Unternehmenskultur
Inhaltsübersicht
I. Einordnung
II. Modelle
III. Paradigmen
IV. Kulturwirkung
V. Spezielle Einsatzbereiche
VI. Perspektiven
I. Einordnung
1. Begriffliche Klärung
Unternehmenskultur (Corporate Culture) als unternehmensbezogener Ausdruck für das allgemeine Konstrukt „ Organisationskultur “ (Organizational Culture) ist das implizite Bewusstsein eines Unternehmens, das sich aus dem Verhalten der Organisationsmitglieder ergibt und das über akzeptierte Normen sowie internalisierte Werte dieses Verhalten beeinflusst. Diese Definition ist Grundlage der meisten Arbeiten zur Unternehmenskultur (Pettigrew, Andrew 1979; Jelinek, Mariann/Smircich, Linda/Hirsch, Paul 1983; Schein, Edgar H. 1985; Macharzina, Klaus/Wolf, Joachim 2005). Die Dualität (Scholz, Christian 1987a) aus Sichtbarem und Unsichtbarem hat nichts zu tun mit „ Hochkultur “ oder Humanisierung der Arbeit. Sie ist auch abzugrenzen zum einen von der Unternehmensidentität (Corporate Identity), bei der es vor allem um die einheitliche Gestaltung des externen und internen Erscheinungsbildes geht, zum anderen vom Betriebsklima, das kurzfristiger angelegt einen aktuellen Gefühlszustand der Unternehmensmitglieder ausdrückt.
2. Historische Entwicklung
Sieht man von Vorläufern wie den Betriebsgemeinschaften (Nicklisch, Heinrich 1922) ab, so durchlief die Unternehmenskulturdiskussion in der Betriebswirtschaftslehre bisher drei historische Phasen:
In der klassischen Betriebswirtschaftslehre von Gutenberg, Erich/ bis Wöhe, Günter kommt das Wort „ Unternehmenskultur “ weder explizit noch implizit vor. Diese Phase der Kulturignoranz war geprägt vom Leitbild des Unternehmens als Mechanismus und Uhrwerk.
In den 1980er-Jahren beginnt mit den Excellence-Studien die Suche nach Erfolgsfaktoren, die über die bisher bekannten Steuerungsgrößen aus Finanzierung – Beschaffung – Produktion – Absatz hinausgehend den Erfolg von Unternehmen beeinflussen könnten (Peters, Thomas/Watermann, Robert H. 1982). In dieser Phase der Kultureuphorie ging man vor allem in der (beratergeprägten) Praxis von der Machbarkeit der Kultur aus (Meyerson, Debra/Martin, Joanne 1987). Dagegen gab es in der Wissenschaft eine Kulturrelativierung (Ebers, Mark 1985).
In den 1990er-Jahren gab es zwei parallele Entwicklungen: In der Praxis und in Managerzeitschriften fand eine Kulturtrivialisierung statt, bei der man Unternehmenskultur weitgehend auf Äußerlichkeiten wie Slogans und Büroausstattungen reduzierte. In der Forschung häuften sich als Phase der Kulturproblematisierung die Erkenntnisse, wonach Unternehmenskultur als unerklärbare Restgröße in ihrer Dynamik nur schwer fassbar ist (Hatch, Mary Jo 1993).
Nach dem Zusammenbruch der New Economy beginnt eine neue Phase des Kulturrealismus. Die Veränderung der Arbeitswelt in Richtung auf neue Arbeitsformen und auf veränderte soziale Kontrakte führt zu einer Abkehr vom Kulturmanagement und einer Hinwendung zum Management des Kulturverstehens.
II. Modelle
1. Konzeptionell: Kulturebenen
Unternehmenskultur erschließt sich dem Betrachter und Gestalter als ein über mehrere Ebenen abgeschichtetes Konstrukt. Das wichtigste Modell der Kulturforschung ist das 3-Ebenen-Modell von Schein (Schein, Edgar H. 1985):
Auf der obersten Ebene zeigt sich die Kultur in künstlich geschaffenen Objekten und Verhaltensweisen (Artefakten) wie Gebäudearchitektur, Bürogestaltung, Bekleidungsvorschriften und Zeremonien, die sichtbar und/oder hörbar direkt zu erfassen sind. Die Verhaltensmerkmale äußern sich in bestimmten Riten, Mythen und Slogans und lassen sich sogar in Witzen mit konkretem Organisationsbezug lokalisieren.
Auf der mittleren Ebene liegen emotional „ angenommene “ Werte und dauerhaft „ internalisierte “ Normen. Sie beziehen sich auf die im Laufe der Zeit entstandene Werte-Mischung und steuern zumindest teilweise das Verhalten der Organisationsmitglieder.
Auf der unteren Ebene befinden sich die Grundannahmen der Unternehmensmitglieder, beispielsweise ihre Beziehungen zur Umwelt oder hinsichtlich der Basis von menschlichen Aktivitäten. Diese dauerhaft kaum noch diskutierten und langfristig konstanten Auffassungen haben den größten Einfluss auf das Verhalten der Organisationsmitglieder.
2. Qualitativ: Kulturtypologien
Deal und Kennedy (Deal, Terence E./Kennedy, Allan A. 1982) wollen die Frage nach qualitativ unterschiedlichen Kulturarten beantworten und präsentieren eine Klassifikation, die auf zwei Faktoren basiert: auf dem Risiko, das mit einer Entscheidung verbunden ist, sowie auf der Verzögerung, mit der ein Feedback auf die Aktion eintritt. Die Zusammenführung der beiden Dimensionen führt zu vier Kulturarten: die „ Harte Arbeit/Viel Spaß-Kultur “ (rasches Feedback, geringes Risiko), die „ Macho-Kultur “ (rasches Feedback, hohes Risiko), die „ Prozess-Kultur “ (spätes Feedback, geringes Risiko) und die „ Großprojekt-Kultur “ (spätes Feedback, hohes Risiko). Jede dieser Kulturarten hat ihre eigenen Rituale und Symbole und vor allem Spielregeln.
Ansoff (Ansoff, Igor 1979) entwickelte eine Klassifikation von Kulturen in Abhängigkeit von ihrem Zeitbezug, die von stabil und reaktiv über antizipierend und explorativ bis hin zu kreativ führt. Handy (Handy, Charles B. 1993) unterscheidet Kulturen nach der Form interner Strukturierung und kommt zur Machtkultur, Rollenkultur, Aufgabenkultur und Personenkultur. Pümpin, Kobi und Wüthrich (Pümpin, Cuno/Kobi, Jean-Marcel/Wüthrich, Hans A. 1985) differenzieren ihre Unternehmenskulturen nach den jeweils dominierenden Kulturwerten hinsichtlich Kunden-, Mitarbeiter-, Resultats-, Innovations-, Kosten-, Unternehmens- und Technologieorientierung. Ein etwas neuerer Vorschlag stammt von Frey und Schuster (Frey, Dieter/Schuster, Beate 1996): sie klassifizieren Kulturen nach Problemlösungskultur, Lernkultur, konstruktive Konfliktkultur, schöpferische Chaos-Kultur, Hedonismus- und Komfortzonenkultur sowie Zivilcouragekultur.
Die meisten dieser Kulturarten sind plausibilitätsgestützt entwickelt. Aus empirischen Studien zur Unternehmenskultur und dem Einfluss auf die Effektivität stammen die Vorschläge von Denison (Denison, Daniel R. 1990) zur Einteilung in Anpassungskultur, Einbindungskultur, Missionskultur und Konsistenzkultur.
3. Quantitativ: Kulturstärke
Unter Kulturstärke versteht man das Ausmaß, in dem die Organisationsmitglieder Normen und Werte teilen. Fasst man die verschiedenen Kriterien zusammen, die als markant für starke Kulturen gesehen werden, so führt dies zu drei Merkmalen (Schreyögg, Georg 1999): (1) Prägnanz und Umfang als Klarheit der vermittelten Zielvorstellung und als Breite der erklärten Situationen, (2) Verbreitungsgrad als Zahl der Mitarbeiter, die sich in ihrem Handeln von der Unternehmenskultur leiten lassen und (3) Verbreitungstiefe als tatsächliche Beeinflussung des Handelns der Organisationsmitglieder.
Da sich allerdings zwangsläufig die Frage der empirischen Erhebbarkeit stellt, wird auf Indikatoren zurückgegriffen, wie zum Beispiel einheitlich erzählte Geschichten und eine klar ausgeprägte Symbolik.
Gerade diese „ starke “ Unternehmenskultur steht im Mittelpunkt des Interesses der eher funktional ausgerichteten Kulturgestalter, da die positiven und später zu diskutierenden Vorteile einer Unternehmenskultur vor allem dann zum Tragen kommen, wenn diese Kultur extensiv verhaltenssteuernd wirkt.
III. Paradigmen
1. Grundverständnis: „ kritische Variable “ vs. „ Root Metaphor “
Seit Smircich (Smircich, Linda 1983) ist es üblich, zwischen zwei Paradigmen mit völlig unterschiedlichen Konsequenzen zu differenzieren: Auf der einen Seite steht die Sichtweise, wonach jedes Unternehmen eine Kultur „ hat “ und diese Kultur als „ kritische Variable “ ein klar bestimmbarer Teil des Unternehmens ist. Als kulturelle Concepta in einem deskriptiven Ansatz lässt sich diese Kultur beschreiben und anschließend gestalten.
Auf der anderen Seite steht die Sichtweise, wonach Organisationen keine Kultur haben, sondern sie „ sind “ Kulturen (Weick, Karl E. 1979). Die Unternehmenskultur bekommt hier den Anspruch der zentralen Basisidee zum Verstehen von Organisationen ( „ Root Metaphor “ ). Als kulturelle Percepta in einem explikativen Ansatz lässt sich also die Unternehmenskultur nicht vom Unternehmen trennen und isoliert behandeln (Scholz, Christian 2007).
2. Zugang: „ funktional “ vs. „ interpretativ “
Beim funktionalen Paradigma dominiert die Absicht, eine die Unternehmensstrategie unterstützende Unternehmenskultur zu schaffen (Crosby, Philip 1986). Dazu dienen diverse Schrittmodelle zum „ Cultural Engineering “ , die sich alle im Wesentlichen an der Ablauffolge (1) Analyse der Ist-Kultur, (2) Festlegung der Soll-Kultur, (3) Vergleich von Ist- und Soll-Kultur, (4) Veränderung der Ist-Kultur und (5) Kontrolle des Erfolges der Change-Prozesse orientieren.
Beim interpretativen Paradigma (Dandridge, Thomas/Mitroff, Ian/Joyce, William F. 1980), auch als „ Modernist Perspective “ bezeichnet (Hatch, Mary Jo 1997), wird die Machbarkeit simpler instrumenteller Kulturveränderung negiert und durch ein generelles Verstehen der Kultur ersetzt. Eine wichtige Rolle dabei spielt der Symbolismus (Frost, Peter/Morgan, Gareth 1983; Gagliardi, Pasquale 1990). Symbole spiegeln in einer oft überspitzenden Weise wider, was als prägend für die jeweilige Unternehmenskultur gilt und worauf sich die Sinn stiftenden Kulturimpulse gründen.
Auch wenn es in der Literatur (Crosby, Philip 1986) üblich ist, das Paradigma „ hat Kultur “ immer mit dem funktionalistischen Paradigma gleichzusetzen, so gibt es durchaus auch die Position, wonach zumindest begrenzt der funktional-gestalterische Ansatz auch mit dem Paradigma „ ist Kultur “ vereinbar ist.
3. Zielsetzung: „ gut “ vs. „ stimmig “
Vor allem die beraternahe Literatur zielt auf die Entwicklung einer Unternehmenskultur ab, die generell als „ gut “ bezeichnet wird. Nach diesem universalistischen Paradigma gibt es „ gute “ und „ schlechte “ Kulturen, wobei „ gute “ Kulturen unter anderem Kundenorientierung, Mitarbeiterorientierung, Kostenorientierung und Innovationsorientierung ausdrücken. Eine andere Zielsetzung verfolgt das Stimmigkeitsparadigma (Scholz, Christian 1987b): Danach gibt es nicht so etwas wie eine „ gute “ oder „ schlechte “ Kultur. Vielmehr ist ein langfristiger Wettbewerbsvorteil nur über eine Stimmigkeit zwischen Unternehmensstrategie und Unternehmenskultur zu realisieren.
IV. Kulturwirkung
1. Positive Kulturwirkungen als Chancen
Als positive Effekte einer starken Unternehmenskultur gelten folgende Wirkungen (Ulrich, Peter 1984; Schreyögg, Georg 1989): (1) Als Identifikationsfunktion schafft sie ein Zugehörigkeitsgefühl der Mitarbeiter zum Unternehmen. (2) Als Motivationsfunktion verdeutlicht sie Mitarbeitern den Sinn der Arbeit und steigert dadurch deren Leistungsbereitschaft. (3) Als Koordinationsfunktion vermittelt sie Richtlinien für das „ tägliche Verhalten “ , indem sie Handlungsabläufe festlegt und Handlungsfreiräume definiert. (4) Als Profilierungsfunktion erlaubt sie die Abgrenzung zu anderen Unternehmen.
Neben diesen primären Funktionen hat die Unternehmenskultur sekundäre Auswirkungen (Denison, Daniel R. 1990): durch geringere Fluktuationsraten und Abwesenheitsquoten führt sie zu einer Steigerung der Effektivität.
2. Negative Effekte als Bedrohungen a) Entscheidungseinengung
Hinsichtlich des Entscheidungsverhaltens lassen sich sieben negative Effekte einer starken Unternehmenskultur lokalisieren (Schreyögg, Georg 1989): (1) Sie begünstigt das Denken in Stereotypen, (2) vermeidet das Denken in Alternativen, (3) erzwingt künstliche Konformitäten, (4) behindert kreatives Problemlösen, (5) sucht Erfolgsmuster in der Vergangenheit, (6) blockiert neue Orientierungsmuster und (7) ignoriert diskrepante Rückkopplungsinformation. b) Pathologische Kulturen
Wie Menschen zeigen auch Unternehmen Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen. So gibt es Kulturpathologien und fundamentale Störungen im Unternehmen, die im Hinblick auf Übersteuerung, Überkomplizierung und Überstabilisierung an Systemvariablen ansetzen (Türk, Klaus 1976). Probleme können aber auch beim Individuum beginnen und zu unternehmenskulturellen Pathologien führen (Kets de Vries, Manfred F. R./Miller, Danny 1984). Zu nennen sind hier die paranoide Kultur, die depressive Kultur, die dramatische Kultur, die zwanghafte Kultur und die schizoide Kultur. c) „ Dunkle Kulturen “ als Gefahr
Wirtschaftlicher Druck führt zu dem, was man in Anlehnung an Lampe (Lampe, Anna C. 2002) als „ dunkle Kulturen “ bezeichnen kann. Auch der falsche Umgang mit Phänomenen wie dem Darwiportunismus (Scholz, Christian 2003) als Kombination von Darwinismus und Opportunismus führt zu einer „ dunklen Kultur “ . Deal und Kennedy (Deal, Terence E./Kennedy, Allan A. 1999) beschreiben in der Fortsetzung ihres ersten Buches „ dunkle “ Seiten aktueller Unternehmenskulturen, indem sie auf Probleme hinweisen, die Schatten auf die aktuelle Kultur der heutigen Unternehmen werfen: Ein Beispiel ist der unternehmensinterne Fokus auf den Shareholder-Value und die damit verbundene fatale Kurzfristigkeit, woraus sich eine Kultur der Verweigerung, der Angst, des Zynismus, des Egoismus und des Misstrauens ableitet.
V. Spezielle Einsatzbereiche
1. Führung und Unternehmenskultur
Die augenscheinlich höchste Relevanz kommt der Verbindung zwischen (Personal-)Führung und Unternehmenskultur zu (Siehl, Caren 1985; Kotter, John P./Heskett, James L. 1992): Bei „ Kultur als Root Metaphor “ kommt es zu einer zwangsläufigen Führung durch Unternehmenskultur, bei „ Kultur als kritische Variable “ wird funktional Unternehmenskultur durch Führung geändert, um dann ihrerseits Führungsimpulse zu generieren. Beide Paradigmen sind aber kombinierbar, weil die Beziehung zwischen Personalführung und Führungserfolg über die „ Unternehmenskultur “ läuft.
Auch der übrige Bereich des Personalmanagements weist deutliche Bezüge zur Unternehmenskultur auf: Sie beginnen bei der Personalbeschaffung und den Annahmen von Bewerbern zur Unternehmenskultur (Cable, Daniel M./Aiman-Smith, Lynda/Edwards, Jeffrey R. 2000) und gehen über die Stimmigkeit von Person sowie Kultur (O\'Reilly, Charles A/Chatman, Jennifer/Caldwell, David F. 1994) und Fragen der Retention (Sheridan, John E. 1992) bis hin zum ordnungspolitischen Bezug zwischen Humankapital und Unternehmenskultur (Jaeger, Burckhard 2004). Dies gilt umso mehr, als letztlich auch ein ökonomisch ausgerichtetes Human Capital Management (Scholz, Christian/Stein, Volker/Bechtel, Roman 2006) den monetären Wert von Commitment, Context und Retention ausweisen muss – alles durch die Unternehmenskultur beeinflusste Größen.
2. Strategie und Unternehmenskultur
In analoger Weise erfolgt traditionell die Verbindung zwischen Strategie und Unternehmenskultur (Schwartz, Howard/Davis, Stanley M. 1981), wo es ebenfalls in Abhängigkeit von der Entscheidung zwischen kulturbewusstem Management und Kulturmanagement zu einer Steuerung der Strategie durch die Kultur – analog zu den emergenten Strategien von Mintzberg (Mintzberg, Henry 1994) einschließlich ihrer Rationalisierung (Stein, Volker 2000) – oder zu einer strategieadäquaten Ausgestaltung der Kultur kommt. Die sich daraus ergebende praktische Implikation lässt sich zum einen als Regelkreis im systemtheoretisch-kybernetischen Ansatz (Hofbauer, Wolfgang 1991) zeigen, zum anderen als moderierende Variable zwischen Unternehmensstrategie und Unternehmenserfolg (Krohmer, Harley 2002).
3. Innovation und Unternehmenskultur
Forschungen zur Innovationskultur haben eine beachtliche Breite erreicht (Behrends, Thomas 2001; McLean, Laird D. 2005). Inzwischen lässt sich auch der Zusammenhang zwischen Unternehmenskultur und Innovationserfolg empirisch nachweisen (Ernst, Holger 2003): Danach erhöhen „ Adhocracy-Kulturen “ signifikant den Innovationserfolg, während stark durch Hierarchie geprägte Kulturen diesen deutlich reduzieren.
4. Organisation und Unternehmenskultur
Der Bereich mit der längsten Tradition in der Unternehmenskulturforschung befasst sich mit dem Zusammenhang von Organisation und Unternehmenskultur. Dies liegt insofern nahe, als die meisten Forscher zur Unternehmenskultur aus dem Feld der Organisationstheorie stammen (Pettigrew, Andrew M. 1979; Hatch, Mary Jo 1997). Die Fülle der in diesem Zusammenhang behandelten Themen reicht vom Outsourcing von Unternehmensbereichen (Deal, Terence E./Kennedy, Allan A. 1999) bis hin zur Konfliktforschung (Guerra, José/Martinez, Inés 2005).
Viele Unternehmenszusammenschlüsse führen nicht zum gewünschten Ergebnis, was (auch) auf ex ante nicht-kompatible beziehungsweise ex post nicht-abgestimmte Unternehmenskulturen zurückzuführen ist; ein Effekt, der sich inzwischen selbst in Gruppenexperimenten nachweisen lässt (Weber, Roberto A./Camerer, Colin F. 2003). Es lässt sich allerdings feststellen (Blöcher, Anette/Glaum, Martin 2005), dass die Mehrzahl der DAX-30-Unternehmen die Pre-Merger-Phase zwar als wichtig einstufen, aber dass es sich bei der von Unternehmensberatungen und Wirtschaftsprüfern angebotenen „ Cultural Due Diligence “ entweder um wirkungsvolle Geheimkonzepte oder aber eher um amateurhaften Funktionalismus handelt.
VI. Perspektiven
In den letzten Jahren sind unternehmenskulturelle Veränderungen wie eine „ Sintflut “ (Deal, Terence E./Kennedy, Allan A. 1999) auf Unternehmen niedergegangen. Dies betrifft vor allem die Veränderungen in der Arbeitswelt, wo Werte wie Versorgung und Absicherung in den Hintergrund getreten sind. Stattdessen gibt es immer mehr ein leistungsorientiertes „ Spielen ohne Stammplatzgarantie “ (Scholz, Christian 2003) und einen „ Abschied von der Spaßgesellschaft “ . Damit wandelt sich die „ Unternehmenskultur “ von einem positiv-idealisierten Konzept zu einer von vielen (noch) skeptisch zu bewertenden Realität. Gefragt ist daher eine neue Form des Kulturmanagements. Trivialisierende Konzepte in Form von Cultural Engineering sind dabei aber ebenso abzulehnen wie die fatalistischen Konzepte einer kulturellen Unergründbarkeit. Dies bedeutet primär Verstehen der neuen unternehmenskulturellen Gegebenheiten als neue Root Metaphor, die dann in einem kulturbewussten Management im Interesse von Mitarbeitern und Unternehmen (funktional) zu berücksichtigen sind.
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