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Marktanteil


Inhaltsübersicht
I. Zum Begriff »Marktanteil«
II. »Marktanteil« als Kenngröße für die strategische Marketingplanung
III. Ansätze zur Messung der Kenngröße »Marktanteil«
IV. Praktische Relevanz der Kenngröße »Marktanteil«

I. Zum Begriff »Marktanteil«


Der Marktanteil stellt eine Verhältniszahl dar, die den Absatz (Umsatz) eines Unternehmens zum Marktvolumen (dem Absatz bzw. Umsatz aller Unternehmen der betrachteten Branche) in Beziehung setzt. Dadurch gewinnt man ein Bild von der Marktposition und damit der relativen Bedeutung eines Unternehmens im Vergleich zu anderen Unternehmen der Branche (Becker, J. 1988). Diese Kenngröße festzustellen, ist bedeutsam, da steigende Absätze (Umsätze) darüber hinwegtäuschen können, dass der Gesamtmarkt noch viel stärker wächst. In diesem Fall hätte das Unternehmen trotz höherer Absätze (Umsätze) seine Marktstellung verschlechtert.
Will man die Marktposition ausbauen, so orientiert man sich bei der Gestaltung marketingpolitischer Aktivitäten häufig an einem Zielwettbewerber. Dabei interessiert als Kenngröße der relative Marktanteil, der den eigenen Marktanteil in Relation zum Marktanteil des stärksten Wettbewerbers angibt. Auch diese Verhältniszahl kann mengenmäßig oder wertmäßig ausgedrückt werden. Ist man Marktführer oder definiert in den anderen Fällen den nächstfolgenden Konkurrenten als den stärksten Wettbewerber, so ergeben sich Kenngrößen für den relativen Marktanteil von größer eins.
Bei der Festlegung eines Marktanteils als unternehmerische Zielgröße kommt dem Marktpotenzial eine zentrale Bedeutung zu (Meffert, H. 1989). Unter diesem Begriff versteht man die unter optimalen Bedingungen und bei einer räumlich-zeitlich gültigen Bedarfshypothese (Bedarfsmenge pro Bedarfsträger) maximal absetzbare Menge einer Marke (Absatzpotenzial) bzw. den entsprechenden Umsatz. Dabei wird unterstellt, dass die Marketingaktivitäten optimal durchgeführt werden und alle mit der erforderlichen Kaufkraft ausgestatteten Nachfrager die Marke kaufen, in deren Begehrskreis das Produkt fällt. Das Marktpotenzial spiegelt also die höchstmögliche Marktnachfrage wider, die von Anbietern befriedigt werden könnte (Meffert, H. 1989). Im Unterschied zum Marktpotenzial kennzeichnet die Marktkapazität die maximale Aufnahmefähigkeit eines Marktes ohne Berücksichtigung der finanziellen Restriktionen der Nachfrager. Hierbei ermittelt man das Absatz- bzw. Umsatzpotenzial unter der Prämisse, dass die Nachfrager so viel kaufen, wie es ihren Bedürfnissen entspricht.
Auf stark wachsenden Märkten weichen Marktpotenzial und Marktvolumen erheblich voneinander ab. Infolge des noch nicht ausgeschöpften Marktpotenzials können Unternehmen auf solchen Märkten auch dann Absatz- bzw. Umsatzzuwächse erzielen, wenn sich ihre Marktanteile nur unwesentlich verändern (Cooper, L. G./Nakanishi, M. 1988). Die bestehenden Marktreserven sind i.A. dafür verantwortlich, dass diese Marktphase durch ein relativ friedliches Marktverhalten der Anbieter gekennzeichnet ist. Gesättigte Märkte zeichnen sich hingegen dadurch aus, dass Marktpotenzial und Marktvolumen dicht zusammenliegen. Unternehmen, die auf diesen Märkten Absatz- bzw. Umsatzsteigerungen anstreben, sind gezwungen, Marktanteile von Konkurrenten zu erkämpfen. Daher ist diese Marktphase durch ein aggressives Marktverhalten der Anbieter charakterisiert.

II. »Marktanteil« als Kenngröße für die strategische Marketingplanung


Zur Forcierung des Absatz- und Umsatzwachstums werden die Marketingaktivitäten mit dem Ziel intensiviert, das Marktpotenzial vorhandener Marken auf bestehenden Märkten auszuschöpfen (Marktpenetration). Dabei beabsichtigt man einerseits den Erhalt bzw. den Ausbau von Marktanteilen, andererseits soll das Marktvolumen ausgeweitet werden. Drei grundsätzliche marketing-politische Ansatzpunkte bieten sich an (Meffert, H. 1989): Zunächst ist vorstellbar, dass man den bereits bestehenden Bedarf steigert, indem man die Verwendungsrate bei den eigenen Nachfragern erhöht, beispielsweise durch Preissenkungen oder Vergrößerung der Einkaufseinheiten, Schaffung neuer Verwendungsbereiche und Beschleunigung des Ersatzbedarfs durch modische Obsoleszenz. Weiterhin kann ein Unternehmen versuchen, v.a. durch Preissenkungen, Verkaufsförderungsaktionen und Produktverbesserungen Kunden von Konkurrenten abzuwerben. Schließlich ist denkbar, dass man bisherige Nichtkäufer der Marke anspricht (Produktgattungswettbewerb). Dies kann z.B. durch die Verteilung von Warenproben, gezielte Werbung, Produktmodifikationen und preispolitische Maßnahmen erfolgen.
Sofern ein bestimmter Marktanteil mit der Strategie der Marktpenetration nicht mehr erreicht werden kann, sind neue strategische Alternativen wie Marktentwicklung, Produktentwicklung und Diversifikation zu suchen (Nieschlag, R./Dichtl, E./Hörschgen, H. 1991). Bei der Marktentwicklung handelt es sich um eine Stoßrichtung, die darauf abzielt, mit vorhandenen Produkten neue Märkte zu erschließen. Diese Strategie kommt zum Einsatz, wenn ein Unternehmen bestimmte, angestammte Märkte versorgt, während es sich in anderen Feldern nicht engagiert. Für die Erschließung bisher nicht erkannter oder nicht bearbeiteter Märkte bieten sich die folgenden Anknüpfungspunkte an:

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Schaffung zusätzlichen Absatzpotenzials auf neuen regionalen, nationalen und internationalen Märkten,

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Eintritt in Zusatzmärkte durch gezielte Suche nach neuen Anwendungsbereichen bzw. Einsatzfeldern für die bestehenden Produkte,

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Variation der vorhandenen Erzeugnisse mit dem Ziel der Entwicklung spezifischer Angebote für neue Kundengruppen.


Mit der Strategie der Produktentwicklung soll die Marktposition eines Unternehmens durch Anbieten neuer Produkte für bestehende Märkte gesichert oder ausgebaut werden. Als grundlegende Alternativen bieten sich dabei an:

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Entwicklung von Marktneuheiten, die bislang nicht angeboten wurden (Innovation),

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Schaffung von quasi-neuen Erzeugnissen, die an bereits existierenden Produkten anknüpfen,

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Erweiterung des Sortiments um »me too«-Produkte, die lediglich für das Unternehmen eine Innovation darstellen und sich von anderen Erzeugnissen, die sich bereits am Markt befinden, kaum unterscheiden.


Bei der Strategie der Diversifikation verlässt ein Unternehmen die angestammten Betätigungsfelder und versucht, neue Produkte für neue Märkte zu erschließen (Bauer, H. H. 1989). Es hat sich als zweckmäßig erwiesen, zwischen drei Arten der Diversifikation zu unterscheiden: Die horizontale Diversifikation kennzeichnet die Erweiterung der Angebotspalette (z.B. Büroartikel) um Erzeugnisse, die in einem sachlichen Zusammenhang zum bisherigen Sortiment stehen (z.B. Personal Computer). Bei der vertikalen Diversifikation werden Erzeugnisse hinzugenommen (z.B. Produktion von Mikrochips), die im Güterumwandlungsprozess dem bisherigen Betätigungsfeld (z.B. Herstellung von Computern) vor- oder nachgelagert sind. Man spricht von lateraler Diversifikation, wenn ein Unternehmen (z.B. Computerhersteller) mit völlig neuen Produkten (z.B. Teflon) in fremde Märkte (z.B. Weltraumtechnik) vorstößt. Da in einem solchen Fall keine Anknüpfungspunkte zum bisherigen Geschäft bestehen, ist dies die chancen-, aber auch risikoreichste Variante einer Diversifikation.

III. Ansätze zur Messung der Kenngröße »Marktanteil«


Die Erfassung der Marktpenetration eines Produktes in der relevanten Käuferschaft erfolgt mit zwei Arten von Modellen, nämlich Durchdringungsmodellen und Wiederkaufmodellen (Nieschlag, R./Dichtl, E./Hörschgen, H. 1991): In Durchdringungsmodellen wird die Anzahl der Käufer, die das Produkt einmal erworben haben (Erstkäuferanzahl), in der Regel als von der Zeit abhängig angesehen. Somit stellen diese Modelle zeitabhängige Marktreaktionsfunktionen dar, wobei der Kurvenverlauf die Annäherung der kumulierten Zahl der Erstkäufer an den Grenzwert der Marktpenetration abbildet. Häufig wird auch die Erstkaufrate (Feldanteil) ermittelt, bei der die Anzahl der Abnehmer, die eine Marke mindestens einmal gekauft haben, durch die Anzahl der maximal möglichen Abnehmer dividiert wird.
Anknüpfend an die Ergebnisse der Durchdringungsmodelle wird mit Wiederkaufmodellen versucht, das Volumen der Wiederkäufe zu quantifizieren. Das bekannteste Modell dieser Art ist der Ansatz von Parfitt und Collins, der neben dem Feldanteil zwei weitere Kenngrößen (Wiederkaufrate und Kaufintensität) als Dateninput benötigt. Mit der Wiederkaufrate gibt man den Anteil der von Wiederkäufern nachgefragten Menge im Verhältnis zur gesamten Absatzmenge der betrachteten Marke an, während bei der Kaufintensität die nachgefragte Menge einer interessierenden Marke durch das durchschnittliche Absatzvolumen aller Marken der Produktgattung dividiert wird.
Die Zerlegung des Marktanteils in die drei Komponenten Feldanteil, Wiederkaufrate und Kaufintensität liefert bedeutsame Erkenntnisse für die Planung absatzwirtschaftlicher Aktivitäten. So ist es beispielsweise für die Gestaltung der Kommunikationspolitik wichtig zu wissen, ob ein erzielter Marktanteil auf die besondere Attraktivität einer Marke für Laufkunden, Stammkunden oder Intensivkäufer zurückzuführen ist.
Im Rahmen der Beurteilung der Erfolgsträchtigkeit neuer Marken wird der Ansatz von Parfitt und Collins auch zur Prognose des letztendlich zu erwartenden Marktanteils herangezogen. Zu diesem Zweck stellt man bei der Bestimmung der Modellkomponenten auf einen Zeitraum ab, in dem sich der Diffusionsprozess des betrachteten Produktes stabilisiert hat, sodass keine weiteren Erstkäufer mehr auftreten. Der Absatz wird somit ausschließlich durch die interessierenden Wiederkäufe getragen.
Bei der Ermittlung von Marktanteilen ist es notwendig, genaue Daten zur Verfügung zu haben. Dabei ist zu beachten, dass die in Zähler und Nenner eingehenden Daten zeitlich, räumlich und produktmäßig aufeinander abgestimmt sind (Homogenitätsprinzip). Informationen über eigene Absatzmengen bzw. Umsätze sind i.A. aus dem internen Rechnungswesen zu gewinnen, während das Marktvolumen sekundär- oder primär-statistisch abgeschätzt wird oder aus Verbandsstatistiken stammt. Eine weitere Möglichkeit besteht darin, die von den Wettbewerbern abgesetzten Mengen bzw. realisierten Umsätze aus Paneldaten zu errechnen (Kotler, P./Bliemel, F. W. 1992).

IV. Praktische Relevanz der Kenngröße »Marktanteil«


Die Kenngröße Marktanteil« weist eine Fülle von Vorzügen auf, die ihre besondere Bedeutung v.a. in der Praxis erklären (Kotler, P./Bliemel, F. W. 1992). Im Rahmen der Erfolgsanalyse lässt sich feststellen, ob Absatz- bzw. Umsatzänderungen die Folge von nicht beeinflussbaren Umweltfaktoren oder das Resultat eigener Marketinganstrengungen sind. Sofern das Absatzziel nicht erreicht (übertroffen) wird und der Marktanteil konstant bleibt, ist davon auszugehen, dass die Branche negativen (positiven) externen Faktoren ausgesetzt war. Bei Portfolio-Analysen wird der Marktanteil zur zentralen Größe für die Beurteilung von Produktlinien und strategischen Geschäftseinheiten. Insofern liefert er bedeutsame Hinweise für die Planung absatzwirtschaftlicher Leistungen.
Die Bedeutung des Marktanteils als unternehmerische Kennzahl hat in den letzten Jahren auch deshalb zugenommen, weil nachgewiesen werden konnte, dass Unternehmen mit hohen Marktanteilen im Vergleich zu ihren Konkurrenten häufig eine größere Rentabilität aufweisen. Hierfür gibt es zumindest drei Erklärungsansätze (Becker, J. 1988):

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Aus empirischen Untersuchungen ist bekannt, dass Unternehmen, die nach höheren Marktanteilen streben, i.A. von sinkenden Kosten bei steigender Ausbringungsmenge profitieren (economies of scale).

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Dem Konzept der Erfahrungskurve zufolge können Unternehmen, die größere Produktions- und Absatzmengen erzielen, durch Übung und Erfahrung in allen Unternehmensbereichen die in der Wertschöpfung ihrer Produkte enthaltenen, preisbereinigten Kosten reduzieren (Bauer, H. H. 1986).

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Man weiß, dass Unternehmen, die hohe Marktanteile aufweisen, i.A. in der Lage sind, die benötigten Rohstoffe in großen Mengen zu beziehen und zudem (aufgrund ihrer Verhandlungsmacht) Preisnachlässe durchzusetzen, was zu erheblichen Kostenvorteilen führen kann.


Abschließend ist darauf hinzuweisen, dass sich ein umfassendes Bild der wirtschaftlichen Lage eines Unternehmens nur durch simultane Betrachtung wichtiger Erfolgsgrößen, z.B. Umsatz, Marktanteil, Rentabilität, ergibt. Außerdem wird der Informationsgehalt einer Marktanteilszahl erhöht, wenn eine Disaggregation dieses Wertes nach verschiedenen Kriterien vorgenommen wird. Denkbar wäre z.B. die Ermittlung von Marktanteilen nach Produktlinien, Kundentypen und Regionen. Im Unterschied zu aggregierten Marktanteilszahlen werden auf diese Weise regionale und kundenspezifische Besonderheiten berücksichtigt. Um jedoch falsche Schlussfolgerungen aus Marktanteilswerten zu vermeiden, sind bei der Interpretation der vorliegenden Zahlen u.a. folgende Punkte zu beachten (Meffert, H. 1989):

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Der Marktanteil eines Unternehmens kann sinken (steigen), wenn ein Wettbewerber in den Markt eintritt (den Markt verlässt). In diesem Fall ist mit Marktanteilsveränderungen zu rechnen, ohne dass die Marketingleistung modifiziert wurde.

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Ein gesunkener Marktanteil kann das Resultat rentabilitätssteigernder Maßnahmen sein. So kann sich ein Unternehmen dazu entschließen, Verlust bringende Marken aus dem Sortiment zu eliminieren.

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Die Einflüsse der nicht kontrollierbaren Umweltfaktoren wirken sich nicht auf alle Unternehmen in gleichem Maße aus. Bei Veränderungen der Umwelt können sich z.B. in Abhängigkeit der Vertriebs- oder Organisationsstruktur unterschiedliche Auswirkungen auf den Marktanteil der betrachteten Unternehmen ergeben.


Literatur:
Bauer, H. H. : Das Erfahrungskurvenkonzept, in: WiSt, 1986, S. 1 – 10
Bauer, H. H. : Marktabgrenzung, Berlin 1989
Becker, J. : Marketing-Konzeption: Grundlagen des strategischen Marketing-Managements, 2. A., München 1988
Cooper, L. G./Nakanishi, M. : Market Share Analysis, Boston 1988
Kotler, P./Bliemel, F. W. : Marketing-Management, 7. A., Stuttgart 1992
Meffert, H. : Marketing, 7. A., Wiesbaden 1989
Nieschlag, R./Dichtl, E./Hörschgen, H. : Marketing, 16. A., Berlin 1991

 

 


 

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