte Auswirkungen von Konflikten zu vermeiden. Damit hat Konfliktmanagement vor allem präventiven Charakter: Die Rahmenbedingungen eines möglichen Konflikts sind so zu gestalten, dass dysfunktionale Konflikte vermieden werden. Ein solches Konfliktmanagement setzt im Unterschied zum kurativen Konfliktmanagement nicht an schon vorhandenen Konflikten an und versucht diese zu mildern, sondern versucht, durch geeignete Instrumente im Vorfeld entsprechende Konflikte zu vermeiden. In diesem Sinne sind Konflikt- und Kooperationsmanagement zwei Seiten derselben Medaille.
Je nachdem, ob in einer Konfliktsituation die Interdependenzen der involvierten Parteien vertikaler oder lateraler Natur sind, können wir zwischen vertikalem und lateralem Konfliktmanagement unterscheiden:
Vertikales Konfliktmanagement bezieht sich auf Interdependenzen zwischen einer vorgesetzten und einer untergeordneten Einheit in der Unternehmung, beispielsweise auf die Beziehung zwischen einem Vorgesetzten und seinem Mitarbeiter. Dabei steht die Frage im Vordergrund, wie die vorgesetzte Instanz eine adäquate Aufgabenerfüllung der ihr unterstellten Einheit sicherstellen kann.
Beim lateralen Konfliktmanagement geht es hingegen um die Steuerung der Zusammenarbeit zwischen verschiedenen organisatorischen Einheiten bei lateralen Interdependenzen. In diesem Fall ist die übergeordnete Instanz als Konfliktmanager nicht unmittelbar in die Konfliktsituation involviert. Vielmehr geht es um die geeignete Gestaltung der Konfliktsituation zwischen den involvierten Einheiten, sodass deren Zusammenarbeit in diesem Rahmen konform mit den Unternehmenszielen stattfinden kann. Die Instanz überlässt den involvierten Parteien nach der Gestaltung der Konfliktsituation die Selbststeuerung ihrer Interessengegensätze.
Laterales Konfliktmanagement stellt deutlich höhere Anforderungen an den Konfliktmanager als ein vertikales Konfliktmanagement. Bestehen beispielsweise Divergenzen zwischen den Interessen eines Mitarbeiters und den Unternehmenszielen, dann muss der Vorgesetzte im Rahmen seines Konfliktmanagements „ lediglich “ das Verhalten eines Mitarbeiters berücksichtigen. Handelt es sich hingegen um einen Konflikt zwischen dem Mitarbeiter und seinem Kollegen, dann muss der Vorgesetzte bei seinem Konfliktmanagement auch die Interdependenzen der beiden Einheiten beachten.

IV. Instrumente des Konflikt- und Kooperationsmanagements


Unabhängig davon, ob Konfliktmanagement lateraler oder vertikaler Natur ist, lassen sich entsprechend den beiden oben diskutierten Konfliktursachen unmittelbar zwei verschiedene Ansatzpunkte für ein Konfliktmanagement unterscheiden:
Die Interaktion der Parteien lässt sich mit Hilfe struktureller Maßnahmen beeinflussen. Durch die Anpassung der strukturellen Rahmenbedingungen sollen die Interdependenzen zwischen verschiedenen organisatorischen Einheiten so gesteuert werden, dass sich bestehende Interessengegensätze nicht in einem Konflikt manifestieren, der den Unternehmenszielen abträglich ist.

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Die Interessen der Parteien können durch personelle Maßnahmen beeinflusst werden. Diese setzen am Verhalten der Parteien an mit dem Ziel, die Interessen der organisatorischen Einheiten so zu steuern, dass eine Konfliktsituation bei bestehenden Interdependenzen nicht in einem für die Unternehmung nachteiligen Konflikt mündet.

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Strukturelle Maßnahmen des Konfliktmanagements sind z.B. die Abteilungsbildung, die Verteilung von Entscheidungs- und Weisungsbefugnissen, die Gestaltung des Informations- und Kommunikationssystems, die Schaffung von Schlichtungsstellen oder die Veränderung von Abläufen. Als personelle Maßnahmen gelten unter anderem die Gestaltung der Anreizsysteme, die Personalführung, die Beratung der Konfliktparteien und Kontrollmaßnahmen. Dies soll an zwei Beispielen illustriert werden (vgl. Jost,  2000c).


1. Abteilungsbildung als strukturelle Maßnahme des Konfliktmanagements


Eine Abteilungsbildung kann nach dem Verrichtungs- oder Objektprinzip erfolgen (Jost,  2000a). Je nach Vorgehen ergeben sich daraus unterschiedliche Abhängigkeiten zwischen den einzelnen Abteilungen sowie unterschiedliche Abteilungsziele. So kommt es z.B. bei Anwendung des Verrichtungsprinzips zu vielfältigen Leistungsverflechtungen zwischen den Funktionsbereichen. Die Bildung von Divisionen nach dem Objektprinzip ist eine Möglichkeit, diese Interdependenzen zu vermeiden, in dem die so gebildeten Abteilungen weitgehend unabhängig voneinander sind. Divisionalisierung verlagert dabei die Interdependenzen zwischen Funktionsbereichen auf eine hierarchisch nachgeordnete Ebene in die einzelnen Divisionen. Innerhalb dieser können die bestehenden Interdependenzen dann unmittelbarer gestaltet werden.
Der Einsatz der Divisionalisierung als Instrument des Konfliktmanagements ermöglicht zudem eine gezieltere Steuerung der Abteilungen als dies bei Anwendung des Verrichtungsprinzips der Fall ist. So steigt mit zunehmenden Interdependenzen zwischen den einzelnen Abteilungen der Grad an Abteilungsautonomie und damit die Zurechenbarkeit der erzielten Ergebnisse. Dadurch können erfolgsorientierte Leistungsanreize geschaffen und die Abteilungen gezielt gesteuert werden.
Allerdings werden in der Praxis bei der Divisionalisierung stets gewisse Abhängigkeiten zwischen den einzelnen Divisionen bestehen bleiben, etwa bezüglich der Abstimmung von Finanz- und Investitionsplänen. Diese Abhängigkeiten schränken einerseits die eindeutige Zurechenbarkeit der Erfolge und somit die Steuerungswirkung dieser Maßnahme ein, andererseits können sie auch zu Ressourcenkonflikten zwischen den Divisionen führen. Darüber hinaus können aufgrund von Autonomiebestrebungen der einzelnen Divisionen zusätzliche Interessengegensätze zur Organisation entstehen. Aufgrund der geringen Interdependenzen zwischen den Divisionen sind kaum kooperative Interessen vorhanden. Bei funktionalen Unternehmungen hingegen bildet die gemeinsame Bindung an den Organisationserfolg eine Grundlage für kooperative Interessen der Abteilungen. Daher ist im Einzelfall das Konfliktpotenzial der beiden Alternativen abzuwägen.

2. Entlohnungssysteme als personelle Maßnahme des Konfliktmanagements


Finanzielle Anreize können immer dann eine zielkonforme Durchführung einer Aufgabe fördern, wenn der Mitarbeiter extrinsisch motiviert ist. Dabei sind die Anreize so zu gestalten, dass der Mitarbeiter seine Entlohnung durch eigene Aktivitäten selbst beeinflussen kann. Voraussetzung einer erfolgreichen Verhaltensbeeinflussung ist die Wahl einer geeigneten Bemessungsgrundlage. Angenommen, Gewinn- und Umsatzentwicklung einer Unternehmung fallen aufgrund nicht konstanter Stückkosten auseinander. Dann wäre es für die Steuerung der organisatorischen Einheiten nicht zweckmäßig, diese auf der Basis des erzielten Umsatzes zu entlohnen. Vielmehr ist es in diesem Fall sinnvoll, den finanziellen Anreiz an solchen Unternehmenszielen auszurichten, die sich zum einen am Erfolg der Einheit orientieren, zum anderen aber auch von der Einheit direkt beeinflussbar sind.
Selbst bei geeigneter Bemessungsgrundlage ist eine zusätzliche Voraussetzung für den Einsatz eines solchen leistungsorientierten Entlohnungssystems eine adäquate Leistungserfassung. Hier kann das Problem bestehen, dass der Beitrag des einzelnen Mitarbeiters zum Erreichen der Unternehmensziele nicht unmittelbar beobachtbar ist. Kontrollen des Mitarbeiterverhaltens können eine Lösung für dieses Problem sein, wenn die damit verbundenen Kosten hinreichend gering sind. Aber selbst wenn solche Kontrollen möglich sind, kann aufgrund von Interdependenzen des Mitarbeiters mit anderen organisatorischen Einheiten eine eindeutige Erfolgszurechnung nicht möglich sein. In solchen Fällen wirken finanzielle Anreize nur eingeschränkt.

V. Theoretische Grundlagen des Konflikt- und Kooperationsmanagements


Um Konflikte im Sinne der Unternehmensziele zu steuern und unerwünschte Auswirkungen von Konflikten zu vermeiden, muss der Konfliktmanager bei der Auswahl seiner Maßnahmen das Verhalten der involvierten Parteien berücksichtigen. Seine Fähigkeit, dieses Verhalten zu antizipieren, ist ausschlaggebend dafür, ob sein Konfliktmanagement tatsächlich der Realisierung der Unternehmensziele dient.
In der Wissenschaft gibt es eine Vielzahl konflikttheoretischer Ansätze, die Antworten auf die Frage nach dem geeigneten Konfliktmanagement geben. Im Folgenden soll die Spieltheorie als konflikttheoretischer Ansatz vorgestellt werden (Jost,  1999, S. 51ff). Ein Spiel im Sinne der Spieltheorie ist dabei eine beliebige Interaktion zwischen verschiedenen Parteien. Ziel der Spieltheorie ist es, in solchen interdependenten Entscheidungssituationen das strategische Handeln der Parteien zu untersuchen. Dabei geht die Spieltheorie davon aus, dass die Parteien in ihrer Interaktion ihre jeweiligen Interessen vertreten. Da unsere Definition einer Konfliktsituation der eines Spiels im Sinne der Spieltheorie entspricht, kann Spieltheorie auch als eine Theorie sozialer Konflikte verstanden werden.
Unsere Darstellung der Spieltheorie als konflikttheoretischer Ansatz beschränkt sich im Folgenden auf die wesentlichen Grundannahmen und -bausteine. Dabei gehen wir so vor: Um einen Konflikt managen zu können, ist zunächst eine eingehende Analyse der Struktur der Konfliktsituation erforderlich. Wir stellen hierfür die Rahmenparameter einer Konfliktsituation vor, die in diesem Kontext das Verhalten der involvierten Parteien bestimmen. Darüber hinaus muss der Konfliktmanager das Verhalten der Konfliktparteien antizipieren, um daraus entsprechende Maßnahmen für ein geeignetes Konfliktmanagement ableiten zu können. Hier gehen wir auf das der Spieltheorie zugrunde liegende Menschenbild ein und verdeutlichen, was strategisches Verhalten überhaupt ausmacht.

1. Die Rahmenparameter einer Konfliktsituation


Um Aussagen über das Verhalten einer Partei in einer Konfliktsituation zu machen, müssen zunächst die Rahmenparameter der Entscheidungssituation, in der sie sich befindet, näher spezifiziert werden. Der Art der Interdependenz ihrer Beziehung mit den anderen in der Konfliktsituation involvierten Parteien kommt dabei eine entscheidende Bedeutung zu. Grundsätzlich müssen für die Analyse einer Konfliktsituation die folgenden Elemente sorgfältig identifiziert werden:

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Konfliktparteien: Welche Parteien sind involviert und welche Interessen verfolgen diese?

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Konfliktgegenstände: Was ist der Gegenstand des Konflikts, d.h. in welchen Punkten, Fragen oder Anliegen kommt der Interessengegensatz der Parteien zum Ausdruck?

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Konfliktverlauf: Zu welchem Zeitpunkt können die verschiedenen Parteien agieren und inwieweit kann eine Partei ihr Handeln auf den Entscheidungen der vor ihr handelnden Partei abstellen?

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Strategien: Welche Handlungsalternativen besitzt eine Partei zu jedem ihrer Entscheidungszeitpunkte? Daraus leiten sich ihre möglichen Strategien ab: Eine Strategie für eine Partei bezeichnet dabei einen Plan über ihr Handeln zu jedem ihrer Entscheidungszeitpunkte im Laufe der Interaktion.

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Konsequenzen: Welche Konsequenzen ergeben sich aus dem jeweiligen Konfliktverlauf für die Parteien?


Bei der Erfassung der Konfliktsituation spielt die individuelle Wahrnehmung der Situation eine erhebliche Rolle. Diese Wahrnehmung hängt von einer ganzen Reihe von Faktoren ab, beispielsweise den kognitiven Fähigkeiten einer Partei, ihren Werten, Bedürfnissen oder ihrem Status in der Unternehmung. Insbesondere die individuellen Informationen, die eine Partei besitzt, finden in spieltheoretischen Modellen ihre Berücksichtigung. Grundsätzlich unterscheidet man drei Arten von Informationsdefiziten:
Exogene Unsicherheit: In einer Konfliktsituation gibt es immer auch exogene Faktoren, die von den Konfliktparteien nicht beeinflusst werden können. Die handelnden Personen werden hierüber keine vollständige Kenntnis besitzen und eine unterschiedliche Einschätzung der exogenen Faktoren kann entsprechend zu einer unterschiedlichen Strategieauswahl führen.
Imperfekte Information: Wenn eine Konfliktpartei zu einem Zeitpunkt der Interaktion nicht alle relevanten Informationen über den bisherigen Verlauf der Beziehung besitzt, spricht man von imperfekten Informationen. Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn sich eine Partei nicht sicher ist, ob die andere Partei möglicherweise schon gehandelt hat.
Unvollständige Informationen: Oft sind in Konfliktsituationen die einzelnen Konfliktparteien unterschiedlich gut über die Rahmenparameter der Situation informiert. Der Informationsvorsprung der einen Partei beruht dann auf den unvollständigen Informationen der anderen Parteien.
In allen spieltheoretischen Analysen werden die obigen Rahmenbedingungen der Konfliktsituation als gegeben vorausgesetzt. Sie bilden die Basis der spieltheoretischen Analyse, und das strategische Verhalten einer Konfliktpartei kann nur unter Bezugnahme auf diese Elemente untersucht werden. Dies garantiert, dass ein eindeutiger Bezug besteht zwischen den Annahmen an die Ausprägung der einzelnen Elemente und den Schlussfolgerungen über das Verhalten der Konfliktparteien.

2. Strategisches Verhalten


Die Verhaltensmaxime, die der spieltheoretischen Analyse zugrunde liegt, ist die Annahme der Nutzenmaximierung, also die Maximierung der individuellen Zielfunktion: Eine Konfliktpartei wird bei gegebenen klaren und konsistenten Vorstellungen über ihre individuellen Ziele aus der Menge der ihr zur Verfügung stehenden Strategien diejenige auswählen, mit der sie ihre Ziele am umfassendsten erreichen kann. Welche Ziele eine Konfliktpartei dabei im Einzelnen verfolgt, ist für die Analyse unerheblich.
Der Verhaltensmaxime der Nutzenmaximierung liegen implizit zumindest die folgenden vier Grundannahmen an das Verhalten einer Konfliktpartei zugrunde (Jost,  2000b):
Eigenständigkeit der Entscheidung: Das Verhalten einer Konfliktpartei ist a priori nicht durch die Befolgung organisatorischer Vorgaben oder sozialer Normen gekennzeichnet, sondern es wird ausschließlich durch seine eigenen, individuellen Zielsetzungen bestimmt.
Konsequentialistisches Verhalten: Eine Konfliktpartei entscheidet sich für ein bestimmtes Verhalten aufgrund der damit verbundenen Konsequenzen.
Rationalität: Eine Konfliktpartei entscheidet sich für das Verhalten, das ihr aufgrund der damit verbundenen Konsequenzen die umfassendste Erreichung ihrer individuellen Ziele verspricht. Diese Maximierung unterliegt gewissen kognitiven Grenzen in dem Sinne, dass sie keinen uneingeschränkten Zugang zu allen Informationen hat, die für ein geeignetes Verhalten notwendig sind.
Trennung von individuellen Zielen und Restriktionen: Der Nutzenmaximierung liegt eine strenge Trennung von individuellen Zielen und den durch die Konfliktsituation gegebenen Restriktionen zugrunde. Die Auswahl einer Strategie wird durch individuelle Ziele der Partei bestimmt, während der Handlungsspielraum durch die Restriktionen in seiner jeweiligen Konfliktsituation gegeben ist.
Die Annahme der individuellen Nutzenmaximierung entspricht dem aus der Entscheidungstheorie bekannten Nutzenkalkül. Allerdings werden in der Entscheidungstheorie alle Faktoren, die Einfluss auf das Verhalten eines Akteurs haben können, als exogen angenommen. Die Annahme, dass in einer Konfliktsituation die Zielerreichung einer Partei auch von dem Verhalten der anderen involvierten Konfliktparteien abhängt, schließt damit die Anwendung der Entscheidungstheorie auf eine Erklärung des Konfliktverhaltens aus. Damit ist aber das Verhalten einer Partei in einer Konfliktsituation nicht nur von einer exogenen Unsicherheit abhängig, sondern eine Konfliktpartei muss auch eine strategische Unsicherheit mit berücksichtigen: Strategische Unsicherheit resultiert dabei aus der Unsicherheit hinsichtlich des Verhaltens der anderen Konfliktparteien. Strategisches Verhalten bezeichnet dann ein individuelles Verhalten, welches das Verhalten der anderen Parteien in der Konfliktsituation mit ins Kalkül zieht.
Literatur:
Baron, D. P./Besanko, D. : Regulation and Information in a Continuing Relationship, in: Information, Economics and Policy, Jg. 1, Bd. 1, 1984, S. 267 – 330
Barnard, C. : The Functions of the Executive, Cambridge, MA 1938
Freeman, R. E. : Strategic Management. A Stakeholder Approach, London 1984
Golembiewski, R. : Organizing Men and Power, Chicago 1967
Jost, P.-J. : Strategisches Konfliktmanagement in Organisationen, 2. A., Wiesbaden 1999
Jost, P.-J. : Organisation und Koordination, Wiesbaden 2000a
Jost, P.-J. : Organisation und Motivation, Wiesbaden 2000b
Jost, P.-J. : Konfliktmanagement und das Organisationsproblem, in: Wirtschaftsstudium, Jg. 29, H. 4/2000c, S. 510 – 523
Roethlisberger, F. J./Dickson, W. J. : Management and the worker, Cambridge 1939
Schelling, T. : The Strategy of Conflict, Cambridge, Mass. 1960

 

 


 

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