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Verschmelzung


Inhaltsübersicht
I. Begriff und Formen
II. Verschmelzungsmotive
III. Rechtsgrundlagen
IV. Rechnungslegung
V. Ausblick: Grenzüberschreitende Verschmelzungen

I. Begriff und Formen


Verschmelzung bezeichnet die Zusammenführung der Vermögen von mindestens zwei rechtlich selbstständigen Rechtsträgern, i.d.R. Unternehmen, zu einer Rechts- und Wirtschaftseinheit. Dabei können die zu verschmelzenden Rechtsträger bereits vorher wirtschaftlich verbunden gewesen sein, z.B. im Rahmen von Kooperationen, strategischen Allianzen oder eines Konzerns.
Nach der Form der Durchführung lassen sich die Verschmelzung durch Aufnahme und die Verschmelzung durch Neubildung unterscheiden. Kennzeichen der Verschmelzung durch Aufnahme ist, dass genau eines der beteiligten Unternehmen seine rechtliche Selbstständigkeit behält, wogegen bei der Verschmelzung durch Neubildung sämtliche beteiligten Wirtschaftseinheiten ihre rechtliche Selbstständigkeit aufgeben und sich zu einem neuen Rechtsträger zusammenschließen.
In beiden Fällen erfolgt die Vermögensübertragung auf den bestehenden bzw. neuen Rechtsträger als Ganzes im Wege der Gesamtrechtsnachfolge (Mertens, 1994) und unter Ausschluss der Liquidation gegen Gewährung von Gesellschaftsanteilen.
Als verschmelzungsfähig werden solche inländischen Rechtsträger bezeichnet, die als übertragende, übernehmende oder neue Rechtsträger beteiligt sein können. Verschmelzungsfähig sind Personengesellschaften und Partnergesellschaften, Kapitalgesellschaften, eingetragene Genossenschaften, eingetragene Vereine, genossenschaftliche Prüfungsverbände, Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit und natürliche Personen. Wirtschaftliche Vereine können lediglich als Überträger, natürliche Personen, sofern sie als Alleingesellschafter einer Kapitalgesellschaft deren Vermögen übernehmen, lediglich als Übernehmer fungieren (Kahling, 1999).
Anhand der bisherigen Tätigkeitsbereiche der zu verschmelzenden Unternehmen lassen sich horizontale, vertikale und konglomerate (laterale) Verschmelzungen unterscheiden. Bei horizontalen Verschmelzungen sind die Unternehmen in der gleichen Branche sowie der gleichen Produktions- bzw. Handelsstufe tätig. Das Bundeskartellamt (BKA) zählt dazu auch produktausweitende Verschmelzungen von Unternehmen mit verwandten Produktprogrammen. Bei vertikalen Verschmelzungen findet eine Integration entlang der Wertschöpfungskette statt. Es werden also Unternehmen verschmolzen, die vormals in einer Zulieferer-/Abnehmerbeziehung standen. Bei konglomeraten Verschmelzungen weisen die beteiligten Unternehmen keinerlei Verwandtschaft bezüglich ihrer Produkte und/oder Märkte auf.
Die bisherige Stellung der Unternehmen zueinander erlaubt die Klassifizierung von konzerninternen und sonstigen Verschmelzungen. Konzerninterne Verschmelzungen liegen dann vor, wenn die betroffenen Unternehmen unter einheitlicher Leitung stehen. Nach Küting ist die Verschmelzung zwischen konzernverbundenen Unternehmen der Regelfall (Küting, /Zündorf, 1994).
Verschmelzung kann nicht mit der Fusion zweier Unternehmen gleichgesetzt werden. So gibt es zwar entsprechend der geographischen Herkunft der beteiligten Unternehmen internationale Zusammenschlüsse (Bühner, 1991), Verschmelzungen finden nur auf nationaler Ebene statt (Dehmer, 1996).

II. Verschmelzungsmotive


Der Entscheidung zur Verschmelzung liegt meist nicht ein einzelnes, sondern ein Bündel von Motiven zugrunde. Hitt/Ireland/Hoskisson nennen folgende Beweggründe (Hitt, /Ireland, /Hoskisson, 1999):
1) Wachsende Marktmacht
Je nach Verschmelzungsform entsteht Marktmacht auf unterschiedliche Weise. Horizontale Verschmelzungen ohne Produktausweitung führen zu einer raschen Erhöhung der Marktanteile. Produktausweitende horizontale Zusammenschlüsse ermöglichen die Übertragung von Erfahrungsvorteilen. Vertikale Verschmelzungen können sowohl den Beschaffungs- (Sicherung von Bezugsquellen) als auch den Absatzbereich (Sicherung der Absatzwege) betreffen. Verschmelzungen unterliegen einer Kontrolle durch das BKA, wenn durch ihren Vollzug eine marktbeherrschende Stellung entsteht.
2) Markteintrittsbarrieren
Markteintrittsbarrieren sind spezifische Faktoren, die es Firmen erschweren oder nur unter hohen Kosten erlauben, in einen Markt einzudringen. So ist der Markteintritt erschwert, wenn ein etabliertes Unternehmen auf mehreren Produktionsstufen präsent ist. Potenzielle Konkurrenten müssten durch umfangreiche Investitionen ähnliche Strukturen aufbauen, um unter Kostenaspekten konkurrieren zu können.
Die vertikale Verschmelzung stellt insofern ein Mittel dar, um rasch entlang der Wertschöpfungskette eines Marktes Kapazitäten zusammenzufassen oder über horizontale Verschmelzung Ressourcen eines Marktes zu vereinnahmen.
Konglomerate Verschmelzungen erhöhen Markteintrittsbarrieren durch die Schaffung der Möglichkeit zur unternehmensinternen Mischkalkulation mittels interner Subventionierung oder Verbundgeschäften (Grimm, 1987).
3) Produktentwicklung
Verschmelzungen stellen einen Weg dar, die Kosten der Neuproduktentwicklung zu senken, den Marktauftritt zu beschleunigen und das Risiko der Produktentwicklung zu senken. Verschmelzungen schaffen zunächst im Gemeinkostenbereich Kostensenkungspotenziale, wenn einzelne Funktionen der verschmolzenen Unternehmen zusammengelegt werden können.
4) Diversifikation und Risikominimierung
Produktausweitende Verschmelzungen führen über die verbreiterte Produktbasis zu einer Risikominimierung. Insbesondere bei technisch verwandten Produkten können Produktionskurven geglättet, Absatz- und Umsatzzahlen können verstetigt werden (Küting, 1993).
Lubatkin/Srinivasan/Merchant identifizieren als Motive einer produktverwandten Fusion die Reduktion des systematischen Risikos sowie das Streben nach Synergien (Lubatkin, /Srinivasan, /Merchant, 1997); hierbei lassen sich finanzielle (günstigere Kapitalmarktkonditionen, internes Cash-Management), funktionale (besonders im Gemeinkostenbereich, z.B. bei F&E) und organisatorische Synergien erzielen (Bühner, 1993).
Gegen die Verschmelzung lässt sich einwenden, dass die Synergieeffekte oftmals geringer ausfallen als erwartet oder gar ausbleiben (Goold, /Campbell, 1998). Andere Kooperationsformen mit geringerer Bindungsintensität bieten sich als Alternativen an.

III. Rechtsgrundlagen


Verschmelzungen sind unter dem Oberbegriff Umwandlungen einzuordnen und im Umwandlungsgesetz (UmwG) geregelt. Im § 1 UmwG wird die Verschmelzung als eine Umwandlungsform inländischer Rechtsträger neben Spaltung, Vermögensübertragung und Formwechsel genannt. Die im zweiten Buch zusammengefassten §§ 2 – 122 regeln die Umstände sowie das Vorgehen bei Verschmelzung.
Der Verschmelzung liegen gemäß § 20 Abs. 1 UmwG drei Charakteristika zugrunde (Fischer-Böhnlein, 2004). Zum einen geht mittels der Gesamtrechtsnachfolge das Vermögen des übertragenden Rechtsträgers in einem einzigen Übertragungsakt auf den übernehmenden Rechtsträger über. Zum anderen erlöschen die übertragenden Rechtsträger, d.h. der übertragende Rechtsträger verliert seine rechtlich selbständige Existenz. Die Auflösung erfolgt auch ohne formelle Liquidation. Zudem werden dem übertragenden Rechtsträger Gesellschaftsrechte an dem übernehmenden Rechtsträger gewährt.
Die in § 2 Nr. 1 UmwG aufgeführte Verschmelzung durch Aufnahme wird in den §§ 4 bis 35 konkretisiert, die Verschmelzung durch Neugründung (§ 2 Nr. 2 UmwG) findet ihre Regelung in den §§ 36 bis 38, wobei die Vorschriften für die Verschmelzung durch Aufnahme meist sinngemäß Anwendung finden. Rechtsträgerspezifische Regelungen finden sich in den §§ 39 bis 122.

1. Verschmelzung durch Aufnahme


Die Vertretungsorgane der beteiligten Rechtsträger schließen einen notariell beurkundeten (§§ 4 bis 6 UmwG) Verschmelzungsvertrag, der einen klaren und bestimmten Inhalt aufweisen muss (Kammergericht Berlin, Beschluss vom 22.06.2004). Die inhaltlichen Mindestanforderungen nennt § 5 I UmwG. Es sind Angaben zum Umtauschverhältnis zu machen, dazu sind die beteiligten Unternehmen zu bewerten. Hierbei ist bei der Verschmelzung von Aktiengesellschaften der Börsenkurs zu verwenden, sofern er über dem nach der Ertragswertmethode ermittelten Unternehmenswert liegt (Landgericht Stuttgart, Beschluss vom 09.02.2005). Daneben sind Regelungen hinsichtlich der Übertragung der Anteile Kernaspekte dieses Vertrages. Hierbei ist der Grundsatz der Gleichbehandlung zu wahren, d.h. der Anteilstausch darf keine Partei erheblich benachteiligen (Schwedhelm, 2006). Die Festlegung des Umtauschverhältnisses kann allerdings entfallen, wenn es sich bei dem übertragenden Rechtsträger um ein hundertprozentiges Tochterunternehmen des Übernehmers handelt, § 5 II UmwG.
Es ist der Verschmelzungsstichtag zu bestimmen. Dies ist der Zeitpunkt, von „ dem an die Handlungen der übertragenden Rechtsträger als für Rechnung des übernehmenden Rechtsträgers vorgenommen gelten “ , § 5 I Nr. 6 UmwG. Zudem ist jeder besondere Vorteil aufzuführen, der einem Mitglied eines Vertretungsorgans oder eines Aufsichtsorgans, einem Gesellschafter, Abschlussprüfer oder Verschmelzungsprüfer gewährt wird.
Von jedem Rechtsträger ist ein Verschmelzungsbericht (§ 8 UmwG) zu erstellen, in welchem die Leitungsorgane schlüssig und nachvollziehbar die rechtlichen und wirtschaftlichen Folgen der Verschmelzung darlegen (Schwedhelm, 2006). Weiterhin sind der Verschmelzungsvertrag sowie das Umtauschverhältnis unter wirtschaftlichen und rechtlichen Aspekten zu erläutern. Informationen, die von Konkurrenten zum Nachteil der zu verschmelzenden Unternehmen ausgenutzt werden können, können daher im Verschmelzungsbericht gem. der Schutzklausel des § 8 II UmwG unterbleiben (Kahling, 1999).
Von dem Vertretungsorgan bestellte (§ 10 UmwG) Prüfer haben dann den Verschmelzungsvertrag durchzusehen, § 9 UmwG, und die Ergebnisse in einem Prüfungsbericht niederzulegen, § 12 UmwG. Die Prüfung kann entfallen, wenn alle beteiligten Parteien auf den Bericht verzichten, oder wenn sich alle Aneile des übertragenden Rechtsträgers in der Hand des übernehmenden Rechtsträgers befinden (§ 9 II UmwG, § 9 III i.V.m. § 8 III UmwG).
Der Verschmelzungsvertrag wird erst durch Zustimmung der Anteilsinhaber von Überträger und übernehmendem Rechtsträger im Rahmen des sog. Verschmelzungsbeschlusses wirksam, § 13 UmwG. Je nach beteiligter Rechtsform sind unterschiedliche Voraussetzungen an die Beschlussfassung geknüpft, u.U. kann diese sogar ganz unterbleiben, vgl. § 62 I UmwG. Ist einer der beteiligten Rechtsträger eine Aktiengesellschaft, so sind den Eigentümern vor der Beschlussfassung der Verschmelzungsvertrag, die letzten drei Jahresabschlüsse und Lageberichte aller beteiligten Rechtsträger, Verschmelzungs- sowie Prüfungsberichte zugänglich zu machen, § 63 UmwG. Liegt der letzte Jahresabschluss weiter als sechs Monate vor Abschluss des Verschmelzungsvertrages zurück, ist zudem eine Zwischenbilanz zu erstellen. Deren Stichtag darf nicht mehr als drei Monate vor dem Abschlussdatum des Verschmelzungsvertrages liegen, § 63 I Nr. 3 UmwG. Vereinfachend können die Wertansätze des zuletzt aufgestellten Jahresabschlusses zugrunde gelegt und entsprechend fortgerechnet werden; eine Prüfungspflicht ergibt sich für die Zwischenbilanz nicht (Griesar, 1997).
§ 16 UmwG verlangt nun die Anmeldung der Verschmelzung beim Handelsregister (bzw. entsprechenden Register). Dieser sind Verschmelzungsvertrag und -beschluss sowie eine Schlussbilanz der Rechtsträger beizufügen, § 17 UmwG. Weitere Bestandteile des handelsrechtlichen Jahresabschlusses (GuV, Anhang) sind nicht einzureichen, Wahlpflichtangaben nach §§ 251, 268 VII HGB allerdings zu ergänzen (IDW, 1997). Die Verschmelzung wird nur eingetragen, wenn die Bilanz nicht älter als acht Monate ist.
Mit dem Wirksamwerden der Eintragung in das Register sind folgende Effekte verbunden (§§ 19 I Satz 2, 20 UmwG): Das Vermögen der übertragenden Rechtsträger geht einschließlich der Verbindlichkeiten im Wege der Gesamtrechtsnachfolge, sog. Universalsukzession, auf den übernehmenden Rechtsträger über. Davon erfasst werden auch nicht bilanzierte Vermögensgegenstände; ein Ausschluss bestimmter Güter von der Übertragung ist nicht möglich (Dehmer, 1996). Gleichzeitig erlöschen die übertragenden Unternehmen. Die Änderung der Eigentumsverhältnisse bedarf keiner gesonderten Willenserklärung.

2. Verschmelzung durch Neubildung


Auf die Verschmelzung durch Neubildung sind die Vorschriften der §§ 3 bis 35 sinngemäß anzuwenden, als Ausnahme nennt das Gesetz lediglich die §§ 16 I und 27 UmwG. Da die Verschmelzung erst bei Eintragung des übernehmenden Unternehmens entsteht, stellen die zu verschmelzenden Unternehmen die Vermögensüberträger dar. Der Verschmelzungsvertrag muss zusätzlich zu den geforderten Angaben nun auch die Satzung des neuen Rechtsträgers enthalten (§ 37 UmwG).
Die Verschmelzung erlangt durch ihre Anmeldung bei den Registergerichten ihre Wirksamkeit, §§ 38 i.V.m. 20 UmwG.

IV. Rechnungslegung


1. Rechnungslegung beim übertragenden Rechtsträger


Der Anmeldung beim Handelsregister ist gem. § 17 II UmwG die jeweilige Schlussbilanz jedes übertragenden Rechtsträgers beizulegen. Es ist so zu bilanzieren, als handele es sich um eine aus Anlass des Jahresabschlusses aufzustellende Bilanz (IDW, 1997). Die Vorschriften über die Jahresbilanz und deren Prüfung gelten für die Schlussbilanz entsprechend. Gleichwohl dient die Schlussbilanz anderen Zwecken: Der vorrangige Zweck der Schlussbilanz liegt in der Abgrenzung der Ergebnisse der Geschäftstätigkeit des übertragenden vom übernehmenden Rechtsträger (Sagasser, /Bula, /Brünger, 2002). Zudem dient die Schlussbilanz dem Gläubigerschutz, d.h. gemäß § 22 UmwG können die Gläubiger Sicherheiten verlangen, soweit das Vermögen die Schulden nicht deckt. Des Weiteren soll sie ein Hilfsmittel für eine Kapitalerhöhungskontrolle darstellen.
Für die Bewertung in der Schlussbilanz gelten die Vorschriften des HGB (§§ 252 – 256 HGB) sowie rechtsformabhängig ergänzende Bewertungsvorschriften (Kahling, 1999). Der Grundsatz der Fortführung der Unternehmenstätigkeit ist trotz Erlöschen des übertragenden Rechtsträgers anzuwenden (Kahling, 1999).
Sind die Gründe für eine vorangegangene AfaA weggefallen, so sind Zuschreibungen bis zur Höhe des Wertansatzes zulässig, der bei planmäßiger Abschreibung ermittelt worden wäre (IDW, 1997).
Allerdings kann eine Verschmelzung einen begründeten Ausnahmefall i.S.v. § 252 II HGB darstellen und die Durchbrechung der Bewertungsstetigkeit legitimieren Sagasser, /Bula, /Brünger, 2002). Bedeutsam ist dies, wenn der übernehmende Rechtsträger die Buchwerte aus der Schlussbilanz des übertragenden Rechtsträgers fortführt. Die Angleichung an die Bewertungsmethoden des übernehmenden Rechtsträgers kann dann bereits in der Schlussbilanz des Überträgers vorgenommen werden (IDW, 1997).
Die Schlussbilanz ist zu prüfen wie eine Jahresbilanz. Allerdings muss sie nicht durch einen eventuell vorhandenen Aufsichtsrat geprüft oder der Hauptversammlung bzw. Gesellschaftern vorgelegt werden (IDW 1997).
Da der Stichtag der Bilanz bis zu acht Monate zurück liegen darf und dieser Zeitraum der Frist zur Abhaltung einer ordentlichen Hauptversammlung (HV) entspricht, kann z.B. im Falle einer übertragenden AG deren letzte Jahresbilanz als Schlussbilanz genutzt werden, ohne dass es einer Vorverlegung der HV bedarf.
Der Verschmelzungsstichtag folgt dem Stichtag der Schlussbilanz i.d.R. mit einer juristischen Sekunde. Das unmittelbare Aufeinanderfolgen beider Tage ist deswegen sinnvoll, da die Schlussbilanz als Grundlage der Einbuchung übernommener Vermögenspositionen in das Rechenwerk des Übernehmers fungiert (Kahling, 1999). Die Rechnungslegungspflicht des übertragenden Rechtsträgers erlischt aber erst mit der Eintragung der Verschmelzung und dem Untergang des Überträgers (Griesar, 1997).

2. Rechnungslegung beim übernehmenden Rechtsträger


Das übertragene Vermögen wird vom übernehmenden Rechtsträger als laufender Geschäftsvorfall in der Buchführung erfasst und stellt einen Anschaffungsvorgang dar: Vermögen wird erworben, dafür werden entweder über eine Kapitalerhöhung neu geschaffene Anteile am übernehmenden Rechtsträger (Verschmelzung mit Kapitalerhöhung) oder bereits bestehende Anteile den Gesellschaftern des übertragenden Rechtsträgers gewährt (Verschmelzung ohne Kapitalerhöhung) (IDW, 1997). Gegebenenfalls erfolgt eine bare Zuzahlung.
Gemäß § 24 UmwG hat der übernehmende Rechtsträger ein Bewertungswahlrecht. Der übernehmende Rechtsträger kann die übertragenen Vermögensgegenstände und Schulden mit den tatsächlichen Anschaffungskosten bewerten oder die Buchwerte des übertragenden Rechtsträgers fortführen (Sagasser, /Bula, /Brünger, 2002). Dieses Wahlrecht kann nur einheitlich für das übernommene Vermögen ausgeübt werden (IDW, 1997) und entscheidet nicht nur über die Bewertung, sondern auch über die zu bilanzierenden Positionen: Wählt der übernehmende Rechtsträger den Ansatz zu effektiven Anschaffungskosten, sind Aktivierungs- und Passivierungsfähigkeit nach den allgemeinen Bilanzierungsgrundsätzen zu entscheiden. Entscheidet sich der Übernehmer hingegen für die Buchwertverknüpfung, ist er zur exakten Übernahme der beim Überträger bilanzierten Vermögensgegenstände verpflichtet (Griesar, 1997).

a) Bilanzierung mit den effektiven Anschaffungskosten


Es sind alle Vermögensgegenstände, Verbindlichkeiten und Rechnungsabgrenzungsposten der Überträgerin bei der Übernehmerin zu bilanzieren (Fischer-Böhnlein, 2004). Nach h.M. sind auch selbsterstellte immaterielle Wirtschaftsgüter des übertragenden Unternehmens anzusetzen. Das Aktivierungsverbot für solche Güter wird umgangen, indem die erhaltenen Vermögensgegenstände aus Sicht des übernehmenden Rechtsträgers entgeltlich erworben wurden (IDW, 1997; Griesar, 1997).
Zudem sind vom übernehmenden Rechtsträger gemäß dem Vollständigkeitsprinzip alle Verbindlichkeiten des übertragenden Rechtsträgers zu passivieren, die eine wirtschaftliche Belastung darstellen, d.h. Pensionsverpflichtungen sind auch zu passivieren (Sagasser, /Bula, /Brünger, 2002).
Der Umfang der gesamten Anschaffungskosten richtet sich bei einer Verschmelzung mit Kapitalerhöhung nach dem Kapitalerhöhungsbeschluss. Die Anschaffungskosten bestimmen sich entweder aus dem Nennbetrag zuzüglich das Agios, der Nominalkapitalerhöhung zuzüglich Rücklagendotierung (Differenz zwischen dem Zeitwert des übernommenen Vermögens und dem Nominalwert der Kapitalerhöhung) oder dem Nominalbetrag der Kapitalerhöhung.
Findet keine Kapitalerhöhung statt, entsprechen die Anschaffungskosten entweder dem Buchwert oder dem Zeitwert der hingegebenen Anteile des übernehmenden Rechtsträgers oder einem erfolgsneutralen Zwischenwert. Der vorsichtig geschätzte Zeitwert des übertragenen Vermögens stellt in allen Fällen die Obergrenze dar.

b) Bilanzierung nach Buchwertverknüpfung


Bei Vermögensübernahme ist der Rechtsträger an die Bilanzierungsentscheidungen in der Schlussbilanz des Überträgers gebunden, d.h. die Buchwerte des übertragenden Rechtsträgers bilden die fiktiven Anschaffungskosten (Fischer-Böhnlein, 2004). Dies gilt für Ansatz- und Bewertungswahlrechte. Konzeptionsgemäß verbietet die Buchwertverknüpfung die Aktivierung selbsterstellter immaterieller Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens. Anschaffungsnebenkosten können nicht aktiviert werden.
Ein eventueller Differenzbetrag zwischen dem Buchwert des übernommenen Vermögens und einer gewährten Gegenleistung wird unterschiedlich behandelt, je nachdem, ob die Verschmelzung mit oder ohne Kapitalerhöhung durchgeführt wird.
Übersteigt im Falle einer Verschmelzung mit Kapitalerhöhung das übergehende Reinvermögen zu Buchwerten den Wert der ausgegebenen Anteile, ist die Differenz abzüglich der Zuzahlungen als Kapitalrücklage gem. § 272 II Nr. 1 HGB auszuweisen. Ist der übernehmende Rechtsträger eine Personengesellschaft, so muss der Verschmelzungsvertrag die Behandlung der Differenz festlegen. Bei umgekehrter Werterelation ist der Verschmelzungsverlust sofort aufwandswirksam zu behandeln.
Wenn keine Kapitalerhöhung vorgenommen wird, bestimmt das Verhältnis von Buchwert des übergehenden Vermögens zu untergehenden bzw. hingegebenen Anteilen den Verschmelzungsgewinn oder -verlust: Dieser muss erfolgswirksam über die GuV verrechnet werden.
Nach Verschmelzungen durch Aufnahme steht es dem übernehmenden Rechtsträger frei, unter Einbeziehung der übertragenen Vermögensgegenstände eine Übernahmebilanz zu erstellen; diese ist weder publizitäts- noch prüfungspflichtig. Eine Eröffnungsbilanz i.S.d. § 242 I HGB ist dagegen gesetzlich für Verschmelzungen durch Neugründung vorgeschrieben (Griesar, 1997).

V. Ausblick: Grenzüberschreitende Verschmelzungen


Die zunehmende Verdichtung des europäischen Binnenmarktes erfordert die Regelung von transnationalen Verschmelzungen. Daher wurde von der europäischen Kommission am 18.11.2003 ein Richtlinienvorschlag zur grenzüberschreitenden Verschmelzung erstellt. Dieser bedarf nun der Transformation in nationales Recht. Bisher versperrt das deutsche Recht nach überwiegender Auffassung eine grenzüberschreitende Verschmelzung, da das UmwG seinen Anwendungsbereich auf Rechtsträger mit Sitz in Deutschland beschränkt. Der bislang kritische Aspekt der Mitbestimmung wurde in Anlehnung an die Regelungen der Europäischen Aktiengesellschaft zu lösen versucht. Sieht das Recht der übernehmenden oder neu gegründeten Gesellschaft eine zwingende Arbeitnehmermitbestimmung vor, so gilt die Form der Mitbestimmung, die am Sitz der übernehmenden oder neu gegründeten Gesellschaft üblich ist. Gibt es dort keine Mitbestimmung, so sind mit den Arbeitnehmern Verhandlungen über das nach der Verschmelzung geltende Mitbestimmungssystem aufzunehmen. Kommt es hierbei zu einer Einigung, dann ist diese Vereinbarung gültig. Kann jedoch keine Einigung erzielt werden, so findet in der übernehmenden oder neu gegründeten Gesellschaft der höchste Mitbestimmungsstandard der übertragenden Gesellschaften Anwendung (Maul, /Teichmann, /Wenz, 2003).
Literatur:
Bühner, R. : Grenzüberschreitende Zusammenschlüsse deutscher Unternehmen, Stuttgart 1991
Bühner, R. : Strategie und Organisation, 2. A., Wiesbaden 1993
Dehmer, H. : Umwandlungsgesetz – Umwandlungssteuergesetz, 2. A., München 1996
Goold, M./Campbell, A. : Desperately Seeking Synergy, in: HBR, S. 131 – 143, 1998
Fischer-Böhnlein, K. : Verschmelzungen aus handelsbilanzieller Sicht unter Berücksichtigung betriebswirtschaftlicher Aspekte, Würzburg 2004
Griesar, P. : Verschmelzung und Konzernabschluß, Düsseldorf 1997
Grimm, A. : Motive konglomerater Zusammenschlüsse, Göttingen 1987
IDW, : HFA 2/1997: Zweifelsfragen der Rechnungslegung bei Verschmelzungen – Stellungnahme, in: WPg 1997, S. 235 – 240
Hitt, M. A./Ireland, D./Hoskisson, R. E. : Strategic Management, Competitiveness and Globalization, 3. A., Cincinnati 1999
Kahling, D. : Bilanzierung bei konzerninternen Verschmelzungen, Düsseldorf 1999
Kammergericht Berlin, : Beschluss vom 22.06.2004 – 1 W 243/02, in WPg 58. Jg., Heft 3, S. 100
Küting, K. : Fusion, in: Handwörterbuch der Betriebswirtschaft, hrsg. von: Wittmann, W./Kern, W./Köhler, R., 5. A., Teilband 1, Stuttgart 1993, Sp. 1341 – 1353
Küting, K./Zündorf, H. : Die konzerninterne Verschmelzung und ihre Abbildung im konsolidierten Abschluss, in: BB 1994, S. 1383 – 1390
Landgericht Stuttgart, : Beschluss vom 09.02.2005 – 32 AktE 36/99 KfH, in: AG 50. Jg.; Heft 11, S. 450 – 452
Lubatkin, M./Srinivasan, N./Merchant, H. : Merger Strategies and Shareholder Value During Times of Relaxed Antitrust Enforcement: The Case of Large Mergers During the 1980s, in: Journal of Management H 1/1997, S. 59 – 81
Maul, S./Teichmann, C./Wenz, M. : Der Richtlinienvorschlag zur grenzüberschreitenden Verschmelzung von Kapitalgesellschaften, in: BB 58. Jg., Heft 50, 2003, S. 2633 – 2641
Mertens, K. : Zur Universalsukzession in einem neuen Umwandlungsrecht, in: AG 1994, S. 66 – 78
Sagasser, B./Bula, T./Brünger, T. : Umwandlungen – Verschmelzung, Spaltung, Formwechsel, Vermögensübertragung, 3. A., München 2002
Schwedhelm, R. : Die Unternehmensumwandlung – Verschmelzung, Spaltung, Formwechsel, Einbringung, 5. A., Köln 2006

 

 


 

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