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Werte und Wertewandel


Inhaltsübersicht
I. Basislegung
II. Grundzüge einer Theorie der Werte
III.  Der Wertewandel
IV. Implikationen für die Personalpolitik

I. Basislegung


Werte (zum Begriff z.B. Rosenstiel, von,  1995) gelten als Vorstellungen von Menschen darüber, wie zentrale Aspekte des Daseins, also z.B. die Gesellschaft als Ganzes, die persönliche soziale Umgebung und die eigene Lebensform, gestaltet sein sollen; Werte beschreiben erwünschte Zustände. Die pragmatische Bedeutung von Werten besteht darin, dass das Handeln von Menschen stark von ihnen beeinflusst wird. Träger von Werten sind Individuen; Werte selbst sind allerdings gesellschaftlich vermittelt, d.h. das jeweilige mikro- (z.B. Familie, Betrieb) und makro- (z.B. Kultur) soziale Umfeld bestimmt weitgehend, welche Werte gelebt werden.
Die Werte einer Gesellschaft können sich im Zeitablauf ändern. Empirische Befunde belegen intensive Werteveränderungen in modernen Industriegesellschaften; der Terminus vom „ Wertewandel “ (Klages,  1984) ist zum Schlagwort geworden. Gesellschaftlicher Wertewandel bedeutet, dass sich die Verhaltensprämissen von Individuen verändern, mit Folgen auch für die berufliche Tätigkeit.
Die personalwirtschaftliche Relevanz von Werten besteht darin, dass die in Organisationen dominanten Werte in erheblichem Ausmaß bestimmen, inwieweit sich die Mitarbeiter mit dem Unternehmen identifizieren und sich motiviert für die Ziele der Organisation einsetzen. Je mehr es gelingt, die organisationale Personalpolitik auf die Werte der Beschäftigten abzustimmen, in desto höherem Maße sind eine hohe Identifikation mit der Organisation und motiviertes Handeln zu erwarten.

II. Grundzüge einer Theorie der Werte


1. Zum Wertbegriff


Zu unterscheiden ist zwischen dem in Kap. I diskutierten „ sozialwissenschaftlichen Wertbegriff “ als Vorstellung von Wünschenswertem und dem „ ökonomischen Wertbegriff “ , der die Knappheit von Gütern beschreibt (Überblick Anderson,  1993). Hier geht es ausschließlich um den „ sozialwissenschaftlichen Wertbegriff “ .
Obwohl eine verbindliche Begriffsbestimmung nicht existiert (Schmidt,  1997), sind doch eine Reihe von Merkmalen zu erkennen, die dem Begriff „ Wert “ zugeordnet werden (Schlöder,  1993):

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Werte bezeichnen eine Präferenzreihung, d.h. bestimmte Dinge bzw. Zustände werden höher eingeschätzt als andere, die deren Eigenschaften nicht aufweisen, z.B. Freiheit als Wert, Unfreiheit als Un-Wert. Objekte können je nach individueller Wertung einen hohen oder einen niedrigen Wert haben, z.B. kann berufliche Arbeit in Relation zu anderen Lebensbereichen als wichtig oder als unwichtig eingeschätzt werden. Da Werte für ihre Träger eine positive, ggf. auch emotionelle Bedeutung haben, beinhalten abweichende Werte innerhalb eines sozialen Systems Konfliktpotenziale.

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Werte beziehen sich meist auf allgemeine Objekte, wie z.B. auf Freiheit, Gerechtigkeit, intakte Umwelt. Die Präzisierung von Werten wird vom Träger des Wertes vorgenommen; gleiche Werte verschiedener Individuen können zu unterschiedlichen Konkretisierungen und damit auch unterschiedlichen Handlungen führen.

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Werte gelten bezogen auf den einzelnen Träger als weitgehend zeitstabil. Sie bilden und verfestigen sich im Laufe eines langdauernden Sozialisationsprozesses. Wenn von Wertewandel gesprochen wird, ist damit in der Regel die Gesellschaft als Ganzes gemeint; Veränderungen der Werte von Individuen im Verlauf ihrer Lebensspanne werden als Ausnahme angesehen.


Werte stellen Konstrukte dar, d.h. sie sind nicht direkt beobachtbar. Um die Werte eines Individuums zu identifizieren, muss man entweder aus manifestem Handeln auf Werte schließen oder die jeweilige Person nach ihren Werten befragen. Die Beobachtung, dass ein Mitarbeiter Zusatzaufgaben übernimmt, deutet auf hohe Relevanz des Wertes „ Arbeit “ hin, desgleichen seine Aussage, Arbeit sei sehr wichtig für ihn. Zu beachten ist, dass das beobachtete Verhalten auch auf andere Gründe zurückzuführen sein kann bzw. dass die Aussage des Mitarbeiters ggf. nicht der Realität entspricht. Menschen vertreten in der Regel gleichzeitig eine Vielfalt von Werten, die zueinander konfliktär sein können, z.B. im Betrieb Humanität auf der einen Seite, Effizienz auf der anderen Seite.
Der Begriff „ Wert “ ist abzugrenzen von einer Reihe nebengelagerter Begriffe, so speziell von Einstellungen, Normen und Ethik (genauer Schmidt,  1997, S. 45 f.).

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Einstellungen kennzeichnen – wie Werte – positive oder negative Zuschreibungen zu Objekten, allerdings sind sie konkreter und im Zeitablauf weniger stabil. Einstellungen entwickeln sich häufig aus Werten; so könnte der Wert „ Gerechtigkeit “ in die Einstellung münden „ Frauen sollten in Unternehmen die gleichen Aufstiegschancen haben wie Männer “ .

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Normen sind Verhaltensvorschriften, deren Missachtung direkte (z.B. Abmahnung) oder indirekte (z.B. Akzeptanzverlust) Sanktionen zur Folge hat. Normen repräsentieren die in einem sozialen System dominanten Werte; ihre Verhaltenswirkung ist stärker als die von Werten.

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Ethik – als die rationale Auseinandersetzung mit der Frage nach dem richtigen Handeln – überprüft die Berechtigung von Werten, Einstellungen und Normen. Ethische Testung kann z.B. zu dem Ergebnis kommen, dass der Wert „ Schutz der Persönlichkeit “ auch unter organisationalen Bedingungen unverzichtbar ist.


2. Wirkungen von Werten


Wichtige Funktionen von Werten sind darin zu sehen, dass sie ihren Trägern Orientierung geben, dass sie Gemeinsamkeit zwischen Individuen schaffen und dass sie Motivation sowie konkretes Handeln steuern.
Die gemeinschaftsfördernde Wirkung von Werten ist einer der Ausgangspunkte für die Entstehung und Entwicklung von Organisationskulturen. Die Qualität der Organisationskultur wird von der Homogenität der Werte der Organisationsmitglieder und von dem Ausmaß der Übereinstimmung mit dem autorisierten organisationalen Leitbild beeinflusst. Eine starke Organisationskultur zeichnet sich aus durch intensive und gleichgerichtete Werte der Organisationsmitglieder.
Aus personalwirtschaftlicher Sicht ist von Bedeutung, ob eindeutige Ursachen-Wirkungs-Beziehungen zwischen den Werten eines Menschen und seinem Handeln bestehen und ob auf der Basis von Werten valide Verhaltensprognosen möglich sind. Die naheliegende Vermutung, dass Individuen Handlungsweisen präferieren, die ihrem Wertesystem entsprechen, und solche zurückweisen, die ihren Werten entgegenlaufen, erweist sich im Hinblick auf eine „ ex-post-Analyse “ und im Hinblick auf Verhaltensprognosen als Leerformel. Es gibt Gründe dafür, dass Monokausalität zwischen Werten und Handeln entweder nicht besteht oder nicht sicher ermittelt werden kann, so z.B. die Tatsache des hohen Abstraktionsgrades von Werten, die eine Zuordnung zu einer singulären Handlung nicht zulässt, sowie die häufig gegebene Unmöglichkeit, Werte von Personen zu identifizieren. Auch besteht nicht selten ein Widerspruch zwischen (geäußerten) Werten und realem Handeln. Zurückzuführen ist dieses inkonsistente Verhalten entweder auf Widersprüche im Wertesystem der Person, auf Störvariablen (z.B. Stress, Gefahrensituationen) oder auf sog. Verhaltenslücken (Wagner,  1996). Verhaltenslücken beschreiben markante Divergenzen zwischen geäußerten Einstellungen und darauf bezogenem konkreten Handeln. Im Personalbereich sind solche Widersprüche nicht selten: So kann z.B. trotz des Herausstellens humaner Werte durch das Personalmanagement eine wenig mitarbeiterorientierte Personalpolitik (z.B. im Hinblick auf Freistellungen) betrieben werden.

III.  Der Wertewandel


1. Entwicklungslinien der Wertewandeldiskussion


Die sozialwissenschaftliche Auseinandersetzung mit Werten konzentriert sich schwerpunktmäßig auf deren dynamischen Aspekt, also auf den sogenannten Wertewandel (für viele Inglehart,  1977; Klages,  1984; Rosenstiel, von, 1995).
Dass in westlichen Industriegesellschaften mit ihren ökonomischen, technologischen und sozio-politischen Umwälzungen auch grundlegende Werte Wandlungsprozessen unterliegen, ist plausiblerweise zu erwarten und durch empirische Befunde abgesichert. Strittig sind allerdings Gegenstände und Intensitäten dieses Wertewandels.
Vereinfacht können zwei Positionen zum Wertewandel beobachtet werden. Die erste, die bekanntere, mit dem Namen Inglehart (The silent revolution, Inglehart,  1977) verbundene Theorie postuliert eine lineare, sich gegenseitig substituierende Werteverschiebung von materiellen hin zu postmateriellen Werten. Materielle Werte sind in diesem Verständnis Sicherheit sowie Versorgung bzw. Wohlstand, postmaterielle Werte sind Selbstverwirklichung, speziell in Form von Autonomie, interessanter Tätigkeit sowie Verantwortungsübernahme. Die Post-Materialismus-Hypothese ist stark von der humanistischen Psychologie, speziell von Maslows Bedürfnispyramide (Maslow,  1954), beeinflusst. Ähnlich wie die Maslow-Theorie gilt die Inglehart-Hypothese in ihrer rigiden deterministischen Form als wenig realitätsentsprechend (zusammenfassende Kritik Sticksrud,  1994). Sie hat jedoch ihre Attraktivität behalten, wohl wegen ihrer leichten Eingänglichkeit und der mit ihr verbundenen positiv-ethischen Komponente.
Deutlich differenzierter ist die zweite, mit dem Namen Klages (Klages,  1984) verbundene Wertewandelshypothese. Auch sie postuliert eine Veränderung gesellschaftlicher Werte in Form eines Bedeutungsrückgangs der „ Pflicht- und Akzeptanzwerte “ (Letztere verstanden als Bereitschaft, Autoritäten ungefragt anzuerkennen) bei gleichzeitigem Bedeutungszuwachs von „ Selbstentfaltungswerten “ . Unterschiede zum Postmaterialismus-Ansatz sind zum einen darin zu sehen, dass die beiden Wertdimensionen multifaktoriell miteinander verbunden sind. Höhere Selbstentfaltung muss also nicht mit Vernachlässigung von Pflichten einhergehen. Zum anderen kann sich die Selbstentfaltung unterschiedlich konkretisieren. Klages (Klages,  1984, S. 18 ff.) nennt drei Wertgruppen, die wiederum aus Einzelelementen bestehen:

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aus auf eine idealistische Gesellschaft bezogene Werte wie z.B. Partizipation und Chancengleichheit

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aus mit Individualität verbundenen Werten wie z.B. Kreativität und persönliche Entfaltung

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aus hedonistischen Werten wie z.B. Genuss und Ausleben emotioneller Bedürfnisse.


Diese Elemente beinhalten zueinander Konfliktpotenziale; unterschiedliche Schwerpunktsetzungen führen zu voneinander abweichenden Handlungspräferenzen und -weisen.
Auch die Klages-Hypothese ist, wegen Schwächen des empirischen Designs, nicht ohne Kritik geblieben (Mohler,  1989); sie ermöglicht jedoch gegenüber der Postmaterialismus-Hypothese eine differenziertere Verhaltensanalyse, und sie erleichtert eine persönlichkeits- und situationsangepasste Reaktion der Personalpolitik.
Unabhängig von den umstrittenen inhaltlichen Präzisierungen des Wertewandels kann es als weitgehend sicher gelten, dass seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges

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sich massive, immer noch andauernde Werteverschiebungen in Form der Tendenz zu einer Höherwertung von Individualisierung und Selbstentfaltung ergeben haben (abweichend davon z.B. Dunker,  1998);

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die gesellschaftlichen und damit auch die persönlichen Werte eine größere Heterogenität als früher aufweisen, was u.a. mit der Globalisierung und dem damit verbundenen kulturellen Austausch zusammenhängt;

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gesellschaftliche Werte sich heute rascher verändern als früher, was durch die sozio-ökonomische Dynamik und die rückläufige Bedeutung wertbewahrender Institutionen bedingt ist. Der schnellere Wandel führt dazu, dass manche in der öffentlichen Diskussion herausgestellten Werte eher kurzfristige Moden als stabile Wertemuster sind (z.B. „ fun-Werte “ ).


2.  Bedeutungswandel der Arbeit


Ein Wertewandel in Richtung individueller Selbstentfaltung führt zu Veränderungen der Rolle der beruflichen Tätigkeit. Diese Veränderungen können zum einen die Relevanz der Arbeit in Relation zu anderen Lebensbereichen, z.B. Freizeit, Partnerschaft modifizieren; zum anderen können sie die Bedeutungsinhalte der Arbeit in neue Richtungen lenken. Empirische Befunde weisen darauf hin, dass beides eingetreten ist (ausführlich Rosenstiel, von,  2001).

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Im Hinblick auf die Bedeutung von Arbeit in der Lebensgestaltung zeigt sich, dass andere Lebensbereiche, in denen individuelle Entfaltung eine Rolle spielt (wie Freizeit oder Familie), grundsätzlich gleichberechtigt neben berufliche Tätigkeit treten. Der zunehmende Wunsch nach Teilzeitarbeit und die Tendenz, den Zeitpunkt der Beendigung der Berufstätigkeit nach vorne zu verschieben, sind Indikatoren für diese Entwicklung. Aus dem Bedeutungszuwachs der außerberuflichen Lebensbereiche kann jedoch nicht abgeleitet werden, Arbeit sei nicht mehr wichtig, nur steht sie in direkter Konkurrenz zu anderen Werten, die früher untergeordnet waren; dies ist ein Tatbestand, der auch für Inhaber höherer Positionen gilt (Rosenstiel, von,  1998). Auch ist die Situationsabhängigkeit des Wertes der Arbeit zu sehen, z.B. im Hinblick auf Lebensalter und familiäre Situation.

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Im Hinblick auf den Bedeutungsinhalt der Arbeit zeigt sich, dass sie nicht mehr nur als Notwendigkeit zur Sicherung des Überlebens gesehen wird bzw. ausschließlich als zu erfüllende Pflicht. Zumindest qualifizierte Arbeit erhält ihren Wert genau dadurch, dass sie die Möglichkeit bietet, Interessantes und Sinnvolles zu leisten sowie autonom agieren zu können; kurz: Arbeit soll Spaß machen, und sie macht es auch. Die Tendenz zur Unternehmensgründung gerade durch junge Hochschulabsolventen, die mit extremem Engagement an ihre selbstgewählte Aufgabe herangehen, belegt diesen Bedeutungswandel von Arbeit. Wenn Arbeit diese Selbstentfaltungselemente aufweist, können andere Werte temporär völlig in den Hintergrund treten.


Die gesellschaftliche Werteheterogenität der Arbeit wird deutlich an den Befunden zu dominanten Berufsorientierungen von Studenten und Führungsnachwuchskräften (Stengel,  1995). Es konnten drei Typen identifiziert werden: Karriereorientierte, Freizeitorientierte und alternativ Engagierte. In Deutschland ist insgesamt eine relative Gleichverteilung gegeben, mit leichter Dominanz zu Freizeitorientierung. Empirisch abgesichert ist das Ergebnis, dass mit Beginn der beruflichen Laufbahn die Zahl der Karriereorientierten deutlich zunimmt, während sich Freizeit- und alternative Orientierungen vermindern (Rosenstiel, von,  1989); dies ist ein Befund, der die Prämisse der Zeitstabilität von Werten infrage stellt.

IV. Implikationen für die Personalpolitik


Betriebliche Personalpolitik ist geplant oder implizit werteorientiert, sei es, dass sie die Mitarbeiter in Richtung der Werteorientierungen der Organisation zu lenken versucht, sei es, dass sie die Personalpolitik an den Wertmustern der Mitarbeiter ausrichtet. Idealtypisch ist eine optimale Personalpolitik dadurch gekennzeichnet, dass die organisationalen Werte und die Werte der Mitarbeiter miteinander harmonisiert werden. Wegen der strukturellen Interessengegensätze von Organisation und Individuen, die sich durch Werteverschiebungen in Richtung Individualisierung noch verstärken, und wegen der Unklarheit, wie Werte durch betriebliche Anreize und Beiträge in konkretes Handeln umgesetzt werden können, ist dieses Ziel schwierig zu erreichen.
Es gibt drei Möglichkeiten, die Werte der Organisation mit den Werten der Mitarbeiter in Übereinstimmung zu bringen (ähnlich Rosenstiel, von,  1995):

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Die Organisation achtet darauf, dass nur Mitarbeiter bei ihr tätig sind, deren Werte sich mit den ihren decken; erreicht werden kann das nur bei der Einstellungsentscheidung.

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Die Mitarbeiter werden dazu gebracht, die Werte der Organisation zu akzeptieren und sich mit ihnen zu identifizieren.

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Die Organisation betreibt eine werteorientierte Personalpolitik, in deren Rahmen versucht wird, die Werte der Organisation und der Mitarbeiter konsensfähig aneinander anzugleichen.


Alle drei Alternativen sind mit Umsetzungsproblemen und Erfolgsrisiken behaftet. Die erste Strategie, nur Mitarbeiter einzustellen, die mit den Werten der Organisation konform gehen, ist fragwürdig, weil im Einstellungsprozess die wirklichen Werte durch den Bewerber verschleiert werden können. Ein Problem dieser Strategie kann auch sein, dass die so hergestellte Werteharmonie zwar eine geschlossene Binnenkultur schafft, diese jedoch genau wegen ihrer Abgrenzungstendenzen die Anpassung an dynamische Umwelten verhindert. Heterogene Werte können durchaus innovationsfördernd sein.
Die zweite Strategie, Mitarbeiter z.B. durch Zwang zur Übernahme ihnen entgegenlaufender Werte zu bringen, ist problembehaftet. Es besteht die Gefahr organisationsschädigender Gegenmaßnahmen aus dem Arsenal von „ voice or exit “ (Hirschmann,  1970): Angesichts der Stabilität und Zentralität von Werten ist damit zu rechnen, dass der Mitarbeiter mit Widerstand oder innerer Kündigung reagiert bzw. dass er die Organisation gleich verlässt.
Die dritte Strategie, eine wechselseitige Anpassung von Werten der Organisation und der Mitarbeiter, wird unter dem Label werteorientierte Personalpolitik diskutiert (für viele Stengel,  1995). Sie gilt speziell in Phasen des Wertewandels als optimale Vorgehensweise und erfordert als Erstes die Identifizierung der Werte sowohl der Organisation als auch der Mitarbeiter. Fraglich ist, ob die dabei gewonnenen Erkenntnisse die Ableitung personalpolitischer Maßnahmen ermöglichen. Verantwortlich dafür ist neben dem hohen Abstraktionsgrad von Werten die meist gegebene Werteheterogenität innerhalb der Organisation, die zurückzuführen ist auf die generelle Tendenz zur Individualisierung, aber auch auf eine unterschiedliche Schichtzugehörigkeit der Mitarbeiter oder deren zunehmende multikulturelle Zusammensetzung.
Konzepte werteorientierter Personalpolitik umfassen heterogene Bereiche der Personalarbeit wobei die Förderung von Individualisierung im Vordergrund steht; siehe auch das BMW-Praxisbeispiel (Bihl,  1995). Elemente sind insbesondere im Bereich der

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Mitarbeiterführung: Abkehr von autoritären Strukturen hin zu partizipativem Führungsstil

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Personalentwicklung: verstärkte Förderung der Mitarbeiter, speziell im Hinblick auf individuelle Bedürfnisse und Fähigkeiten

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Organisationsstrukturen: flachere und durchlässigere Hierarchien sowie verstärkter Einsatz von Projektorganisation

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Arbeitszeit: chronometrische und chronologische Flexibilisierung, z.B. durch Teilzeitarbeit und „ sabbaticals “ mit dem Ziel, Beruf und außerberufliche Interessen in Balance zu bringen (z.B. Wottawa, /Gluminski,  1995, S. 80 ff.).


Derartige den Wertewandel berücksichtigende Maßnahmen müssen (und werden) sorgfältig auf ihre ökonomischen Wirkungen getestet werden. Das zeigt noch einmal deutlich die Ambivalenz von Werten und Wertewandel für die Personalpolitik: Ihre Berücksichtigung ist für Identifikation und Motivation unabdingbar, die praktische Umsetzung stößt häufig an nur schwer überwindbare Grenzen.
Literatur:
Anderson, E. : Value in ethics and economics, Cambridge, Mass. 1993
Bihl, G. : Werteorientierte Personalarbeit, München 1995
Dunker, C. : Dimensionen des Wertewandels in Deutschland, Frankfurt am Main 1998
Hirschmann, A. O. : Exit, voice, and loyality, Cambridge, Mass. 1970
Inglehart, R. : The silent revolution, Princeton/N. J. 1977
Klages, H. : Werteorientierungen im Wandel. Rückblick, Gegenwartsanalyse, Prognosen, Frankfurt a. M. 1984
Maslow, A. : Motivation and personality, New York 1954
Mohler, P. P. : Wertkonflikt oder Wertdiffusion, in: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, Jg. 41, 1989, S. 95 – 122
Rosenstiel, L. von : Selektions- und Sozialisationseffekte beim Übergang vom Bildungs- ins Beschäftigungssystem, in: Zeitschrift für Arbeits- und Organisationspsychologie, 1989, S. 21 – 32
Rosenstiel, L. von : Wertewandel, in: Handwörterbuch der Führung, hrsg. v. Kieser, A./Reber, G./Wunderer, R., 2. A., Stuttgart 1995, Sp. 2175 – 2189
Rosenstiel, L. von : Führungsnachwuchs im Unternehmen, München 1998
Rosenstiel, L. von : Die Bedeutung von Arbeit, in: Lehrbuch der Personalpsychologie, hrsg. v. Schuler, H., Göttingen 2001, S. 15 – 42
Schlöder, B. : Soziale Werte und Werthaltungen, Opladen 1993
Schmidt, M. : Konsum- und Arbeitsverhalten vor dem Hintergrund der Wertewandeltheorie, Hamburg 1997
Stengel, M. : Wertewandel, in: Führung von Mitarbeitern, hrsg. v. Rosenstiel, L. von et al., 3. A., Stuttgart 1995
Sticksrud, A. : Wertewandel, in: Handwörterbuch Psychologie, hrsg. v. Asanger, R./Wenninger, G., 5. A., Weinheim 1994, S. 848 – 853
Wagner, M. : Werte im Management: Eine empirische Untersuchung, in: Werte und Entscheidungen im Management, hrsg. v. Lohmann, R. K. et al., Marburg 1996, S. 83 – 136
Wottawa, H./Gluminski, I. : Psychologische Theorien für Unternehmen, Göttingen 1995

 

 


 

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