Mitbestimmungsgesetze
Inhaltsübersicht
I. Begriff und System
II. Beteiligung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat
III. Mitbestimmung auf europäischer Ebene
I. Begriff und System
Der Begriff der Mitbestimmungsgesetze (i.e.S.) bezeichnet diejenigen Gesetze des kollektiven Arbeitsrechts, die sich mit der Mitbestimmung der Arbeitnehmer auf Unternehmensebene befassen. In einem weiteren Sinne gehören zu den Mitbestimmungsgesetzen alle Kodifikationen, die die Beteiligung der Arbeitnehmer an den Entscheidungen des Arbeitgebers bzw. Unternehmers zum Gegenstand haben. Im Unterschied zum Konfliktmodell des Koalitionsrechtes ist die Mitbestimmung der Arbeitnehmer im Betrieb und Unternehmen durch zwei unterschiedliche Modelle geprägt.
Zum einen werden die Arbeitnehmerinteressen in den Betrieben durch das besondere Repräsentationsorgan Betriebsrat wahrgenommen, der an den Entscheidungen des Arbeitgebers nach dem BetrVG vom 15. Januar 1972 i.d.F. der Bekanntmachung vom 25. September 2001 mitzuwirken hat. Vergleichbare Regelungen enthalten für die Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes das BPersVG vom 15. März 1975 und die Personalvertretungsgesetze der Länder. Schwächer ausgestaltet ist die betriebsverfassungsrechtliche Beteiligung der leitenden Angestellten nach dem SprAuG vom 20. Dezember 1988.
Regelungen über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer enthalten zum anderen die Gesetze über die Unternehmensmitbestimmung. Anders als im Betriebsverfassungsrecht erfolgt die Repräsentation der Arbeitnehmer auf der Unternehmensebene nicht durch ein gesondertes Mitbestimmungsorgan. Vielmehr werden die Arbeitnehmerinteressen durch Vertreter der Arbeitnehmer in den gesellschaftsrechtlichen Organen der Unternehmen (Aufsichtsrat) wahrgenommen. Bei den mitbestimmten Unternehmen ist, unabhängig von dem für sie einschlägigen gesellschaftsrechtlichen Statut, ein Aufsichtsrat zu bilden. Das Recht der Unternehmensmitbestimmung modifiziert damit das Gesellschaftsrecht. Die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat haben dieselbe rechtliche Stellung wie die Vertreter der Anteilseigner, sodass im Rahmen der Beschlussfassung des Aufsichtsrats die Arbeitnehmerinteressen in die Entscheidungsfindung einfließen.
Das Recht der Unternehmensmitbestimmung ist in mehreren Einzelgesetzen näher geregelt. Dabei sind die Beteiligungsstrukturen unterschiedlich ausgestaltet. Die Abgrenzung der Anwendungsbereiche der verschiedenen Mitbestimmungsgesetze ist aufgrund zahlreicher Übergangs- und Beibehaltungsvorschriften teilweise schwierig. Im Mittelpunkt steht heute das Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer (MitbG) vom 4. Mai 1976. Für die Montanindustrie gelten vorrangig das Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in den Aufsichtsräten und Vorständen der Unternehmen des Bergbaus und der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie (Montan-MitbG) vom 21. Mai 1951 und das Gesetz zur Ergänzung des Montan-MitbG (Montan-MitbErgG) vom 7. August 1956. Ergänzend gilt im Saarland das Gesetz Nr. 560 über die Einführung der Mitbestimmung der Arbeitnehmer in den Aufsichtsräten und Vorständen der Unternehmen des Bergbaus und der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie vom 22. Dezember 1956. Vorschriften über die Unternehmensmitbestimmung enthalten außerdem das Gesetz über die Drittelbeteiligung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat (DrittelbG) vom 18. Mai 2004, das Gesetz zur Beibehaltung der Mitbestimmung beim Austausch von Anteilen und der Einbringung von Unternehmensteilen, die Gesellschaften verschiedener Mitgliedsstaaten betreffen (MitbBeiG) vom 23. August 1994, § 325 Abs. 1 UmwG sowie das Ratifizierungsgesetz vom 13. Mai 1957 zu dem Vertrag über deutsch-schweizerische Grenzkraftwerke.
1. Das MitbG vom 4. Mai 1976 a) Anwendungsbereich
Eine Beteiligung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat nach dem MitbG hat in allen AG, KGaA, GmbH sowie Erwerbs- und Wirtschaftsgen. zu erfolgen, die i.d.R. mehr als 2000 Arbeitnehmer beschäftigen. Die Aufzählung der Unternehmensformen ist abschließend und eine analoge Anwendung des MitbG auf andere Unternehmensformen deshalb versperrt. Unerheblich ist es für die Anwendbarkeit des MitbG, ob der Anteilsinhaber eine Person des Privatrechts oder des öffentlichen Rechts ist. Die nicht in Form einer Kapitalgesellschaft betriebenen Eigenbetriebe und Sparkassen der Gemeinden werden hingegen nicht vom MitbG erfasst. Vielfach ist aber auch für öffentlich-rechtlich organisierte Unternehmen eine Beteiligung von Arbeitnehmervertretern in den Verwaltungsräten vorgesehen (so nach den Sparkassengesetzen der Länder).
Voraussetzung für das Mitbestimmungsrecht der Arbeitnehmer nach dem MitbG ist ferner, dass das Unternehmen i.d.R. mehr als 2.000 Arbeitnehmer beschäftigt. Das ist der Fall, wenn diese Zahl von Arbeitnehmern in einem aussagekräftigen Referenzzeitraum, der die Vergangenheit des Unternehmens und seine künftige Entwicklung berücksichtigt, erreicht wird. Vorübergehende Schwankungen der Arbeitnehmerzahl beeinflussen die Anwendbarkeit des MitbG nicht. In der Rechtsprechung wird ein Referenzzeitraum von 17 bis 20 Monaten für ausreichend aber auch notwendig erachtet (OLG Düsseldorf 9. Dezember 1994 DB 1995, 277, 278).
Ist das Unternehmen persönlich haftender Gesellschafter einer KG, so sind ihm unter den Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 MitbG die Arbeitnehmer der KG zuzurechnen. Die KG selbst unterliegt jedoch nicht der Mitbestimmung. Eine Zurechnung von Arbeitnehmern erfolgt nach § 5 MitbG auch im Konzern. Die Arbeitnehmer der Konzernunternehmen werden i.d.R. dem herrschenden Unternehmen zugeschlagen, sodass auch das (u.U. arbeitnehmerlose) herrschende Unternehmen die Mindestzahl von i.d.R. mehr als 2.000 Arbeitnehmern erreicht.
Generell ausgeschlossen ist die Mitbestimmung nach dem MitbG in sog. Tendenzunternehmen und Religionsgemeinschaften sowie deren erzieherischen und karitativen Einrichtungen. Damit soll die Entfaltung der Grundrechte für Unternehmen gewährleistet werden, die politischen oder geistig-ideellen Zielen dienen. Sind die Vorschriften des Montan-MitbG oder des Montan-MitbErgG einschlägig, ist das MitbG nach § 1 Abs. 2 MitbG nicht anwendbar. Gegenüber dem BetrVG 1952 genießt es hingegen den Vorrang. b) Ausgestaltung der Mitbestimmung
Das MitbG sieht eine – zumindest formell – paritätische Beteiligung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat des Unternehmens vor. Abhängig von der Zahl der in dem Unternehmen i.d.R. beschäftigten Arbeitnehmer hat der Aufsichtsrat 12 (bis 10.000 Arbeitnehmer), 16 (mehr als 10.000 bis 20.000 Arbeitnehmer) oder 20 (mehr als 20.000 Arbeitnehmer) Mitglieder. Davon sind jeweils 50% Vertreter der Anteilseigner bzw. der Arbeitnehmer. Die Gruppe der Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer setzt sich aus vier, sechs, bzw. sieben Arbeitnehmern des Unternehmens und zwei bzw. drei Vertretern von Gewerkschaften zusammen.
Die paritätische Besetzung des Aufsichtsrats mit Vertretern der Anteilseigner und der Arbeitnehmer führt jedoch zu keinem Gleichgewicht der Vertretergruppen. Das ist Folge des in § 29 Abs. 2 MitbG normierten Zeitstimmrechtes des Vorsitzenden des Aufsichtsrats. Findet sich bei einer Abstimmung im Aufsichtsrat trotz Wiederholung keine Mehrheit, sondern besteht kontinuierlich Stimmgleichheit, zählt die Stimme des Vorsitzenden des Aufsichtsrats in der zweiten Abstimmung über denselben Gegenstand doppelt. Der Aufsichtsratsvorsitzende wird dabei im Regelfall aus der Gruppe der Anteilseigner bestellt. Das ist zwar nicht zwingend. Der Aufsichtsratsvorsitzende ist aber ebenso wie sein Stellvertreter vom Aufsichtsrat mit einer 2/3-Mehrheit zu wählen. Wird diese Mehrheit im ersten Wahlgang nicht erreicht, so wählt den Aufsichtsratsvorsitzenden in einem zweiten Wahlgang allein die Gruppe der Anteilseignervertreter. Die Gruppe der Arbeitnehmervertreter wählt entsprechend den stellvertretenden Aufsichtsratsvorsitzenden, wenn sich keine 2/3-Mehrheit im Aufsichtsrat findet. Diese Regelung schließt eine Wahl des Vorsitzenden des Aufsichtsrats gegen die Stimmen der Anteilseignervertreter aus.
Die Einführung der paritätischen Mitbestimmung durch das MitbG hat erhebliche, insb. verfassungsrechtliche Diskussionen ausgelöst. In der Mitbestimmungsentscheidung vom 1. März 1979 (BVerfGE 50, 290 ff.) hat das BVerfG das MitbG – soweit angegriffen – jedoch mit den Art. 12, 14 und 9 Abs. 3 GG für vereinbar erklärt. c) Die Wahl der Aufsichtsratsmitglieder
Die Aufsichtsratsmitglieder der Anteilseigner werden durch das nach Gesetz, Satzung, Gesellschaftsvertrag oder Statut zur Wahl von Mitgliedern des Aufsichtsrats berufene Organ (Wahlorgan) bestellt. Das ist regelmäßig die Versammlung der Anteilseigner.
Die Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer werden von den Arbeitnehmern des Unternehmens in mittelbarer oder unmittelbarer Verhältnis- oder Mehrheitswahl nach den §§ 8 ff. MitbG gewählt. Näheres regeln die Erste bis Dritte Wahlordnung zum MitbG vom 27. Mai 2002. Eine unmittelbare Wahl findet in Unternehmen mit nicht mehr als 8.000 Arbeitnehmern statt, sofern die Arbeitnehmer sich nicht zur Durchführung einer mittelbaren Wahl entschließen. In den übrigen Fällen werden die Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer durch von den Arbeitnehmern gewählte Delegierte gewählt. Die Wahl findet als getrennte Gruppenwahl statt. Die Arbeitnehmer und leitenden Angestellten wählen also jeweils ihre Vertreter im Aufsichtsrat.
Die Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer werden aufgrund von Wahlvorschlägen gewählt. Vorschlagsberechtigt sind für die unternehmensangehörigen Aufsichtsratsmitglieder getrennt nach Gruppen die Arbeitnehmer und die leitenden Angestellten des Unternehmens. Die Vertreter der Gewerkschaften werden von den im Unternehmen vertretenen Gewerkschaften vorgeschlagen, aber von den Arbeitnehmern gewählt. d) Auswirkung der Beteiligung von Arbeitnehmervertretern im Aufsichtsrat
Die Vertreter der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat sind gleichberechtigte Aufsichtsratsmitglieder. Sie wirken an den Entscheidungen des Aufsichtsrats uneingeschränkt mit. Die innere Ordnung, die Beschlussfassung sowie die Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats bestimmen sich nach den einschlägigen gesellschaftsrechtlichen Vorschriften des AktG bzw. GenG, sofern das MitbG keine abweichenden Regelungen trifft. Für die mitbestimmte GmbH sind nach § 25 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 MitbG die Vorschriften des AktG entsprechend anwendbar.
Eine der wichtigsten Aufgaben des Aufsichtsrats ist die Bestellung der Mitglieder des zur gesetzlichen Vertretung des Unternehmens befugten Organs (Vorstand, Geschäftsführung) und ihr Widerruf. Die Bestellung und der Widerruf haben nach § 31 Abs. 2 MitbG mit einer Mehrheit von 2/3 zu erfolgen. Damit können die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat unmittelbaren Einfluss auf die Zusammensetzung des Vertretungsorgans des Unternehmens nehmen. Kommt eine 2/3-Mehrheit nicht zustande und wird in einem zweiten Wahlgang auch keine einfache Mehrheit erreicht, hat der Aufsichtsratsvorsitzende im dritten Wahlgang wiederum zwei Stimmen (§ 31 Abs. 4 MitbG).
Die Zusammensetzung des zur gesetzlichen Vertretung des Unternehmens befugten Organs richtet sich grundsätzlich nach den einschlägigen gesellschaftsrechtlichen Bestimmungen. Eine Abweichung enthält § 33 MitbG. Danach ist – außer bei der KGaA – als gleichberechtigtes Mitglied des Vertretungsorgans zwingend ein Arbeitsdirektor zu bestellen. Der Arbeitsdirektor hat wie die übrigen Mitglieder des Vertretungsorgans seine Aufgaben im engsten Einvernehmen mit dem Gesamtorgan auszuführen. Entsprechend der Entstehungsgeschichte des § 33 MitbG handelt es sich bei dem Arbeitsdirektor um das Mitglied des Vertretungsorgans der Gesellschaft, das vorrangig mit Personal- und Sozialangelegenheiten befasst ist. Dem Arbeitsdirektor muss zwar nicht die Alleinzuständigkeit im Personal- und Sozialressort übertragen werden. Der Mindestzuständigkeitsbereich muss aber alle Angelegenheiten umfassen, deren Fehlen in einem nicht mitbestimmten Unternehmen den Eindruck erwecken würde, dass das Amt des Personal- und Sozialdirektors entwertet ist. Die Person des zu wählenden Arbeitsdirektors wird weder von den Arbeitnehmern des Unternehmens noch von den Arbeitnehmervertretern im Aufsichtsrat vorgeschlagen. Letztere haben bei der Bestellung nach § 31 MitbG auch kein Veto-Recht. Ebensowenig ist der Arbeitsdirektor vom besonderen Vertrauen der Arbeitnehmer abhängig. Dennoch wird im Unternehmensinteresse die Bestellung des Arbeitsdirektors kaum gegen den ausdrücklichen Widerstand der Arbeitnehmer des Unternehmens erfolgen.
Die Repräsentation der Arbeitnehmerinteressen in dem durch den mitbestimmten Aufsichtsrat bestellten Vertretungsorgan des Unternehmens ist jedoch unvollkommen ausgestaltet. Anders als der Vorstand der AG führt der Vorstand der Gen. und der Geschäftsführer der GmbH die Geschäfte nicht in eigener Verantwortung. Die Geschäftsführer der mitbestimmten GmbH bleiben vielmehr an die Beschränkungen des Gesellschaftsvertrages und an die Gesellschafterbeschlüsse gebunden. Auch der Vorstand der Gen. hat die Beschränkungen durch das Statut zu beachten.
2. Das Montan-MitbG vom 21. Mai 1951 a) Bedeutung der Montan-Mitbestimmung
Die Mitbestimmung in Unternehmen der Montanindustrie war nach dem 2. Weltkrieg der Ausgangspunkt der Bundesgesetzgebung zur Unternehmensmitbestimmung. Heute spielt die Montan-Mitbestimmung nur noch eine untergeordnete Rolle. Die Zahl der nach dem Montan-MitbG mitbestimmten Unternehmen hatte sich bis zum Jahre 1996 von ursprünglich 105 auf 45 reduziert (vgl. Mitbestimmungskommission BT-Drucks. VI/334, S. 11; Bertelsmann Stiftung, /Hans-Böckler-Stiftung, 1998, S. 43 f.). Ursache dafür ist vor allem die schwindende Bedeutung der Montanindustrie, die durch die Nutzung anderer und neuer Energieträger und Fertigungsstoffe zunehmend zurückgedrängt wird.
Vom Anwendungsbereich des Montan-MitbErgG, das die Unternehmensmitbestimmung in den herrschenden Unternehmen der Montan-Konzerne regelt, wurden 1998 von den ursprünglich acht nur noch zwei Unternehmen erfasst. Nachdem das BVerfG in seinem Urt. vom 2. März 1999 (BVerfGE 99, 367 ff.) § 3 Abs. 2 Nr. 2 Montan-MitbErgG für unvereinbar mit Art. 3 Abs. 1 GG erklärte, war der Aufsichtsrat auch dieser Unternehmen nicht mehr nach dem Montan-MitbErgG zusammenzusetzen. Das Montan-MitbErgG hat deshalb gegenwärtig keine praktische Bedeutung. b) Anwendungsbereich
Der Anwendungsbereich des Montan-MitbG ist auf AG und GmbH beschränkt, die i.d.R. mehr als 1.000 Arbeitnehmer beschäftigen oder „ Einheitsgesellschaften “ (vgl. dazu Gesetz Nr. 27 der Alliierten Hohen Kommission vom 16. Mai 1950) sind. Darüber hinaus muss das Unternehmen ein solches der Montanindustrie i.S.d. § 1 Abs. 1 Montan-MitbG sein. Aber auch wenn in einem Unternehmen die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Montan-MitbG entfallen oder die Zahl der Arbeitnehmer dauerhaft unter 1.000 Arbeitnehmer sinkt, scheidet das Unternehmen nicht sofort aus dem Anwendungsbereich des Montan-MitbG aus. Nach § 1 Abs. 3 Montan-MitbG ist das Montan-MitbG erst dann nicht mehr anwendbar, wenn eine der Voraussetzungen in sechs aufeinanderfolgenden Geschäftsjahren nicht mehr vorgelegen hat. c) Ausgestaltung der Mitbestimmung
Der zu bildende Aufsichtsrat hat grundsätzlich 11 Mitglieder. Abhängig vom Nennkapital der Gesellschaft können Satzung oder Gesellschaftsvertrag die Zahl der Aufsichtsratsmitglieder auf 15 bzw. 21 erhöhen (§ 9 Montan-MitbG). Der elfköpfige Aufsichtsrat ist aus vier Vertretern der Anteilseigner und einem weiteren Mitglied (§ 4 Abs. 1 Buchst. a Montan-MitbG), vier Vertretern der Arbeitnehmer und einem weiteren Mitglied (§ 4 Abs. 1 Buchst. b Montan-MitbG) sowie einem weiteren Mitglied (§ 4 Abs. 1 Buchst. c Montan-MitbG) zusammengesetzt. Die weiteren Mitglieder sollen neutral sein. Sie dürfen deshalb weder eine Koalition repräsentieren noch im letzten Jahr vor der Wahl Anteilseigner gewesen noch in dem Unternehmen als Arbeitnehmer oder Arbeitgeber tätig oder sonst an dem Unternehmen wirtschaftlich interessiert sein. Durch die ungerade Zahl der Aufsichtsratsmitglieder ist die Mehrheitsbildung im Aufsichtsrat grundsätzlich gewährleistet. Eine Zweitstimme des Aufsichtsratsvorsitzenden kennt das Montan-MitbG i.Geg. zum MitbG deshalb nicht. d) Die Wahl der Aufsichtsratsmitglieder
Die Vertreter der Anteilseigner im Aufsichtsrat und ein weiteres Mitglied werden durch das nach Gesetz, Satzung oder Gesellschaftsvertrag zur Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern berufene Organ (Wahlorgan) gewählt. Die Vertreter der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat und ein weiteres Mitglied werden anders als nach dem MitbG nicht unmittelbar oder mittelbar von den Arbeitnehmern des Unternehmens, sondern zunächst durch die Betriebsräte nach § 6 Montan-MitbG gewählt und dem Wahlorgan vorgeschlagen. Unter den Aufsichtsratsmitgliedern der Arbeitnehmer müssen sich zwei Arbeitnehmer befinden, die in einem Betrieb des Unternehmens beschäftigt sind. Vorgeschlagen werden Letztere durch die Betriebsräte der Betriebe des Unternehmens nach Beratung mit den in den Betrieben des Unternehmens vertretenen Gewerkschaften und Spitzenorganisationen. Die anderen beiden Arbeitnehmervertreter sowie das weitere Mitglied werden von den Spitzenorganisationen nach vorheriger Beratung mit den im Betrieb vertretenen Gewerkschaften und den Betriebsräten vorgeschlagen und von Letzteren gewählt.
Das weitere Mitglied des Aufsichtsrats i.S.v. § 4 Abs. 1 Buchst. c Montan-MitbG wird nach § 8 Abs. 1 Montan-MitbG durch das Wahlorgan auf Vorschlag der übrigen Aufsichtsratsmitglieder gewählt. Den Vorschlag beschließen die Aufsichtsratsmitglieder mit Mehrheit aller Stimmen. Es bedarf jedoch der Zustimmung von mindestens je drei Mitgliedern der Vertreter der Anteilseigner und des weiteren Mitglieds bzw. der Vertreter der Arbeitnehmer und des weiteren Mitglieds. Kann sich der Aufsichtsrat auf keinen Vorschlag einigen oder wird die vorgeschlagene Person vom Wahlorgan nicht gewählt, wird ein Vermittlungsausschuss eingeschaltet, der dem Wahlorgan drei Personen zur Wahl vorschlägt. Das Wahlorgan kann die Wahl einer der drei vorgeschlagenen Personen nur aus wichtigen, gerichtlich nachprüfbaren Gründen ablehnen. Erfolgt die Ablehnung berechtigt, hat der Vermittlungsausschuss drei weitere Personen vorzuschlagen. Lehnt das Wahlorgan die Wahl auch einer dieser Personen berechtigt ab, wählt es von sich aus das weitere Mitglied. War die Ablehnung unberechtigt, muss das Wahlorgan eine der vorgeschlagenen Personen wählen. Diese differenzierte Ausgestaltung des Verfahrens zur Wahl des weiteren Mitglieds verdeutlicht die Wichtigkeit, die der Gesetzgeber der Neutralität dieser Person im Aufsichtsrat beimisst. Das weitere Mitglied soll das Vertrauen sowohl der Arbeitnehmervertreter als auch der Anteilseignervertreter genießen. e) Auswirkung der Beteiligung von Arbeitnehmervertretern im Aufsichtsrat
Alle Vertreter im Aufsichtsrat sind vollwertige und gleichberechtigte Aufsichtsratsmitglieder. Zentrale Aufgabe des Aufsichtsrats ist auch nach dem Montan-MitbG die Bestellung der Mitglieder des zur gesetzlichen Vertretung berufenen Organs und ihr Widerruf. Anders als nach § 31 Abs. 2 MitbG ist zu ihrer Bestellung keine 2/3-Mehrheit im Aufsichtsrat erforderlich. Vielmehr reicht eine einfache Mehrheit aus. Damit können die Mitglieder des Vertretungsorgans der Gesellschaft auch gegen die Stimmen der Anteilseigner- bzw. Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat gewählt werden. Eine Sonderregelung enthält § 13 Montan-MitbG. Anders als die sonstigen Mitglieder des Vertretungsorgans des Unternehmens kann der auch nach dem Montan-MitbG zu bestellende Arbeitsdirektor nicht gegen die Stimmen der Mehrheit der an der Abstimmung teilnehmenden Vertreter der Arbeitnehmer und dem weiteren Mitglied i.S.v. § 4 Abs. 1 Buchst. b Montan-MitbG bestellt werden.
3. Das DrittelbG vom 18. Mai 2004
Nach den zunächst fortgeltenden §§ 76 bis 77a, 81, 85 und 87 BetrVG 1952, die im Jahre 2004 durch das DrittelbG abgelöst wurden, besteht in allen AG und KGaA, die mindestens 500 Arbeitnehmer beschäftigen und in allen GmbH, Versicherungsvereinen auf Gegenseitigkeit und Erwerbs- sowie Wirtschaftsgen., die mehr als 500 Arbeitnehmer beschäftigen, ein Mitbestimmungsrecht der Arbeitnehmer. Die Mindestarbeitnehmerzahl als Voraussetzung für die Anwendung des DrittelbG auf AG und KGaA wurde erst im Jahre 1994 eingeführt. Davor bestand des Mitbestimmungsrecht unabhängig von einer bestimmten Arbeitnehmerzahl, sofern es sich um keine Familiengesellschaften handelte und das Unternehmen überhaupt Arbeitnehmer beschäftigte. Diese Rechtslage erhält § 1 Abs. 1 Nr. 1 für die vor dem 10. August 1994 eingetragenen AG und KGaA aufrecht. Von der Unternehmensmitbestimmung nach dem DrittelbG generell ausgenommen sind sog. Tendenzunternehmen und Religionsgemeinschaften sowie deren karitative und erzieherische Einrichtungen (§ 1 Abs. 2 DrittelbG).
In den von dem DrittelbG erfassten Unternehmen ist ein Aufsichtsrat zu bilden, der zu 1/3 aus Vertretern der Arbeitnehmer bestehen muss. Eine Ausnahme gilt nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 DrittelbG für kleinere Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit (zum Begriff siehe § 53 Versicherungsaufsichtsgesetz), in denen kein Aufsichtsrat gebildet wurde. Die Vertreter der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat sind aufgrund von Vorschlägen der Betriebsräte und Arbeitnehmer von den Arbeitnehmern des Unternehmens zu wählen. Ist nur ein Arbeitnehmervertreter zu wählen, so muss er in einem Betrieb des Unternehmens beschäftigt sein. Das Wahlverfahren ist in der Wahlordnung vom 23. Juni 2004 näher geregelt.
Die Rechte und Pflichten des mitbestimmten Aufsichtsrats bestimmen sich nach den unmittelbar oder für entsprechend anwendbar erklärten Vorschriften des Gesellschaftsrechts, insb. des AktG. Die Bestellung eines Arbeitsdirektors sieht das DrittelbG nicht vor. Auch ist der mitbestimmte Aufsichtsrat nicht generell für die Bestellung des gesetzlichen Vertretungsorgans des Unternehmens zuständig. Es verbleibt vielmehr bei den einschlägigen gesellschaftsrechtlichen Vorschriften. Die Geschäftsführer der GmbH werden deshalb durch die Gesellschafterversammlung bestellt.
Das DrittelbG ist subsidiär. Es tritt zurück, wenn das Unternehmen der Mitbestimmung nach einem anderen Gesetz über die Unternehmensmitbestimmung unterliegt.
4. Mitbestimmungsbeibehaltung
Entfallen bei einem Unternehmen die Voraussetzungen für die Anwendung des jeweiligen Mitbestimmungsstatuts, so wäre der Aufsichtsrat des betreffenden Unternehmens an sich neu und ohne Beteiligung von Arbeitnehmervertretern zu bestellen. Das Ausscheiden von Unternehmen aus der Unternehmensmitbestimmung hat der Gesetzgeber jedoch durch zahlreiche Mitbestimmungsbeibehaltungsvorschriften verhindert bzw. zeitlich verzögert. Bezweckt wird dadurch die Sicherung des einmal erreichten Mitbestimmungsstatus zugunsten der Arbeitnehmer.
Mitbestimmungsbeibehaltungsvorschriften für den Bereich der Montan-Mitbestimmung enthalten die §§ 1 Abs. 3 Montan-MitbG, 16 Abs. 2 Montan-MitbErgG. Eine die Anwendung sämtlicher Unternehmensmitbestimmungsgesetze betreffende Gefährdung entstand im Zusammenhang mit der Novellierung des UmwG und des Umwandlungssteuergesetzes (UmwStG). Mit dem Inkrafttreten des Umwandlungsrechtsbereinigungsgesetzes und des novellierten UmwStG zum 1. Januar 1995 wurde die Umstrukturierung der Unternehmen erleichtert und kostengünstiger. Neue Umwandlungsmöglichkeiten wurden eröffnet und grenzüberschreitende Umstrukturierungen steuerlich begünstigt.
Um der Flucht aus der Unternehmensmitbestimmung durch gesellschaftsrechtliche Umstrukturierungen entgegenzuwirken, nahm der Gesetzgeber die Mitbestimmungsbeibehaltungsvorschrift des § 325 Abs. 1 in das UmwG auf und schuf zudem das Mitbestimmungsbeibehaltungsgesetz (MitbBeiG) vom 23. August 1994. Das MitbBeiG erfasst nur grenzüberschreitende Umstrukturierungen und geht auf Art. 11 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 90/434/EWG vom 23. Juli 1990 über das gemeinsame Steuersystem für Fusionen, Spaltungen, die Einbringung von Unternehmensanteilen und den Austausch von Anteilen, die verschiedene Mitgliedstaaten betreffen (sog. Fusionsrichtlinie) zurück.
III. Mitbestimmung auf europäischer Ebene
Auf der Betriebsebene ist zur Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer in gemeinschaftsweit tätigen Unternehmen und Unternehmensgruppen die Errichtung Europäischer Betriebsräte oder die Regelung von Verfahren zur Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer vorgesehen. Näheres regelt das Gesetz über Europäische Betriebsräte vom 28. Oktober 1996, das auf die Richtlinie 94/45/EG zurückgeht.
Die Beteiligung von Arbeitnehmervertretern in den Organen gemeinschaftsweit tätiger Unternehmen und Unternehmensgruppen ist im europäischen Recht nicht allgemein geregelt. Auch findet das deutsche Recht der Unternehmensmitbestimmung in den meisten Rechtsordnungen der übrigen Mitgliedstaaten der EU keine vergleichbaren Institute. Nicht zuletzt der Streit über die Frage der Unternehmensmitbestimmung führte in den vergangenen Jahrzehnten zum mehrfachen Scheitern der Bemühungen um die Schaffung einer Unternehmensform des europäischen Rechts, der Europäischen Aktiengesellschaft (Societas Europaea, SE). Am 8. Oktober 2001 wurde durch den Europäischen Rat die VO über das Statut der Europäischen Gesellschaft – VO (EG) Nr. 2157/2001 – und die Richtlinie 2001/86/EG zur Ergänzung des Statuts der Europäischen Gesellschaft hinsichtlich der Beteiligung der Arbeitnehmer verabschiedet. Die VO (EG) Nr. 2157/2001 trat zum 8. Oktober 2004 in Kraft. Ab diesem Zeitpunkt kann unter bestimmten Voraussetzungen durch Neugründung, Verschmelzung und Umwandlung eine SE gegründet werden. Die aus Sicht der Unternehmensmitbestimmung bedeutsamen Bestimmungen der Richtlinie 2001/86/EG sind durch das SE-Beteiligungsgesetz (SEBG) vom 22. Dezember 2004 umgesetzt worden.
Nach dem SEBG sollen Art und Umfang der Beteiligung der Arbeitnehmer in der SE vorrangig zwischen den zuständigen Organen der an der Bildung der SE beteiligten Gesellschaften und einem besonderen Verhandlungsgremium vereinbart und inhaltlich ausgestaltet werden. Das besondere Verhandlungsgremium besteht aus Vertretern der von der Bildung der SE betroffenen Arbeitnehmer. Die Vereinbarung über die Beteiligung der Arbeitnehmer in der SE bezieht sich sowohl auf die Bildung eines Vertretungsorgans der Arbeitnehmer der SE, dem Unterrichtungs- und Anhörungsrechte eingeräumt werden können, als auch auf die Beteiligung von Arbeitnehmern in den Aufsichts- und Verwaltungsorganen der SE.
Kommt eine Vereinbarung nicht zustande, so richtet sich die Beteiligung der Arbeitnehmer in der SE – sofern die zuständigen Organe der Gesellschaft dem zustimmen – nach einer durch die Mitgliedsstaaten näher ausgestalteten Auffangregelung. Diese sehen die Bildung eines Vertretungsorgans vor, das ausschließlich über Anhörungs- und Unterrichtungsrechte, nicht aber über Mitbestimmungsrechte verfügt. Die Mitbestimmung der Arbeitnehmer durch die Beteiligung von Vertretern im Verwaltungs- bzw. Aufsichtsorgan der SE wird nur in bestimmten Fällen möglich sein. Kommt keine Vereinbarung mit dem besonderen Verhandlungsgremium zustande und stimmen die zuständigen Organe der beteiligten Gesellschaften der Anwendung der Auffangregelung auch nicht zu, kann die SE nicht eingetragen werden und damit nicht entstehen.
Die Vorschriften über die Beteiligung der Arbeitnehmer in der SE verdrängen diejenigen über die Bildung eines Europäischen Betriebsrats sowie die nationalen Kodifikationen über die Unternehmensmitbestimmung. Die deutschen betriebsverfassungsrechtlichen Vorschriften können dagegen auf Betriebe einer SE mit Sitz in Deutschland Anwendung finden.
Literatur:
Bertelsmann Stiftung, /Hans-Böckler-Stiftung, : Mitbestimmung und neue Unternehmenskulturen – Bilanz und Perspektiven: Bericht der Kommission Mitbestimmung, Gütersloh 1998
Wißmann, H. : Vertretung der Arbeitnehmer in Unternehmensorganen, in: Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, hrsg. v. Richardi, R./Wlotzke, O., 2. A., München 2000, S. 1982 – 2105
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