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Arbeitsdirektor


Inhaltsübersicht
I. Unterschiedliche Typen
II. Berufungsverfahren
III. Aufgabenfelder und Organisation des Ressorts
IV. Montanmitbestimmung: Strukturwandel und Modernisierung
V. Vermittler zwischen den Mitbestimmungsebenen
VI. Differenziertes Rollenverständnis

I. Unterschiedliche Typen


Der Arbeitsdirektor ist Träger der institutionalisierten Mitbestimmung auf der Ebene der Unternehmensleitung in montanmitbestimmten Unternehmen und seit dem Mitbestimmungsgesetz von 1976 das für Personalwesen zuständige Vorstandsmitglied in Kapitalgesellschaften mit über 2.000 Mitarbeitern. Die kollegiale Führung des Unternehmens (§ 76 AktG) macht ihn zum gleichberechtigten Mitglied der Unternehmensleitung. Ausgehend von unterschiedlichen Bestellungsverfahren in den verschiedenen Formen der Unternehmensverfassung haben sich unterschiedliche Typen herausgebildet, die in der Praxis der Personalarbeit jedoch fließend ineinander übergehen. Neben den gesetzlichen Rahmenbedingungen bestimmen auch die Strukturen der Betriebsräte und der Einfluss der Gewerkschaften den Handlungsspielraum des Arbeitsdirektors. So reicht die Spannweite von montanmitbestimmten Arbeitsdirektoren und gewerkschaftsnahen in öffentlichen Unternehmen über Personalvorstände in innovativen, arbeitnehmerfreundlichen Strukturen bis zu ausschließlich von Anteilseignern benannten Vorstandsmitgliedern.

1. Montanmitbestimmte und öffentliche Unternehmen


Aufbauend auf Erfahrungen gemeinwirtschaftlicher Betriebe wurde nach dem Zweiten Weltkrieg die Demokratisierung der Leitungsorgane in Unternehmen umgesetzt – praktisch in den Bestrebungen der Gewerkschaften nach Mitbestimmung auch bei wirtschaftlichen Entscheidungen (zur Geschichte vgl. Ochs, /Kotthoff,  1988; Müller,  1991; Streeck, /Kluge,  1999, S. 240 ff.), theoretisch in betriebswirtschaftlichen Überlegungen zur Organisation von Kapitalgesellschaften wie denen von Erich Potthoff, /, der seinerseits von Eugen Schmalenbach, beeinflusst war (vgl. Ranft,  1988, S. 112 ff.; Potthoff,  1986). 1947 wurden in ersten Stahlunternehmen und dann im Kohlebergbau auf freiwilliger Basis paritätische Aufsichtsräte und Arbeitsdirektoren eingesetzt. In dem durch eine Urabstimmung für einen Streik durchgesetzten Montanmitbestimmungsgesetz wurde 1951 Mitbestimmung in den Leitungsorganen rechtlich kodifiziert.
Ideologische Vorbehalte gegenüber der Mitbestimmung führten oft dazu, dass die Rolle des Arbeitsdirektors in den Anfangsjahren auf enge sozialpolitische Felder beschränkt wurde. Die von 1956 bis 1989 verabschiedeten fünf Montan-Sicherungsgesetze und die vertragliche Regelung von Mitbestimmungsstrukturen verdeutlichen, dass innerhalb von Kohle und Stahl eine politische Absicherung möglich, aber eine Ausdehnung auf die Gesamtwirtschaft nicht durchsetzbar war (Spieker, /Strohauer,  1982).
In der Stahlindustrie haben der verschärfte internationale Wettbewerb und wirtschaftliche Konzentrationsprozesse zu einem Bedeutungsverlust der Branche geführt und damit den Einflussbereich der montanmitbestimmten Arbeitsdirektoren eingeschränkt (vgl. Bertelsmann-Stiftung, /Hans-Böckler-Stiftung,  1998, S. 43 f.). 1961 waren die westdeutschen Stahl-Arbeitsdirektoren für 420.000 Mitarbeiter zuständig, Ende 2000 noch 30 Arbeitsdirektoren für ca. 100.000 Mitarbeiter. Entscheidend ist der Rückgang der Selbstständigkeit. Neben wenigen selbstständigen Einzelunternehmen bestimmen den Industriezweig heute wenige auch internationale Konzerne mit den von ihnen abhängigen Unternehmen, in denen zum Teil auf vertraglicher Basis eine erweiterte Mitbestimmung gilt.
Im Bergbau war in den 1950er-Jahren die Situation noch wesentlich differenzierter als im Stahlbereich, sodass ursprünglich 79 Unternehmen der Montanmitbestimmung unterlagen (vgl. Ranft,  1988, S. 374). Nach mehreren Schritten der Restrukturierung und Zechenstilllegungen bestimmt heute die Ruhrkohle AG mit nur einem Arbeitsdirektor an der Spitze und zahlreichen abhängigen Gesellschaften das Bild. Hinzu kommen noch einige Betriebe des Braunkohlebergbaus und der Energieerzeugung, die noch der Montanmitbestimmung unterliegen oder deren Arbeitsdirektor auf Grund vertraglicher Regelungen das besondere Vertrauen der Arbeitnehmervertreter besitzt. Insgesamt zählt die Branche noch 50 Arbeitsdirektoren, z.T. aber in neu gegründeten Tochterunternehmen und weniger in eigentlichen Bergwerken.
Gewerkschaftsnahe Arbeitsdirektoren finden sich auch in öffentlichen Unternehmen, z.B. im Energie- und Verkehrsbereich oder Stadtwerken. Arbeitnehmervertreter besitzen durch Übertragung kommunaler Aufsichtsratsmandate (vgl. Ehinger, /Niopek, et al. 1986, S. 44) zusätzlichen Einfluss in Aufsichts- und Verwaltungsräten. In einer Minderheit der Unternehmen werden auch Sozial- oder Arbeitsdirektoren auf Vorschlag der Arbeitnehmerseite gewählt (vgl. Nagel, /Haslinger, /Meurer,  2001, S. 26). Im Zuge der Privatisierung bei Bahn, Telekom und Post unter den Bedingungen der 1976er-Mitbestimmung wurden gewerkschaftlich orientierte Arbeitsdirektoren ernannt. Zu einer offenen gewerkschaftlichen Orientierung bekennen sich über 60 Arbeitsdirektoren in öffentlichen Unternehmen.

2. Unternehmen der 1976er-Mitbestimmung


Die Mehrheit der Arbeitsdirektoren gehört den Unternehmen der 1976er-Mitbestimmung an. § 76 AktG macht die Benennung eines Arbeitsdirektors verbindlich im Vorstand von Kapitalgesellschaften mit über 2.000 Mitarbeitern. Durch die fehlende Ergänzung im Gesetz, dass der Arbeitsdirektor nicht gegen die Mehrheit der Arbeitnehmervertreter zu wählen sei, wurde der politische Begriff des Arbeitsdirektors allerdings entwertet. Heute gilt dieses Gesetz für über 700 Unternehmen. Allerdings ist hier ein anderer Typ von Arbeitsdirektor entstanden: der arbeitgeberorientierte Personalfachmann, getragen von der Mehrheit der Anteilseigner (vgl. Wagner,  1994, S. 114).
In einigen Unternehmen entwickelte sich eine Arbeitnehmerorientierung, begünstigt durch hohen gewerkschaftlichen Organisationsgrad, professionalisierte Betriebsratstrukturen, mitarbeiterorientierte Unternehmenskulturen, persönliches Engagement des jeweiligen Arbeitsdirektors und positive wirtschaftliche Entwicklungen. Dort können die Arbeitsdirektoren innovative, partizipative Personalführungsmethoden sowohl wirtschaftlich effizient als auch sozial vorbildhaft miteinander verknüpfen (vgl. Hartz,  1994; Hartz,  1996; Hartz,  2001).

II. Berufungsverfahren


Die gesetzlichen Normen für die Wahl des Arbeitsdirektors sind eindeutig. Er muss wie seine anderen Vorstandskollegen im Aufsichtsrat die Mehrheit der Stimmen des Gesamtgremiums erreichen. In der Montanmitbestimmung braucht der Arbeitsdirektor das besondere Vertrauen der Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat (§ 13 Montan-MitbG), d.h. zusätzlich die Stimmen der Mehrheit der Arbeitnehmervertreter. Dies führt faktisch zum Vorschlagsrecht der im Unternehmen führenden Gewerkschaft und zur Abstimmung des Vorschlags mit den Betriebsräten. Erwartet werden neben persönlicher und fachlicher Eignung ein aktives gewerkschaftliches Engagement, aber zugleich persönliche Unabhängigkeit von der Arbeitgeber- und von der Arbeitnehmerseite des Unternehmens (vgl. WSI-Projektgruppe,  1981, S. 437). Damit wird die Benennung von Betriebsräten oder Personalfachleuten aus dem eigenen Unternehmen verhindert, um Loyalitätskonflikte auszuschließen (vgl. Ranft,  1988, S. 402 ff.). In den ersten Nachkriegsjahren wurden oft Betriebsräte oder engagierte Gewerkschaftsvertreter mit politischem Einfluss ernannt. Heute dominiert die eher akademische Professionalisierung (vgl. Spie,  1978a, S. 275; Ranft,  1988, S. 405 ff.).
Für den Arbeitsdirektor in den Unternehmen der 1976er-Mitbestimmung gilt wie für den Gesamtvorstand ein mehrstufiges Bestellungsverfahren (§ 31 Abs. 2 – 4 MitbestG), an dessen Ende jedoch die einfache Mehrheit mit dem doppelten Stimmrecht des Aufsichtsratsvorsitzenden ausreicht, sodass Kandidaten nicht das Vertrauen der Arbeitnehmervertreter benötigen. Hier dominiert die Fachkarriere (vgl. Wagner,  1994, S. 140 ff.).

III. Aufgabenfelder und Organisation des Ressorts


Beide Mitbestimmungsgesetze normieren nicht den Aufgabenbereich des Arbeitsdirektors innerhalb des Vorstandes, dies regelt die Geschäftsordnung. Entstehungszusammenhang, gesetzlicher Wille und die Praxis führen zur Konzentration der Aufgaben auf das Personalressort (vgl. Viesel,  1973). In der Montanmitbestimmung bleiben die Aufgaben und Befugnisse des Arbeitsdirektors fast ausschließlich auf dieses Ressort begrenzt; zusätzlich beschnitten z.B. um den Einfluss auf Leitende Angestellte (vgl. Wagner,  1994, S. 151). Zum Selbstverständnis der Arbeitsdirektoren gehört aber eine „ partizipative, ganzheitliche, integrierte Personalpolitik “ (Reppel,  2001, S. 20), die sich als Teil der Unternehmensführung versteht und zu einer zunehmenden Professionalisierung der arbeitsdirektionalen Bereiche führte. Im Vergleich zu der allgemeinen Entwicklung des Personalwesens außerhalb der montanmitbestimmten Unternehmen (vgl. Wunderer,  1992, S. 148; Wagner,  1994, S. 13) zeigen sich Parallelen, aber auch Aufgabenfelder, die in den Unternehmen von Kohle und Stahl frühzeitig zur Bewältigung der Strukturkrisen und zur Modernisierung (siehe Abschnitt IV) entwickelt wurden. Unterhalb des Arbeitsdirektors setzten sich in der Stahlindustrie mitbestimmungsengagierte engere Mitarbeiter (vgl. Klein-Schneider,  2001) oder im Bergbau im Einvernehmen mit den Arbeitnehmervertretern ernannte Personal- und Sozialdirektoren durch (vgl. Ranft,  1988, S. 371 ff., 417 ff.).
Im Gegensatz zu den montanmitbestimmten Unternehmen haben sich in Unternehmen der 1976er-Mitbestimmung neben der reinen Personalfunktion auch sehr unterschiedliche Ressortkombinationen entwickelt. Eine empirische Studie aus dem Jahr 1988/89 (Wagner,  1994, S. 115 ff.) zeigt, dass in über zwei Drittel der Fälle eine große Bandbreite zusätzlicher Funktionen entstanden ist oder gar Arbeitsdirektorenfunktionen nur am Rande wahrgenommen werden.

IV. Montanmitbestimmung: Strukturwandel und Modernisierung


Im Strukturwandel der Kohle- und Stahlindustrie und dem damit verbunden Personalabbau hatte der montanmitbestimmte Arbeitsdirektor seine besondere Bewährung. Vermieden wurden betriebsbedingte Kündigungen; beibehalten wurden Ausbildungsverpflichtungen auch bei schrumpfenden Belegschaften. Im Gegensatz zu den sehr abrupten Standortschließungen etwa der britischen Kohlengruben und Stahlunternehmen, die zu schweren regionalen Verwerfungen führten, gelang es in Westdeutschland, den Anpassungsprozess bis in die 1980er-Jahre durch sozialverträgliche, aber regionalpolitisch abgefederte Bedingungen zu gestalten. Sozialpläne entstanden in der Montanmitbestimmung, ehe sie im Betriebsverfassungsgesetz kodifiziert wurden (vgl. Ranft,  1988, S. 226 ff.).
Der Druck des internationalen Wettbewerbs verschärfte die Konflikte. Im Bergbau gelang es, auf Branchenebene mit der Ruhrkohle AG gemeinsame Lösungen zu finden und die Politik aktiv in den Strukturwandel einzubinden (Beermann,  2001). In der Stahlindustrie dominieren einzelwirtschaftliche Lösungen, die bei Stilllegungen wie in Rheinhausen auch zu massiven Konflikten führten und den Arbeitsdirektor in die Rolle des Vollstreckers des Personalabbaus drängten (vgl. Leminsky,  1998, S. 135 ff.). Gleichzeitig sind es auch die Arbeitsdirektoren zusammen mit Gewerkschaften und der Politik, die sich in den lokalen Initiativen der Bildungs- und Beschäftigungspolitik engagieren. 1979 an der Saar erstmals umgesetzt (vgl. Bosch,  1990), gaben sie entscheidende Impulse für eine regionale Arbeitsmarktpolitik, die über den klassischen Sozialplan hinausgehen (vgl. Knuth, /Vanselow,  1995; Arbeitsgemeinschaft „ Engere Mitarbeiter der Arbeitsdirektoren Eisen und Stahl in der Hans-Böckler-Stiftung “ ,  1999).
Arbeitsdirektoren und Betriebsräte sind selbst Betroffene, aber auch Akteure des technischen und sozialen Wandels der Industrie. Eine zentrale Rolle spielt die Verbesserung der Arbeitsbedingungen der Schwerindustrie, indem der Abbau belastender Arbeitstätigkeit durch technische Automatisierung aktiv vorangetrieben wird, um so „ den langen Abschied vom Malocher in der Stahlindustrie “ (Hindrichs, et al. 2000, S. 16) mitzubewirken. Sozialverträgliche Personalanpassung geht einher mit Produktivitätssteigerung und neuen Qualifikationsanforderungen. Montanmitbestimmte Unternehmen (vgl. Ostertag,  1981; Leminsky,  1998) haben Vorbildcharakter – etwa bei Kündigung und Kündigungsschutz, bei der überdurchschnittlichen Steigerung von Arbeitssicherheit und Unfallschutz oder bei der Humanisierung der Arbeitsbedingungen. Der Führungsstil wandelt sich vom autoritären zum partnerschaftlichen. Die Verbindung von Investitionspolitik und Personalplanung führte zur Sicherung und Professionalisierung der Berufsausbildung und Personalentwicklung. Die Montanindustrie mit ihren miteinander verbundenen Mitbestimmungsebenen ist ein gutes Beispiel für einen „ kooperativen Modernisierungspfad “ (Bertelsmann-Stiftung, /Hans-Böckler-Stiftung,  1998, S. 75) bei Anpassungen an schwierige wirtschaftliche Situationen.

V. Vermittler zwischen den Mitbestimmungsebenen


Neben seinen Fachaufgaben hat der Arbeitsdirektor „ eine Schlüsselfunktion im institutionellen Kooperationsgefüge des Mitbestimmungssystems “ (Leminsky,  1998, S. 133). In dem Zusammenspiel der verschiedenen Mitbestimmungsebenen, aber auch den Gewerkschaften koordiniert er oft die Arbeitnehmervorbesprechungen zu den Aufsichtsratssitzungen zur Entscheidungsvorbereitung und der Abstimmung zwischen internen und externen Arbeitnehmervertretern. Er ist Hauptansprechpartner für die Betriebsräte. Durch paritätische Kommissionen zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber entsteht eine hohe Dichte der Informations- und Kommunikationsbezüge. Ergänzend haben sich innovative Formen der Betriebsratsarbeit und eine höhere Bewegungsfreiheit der gewerkschaftlichen Vertrauensleute entwickelt (vgl. Jürgenhake, /Schnittfeld,  1997).
Die Mitbestimmung am Arbeitsplatz ist nicht Gegenmodell, wie dies oft in Management initiierten Beteiligungsformen angestrebt wird (vgl. Weitbrecht,  1998, S. 24), sondern integrierter Bestandteil der Mitbestimmung. Dabei dominieren basisorientierte Konzepte der beteiligungsorientierten Qualitätsgruppen (vgl. Otto,  1996), aber auch inhaltliche Ansätze wie Gesundheitszirkel im Unternehmen. Traditionell liegt das betriebliche Vorschlagswesen ebenfalls in der Verantwortung des Arbeitsdirektors. Ziel ist es, „ nicht nur für Belegschaften, sondern mit Beschäftigten Gestaltungsfähigkeiten zu entwickeln “ (Reppel,  2001, S. 20).

VI. Differenziertes Rollenverständnis


Hinter dem Rollenverständnis des Arbeitsdirektors steht ein Modell der Kooperation von Arbeit und Kapital, im Gegensatz zum Konfliktmodell, das keine Mitverantwortung von Arbeitnehmern in Unternehmensorganen vorsieht. Das deutsche Modell der formalisierten Konflikthandhabung mit institutionalisierter Absicherung setzt den Willen aller Beteiligten zum Kompromiss voraus. Im Unterschied zum Betriebsrat als eigenständige Interessenvertretung und neuerem Verständnis als Ko-Manager (vgl. Klitzke, et al. 2000), ist der Arbeitsdirektor durch seine soziale Rolle (vgl. Hartz,  1983, S. 48 ff.) ein Teil des Machtgefüges im Unternehmen. Er besitzt einerseits die formale Durchsetzungsmacht, die Arbeitgeberfunktion und damit die Möglichkeit der Nutzung von Direktionsrechten. Andererseits entsteht daraus auch die Gegenposition zu den Arbeitnehmern und ihren Interessenvertretern, sodass in den früheren eher ideologisch geprägten Auseinandersetzungen die Loyalitätskonflikte betont wurden (Mitbestimmungskommission,  1970, S. 23, 50; vgl. Raehlmann,  1975) oder gar systemkritisch eine völlige Ablehnung der Mitbestimmung als legitime Institution einer Interessenvertretung hergeleitet wurde (vgl. Deppe,  1970, S. 131 ff.).
Die arbeitsrechtliche Kritik an der fehlenden Gegenfreiheit bei Tarifverhandlungen (vgl. Wächter,  1983, S. 108) ist heute verstummt angesichts der „ friedensstiftenden und produktiven Wirkungen von Konsens und Kooperation “ durch die Mitbestimmung (Bertelsmann-Stiftung, /Hans-Böckler-Stiftung,  1998, S. 17). Dennoch stellt in der wissenschaftlichen und politischen Diskussion um die Mitbestimmung, die sich auf Betriebsräte und partizipative Strukturen am Arbeitsplatz sowie die Aufsichtsräte konzentriert, der Arbeitsdirektor einen blinden Fleck dar (vgl. Leminsky,  1998, S. 131). Es gelingt nicht, die Montanmitbestimmung als Unternehmenskultur zu verdeutlichen, die „ humanen Werte in wirtschaftliche Entscheidungsprozesse so einzubringen, dass sie als unabdingbare Gestaltungsfaktoren moderner Unternehmenspolitik über den Montanbereich hinaus anerkannt worden wären “ (Leminsky,  1998, S. 138).
Eine aktuelle Befragung der Belegschaft von zwei montanmitbestimmten Unternehmen zeigt, dass der Arbeitsdirektor sich „ von der alleinigen Zuständigkeit für die Artikulation von Arbeitnehmerinteressen hin zu einem allseits anerkannten vollwertigen Mitglied des Managements “ (Lompe,  2001, S. 46) entwickelt hat. Gleichzeitig wurde seine Zusammenarbeit mit den Betriebsräten und den Gewerkschaften als rückläufig eingeschätzt, ohne dass seine Zuständigkeit für Arbeitnehmerinteressen in der Einschätzung zurückging. Statt offener Auseinandersetzungen und Konfrontationen entstand eine „ praktikable Streitkultur “ (Reppel,  2001, S. 21), werden informelle Kontakte als Konfliktregelung benutzt. Arbeitsdirektoren entwickeln dabei ein eher pragmatisches Rollenverständnis, bringen mögliche Konfliktpositionen frühzeitig in den Entscheidungsprozess ein und sichern die Funktionsfähigkeit des Unternehmens. Damit zeichnen sich Mitbestimmung und die Rolle des Arbeitsdirektors als zukunftsfähige kooperative Unternehmenskultur aus. Ökonomische Effizienz und wirtschaftliche Entscheidungen stellen keinen Gegensatz zu den zentralen Interessen der Arbeitnehmer dar, sondern beide Seiten bilden heute die Koordinaten für die Mitbestimmungspraxis. Von allen Akteuren der Mitbestimmung „ wird daher eine doppelte Beweisführung verlangt, nämlich nicht nur das humanere, sondern auch das wirtschaftlich effizientere Modell zu sein “ (Blessing,  1998, S. 36).
Als Teil kooperativer Modernisierung muss Mitbestimmung auch als bewährtes Element der sozialen Marktwirtschaft weiterentwickelt werden. Dem Arbeitsdirektor kommt dabei die Aufgabe eines Vertrauensmanagers für die Belegschaft zu, der einen Interessenausgleich zwischen Share- und Workholder-Perspektive leistet, indem er beiträgt zur Verstärkung von Feldern gemeinsamer Interessen bei der Beschäftigungsfähigkeit, der aktiven Beteiligung und der Sicherung von Arbeit. Als Teil der ganzheitlichen Unternehmensführung darf er nicht in einer Begrenzung auf Personalpolitik stecken bleiben, sondern muss einer „ corporate social responsibility “ verpflichtet sein (vgl. Hartz,  2001, S. 173 ff.; Leminsky,  1998, S. 145), die eine regionale und internationale Verantwortung für die Quantität und die Qualität der Arbeitsplätze und der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit am Markt in den Mittelpunkt stellt.
Literatur:
Arbeitsgemeinschaft „ Engere Mitarbeiter der Arbeitsdirektoren Eisen und Stahl in der Hans-Böckler-Stiftung “ , : Vermittlungs-, Qualifizierungs- und Beschäftigungsgesellschaften, Düsseldorf 1999
Beermann, W. : Mitverantwortung setzt Mitbestimmung voraus, in: Die Mitbestimmung, H. 5/2001, S. 25 – 27
Bertelsmann-Stiftung, /Hans-Böckler-Stiftung, : Mitbestimmung und neue Unternehmenskulturen, Gütersloh 1998
Blessing, K. : Doppelte Beweisführung, in: Die Mitbestimmung, H. 6/1998, S. 36
Bosch, G. : Qualifizieren statt entlassen, Opladen 1990
Deppe, F. : Kritik der Mitbestimmung, 2. A., Frankfurt am Main 1970
Ehinger, J./Niopek, W. : Erfahrungen mit der Mitbestimmung in kommunalen Unternehmen, Baden-Baden 1986
Hartz, P. : Die Rolle des Arbeitsdirektors, in: Information, Mitbestimmung und Unternehmenspolitik, hrsg. v. Koubek, N./Schredelseker, K., Wuppertal 1983, S. 36 – 67
Hartz, P. : Jeder Arbeitsplatz hat ein Gesicht, Frankfurt et al. 1994
Hartz, P. : Das atmende Unternehmen, Wolfsburg 1996
Hartz, P. : Job Revolution: Wie wir neue Arbeitsplätze gewinnen können, Frankfurt am Main 2001
Hindrichs, W. : Der lange Abschied vom Malocher, Essen 2000
Jürgenhake, U./Schnittfeld, P. : Wandel der Arbeit in der Stahlindustrie und Betriebsratshandeln, Düsseldorf 1997
Klein-Schneider, H. : Modelle für die Praxis, in: Mitbestimmung, H. 5/2001, S. 51
Klitzke, U. : Vom Klassenkampf zum Co-Management, Hamburg 2000
Knuth, M./Vanselow, A. : Über den Sozialplan hinaus, Berlin 1995
Leminsky, G. : Bewährungsproben für ein Management des Wandels, Berlin 1998
Lompe, K. : Montanmitbestimmung heute, in: Die Mitbestimmung, H. 5/2001, S. 46 – 48
Mitbestimmungskommission, : Mitbestimmung im Unternehmen, Bonn 1970
Müller, G. : Strukturwandel und Arbeitnehmerrechte, Essen 1991
Nagel, B./Haslinger, S./Meurer, P. : Mitbestimmungsvereinbarungen in Öffentlichen Unternehmen mit privater Rechtsform, Kassel 2001
Ochs, P./Kotthoff, H. : Mitbestimmung an der Saar, Köln 1988
Ostertag, A. : Arbeitsdirektoren berichten aus der Praxis, Köln 1981
Ostertag, A./Buchholz, K./Klesse, K. : Mitbestimmung und Interessenvertretung, Köln 1981
Otto, K. P. : Qualifizierung zu und in TQM-Gruppen – Erfahrungen in der Dillinger Hütte, in: Qualifikation für Qualitiät, hrsg. v. Geisler, G./Franz, H. W., Dortmund 1996, S. 67 – 84
Potthoff, E. : Der Kampf um die Montanmitbestimmung, 2. A., Köln 1986
Raehlmann, I. : Der Interessenstreit zwischen DGB und BDA um die Ausweitung der qualifizierten Mitbestimmung, Köln 1975
Ranft, N. : Vom Objekt zum Subjekt – Montanmitbestimmung, Sozialklima und Strukturwandel im Bergbau seit 1945, Köln 1988
Reppel, R. : Von der Montanmitbestimmung lernen, in: Die Mitbestimmung, H. 5/2001, S. 18 – 21
Spie, U. : Arbeitsdirektoren in der Eisen- und Stahlindustrie, in: Das Mitbestimmungsgespräch, H. 11/1978a, S. 272 – 278
Spie, U. : Arbeitsdirektoren in der Eisen- und Stahlindustrie, in: Das Mitbestimmungsgespräch, H. 12/1978b, S. 301 – 308
Spieker, W./Strohauer, H. : 30 Jahre Management gegen die Montan-Mitbestimmung, Köln 1982
Streeck, W./Kluge, N. : Mitbestimmung in Deutschland: Tradition und Effizienz, Gütersloh 1999
Viesel, S. : Der Arbeitsdirektor Aufgaben und Pflichten, Köln 1973
Wächter, H. : Mitbestimmung – Politische Forderung und betriebliche Reaktion, München 1983
Wagner, D. : Personalfunktion in der Unternehmensleitung, Wiesbaden 1994
Weitbrecht, H. J. : Mitbestimmung, Human Resource Management und neue Beteiligungskonzepte, Gütersloh 1998
WSI-Projektgruppe, : Mitbestimmung im Unternehmen und Betrieb, Köln 1981
Wunderer, R. : Das Personalwesen auf dem Weg zu einem Wertschöpfungscenter, in: Personal, H. 44/1992, S. 148 – 153

 

 


 

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