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Umweltkostenrechnung


Inhaltsübersicht
I. Definition von umweltbezogenen Kosten
II.  Gründe für die Einführung einer Umweltkostenrechnung
III. Klassifikation unterschiedlicher Ansätze zur Umweltkostenrechnung
IV. Aktuelle Entwicklungen
V. Resümee

I. Definition von umweltbezogenen Kosten


Bei den umweltbezogenen Kosten lassen sich grundsätzlich drei Kostenkategorien unterscheiden:

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Als Vermeidungs- bzw. Verminderungskosten bezeichnet man den bewerteten Güterverzehr für die Vermeidung bzw. Verminderung von Umweltwirkungen betrieblich bedingter Stoff- und Energieströme.

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Verwertungskosten entstehen für Leistungen, die zur Wieder- oder Weiterverwertung umweltrelevanter Stoff- und Energieströme führen.

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Beseitigungskosten fallen für die Beseitigung der potenziellen oder eingetretenen Umweltschäden von Stoff- und Energieströmen an.


In der Regel tragen die Unternehmen nur einen Teil der betreffenden Kosten; der andere Teil stellt sich in Form (negativer) externer Effekte, die dann die Gesellschaft zu tragen hat, dar. In der amtlichen Statistik werden zumeist nur solche Kosten als Umweltschutzkosten der Unternehmen erfasst, die auf betrieblichen additiven Umweltschutz zurückzuführen sind, also insbesondere den Charakter von „ Reduktionskosten “ tragen. Darüber hinaus zählen zu den umweltbezogenen Kosten auch Kosten von integrierten Umweltschutzmaßnahmen, die zumeist Vermeidungs- bzw. Verminderungskosten sind.

II. Gründe für die Einführung einer Umweltkostenrechnung


Für ein Unternehmen bringt eine explizite und systematische Berücksichtigung der umweltbezogenen Kosten in der Kostenrechnung zunächst zusätzlichen Aufwand mit sich, wie er sich beispielsweise durch die mengenmäßige Erfassung und Bewertung der Stoff- und Energieströme sowie durch die differenzierte Verrechnung umweltbezogener Kosten ergibt. Diesem Aufwand steht eine Reihe von Nutzenpotenzialen gegenüber:

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Bei der mengen- und wertmäßigen Erfassung der betrieblichen Stoff- und Energieströme des Unternehmens und der Zurechnung zu den eingesetzten Produktionsfaktoren, Produktionsprozessen und Produkten werden verschiedene betriebliche Bereiche aus einem anderen Blickwinkel als üblich analysiert. Schon allein dadurch lassen sich zahlreiche Verbesserungspotenziale identifizieren, die beispielsweise durch Faktorsubstitutionen, Prozessinnovationen und/oder Verbesserungen betrieblicher Abläufe ausgeschöpft werden können.

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Umweltschutz wird mittlerweile von vielen Unternehmen als wesentlicher Erfolgsfaktor für die zukünftige Unternehmensentwicklung angesehen und bildet daher einen wichtigen Bestandteil der Unternehmensstrategie. Eine umweltbezogene Kostenrechnung kann mithin wirksam zur informatorischen Abstimmung zwischen der Umweltschutzstrategie und der taktisch-operativen Planung beitragen.


Eine systematische Betrachtung der Umweltbezüge des betrieblichen Handelns ist auch für Unternehmen mit einer defensiv ausgerichteten Umweltschutzstrategie sinnvoll (vgl. Strebel, H.  1998, S. 69 ff.). Denn selbst wenn der Schutz der natürlichen Umwelt kein originäres Unternehmensziel darstellt und gegenüber der staatlichen Umweltpolitik ein reaktives Verhaltensmuster gewählt wird, ergibt sich doch eine Reihe von Kostensenkungspotenzialen. Dies wird durch die Ergebnisse zahlreicher empirischer Untersuchungen gestützt, z.B. von Klassen/McLaughlin (vgl. Klassen, R.D./McLaughlin, C.P.  1996, S. 1199 ff.) und Klassen/Whybark (vgl. Klassen, R.D./Whybark, D.C.  1999, S. 601 ff.). Gege (vgl. Gege, M.  1997, S. VII) schätzt, dass allein durch ein konsequentes Umweltmanagement in den meisten Unternehmen bis zu fünf Prozent der Gesamtkosten eingespart werden könnten.

III. Klassifikation unterschiedlicher Ansätze zur Umweltkostenrechnung


Hinsichtlich der Frage, ob und wie Umweltwirkungen in der Kostenrechnung berücksichtigt werden sollen bzw. in welchem Verhältnis eine Umweltkostenrechnung zu „ konventionellen “ Kostenrechnungssystemen stehen soll, können drei Grundpositionen unterschieden werden (vgl. Letmathe, P.  1998, S. 32 ff.):
Bei der divisionalen Grundposition erfolgt die Implementierung einer Umweltkostenrechnung als Sonderrechnung, die nicht in die betriebliche Kostenrechnung integriert ist. Allerdings stünde eine separate Umweltkostenrechnung in „ Datenkonkurrenz “ zur „ konventionellen “ Kostenrechnung. Eine separate Umweltkostenrechnung ist daher nur dann sinnvoll, wenn diese ausschließlich für spezifische Auswertungszwecke benötigt wird.
Bei der integrativen Grundposition werden die betrieblichen Umweltwirkungen und Umweltschutzleistungen in die bereits bestehende Kostenrechnung integriert. Damit ist dann im Gegensatz zur obigen Position nicht eine Umorganisation der betrieblichen Planungs-, Kontroll- und Lenkungsprozesse verbunden, sondern lediglich eine Modifikation der Art der Datenerfassung und der Methoden, mit denen diese Daten weiterverarbeitet werden. Dieses Vorgehen hat sowohl unter ökonomischen als auch unter ökologischen Aspekten eine Reihe von Vorteilen:

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Datenredundanzen und Reibungsverluste einer separaten Kosten- und Umweltkostenrechnung entfallen weitgehend.

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Ein um umweltbezogene Kosten erweitertes Verrechnungspreissystem hat wichtige Lenkungseffekte und führt zur Einbeziehung der Umweltwirkungen in betriebliche Planungsbereiche, ohne dass sich die jeweiligen Entscheidungsträger explizit mit der häufig für sie fremden Umweltmaterie auseinandersetzen müssen.


Umweltschadensorientierte Ansätze sind zumeist als Sonderrechnungen ausgestaltet und bedienen sich kostenrechnerischer Methoden; allerdings nehmen sie keine monetäre Bewertung betrieblicher Umweltwirkungen vor. Die Ergebnisse dieser umweltschadensorientierten Ansätze können sowohl für die Umweltberichterstattung als auch für die Entscheidungsfindung eingesetzt werden. Voraussetzung für die interne Verwendung ist eine sachgerechte Zurechnung und Zurechenbarkeit von Umweltschäden auf Stoff- und Energieströme, Prozesse und Produkte. Da umweltschadensorientierte Ansätze bei Zielkonkurrenz von Umwelt- und Gewinnzielen andere Entscheidungsempfehlungen als die konventionelle Kostenrechnung liefern, ergeben sich bei der Einbindung dieser Ansätze in betriebliche Kommunikations- und Organisationsprozesse die gleichen Probleme wie bei der divisionalen Grundposition. Beispiele für umweltschadensorientierte Ansätze sind die ökologische Buchhaltung von Müller-Wenk (vgl. Müller-Wenk, R.  1978), die Schadschöpfungsrechnung von Schaltegger/Sturm (vgl. Schaltegger, S./Sturm, A.  1994) oder die betriebliche Kosten- und Massenrechnung von Liedtke et al. (vgl. Liedtke, C./Orbach, T./Rohn, H. 1997).

1. Divisionale Ansätze


Zu der divisionalen Grundposition zählt der von Wagner/Janzen erstmals 1991 vorgestellte Ansatz einer Umwelt-Budget-Rechnung als Parallelrechnung zur eigentlichen Kostenrechnung (vgl. Wagner, G.R./Janzen, H.  1991, S. 124 ff.). Diese Umwelt-Budget-Rechnung stellt eine spezifische Weiterentwicklung der Kostenpoolrechnung (vgl. Plinke, W.  1985, S. 41 ff.) dar. Bei der Umwelt-Budget-Rechnung werden zunächst Umweltkosten- und Umweltnutzenpools eingerichtet, in denen umweltbezogene Kosten- und Erlöspositionen, die in der Kostenrechnung erfasst sind, dokumentiert werden. Über diese speziellen Pools, die durch einen Ausgleichspool miteinander verbunden sind, erfolgt die Abrechnung umweltschutzbezogener Projekte eines Unternehmens. Unter umweltschutzbezogenen Projekten werden dabei Konkretisierungen umweltbezogener Handlungs- und Planungsfelder unterschiedlichster Art verstanden (vgl. Janzen, H.  1996, S. 288). Die einem Projekt zurechenbaren Kosten und Erlöse werden unmittelbar von den Umweltkosten- und Umweltnutzenpools an die Projektrechnungen weitergeleitet. Auf diese Weise können die in der Kostenrechnung erfassten Kosten- und Erlöspositionen hinsichtlich der internen Kosten und Erlöse des Umweltschutzes bzw. der Umweltwirkungen differenziert erfasst werden. Im Rahmen einer langfristigen Sichtweise besteht darüber hinaus die Möglichkeit, auch externe Kosten und Erlöse vorwiegend als unternehmerische Kostenrisiken und Erlöschancen zu erfassen.
Spengler et al. zeigen anhand der von ihnen entwickelten stoffflussbasierten Umweltkostenrechnung, wie sich entscheidungsrelevante Kostendaten für industrielle Kreislaufkonzepte erfassen lassen (vgl. Spengler, T./Hähre, S./Sieverdingbeck, A. et al.1998, S. 147 ff.). Für die Modellierung der betrieblichen Stoff- und Energieströme verwenden die Autoren die lineare Aktivitätsanalyse. Anschließend erfolgt die Bewertung der betrachteten Umweltschutzmaßnahmen und der von ihnen ausgehenden Stoff- und Energieströme mit investitionsabhängigen Kosten, Stofffluss- und Prozesskosten sowie sonstigen Gemeinkosten. Da die stoffflussbasierte Umweltkostenrechnung in erster Linie für die Beurteilung von produktionsintegrierten Umweltschutzmaßnahmen konzipiert ist, ist dieser Ansatz ebenfalls der divisionalen Grundposition zuzuordnen. Wie die Umwelt-Budget-Rechnung ermöglicht diese Rechnung neben der laufenden Planung, Kontrolle und Steuerung spezifischer Umweltschutzmaßnahmen und -projekte auch die Fundierung relevanter Investitionsentscheidungen.

2. Integrative Ansätze


Die Erfassung von Umweltschutzkosten, wie sie speziell die integrativen Ansätze thematisieren, versucht, diese Kosten möglichst genau einzelnen Kostenarten, Kostenstellen und Kostenträgern zuzurechnen. Für diesen Zweck wird bei allen anfallenden Einzelkosten, Gemeinkosten und Sondereinzelkosten ermittelt, ob und in welcher Höhe diese Kosten für den betrieblichen Umweltschutz anfallen. Anschließend werden die umweltschutzbedingten Einzelkosten direkt an die Kostenträger und bei Gemeinkosten an die Kostenstellen verrechnet. Der separate Ausweis der jeweiligen Umweltschutzkosten zeigt, welchen Anteil die Umweltschutzkosten an den Gesamtkosten einer Kostenstelle oder eines Kostenträgers haben. Je nach dem favorisierten Kostenrechnungssystem sowie dem konzeptionellen Vorgehen sind in den vergangenen Jahren verschiedene integrative Ansätze zur Erfassung und Verrechnung von Umweltschutzkosten vorgeschlagen worden:
Kloock (vgl. Frese, E./Kloock, J.  1989, S. 9 f.; Kloock, J.  1990, S. 137 ff.; Kloock, J.  1992, S. 929 ff. sowie Kloock, J.  1993, S. 189 ff.) und Roth (vgl. Roth, U.  1992) befürworten eine Erfassung der Umweltschutzkosten in einer Teilkostenrechnung. Sie begründen dieses Vorgehen mit der Aufgabe der Kostenrechnung, Informationen lediglich für kurzfristige Entscheidungen bereitzustellen. Da die kurzfristig nicht beeinflussbaren Fixkosten, z.B. die Investitionskosten einer Umweltschutzanlage, keine Relevanz für kurzfristige Entscheidungen haben, müssen diese nicht im Rahmen einer Umweltkostenrechnung erfasst werden (vgl. Kloock, J.  1993, S. 189 ff.). Kloock beschreibt in diesem Zusammenhang drei Arten von Umweltkostenrechnungen, wobei deren Anwendung von der jeweiligen Umweltschutzstrategie des Unternehmens abhängig ist. Bei der internen Umweltkostenrechnung werden betriebliche Umweltschutzkosten gesondert ausgewiesen und jeweils ihren Kostenträgern sowie weiteren Kalkulationsobjekten zugerechnet. Bei der ökologischen Umweltkostenrechnung werden den betrieblichen Umweltwirkungen zusätzlich ihre internalisierten und externen Kosten zugewiesen. Die ökologische oder umweltschutzorientierte Umwelt-Nutzkostenrechnung enthält zudem Nutzkostengrößen der Umweltwirkungen aller betrieblichen Prozesse.
Von verschiedenen Autoren (vgl. Günther, E.  1994, S. 228 ff.; Bundesumweltministerium, /Umweltbundesamt,  1996, S. 73 ff. und S. 88 ff.; Fischer, R.  1997, S. 44 ff.) wird eine Ergänzung der umweltbezogenen Kostenrechnung um prozesskostenrechnerische Elemente vorgeschlagen.
Fischer betrachtet in erster Linie die den Reststoffen zuzurechnenden Kosten (vgl. Fischer, R.  1998; Fischer, R. et al.1997). Die Reststoffe werden wie Kostenträger behandelt, indem ihnen, wie den Produkten in der traditionellen Kostenrechnung, alle Kosten ihres Entstehungsprozesses zugewiesen werden. Ziel der Reststoffkostenrechnung ist die Identifikation von Bereichen, bei denen voraussichtlich Kostensenkungen realisierbar sind. Allerdings besteht bei einer konsequenten Zurechnung der Kosten zu den Reststoffen und nicht zu den Zielprodukten die Gefahr, dass die Produktstückkosten zu niedrig angesetzt werden. Ergänzend dazu betrachtet die Flusskostenrechnung auch diejenigen Stoff- und Energieströme, die in die Produkte einfließen (vgl. Fichter, K./Loew, T./Redmann, C. 1999, S. 14 ff.). Sowohl die Reststoff- als auch die Flusskostenrechnung gehen von einer vollständigen Erfassung und Verrechnung der Stoffflüsse in allen Teileinheiten des Leistungsprozesses aus. Die Flusskostenrechnung rechnet den Stoff- und Energieströmen ausschließlich Materialkosten zu. Weitere Kosten, z.B. Personal- und Bereitschaftskosten der Betriebsmittel, werden vernachlässigt, da sie kurzfristig nicht beeinflussbar sind (vgl. Fichter, K./Loew, T./Redmann, C. 1999, S. 17 f.). Da beide Kostenrechnungssysteme dem umfassenden Anforderungsprofil einer Kostenrechnung, z.B. hinsichtlich der Kalkulation von Produktstückkosten, nicht vollständig entsprechen, sind sie als Ergänzung der bestehenden Kostenrechnung denkbar, können diese aber keinesfalls ersetzen.
Im Vordergrund der umweltbezogenen Kostenrechnung von Letmathe steht die Aufgabe, umweltbezogene Informationen für die Planung, Kontrolle und Steuerung der betrieblichen Abläufe zu liefern (vgl. Letmathe, P.  1998; Letmathe, P./Doost, R.K.  2000, S. 424 ff.). Dies erfordert ein insgesamt fünfstufiges Vorgehen, wobei die drei ersten Schritte teilweise parallel ablaufen: (1) Zunächst ist zu ermitteln, welche Umweltwirkungen vom Unternehmen ausgehen. (2) Im zweiten Schritt wird dokumentiert, welche Stoff- und Energieströme die als relevant erachteten Umweltwirkungen verursachen und wie hoch die Umweltwirkungen eines Stoffes oder einer Energie je Mengeneinheit sind. (3) Die Ermittlung des Mengengerüsts der Stoff- und Energieströme ist notwendig, um die anfallenden Umweltwirkungen sachgerecht zurechnen zu können. Für Kontrollzwecke sind die tatsächlich angefallenen Stoff- und Energieströme mit den Plandaten zu vergleichen. Solche Plandaten lassen sich beispielsweise aus Stücklisten (vgl. Steven, M./Letmathe, P.  1996, S. 165 ff.) ableiten, die um umweltrelevante Stoff- und Energieströme erweitert sind. (4) Die mengenmäßig erfassten Stoff- und Energieströme sind alsdann mit ihren tatsächlichen (wertmäßigen) Kosten zu belegen. Nur dadurch kann verhindert werden, dass die umweltbezogenen Kosten der betrieblichen Stoff- und Energieströme systematisch unterschätzt werden. (5) Abschließend sind die umweltbezogenen Kosten den jeweiligen Kalkulationsobjekten (Kostenarten, Kostenstellen, Kostenträgern) zuzurechnen. Die umweltbezogenen Kosten fließen damit in die Verrechnungspreise der innerbetrieblichen Stoff- und Energiestromarten sowie der Leistungen der Kostenstellen ein. Die umweltbezogene Kostenrechnung dieser Art stellt somit eine Erweiterung der traditionellen Kostenrechnung dar und ist nicht speziell auf ein bestimmtes Kostenrechnungssystem zugeschnitten. Sie lässt sich sukzessiv in Bezug auf bisher nicht berücksichtigte umweltrelevante Stoff- und Energiearten wie auch in Bezug auf zusätzliche Kostenkategorien, z.B. Kosten von bisher nicht erkannten Umweltrisiken, erweitern.

IV. Aktuelle Entwicklungen und zukünftiger Forschungsbedarf


1. Integration von Umweltkosten- und Qualitätskostenrechnung


Die dargestellten Ansätze zur Umweltkostenrechnung ermöglichen eine systematische Erfassung und Bewertung unerwünschter betrieblicher Outputs, die in Form von Abluft, Abwasser oder Abfall entstehen. Unerwünschte Outputs können aufgrund von prozessbedingten Materialverlusten, z.B. Verschnitt, aber auch aufgrund von Qualitätsmängeln bei der Leistungserstellung anfallen. Insofern stellen umweltbezogene Kosten häufig zugleich auch Qualitätskosten dar (Qualitätsmanagement). Sowohl die Umwelt- als auch die Qualitätskostenrechnung können mit gezielten Analysen der betrieblichen Stoff- und Energieströme Kostensenkungspotenziale verdeutlichen, die mithilfe von organisatorischen Änderungen, Faktorsubstitutionen, Verbesserungen von bestehenden Produktionsprozessen sowie von Investitionen in neue Technologien ausschöpfbar sind. Zudem zeigen sich bei der Analyse umwelt- und qualitätsbezogener Kosten zahlreiche Analogien. Dieses leistet einer künftigen wechselseitigen Integration von Umweltkosten- und Qualitätskostenrechnung Vorschub.

2. Kostenrechnerische Implikationen von Reverse Logistics


Durch das seit 1996 gültige Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz und die daran geknüpften Verordnungen sowie durch bereits in Kraft getretene oder zukünftige Rücknahmeverpflichtungen, z.B. für Altfahrzeuge und Elektroschrott, kommt es zu einer erweiterten Produktverantwortung der Hersteller, die häufig sowohl die Produktrückführung als auch das Recycling und die Entsorgung von Altprodukten umfasst. Für die Hersteller stellt sich daher die Frage, wie derartigen Rücknahmeverpflichtungen unter Kosten- und Umweltgesichtspunkten optimal begegnet werden kann. Dabei ergeben sich einige Besonderheiten, die mithilfe klassischer Kostenrechnungen nur unzureichend abzubilden sind (Lethmathe, 2005):
(1) Rücklaufströme sind mit weit höherer Unsicherheit behaftet als vorwärtsgerichtete Güterströme. Diese zusätzliche Unsicherheit bezieht sich unter anderem auf die Volumina von Rücklaufströmen, auf die Rückgabezeitpunkte sowie auf die Qualität der zurückgegebenen Altprodukte. Dadurch ist es im Vorhinein schwer abzuschätzen, in welchem Umfang Sekundärrohstoffe oder überarbeitete Bauteile für die Neuproduktion verwendet werden können.
(2) Können Rücklaufströme eine Neubeschaffung von Materialien oder Bauteilen zumindest teilweise substituieren, so ergibt sich das Problem einer sachgerechten kostenrechnerischen Bewertung von Altprodukten. Ein pagatorischer Kostenansatz, der lediglich die zahlungswirksamen Kosten eines Rücklaufstroms einbezieht, kann problematisch sein, wenn entweder der Rücklaufstrom knapp ist oder Mindestrecyclingquoten einzuhalten sind. In solchen Fällen führt häufig einzig ein wertmäßiger Kostenansatz, der sich an Beschaffungspreisen oder an Produktionskosten von Primärmaterialien bzw. neuen Beuteilen orientiert, zu sinnvollen Entscheidungen.
(3) Durch Rücklaufströme verliert das herkömmliche Herstellerdenken in Input- und Outputkategorien zumindest teilweise seine Gültigkeit. Die ehemaligen Outputs fließen in Form von Altprodukten an den Hersteller zurück und werden entweder ganz oder in Teilen wieder zu Inputs der Neuproduktion oder von Reparaturprozessen. Dadurch werden zyklische Kostenbeziehungen determiniert, die durch das tendenziell lineare Denken traditioneller Kostenrechnungen nicht abbildbar sind. Erschwerend kommt hinzu, dass sich diese Zyklen über die komplette Lebensdauer von Produkten erstrecken und damit mehrere Perioden umfassen können.

3. Umweltorientiertes Life Cycle Costing


Das Life Cycle Costing bezieht im Gegensatz zu den Kostenrechnungen für Rückführungsströme nicht nur die Kosten des Produktherstellers, sondern auch die Kosten des Produktnutzers und gegebenenfalls weiterer Akteure in die Betrachtungen ein (Rebitzer, 2002). Häufig wird hier eine lebensphasenbezogene Sichtweise gewählt, die bei der Forschung und Entwicklung beginnt und anschließend die Produktion, die Distribution, die Produktnutzungs- sowie die Entsorgungsphase betrachtet. Jeder dieser Phasen werden umweltbezogene Kosten und Erlöse zugewiesen, um anschließend gezielt eine Gesamtoptimierung des Produktlebenszyklus unter Umweltgesichtspunkten vornehmen zu können. Bei dieser Vorgehensweise ist es häufig schwierig, umweltbezogene und herkömmliche Kosten eindeutig voneinander zu trennen. Daher greifen einige umweltorientierte Life Cycle Costing-Ansätze auf eine ökologisch-ökonomische Produktmatrix zurück (Faßbender-Wynands, 2001). Hierbei werden ökologische Auswirkungen von Produkten sowie monetär bewertete ökonomische Auswirkungen jeweils getrennt verschiedenen Lebenszyklusphasen zugerechnet. Dadurch können einerseits ökologische und ökonomische Optimierungspotenziale identifiziert und andererseits Zielkonflikte zwischen beiden Bereichen transparent herausgearbeitet werden.

4. Nachhaltigkeitsbezogene Kostenrechnungen


Künftig ist zu erwarten, dass Umweltkostenrechnungen in die Richtung von nachhaltigkeitsbezogenen Kostenrechnungen weiterentwickelt werden. Dabei werden dann neben umweltbezogenen Kosten auch sozialbezogene Kosten, die sich zum Beispiel auf die Einhaltung sozialer Mindeststandards beziehen, sowie ökonomische Kosten von Anspruchsgruppen des Unternehmens einbezogen. Ökonomische Kosten von Anspruchsgruppen sind beispielsweise die Produktnutzungskosten des Käufers oder bestimmte induzierte Kosten im Gesundheitssystem. Nachhaltigkeitsbezogene Kostenrechnungen ermöglichen es den Unternehmen, gezielt abzuwägen, in welchen Nachhaltigkeitskategorien Verbesserungen möglich sind und durch höhere einzelökonomische Kosten gerechtfertigt werden können. Unternehmen, die eine derartige Strategie verfolgen, zielen i.d.R. darauf ab, die Chancen von nachhaltigkeitsbezogenen Entwicklungen zu nutzen und im Rahmen ihrer Produktstrategien zu verankern. Während im Bereich der Umweltkostenrechnung bereits zahlreiche, zum Teil ausdifferenzierte Konzeptionen vorliegen, besteht im Bereich der nachhaltigkeitsbezogenen Kostenrechnungen noch ein erheblicher Forschungs- und Entwicklungsbedarf.

V. Resümee


Die hier dargestellten Umweltkostenrechnungskonzepte liefern vorwiegend Daten für die taktisch-operative Planung, Steuerung und Kontrolle und fokussieren in erster Linie auf die internen Kosten des Umweltschutzes und der betrieblichen Umweltwirkungen. Aus strategischer Perspektive gewinnen dagegen auch unternehmensexterne Kosten betrieblicher Umweltwirkungen an Bedeutung, da diese künftige, potenziell zu internalisierende und damit ebenfalls entscheidungsrelevante Größen darstellen. Ein über die taktisch-operative Ausrichtung hinausgehendes Umweltkostenmanagement wird daher im Sinne einer unternehmerischen Risikovorsorge externe Kosten zumindest partiell einbeziehen. Ein solches erweitertes Verständnis führt dann dazu, dass die vermeintlich scharfe Trennung zwischen internen und externen Kosten nicht mehr gegeben ist (vgl. Heinen, E./Picot, A.  1974, S. 345 ff.; Wagner, G.R.  1993, Sp. 3664 ff.) und die Umweltkostenrechnung damit auch das strategische umweltorientierte Management unterstützt.
Literatur:
Bundesumweltministerium, /Umweltbundesamt, : Handbuch Umweltkostenrechnung, München 1996
Faßbender-Wynands, : Umweltorientierte Lebenszyklusrechnung, Wiesbaden 2001
Fichter, Klaus/Loew, Thomas/Redmann, Carsten : Flusskostenmanagement, Wiesbaden 1999
Fischer, Hartmut : Reststoffkostenrechnung, Berlin et al. 1998
Fischer, Hartmut/Wucherer, Christian/Wagner, Bernd : Umweltkostenmanagement, Kosten senken durch praxiserprobtes Umweltcontrolling, München et al. 1997
Fischer, Regina : Prozeßorientierte Umweltschutz-Kostenrechnung, in: Wirtschaft, Wissenschaft und Umwelt, Band 2, hrsg. v. FET & WW, , Düsseldorf 1997, S. 44 – 64
Frese, Erich/Kloock, Josef : Internes Rechnungswesen und Organisation aus der Sicht des Umweltschutzes, in: BFuP, Jg. 41, 1989, S. 1 – 29
Gege, Maximilian : Kosten senken durch Umweltmanagement, München 1997
Günther, Edeltraut : Ökologieorientiertes Controlling, München 1994
Heinen, Edmund/Picot, Arnold : Können in betriebswirtschaftlichen Kostenauffassungen soziale Kosten berücksichtigt werden?, in: BFuP, Jg. 26, 1974, S. 345 – 366
Janzen, Henrik : Ökologisches Controlling im Dienste von Umwelt- und Risikomanagement, Stuttgart 1996
Klassen, Robert D./McLaughlin, Curtis P. : The Impact of Environmental Management on Firm Performance, in: Management Science, Bd. 42, 1996, S. 1199 – 1214
Klassen, Robert D./Whybark, D. Clay : Environmental Management in Operations, in: Decision Sciences, Jg. 30, 1999, S. 601 – 631
Kloock, Josef : Neuere Entwicklungen betrieblicher Umweltkostenrechnungen, in: Betriebswirtschaft und Umweltschutz, hrsg. v. Wagner, Gerd Rainer, Stuttgart 1993, S. 179 – 206
Kloock, Josef : Kostenrechnung mit integrierter Umweltschutzpolitik als Umweltkostenrechnung, in: Handbuch Kostenrechnung, hrsg. v. Männel, Wolfgang, Wiesbaden 1992, S. 929 – 940
Kloock, Josef : Umweltkostenrechnung, in: Rechnungswesen und EDV, hrsg. v. Scheer, August-Wilhelm, Heidelberg 1990, S. 129 – 156
Letmathe, P. : Kostenrechnerische Implikationen für verschiedene Forschungsfelder der Reverse Logistics, in: Fandel, G./, Reese, J. (Hrsg.): Reverse Logistics II, Special Issue Nr. 4/2005 der ZfB, Wiesbaden, 1 – 30
Letmathe, Peter/Doost, Roger K. : Environmental Cost Accounting and Auditing, in: Managerial Auditing Journal, Bd. 15, 2000, S. 424 – 430
Letmathe, Peter : Umweltbezogene Kostenrechnung, München 1998
Liedtke, Christa/Orbach, Thomas/Rohn, Holger : Betriebliche Kosten- und Massenrechnung, Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie, Wuppertal 1997
Müller-Wenk, Rudi : Die ökologische Buchhaltung, Frankfurt a. M. et al., 1978
Piro, Andrea : Betriebswirtschaftliche Umweltkostenrechnung, Heidelberg 1994
Plinke, Wulff : Erlösplanung im industriellen Anlagengeschäft, Wiesbaden 1985
Rebitzer, G. : Integrating Life Cycle Costing and Life Cycle Assessment for Managing Costs and Environmental Impacts in Supply Chains, in: Seuring, S.//Goldbach, M. (Hrsg.): Cost Management in Supply Chains, Heidelberg 2002, 127 – 146
Roth, Ursula : Umweltkostenrechnung, Wiesbaden 1992
Schaltegger, Stefan/Sturm, Andreas : Ökologieorientierte Entscheidungen in Unternehmen, Bern et al., 2. A., 1994
Spengler, Thomas/Hähre, Stephan/Sieverdingbeck, Andreas : Stoffflussbasierte Umweltkostenrechnung zur Bewertung industrieller Kreislaufwirtschaftskonzepte, in: ZfB, Jg. 68, 1998, S. 147 – 174
Steven, Marion/Letmathe, Peter : Umweltstücklisten als Datengrundlage für umweltorientierte PPS-Systeme, in: Betriebliches Umweltmanagement 1996 (ZfB-Ergänzungsheft 2/96), Schriftltg. Albach, Horst/Dyckhoff, Harald, Wiesbaden 1996, S. 165 – 183
Strebel, Heinz : Braucht man Umweltcontrolling bei defensiver Umweltpolitik?, in: UmweltWirtschaftsForum, Jg. 6, H. 2/1998, S. 69 – 72
Wagner, Gerd Rainer : Rechnungswesen und Umwelt, in: Handwörterbuch der Betriebswirtschaft, hrsg. v. Wittmann, Waldemar/Kern, Werner/Köhler, Richard/Küpper, Hans-Ulrich/v. Wysocki, Klaus, Stuttgart, 5. A., 1993, Sp. 3664 – 3677
Wagner, Gerd Rainer/Janzen, Henrik : Ökologisches Controlling – Mehr als ein Schlagwort?, in: Controlling, Jg. 3, 1991, S. 120 – 129

 

 


 

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