Umweltmanagement
1. Charakterisierung Umweltmanagement (andere Bezeichnungen: environmental management, eco-management, Ökomanagement, betriebliches Umweltmanagement) berücksichtigt bei der Planung, Durchsetzung und Kontrolle der Unternehmensaktivitäten in allen Bereichen Umweltschutzziele zur Vermeidung und Verminderung von Umweltbelastungen und zur langfristigen Sicherung der Unternehmensziele. Es ist jener Teil des gesamten Managementsystems, der die Organisationsstruktur, Planungstätigkeiten, Verhaltensweisen, Vorgehensweisen, Verfahren und Mittel für die Festlegung, Durchführung, Verwirklichung, Überprüfung und Fortführung der betrieblichen Umweltpolitik betrifft.
2. Merkmale Merkmale von Umweltmanagement sind:
(1) Mehrdimensionale Zielausrichtung, d.h. keine ad hoc- und keine punktuellen Umweltschutz-Einzelmassnahmen, sondern aufbauend auf einer Analyse des Unternehmens ein systematisch geplantes, systematisch umgesetztes und kontrolliertes Umweltschutzverhalten zur Vermeidung von Umweltbelastungen als ein Unternehmensziel im Kontext der gesellschaftlichen, umweltbezogenen und ökonomisch-wettbewerblichen Anforderungen an das Unternehmen. Die Analyse der gesamten Umweltauswirkungen des Unternehmens erfolgt dabei auf Basis einer interdisziplinären Erfassung und Bewertung der Stoff- und Energieströme in den Vorstadien der Produktion, der eigentlichen Produktionsphase, der Konsumphase und der Phase der Kreislaufschliessung.
(2) Funktionsübergreifender Charakter, d.h. alle betrieblichen Funktionen, z.B. Beschaffung, Produktion, Absatz etc., werden in die Umweltschutzaktivitäten des Unternehmens einbezogen. Somit erhält das Umweltmanagement einen prozessorientierten und vernetzten Charakter, möglichst orientiert an den betrieblichen Wertschöpfungsprozessen, auf der Basis lernfähiger bzw. evolutionärer organisatorischer Konzepte. Umweltmanagement wird zur Querschnittsfunktion im Unternehmen.
(3) Unternehmensübergreifender Charakter, d.h. es sollen vertikale Allianzen mit vor- und nachgelagerten Unternehmen und branchenbezogene, kooperative horizontale Allianzen angestrebt werden, um Umweltschutz zu ermöglichen.
(4) Proaktives Verhalten, d.h. Umweltmanagement reagiert nicht auf vorgegebene Randbedingungen (z.B. Umweltrecht, Wettbewerber, öffentliche Meinung), sondern entwickelt (innovative) Lösungen und setzt diese um, bevor das Umfeld das Unternehmen zum Reagieren zwingt. Umweltmanagement bedeutet somit eine langfristige, strategische Ausrichtung des Unternehmens unter gesellschaftlichen, umweltbezogenen und ökonomisch-wettbewerblichen Aspekten.
(5) Ausrichtung an den Zielen einer nachhaltigen Entwicklung, d.h. alle umweltbezogenen Ziele orientieren sich an den Erfordernissen einer nachhaltigen Entwicklung.
3. Leitbilder Umweltmanagement orientiert sich an folgenden Leitbildern:
(1) für den Umgang mit Ressourcen ist ein Wandel zu bewirken, weg von Energieverschwendung hin zu Energieeffizienz, weg von Materialverschwendung einer Durchflusswirtschaft hin zu Materialeffizienz und Kreislaufwirtschaft, der Schliessung von technischen und biologischen Kreisläufen, der Materialeffektivität,
(2) die bisherige Produktorientierung soll durch eine Funktionsorientierung abgelöst werden, bei der statt des Produktes die Funktion des Produktes als Nutzenstiftung in das Zentrum der Betrachtung und des wirtschaftlichen Handelns rückt,
(3) der Verbrauch von Naturkapital soll durch eine nachhaltige Nutzung von Naturkapital abgelöst werden, was z.B. neben der Nutzung von Energieträgern auch für Meere, Wälder und auch für die Flächennutzung gelten soll,
(4) für die Gestaltung der Produktionsprozesse, einschliesslich der logistischen Prozesse, soll gelten, dass der nachsorgende Umweltschutz, d.h. der Einsatz additiver Umweltschutztechnik oder sogenannter „End-of-pipe-Umweltschutzmassnahmen”, durch vorsorgenden Umweltschutz in Form ei-nes produktionsintegrierten Umweltschutzes abgelöst wird,
(5) für die Entwicklung und Gestaltung der Produkte soll gelten, dass der nachsorgende Umwelt-schutz in Form der Abfalltechnik durch vorsorgenden Umweltschutz in Form eines produktintegrierten Umweltschutzes abgelöst wird; Öko-Design.
(6) für die Emissionen und die damit zusarnmenhängenden Umweltwirkungen gilt eine Orientierung am regionalen und globalen Absorptions- und Reaktionsvermögen der Ökosysteme,
(7) anstatt der bisherigen Naturbeherrschung soll eine Orientierung an der Natur und den Grundprinzipien ihrer Stoffumsätze erfolgen.
4. Vorteile für Unternehmen Für Unternehmen liegen die Vorteile des Umweltmanagements u.a. in der Optimierung der betriebli-chen Abläufe, in der Reduzierung von Energie- und Materialeinsatz und der Reduzierung des Abwas-seranfalls und des Abfallaufkommens und der damit verbundenen Kosten einschliesslich Einsparung von Umweltsteuern bzw. -abgaben, der (möglichen) Unabhängigkeit der Produktion von begrenzten Ressourcen durch erfolgte Umstellung auf die Verwendung regenerativer Ressourcen und Umsetzung von Kreislaufschliessung, der Sensibilisierung der Beschäftigten und Erhöhung der Motivation, der erhöhung der Rechtssicherheit bzw. Reduzierung des Haftungsrisikos, und in Umsatzerhöhungen bzw. Verkaufserfolgen durch strategische, umweltorientierte Positionierung und durch Imagegewinn in der Öffentlichkeit. Insgesamt ergeben sich für Unternehmen Wettbewerbsvorteile durch Umweltmanagement, die mögliche Nachteile von Umweltmanagement, z.B. kurzfristige Liquiditätsengpässe oder Kosten der Einführung, überwiegen.
5. Umsetzung Ausgangspunkt der Umsetzung von Umweltmanagement ist ein Entschluss im Topmanagement des Unternehmens zur Umsetzung, da Umweltmanagement alle betrieblichen Bereiche bzw. Funktionen beeinflusst. Dieser Entschluss basiert auf der Festlegung einer umweltbezogenen Positionierung des Unternehmens als Ausgangssituation, die aus einer Beurteilung der umweltbezogenen Stärken und Schwächen des Unternehmens und einer Beurteilung der umweltbezogenen Chancen und Risiken in der Untemehmensumwelt abgeleitet wird. Aus dieser Positionierung heraus werden umweltorientierte Untemehmensziele entwickelt, im ersten Schritt umweltorientierte Unternehmensgrundsätze und Leitlinien, die betriebliche Umweltpolitik, einschliesslich der Bestimmung des Verhältnisses von Umweltschutzzielen zu den anderen Unterneh-menszielen, im zweiten Schritt die Operationalisierung dieser Ziele, d.h. die Erstellung des Umwelt-programms. Anschliessend erfolgt die Formulierung umweltbezogener Untemehmensstrategien einschliesslich der Basisstrategien hinsichtlich Marktpositionierung und Marketing. Den Überlegungen zum Öko-Marketing (Okologiemarketing) kommt daher eine Schlüsselstellung bei der Einführung von Umweltmanagement zu.
6. Massnahmen und Instrumente Die anschliessenden Massnahmen und Instrumente zum Umweltschutz, d.h. ein umweltverträgliches Produkt, eine umweltverträgliche Produktion und eine umweltverträgliche Distributions- und Redistri-butionslogistik, eine umweltorientierte Kommunikationspolitik, eine umweltorientierte Kontrahierungspolitik, eine umweltorientierte Investitions- und Finanzpolitik, eine umweltorientierte Personalpo-litik und eine umweltorientierte Forschungs- und Entvvicklungspolitik, münden in der Erstellung und Implementierung der umweltorientierten organisatorischen Massnahmen, d.h. eines Umweltmana-gementsystems einschliesslich einer regelmässigen Umweltbetriebsprüfung zur Überprüfung und Weiterentwicklung des Umweltmanagements und der kontinuierlichen Reduzierung der Umweltauswirkungen, Öko-Controlling (Ökologiecontrolling). Zur Umsetzung von Umweltmanagement bzw. Umweltmanagementsystemen liegen zwei Bezugsgrundlagen vor: EMAS und ISO 14001. Diese enthalten detaillierte Anforderungen an das Umweltmanagementsystem und seine einzelnen Elemente betriebliche Umweltpolitik, Umweltprogramm, Umweltprüfung, Umweltmanagementsystem, Umweltbetriebsprüfung und Umwelterklärung. Die Anforderungen von EMAS gehen über die der ISO 14001 hinaus. Nachdem das Unternehmen diese Elemente umgesetzt hat, kann es zur Erhöhung der Glaubwürdigkeit sein Umweltmanagement bzw. Umweltmanagementsystem von einem unternehmensexternen Sachverständigen überprüfen lassen, der Validierung nach EMAS, der Zertifizierung nach ISO 14001. Da neben dem Umweltmanagementsystem üblicherweise noch andere betriebliche Managementsysteme vorliegen, z.B. Sicherheits-, Arbeitsschutz- oder Qualitätsmanagement, empfiehlt es sich, diese Systeme zu vereinheitlichen und in einem integrierten Handbuch zusammenzufassen, um Synergien zu nutzen. Hinweis Zu den angrenzenden Wissensgebieten siehe Corporate Citizenship, Corporate Governance, Ökologiecontrolling (einschliesslich Ökologiebilanz und Ökologie-Rechnungswesen), Ökologie-Marketing, Qualitätsmanagement, Total Quality Management, Unternehmensethik, Unternehmensführung, Grundlagen.
Literatur: ENGELFRIED J. (2004) Nachhaltiges Umweltmanagement, Oldenbourg Verlag, München/Wien; HOPFENBECK W. (1994) Umweltorientiertes Management und Marketing, 3. Auflage, vertag moderne industrie, Landsberg; MEFFERT H., KIRCHGEORG M. (1998) Marktorientiertes Umweltmanagement,
3. , überarb. und erw. Auflage, Schäffer-Poeschel Verlag, Stuttgart; MICHAELIS P. (1999) Betriebliches Umweltmanagement, (Betriebswirtschaft in Studium und Praxis), Verlag Neue Wirtschafts-Briefe, Herne/Berlin; MULLER-CHRIST G. (2001) Umweltmanagement, Verlag Franz Vahlen, München; SIETZ M. (2001) Umweltmanagementsysteme, Loseblattsammlung, WEKA-Media GmbH, Augsburg; WINTER G. (1998) Das umweltbewusste Unternehmen,
6. , vollst. neubearb. u. erw. Auflage, Verlag Franz Vahlen, München; HOLZBAUR U., KOLB M., ROSSWAG H. (Hrsg.) (1996) Umwelttechnik und Umweltmanagement — Ein Wegweiser für Studium und Praxis, Spektrum, Akademischer Verlag, Heidelberg/Berlin/Oxford. Internetadressen: www.umweltgutachterausschuss.de; www.umweltbundesamt.de; www.bmu.de; www. ihk-umkis.de ; http://europa.eu.int/comm/environment/emas/index_en.htm.
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