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Diversifikation


Inhaltsübersicht
I. Begriff und Arten der Diversifikation
II. Interne und externe Diversifikation
III. Ursachen und Ziele der Diversifikation
IV. Planungsschritte der Diversifikation
V. Messung des Diversifikationsgrades
VI. Synergieeffekte durch Diversifikation
VII. Risiken der Diversifikationsstrategie

I. Begriff und Arten der Diversifikation


Der Begriff Diversifikation für eine unternehmenspolitische Strategie der planmäßigen Ausdehnung des bisherigen Tätigkeitsfeldes einer Unternehmung fand in den 1950er-Jahren aus den USA (diversification) kommend Eingang in die wirtschaftswissenschaftliche Fachterminologie.
Trotz des einheitlichen Terminus findet sich in Marketing-Wissenschaft und -Praxis ein z.T. recht unterschiedliches Begriffsverständnis. Neben eindimensionalen Erklärungsansätzen (Chandler, A. D. 1969) finden sich zwei- (Ansoff, H. I. 1965) und mehrdimensionale Ansätze (Simmonds, K. 1968). Danach kann eine Unternehmung im Hinblick auf eine oder mehrere der Dimensionen Märkte (Regionen, Kundengruppen, Bedarfsgruppen), Objekte (Produkte, Leistungen, Technologien) oder Ressourcen (Rohstoffe, Anlagen, Personal, Know-how) diversifiziert sein.
Als klassisch ist die Begriffsbestimmung anzusehen, die aus der »Produkt-Markt-Matrix« (Ansoff, H. I. 1965) folgt. Diversifikation wird dabei als strategische Neuorientierung der Unternehmung verstanden, die sowohl die Aufnahme von neuen Produkten ins Leistungsprogramm als auch die Erweiterung des Betätigungsfeldes der Unternehmung auf neue, bisher nicht bediente Märkte umfasst (Ansoff, H. I. 1957, Ansoff, H. I. 1965). Fast zeitgleich entstand ein ähnlicher Ansatz, der nach den Dimensionen Marktneuheitsgrad und Technologieneuheitsgrad Diversifikation als eine Strategie der gleichzeitigen Orientierung auf neue Technologien und neue Märkte klassifiziert (Johnson, S. C./Jones, C. 1957). Beide Ansätze begrenzen Diversifikation auf die gleichzeitige Neuartigkeit in zwei Dimensionen Produkt (Technologie) und  Markt (vgl. Abb. 1).
Diversifikation
Abb. 1: Verständnis des Diversifikationsbegriffs
Diversifikation i.e.S. kennzeichnet eine offensive Strategie des Unternehmenswachstums, die vor ihrem amerikanischen Entstehungshintergrund, dem konglomeraten Zusammenschluss von Unternehmungen zu großen internationalen Konzernen, verständlich wird (Bühner, R. 1993a). Die praktische Bedeutung der Diversifikation i.e.S. muss für die eher zu vorsichtiger Wachstumsstrategie neigenden europäischen Unternehmungen als gering eingeschätzt werden, was empirische Befunde für Deutschland bestätigen (Becker, J. 1993). Ein erweitertes Begriffsverständnis erscheint angebracht.
Diversifikation i.w.S. schließt Produktdiversifikation  (Angebotsdiversifikation) als Erweiterung des Leistungsprogramms der Unternehmung um neue Produkte auf vertrauten, bekannten Märkten ebenso ein wie Marktdiversifikation  (geografische Diversifikation) als das Vordringen auf neue Märkte mit dem traditionellen Leistungsprogramm (Hainzl, M. 1987; Bühner, R. 1985). Letzterer Sachverhalt wird, bezogen auf eine Strategie der Internationalisierung, unter den Begriffen der räumlichen Differenzierung (Böhnke, R. 1976), der »International Diversification« (Knee, D./Walters, D. 1985) bzw. Auslandsdiversifikation (Bühner, R. 1985) betrachtet.
In der Literatur finden sich zahlreiche Vorschläge zur Klassifikation von Diversifikationsstrategien. Am gebräuchlichsten ist die Unterscheidung in drei Diversifikationsarten nach der Richtung der Diversifikation:
(1) Eine horizontale Diversifikation liegt vor bei Erweiterung des bisherigen Leistungsspektrums der Unternehmung auf gleicher Wirtschaftsstufe. Die neuen Produkte stehen mit dem traditionellen Programm in engem sachlichen Zusammenhang (Verwandtschaft). Diese Verwandtschaft kann sich auf eingesetzte Rohstoffe, vorhandenes Know-how und Produktionstechnologie, auf die genutzten Absatzkanäle, auf Komplementär- oder Kuppelprodukte beziehen.
(2) Kennzeichen einer vertikalen Diversifikation ist die Vergrößerung der Leistungstiefe. Wird die Angebotspalette um Produkte aus vorgelagerten Produktionsstufen erweitert, handelt es sich um Rückwärtsintegration (Penrose, E. T. 1959) in Richtung zunehmender Rohstoffnähe. Vorwärtsintegration (Schäfer, E. 1978) beschreibt den Sachverhalt der Angliederung von nachgelagerten Wirtschaftsstufen in Richtung zunehmender Endnachfragernähe.
(3) Im Falle lateraler Diversifikation wird das Leistungsprogramm auf völlig neue, mit der bisherigen Geschäftstätigkeit in keinem sachlichen Zusammenhang stehende Bereiche ausgedehnt.
In der amerikanischen Literatur finden sich z.T. andere Abgrenzungen der Diversifikationsarten. In Abhängigkeit von der Verbindung zum bisherigen Geschäft wird in verbundene und unverbundene Diversifikation (Rumelt, R. P. 1974) differenziert. Nach dem Verwandtheitsgrad mit dem bisherigen Leistungsprogramm wird wie folgt unterschieden (Kotler, P. 1982):

-

Konzentrische Diversifikation ist der Versuch, neue Produkte, die technologisch und/oder marktbezogen Ähnlichkeit mit der bestehenden Produktlinie aufweisen, für neue Kundengruppen anzubieten.

-

Horizontale Diversifikation liegt dann vor, wenn neue, technologisch nicht verwandte Produkte für vorhandene Kundengruppen angeboten werden.

-

Konglomerative (konglomerate) Diversifikation besteht in der Suche nach neuen Produkten für neue Kundengruppen.


II. Interne und externe Diversifikation


Zur Realisierung einer Diversifikationsstrategie stehen der Unternehmung verschiedene Wege offen, die von der Marketing-Wissenschaft in interne und externe Diversifikation klassifiziert werden (Weston, J. F. 1961; Borschberg, E. 1974). Unter interner Diversifikation werden alle Diversifikationsbestrebungen subsumiert, bei denen die Ausweitung des Leistungsprogramms durch eigene Potenziale der diversifizierenden Unternehmung erfolgt. Eine externe Diversifikation liegt vor, wenn fremde Potenziale durch An- bzw. Eingliederung oder Kooperation zur Realisierung der Diversifikationsstrategie nutzbar gemacht werden (Gebert, F. 1983). Interne Diversifikation ist durch ein stetiges »Hineinwachsen« der Unternehmung in neue Produkt-Markt-Bereiche gekennzeichnet. I.e.S. kann dies auf eigener Forschungs- und Entwicklungsarbeit (»Eigenbau«) basieren. In deren Ergebnis entstehen neue Produkte, die mit dem ursprünglichen Leistungsprogramm in keinem oder nur losem sachlichen Zusammenhang stehen (Borschberg, E. 1974). I.w.S. kann es sich auch um den Kauf von Know-how für eine Lizenzfertigung und den Vertrieb der für die Unternehmung neuen Produkte, um einen Entwicklungsauftrag an Dritte mit anschließender Eigenfertigung und dem Vertrieb der neuen Produkte oder um den Zukauf von Handelsware und den Vertrieb über die eigene Absatzorganisation handeln (Gebert, F. 1983; Becker, J. 1993). In der deutschen Unternehmenspraxis wurde die interne Diversifikation lange Zeit präferiert (Küting, K. 1978). Diese bis in die 1980er-Jahre nachweisbare Tendenz steht heute im Gleichgewicht mit der für amerikanische Unternehmungen eher typischen externen Diversifikation (Bühner, R. 1993a). Im Gegensatz zum kontinuierlichen Wachstum bei interner Diversifikation kommt es bei externer Diversifikation zu einem sprunghaften Unternehmenswachstum (Sontheimer, B. 1989). Der Tatbestand externe Diversifikation ist gegeben, wenn der Eintritt der Unternehmung in neue Produkt-Markt-Felder durch Unternehmenskauf bzw. Erwerb von Beteiligungen (»Mergers and Acquisitions«) oder durch Kooperation mit einem wirtschaftlich und rechtlich selbstständigen Partner verwirklicht wird. Lag das wissenschaftliche Interesse lange Zeit bei der Analyse der Erfolgsaussichten von Diversifikationsstrategien, die auf Akquisition und Unternehmenszusammenschluss gerichtet sind (Bühner, R. 1990; Reißner, S. 1992), so werden in jüngster Zeit verstärkt Kooperationsformen wie gemeinsame Tochtergesellschaften (Joint Ventures) und abgestimmte Produkt-Markt-Strategien im Rahmen von Strategischen Allianzen als mögliche Realisierungsformen von Diversifikationsbestrebungen diskutiert (Killing, J. P. 1982; Harrigan, K. R. 1988). In der Unternehmenspraxis werden diese Realisierungsformen mit dem Ziel der Maximierung des potenziellen wirtschaftlichen Erfolgs oft kombiniert (Bühner, R. 1993a).

III. Ursachen und Ziele der Diversifikation


Die Ursachen für eine strategische Neuorientierung können in unternehmensexogenen oder -endogenen Entwicklungen begründet liegen (Bartels, G. 1966). Marktsättigung, technischer Wandel, kurze Produktlebenszyklen, Erhöhung der Wettbewerbsintensität sowie Veränderung der wirtschaftlichen Kontextbedingungen (Umweltschutz, Europäische Union) sind exogene Ursachen, die Chancen für neue Produkte oder erfolgversprechende Märkte eröffnen, aber auch traditionelle Geschäftsfelder infrage stellen können (Göttelmann, M. 1969). Endogene Impulse zur Diversifikation erwachsen aus vorhandenen, nicht ausgenutzten Ressourcen wie Personal, Betriebsmitteln oder Finanzmitteln im Produktions- (Penrose, E. T. 1959), Absatz-, Finanz- oder Forschungs- und Entwicklungsbereich (Böhnke, R. 1976). Die Reaktion der Unternehmung auf sich verändernde exogene und/oder endogene Bedingungen kann in einer aktiven, offensiven Suche nach Diversifikationsmöglichkeiten liegen oder als Folge bereits eingetretener verschlechterter Geschäftsbedingungen in einer defensiven, reaktiven Diversifikationsstrategie, d.h. im Ausweichen auf andere Geschäftsfelder, bestehen.
Mit der Diversifikation verfolgt eine Unternehmung i.d.R. langfristige Ziele von komplexer Struktur. In der Literatur finden sich zahlreiche Zielkataloge (Bartels, G. 1966; Wittek, B. F. 1980; Gebert, F. 1983; Löbler, H. 1988; Sontheimer, B. 1989; Graßy, O. 1993), die auch empirisch validiert wurden (Möller, W.-P. 1983). Die gefundenen Einzelziele können trotz signifikanter Interdependenzen Oberzielen zugeordnet werden (Gebert, F. 1983):
(1) Wachstum ist eines der zentralen Diversifikationsziele (Ansoff, H. I. 1957; Gort, M. 1962). Durch das Eindringen in Produkt- und Marktbereiche mit hohen Wachstumsraten sucht die Unternehmung das Niveau von Wachstumsindikatoren- wie Umsatz und Gewinn dauerhaft und nachhaltig positiv zu beeinflussen, um damit ggf. Umsatz- oder Gewinneinbußen in traditionellen Geschäftsfeldern auszugleichen oder in günstigen Fällen überzukompensieren. Die Betrachtung von Wachstumszielen ist in der Literatur nicht unumstritten (Schüle, F. 1992), da sie auch als Mittel zur Erreichung von Managementzielen (Einkommensmaximierung), ethischen Zielen (Beschäftigungsgarantie) oder des übergeordneten Ziels bestmöglicher Verzinsung des eingesetzten Kapitals betrachtet werden können.
(2) Diversifikationsaktivitäten dienen der Festigung und Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmung. Vorhandene Stärken können in neuen Märkten komparative Wettbewerbsvorteile gegenüber etablierten Mitbewerbern begründen (Jacobs, S. 1992). Aus Akquisition oder Kooperation können Wettbewerbsvorteile in bisherigen Geschäftsfeldern erwachsen.
(3) Risikostreuung bzw. Risikoreduktion ist ein weiteres wesentliches Diversifikationsziel, das insb. aus einer defensiven Diversifikationsstrategie resultieren kann. Der Eintritt in neue Produkt-Markt-Bereiche dient dem Risikoausgleich zwischen einzelnen Geschäftsfeldern (Staudt, T. A. 1954; Gort, M. 1962).
(4) Eine Verbesserung der Wirtschaftlichkeit kann durch die Wachstumspotenziale der neuen Geschäftsbereiche, durch bessere Nutzung der in der Unternehmung vorhandenen Ressourcen und finanziellen Mittel sowie durch Synergieeffekte aus dem Zusammenwirken von bisherigen und neuen Geschäftsfeldern erwachsen (Arbeitskreis »Diversifizierung« der Schmalenbach-Gesellschaft, 1973).

IV. Planungsschritte der Diversifikation


Diversifikationsentscheidungen sind für die Unternehmung von großer Tragweite, da sie die Unternehmensentwicklung langfristig nachhaltig beeinflussen, i.d.R. in beträchtlichem Umfang Ressourcen und finanzielle Mittel binden und sehr komplexe Wirkungen auf alle Unternehmensbereiche zeigen (Borschberg, E. 1974). Die mit einer Diversifikation verbundenen Chancen sind infolgedessen mit einem erheblichen Misserfolgsrisiko behaftet, wie empirische Befunde anschaulich belegen (Porter, M. E. 1987). Die Diversifikation bedarf daher sorgfältiger Planung (Rodenstock, R. 1989) durch die Unternehmensleitung, häufig unterstütz durch externe Berater. Ein idealtypisches Prozessmodell der  Diversifikationsplanung und -kontrolle könnte vier Phasen umfassen (vgl. Abb. 2).
Diversifikation
Abb. 2: Prozessmodell der Diversifikationsplanung und -kontrolle

1. Phase: Entwicklung der Diversifikationsstrategie


Die Basis einer qualifizierten Diversifikationsplanung bildet die sorgfältige Informationserhebung zu den Potenzialen der Unternehmung (Stärken und Schwächen), den Chancen und Risiken von Zukunftsmärkten sowie zu wichtigen Entwicklungen in der Unternehmensumwelt. Die Informationen zur Beschreibung des Ist-Zustandes und ggf. eine Entwicklungsprognose bei Beibehaltung der derzeitigen Unternehmensstrategie können zu Portfolio-Analysen verdichtet werden. Der kritische Vergleich mit übergeordneten Unternehmenszielen macht die strategische Lücke bestimmbar, die durch geeignete Diversifikationsprojekte die Entwicklung zum Soll-Zustand (Soll-Portfolio) unterstützen kann. Im nächsten Schritt werden Erfolg versprechende Diversifikationsalternativen generiert, unter gezielter Betrachtung aller Möglichkeiten zur internen und externen Realisierung.

2. Phase: Bewertung und Entscheidung


Kriterien wie Marktchancen, Marktpotenzial, Marktwachstum, Gewinnpotenzial, Risikograd, Zeit- und Kapitalbedarf der alternativen Diversifikationsprojekte werden den Unternehmenszielen, den vorhandenen Ressourcen und den umweltbedingten Möglichkeiten gegenübergestellt (Wieselhuber, N. 1983). Im Zuge einer strategischen Bewertung wird die optimale Diversifikationsstrategie ausgewählt und über ihre Realisierung befunden.

3. Phase: Realisierung der Diversifikationsstrategie


Nach der Abstimmung mit anderen Projekten in der Unternehmung kann der Maßnahmen- und Zeitplan der Realisierung festgelegt werden, dessen systematische und differenzierte Ausarbeitung für den Erfolg der Diversifikation evtl. entscheidend ist (Wieselhuber, N. 1983).

4. Phase: Kontrolle des Erfolgs der Diversifikationsstrategie und ggf. Entscheidungsrevision


Die Kontrolle soll die Einheit von Zielen, Strategie und Maßnahmen gewährleisten. Der mehr oder weniger große Abstand zwischen dem strategischen Anspruchsniveau und dem Zielerreichungsgrad kann erneut eine strategische Lücke begründen, die eine Entscheidungsrevision erforderlich macht.
Während des gesamten Planungs- und Realisierungsprozesses von Diversifikationsprojekten sollten Informationen zur endogenen und exogenen Entwicklung dezidiert verfolgt werden und ggf. zu Feedbacks im Prozessablauf führen (Wieselhuber, N. 1983; Sontheimer, B. 1989; Bühner, R. 1993a).

V. Messung des Diversifikationsgrades


Die bisher aufgeführten Definitionen, Klassifikationen und Ablaufmodelle nähern sich dem Phänomen Diversifikation aus prozessorientierter Sicht. Andererseits stellt sich aus ergebnisorientierter Sicht die Frage nach einer Messung der Diversifikation (Borschberg, E. 1974; Böhnke, R. 1976), in der Literatur als Diversifiziertheit (diversity) oder Diversifikationsgrad bezeichnet. Der Diversifikationsgrad kennzeichnet zeitpunktbezogen das Ausmaß der Diversifikation der Unternehmung im Vergleich mit anderen Unternehmungen. Es werden verschiedene Messverfahren vorgeschlagen. In 43 untersuchten Studien fanden sich 17 verschiedene Diversifikationsmaße (Schüle, F. 1992), die sich in quantitative und diskret-kategoriale Ansätze klassifizieren lassen (Bühner, R. 1993a; Bühner, R. 1993b).

1. Quantitative Messansätze


Quantitative Messkonzepte bestimmen den Diversifikationsgrad durch Zählen absatzwirtschaftlicher Segmente wie Produkte, Geschäftsbereiche, Branchen oder Regionen. Grundlage der Messung sind i.A. Branchenstatistiken. Durch die Einbeziehung relativer Umsatzanteile bzw. Beschäftigtenzahlen (Gort, M. 1962) oder von Bereichsgewinngrößen (Amit, R./Livnat, J. 1988) findet die relative Bedeutung der Segmente ansatzweise Berücksichtigung. Tab. 1 verdeutlicht exemplarisch die Tendenz von verhältnismäßig einfachen (Gort, M. 1962) hin zu immer differenzierteren Messansätzen (Jacquemin, A. P./Berry, C. H. 1979).
Diversifikation
Tab. 1: Auswahl häufig verwendeter quantitativer Messansätze
Dies zeugt vom wissenschaftlichen Bestreben, Probleme der quantitativen Messung wie die Schwierigkeiten bei der Abgrenzung der absatzwirtschaftlichen Segmente, die Einschränkung auf die Messung der Produktdiversifikation oder die Nichtberücksichtigung bzw. die Überbewertung spezieller Diversifikationsformen schrittweise zu überwinden (Bühner, R. 1993a).

2. Diskret-kategoriale Messansätze


Diskret-kategoriale Messkonzepte versuchen quantitative mit qualitativen Messkriterien zu verbinden. Ziel sind mögliche Diversifikationsklassen, denen die Unternehmungen zugeordnet werden können. Die Entwicklung diskret-kategorialer Ansätze wurde durch Wrigley und Rumelt geprägt (vgl. Tab. 2; Wrigley, L. 1970; Rumelt, R. P. 1974).
Diversifikation
Tab. 2: Auswahl häufig verwendeter diskret-kategorialer Messansätze
Durch Hinzufügen, Zusammenfassen, Weglassen oder Neuordnen von Messkriterien entstehen immer differenziertere Klassen. In 12 Studien, die sich direkt auf Rumelts Kategorienschema beziehen, konnten bereits 8 verschiedene Klassenzusammenstellungen gefunden werden (Schüle, F. 1992).
Die dargestellten Messansätze sind hinsichtlich ihrer Anwendbarkeit und Aussagefähigkeit mit einer Reihe von Problemen behaftet. Ein Messansatz, der allen wirtschaftlichen Anforderungen Rechnung trägt, dürfte schwierig zu entwickeln sein.

VI. Synergieeffekte durch Diversifikation


Der Erfolg einer Diversifikation wird häufig im Zusammenhang mit Synergieeffekten gesehen (Ansoff, H. I. 1965; Kitching, J. 1967; Welge, M. K. 1976). Das zu erwartende Synergiepotenzial hängt davon ab, ob die Unternehmung in einen Produkt-Markt-Bereich diversifiziert, der optimal an vorhandene Unternehmensstärken und Wettbewerbsvorteile anknüpft und dadurch zu Verbundeffekten  (Economies of Scope) und/oder Größenvorteilen (Economies of Scale) führt (Baumol, W. J./Panzar, J. C./Willig, R. 1982). je enger die Bezüge zum angestammten Geschäft (Verwandtschaftsgrad der Geschäftsfelder), desto höher sind die zu erwartenden Synergieeffekte. Bei lateraler (oder konglomerater) Diversifikation wird dagegen bewusst weitgehend auf Synergien verzichtet.
Empirische Untersuchungen weisen einen positiven Einfluss der Nutzung von Synergiepotenzialen auf den Diversifikationserfolg nach (u.a. Porter, M. E. 1987). Andererseits lassen die Befunde darauf schließen, dass das Synergiepotenzial häufig überschätzt wird (Jacobs, S. 1992). Die konkrete Verwirklichung der Diversifikation ist mit nicht unbeträchtlichen zeitlichen, organisatorischen und finanziellen Aufwendungen für die Unternehmung verbunden, die potenzielle Synergievorteile übersteigen und in deren Folge gewünschte positive Effekte ausbleiben können (Schüle, F. 1992). Diversifikationsstrategien können Synergiepotenziale auf verschiedenen Gebieten erschließen:

1.

Synergien im Management und in der Organisation können aus der Übertragung von Führungserfahrungen und der besseren Auslastung von Managementkapazitäten sowie der Übernahme von erfolgreichen Organisationslösungen (Porter, M. E. 1992) resultieren.

2.

Synergien im Beschaffungs-, Produktions- und Absatzbereich entstehen z.B. durch den zentralen Einkauf größerer Liefermengen zu günstigen Preisen und Zahlungsbedingungen. Durch gemeinsame Nutzung von Transport-, Lager-, Beschaffungs-, Produktions-, Vertriebs- und Servicekapazitäten ergeben sich langfristig Kostenvorteile für das diversifizierte Produktionsprogramm im Vergleich zur getrennten Herstellung (Baumol, W. J./Panzar, J. C./Willig, R. D. 1982; Porter, M. E. 1992; Sontheimer, B. 1989).

3.

Synergien im Forschungs- und Entwicklungsbereich und im Technologiemanagement können insb. bei risikoreichen Innovationsprojekten durch Know-how-Austausch, bessere Auslastung von Forschungs- und Entwicklungskapazitäten und Vermeidung von Doppelinvestitionen in Forschungs- und Entwicklungsausstattungen entstehen (Porter, M. E. 1992; Sontheimer, B. 1989).

4.

Finanzwirtschaftliche Synergien können mit der Investition von Mittelüberschüssen aus bisherigen in neue, wachstumsversprechende Produkt-Markt-Bereiche erschlossen werden. Es wird eingeschätzt, dass sie am einfachsten zu erschließen sind, bei allerdings vergleichsweise geringem Synergiepotenzial (Kitching, J. 1967).


Ein ebenfalls zu beachtender Aspekt bei der Bewertung von potenziellen Synergieeffekten ist der Zeitpunkt des Eintritts der Synergien (Ropella, W. 1989; Reißner, S. 1992). Im Anfangsstadium der Diversifikation stehen finanziellen Synergien häufig organisatorische Dyssynergien gegenüber. Erst wenn diese organisatorischen Startprobleme überwunden werden, stellen sich die erwarteten positiven Wirkungen ein. Eine möglichst frühzeitige und umfassende Integration und Koordination der Aktivitäten trägt zur raschen Nutzung von Synergiepotenzialen bei (Bühner, R. 1993a).

VII. Risiken der Diversifikationsstrategie


Das unternehmerische Bestreben, einerseits Risikoreduktion durch Ausgleich von strukturell, konjunkturell oder saisonal bedingten Nachfrageschwankungen in einzelnen Geschäftsfeldern mittels Diversifikation zu erreichen, ist andererseits mit einem erhöhten Eintrittsrisiko in den neuen Produkt-Markt-Bereichen verbunden. Wenn die Chance einer echten Risikostreuung meist mit zunehmender Entfernung vom Kernprogramm steigt (Arbeitskreis »Diversifizierung« der Schmalenbach-Gesellschaft, 1973), so nimmt andererseits das Eintrittsrisiko tendenziell zu (Jacobs, S. 1992). In Abhängigkeit von der konkreten Diversifikationsform sowie von der Entwicklung der situativen Bedingungen birgt eine Diversifikationsstrategie das Risiko einer verminderten Leistungsfähigkeit des Unternehmens insgesamt durch »Verzettelung« der Kräfte. Das kann zu Einbußen in angestammten Geschäftsfeldern, zu überproportional steigenden Kosten im neuen Produkt-Markt-Bereich, zu Organisations- und Führungsproblemen sowie zu Schwierigkeiten bei der Realisierung von Synergieeffekten und Problemen bei der Harmonisierung der Unternehmenskulturen führen (Göttelmann, M. 1969; Böhnke, R. 1976; Jacobs, S. 1992). Insofern ist es kaum verwunderlich, dass die Untersuchung von Rendite- und Risikowirkungen der Diversifikation einen Schwerpunkt der empirischen Forschung darstellt (Brockhoff, K. 1993). Die zahlreichen empirischen Befunde wurden inzwischen in Meta-Analysen zusammengefasst (Capon, N./Farley, J. U./Hoenig, S. 1990; Schüle, F. 1992). Es wird deutlich, wie sowohl ein positiver als auch ein negativer Zusammenhang zwischen Diversifikation und Unternehmenserfolg attestiert werden kann, wenngleich mit z.T. recht unterschiedlichen Methoden gemessen (Capon, N./Farley, J. U./Hoenig, S. 1990). Als besonders risikoreich konnte die laterale (oder konglomerate) Diversifikation in völlig neuartige und unverbundene Produkt-Markt-Bereiche identifiziert werden (Porter, M. E. 1987). Aus der empirischen Suche nach Erfolgsfaktoren der Diversifikation, die das Risiko des Eintritts in neue Produkt-Markt-Bereiche reduzieren können, ergibt sich eine Reihe von Schlussfolgerungen (Jacobs, S. 1992): Hinsichtlich der Rentabilität erscheint eine Diversifikation in verwandte Märkte (horizontale oder vertikale Richtung) erfolgversprechend (Rumelt, R. P. 1974) und das besonders, wenn Synergieeffekte im Bereich von Ressourcen und Know-how genutzt werden können (Salter, M. S./Weinhold, W. A. 1979).
Eine günstige Verlaufsprognose kann Diversifikationen vorausgesagt werden, die Synergieeffekte möglichst umfassend nutzen (Porter, M. E. 1992).
Die Erfolgschancen einer Diversifikationsstrategie steigen, wenn solche neuen Produkt-Markt-Felder gefunden werden, die (auch bei sachlicher Unabhängigkeit von bisherigen Geschäftsbereichen) auf den Stärken des Stammgeschäfts aufbauen (Jacobs, S. 1992). Das gilt insb. für die externe Diversifikation durch Unternehmensakquisition (Reißner, S. 1992).
Soll eine Diversifikationsstrategie erfolgreich sein, so muss sie zum richtigen Zeitpunkt erfolgen. I.d.R. sollte ein möglichst früher Eintrittszeitpunkt in neue Märkte gewählt werden, um geringe Eintrittsschranken vorzufinden und die Option zu haben, eigene Markteintrittsbarrieren gegenüber weiteren Mitbewerbern aufzubauen (Jacobs, S. 1992).
Insgesamt sind die empirischen Befunde nur sehr bedingt zur Herleitung allgemeingültiger Gestaltungsempfehlungen für die Diversifikation geeignet. Jedes einzelne Diversifikationsprojekt muss einer eigenständigen Analyse und Bewertung hinsichtlich des potenziellen Beitrags zur Erfüllung der Unternehmensziele unterzogen werden.
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Wrigley, L. : Divisionale Autonomie und Diversifikation, Boston et al. 1970

 

 


 

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