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Umweltpolitik

Umwelt und natürliche Ressourcen sind wie andere Ressourcen auch für den Menschen Mittel, um Bedürfnisse zu befriedigen (humanökologischer Ansatz). Wird dieser humanökologische Ansatz verfolgt und sind Umweltgüter knappe, also ökonomische Güter (Gut), dann werden ökologische Güter gerade dann optimal (nutzenmaximierend) verwendet, wenn ökonomische Kriterien handlungsleitend sind (Ökologie durch Ökonomie) und dieses Kalkül auf gesamtwirtschaftlichen Daten beruht. Umweltgüter sind deshalb knapp, da die wesentlichen Funktionen der Umwelt (Konsumgut, Rohstofflieferant, Schadstoffaufnahmemedium) in Nutzungskonkurrenz intra- und/od. interfunktionaler Art zueinander stehen. Daß diese für knappe Güter typische Nutzungskonkurrenz beim Gut Umwelt zu Problemen führt, liegt darin begründet, daß (a) für Umwelt i.d.R. keine individuellen Eigentumsrechte definiert und durchgesetzt sind, (b) daß die Umwelt keinen Preis als Steuerungssignal der Nutzung hat und (c) die Umweltnutzung dementsprechend historisch gesehen gesellschaftlich ungeregelt erfolgt ist. Diese Charakteristik der Umwelt als öffentliches Gut bringt es mit sich, daß der Markt (Wettbewerb) die notwendigen preislichen Informationen nicht selbst erzeugen kann (Nulltarif der Umweltnutzung) und daher politisch-institutionelle Regelungen getroffen werden müssen (kollektive Eigentumsrechte), die dem Markt (den Individuen) die wahre Knappheit der Umweltgüter anzeigen. U. ist dementsprechend eine genuine Staatsaufgabe: Aus ökonomischer Sicht, um durch politische Aktion fehlende Marktdaten zu ergänzen und Fehlallokationen (Allokation) zu verhindern, aus verfassungsrechtlicher Sicht, um natürliche und biologische Grundlagen menschlichen Lebens zu schützen (Art. 2 GG). Die Konstituierung eines kollektiven Eigentumsrechts an der Umwelt (Staat als Monopolist (Monopol)) impliziert zur Regelung umweltpolitischer Probleme kollektive Entscheidungsverfahren: Diese können in Kooperation oder Konflikt ihre Ausprägung finden. In der umweltpolitischen Praxis (Umweltprogramm der Bundesregierung 1971) spiegelt sich der Konfliktaspekt wider (a) im Verursacherprinzip (polluter-pays: Der Verursacher zahlt für Schäden/Belastungen mit der Konsequenz einer die Umweltnutzung korrekt widerspiegelnden Preisstrukturveränderung, also marktwirtschaftliches Verursacherprinzip), (b) im Vorsorgeprinzip (Schutz und schonende Inanspruchnahme der Naturgrundlagen durch Nutzungsverbot oder -beschränkung und medien-integrativen querschnittsbezogenen planerischen Ansatz) und (c) im Gemeinlastprinzip als (negativer) Manifestation der Konfliktunfähigkeit des Staates einerseits, als technisch-bedingte Notlösung andererseits (Altlasten, mangelnde verursacherspezifische Zurechenbarkeit, importierte Belastungen, Beseitigungen akuter Notlagen). Das Kooperationsprinzip als prozedurale Klammer der obigen Prinzipien dient der Frühidentifizierung potentieller Konflikte durch beabsichtigte Maßnahmen und dem frühzeitigen Konfliktausgleich. Eine seit Anfang der 70er Jahre geschaffene Vielzahl gesetzlicher Regelungen und Institutionen soll in Verfolgung der umweltpolitischen Prinzipien die im Umweltprogramm der Bundesregierung 1971 umschriebenen Ziele realisieren: Ein gesundheitspolitisches Ziel  (Sicherung von Gesundheit/menschenwürdigem Dasein), ein Ressourcenschutzziel (Schutz von Boden, Luft, Wasser, Pflanzen, Tierwelt) und ein Sanierungsziel (Beseitigung von Schäden und Nachteilen), wobei dem politischen Willen entsprechend die institutionelle Ausgestaltung der U. der Leitmaxime des Verursacherprinzips folgen soll (U. als dominierende Allokationsaufgabe). Da U. auf kollektiven Entscheidungsverfahren beruht, der Staat also als Monopolist der Umweltressourcen auftritt, bieten sich aus ökonomischer Sicht grundsätzlich zwei Strategien der Steuerung der Umweltnutzung an: Mengenfixierung (Auflagen, Lizenzen) und Preisfixierung (Abgaben). Auflagen (Ge- und Verbote, Standards) sind entsprechend der Tradition der Gewerbeaufsicht in der Bundesrepublik, aber auch in anderen Ländern das dominierende umweltpolitische Instrument. Von der Wirkungsweise her haben Auflagen, besonders im Produktionsbereich und bezogen auf Emissionen den Vorzug, daß sie ohne eine zugrundeliegende ökonomische Kalkulation bei akuten Gefährdungen sofort wirken und vor allem den angestrebten Emissionsstandard sicher realisieren; dies setzt allerdings voraus, daß die Einhaltung solcher Regulierungen durch die Androhung negativer Sanktionen glaubhaft und fühlbar abgesichert wird. Die Nachteile liegen deutlich im ökonomischen Bereich: Zum ersten nehmen Auflagen häufig Bezug auf den jeweiligen Stand der Technik mit der Folge einer möglichen Hemmung des umweltfreundlichen, technischen Fortschritts; zum zweiten bleiben individuelle Grenzkosten (Kosten) der Reinigung und Emissionsvermeidung unberücksichtigt, was zur Folge hat, daß Umweltschutzziele nicht zu minimalen gesamtwirtschaftlichen Kosten erreicht werden. Dies ist anders bei der Abgabenlösung: In diesem Fall setzt der Staat einen Preis für die Umweltnutzung fest, wobei der Abgabesatz je Emissionseinheit die Obergrenze der Umweltschutzkosten bildet: Der Verursacher wird die Abgabezahlung durch Emissionsdrosselung in dem Ausmaße vermeiden, wie dies billiger ist als die Abgabezahlung; erst darüberhinaus zahlt er die Abgabe für die Umweltnutzung, und da diese fixiert ist, entfallen die darüberhinausgehenden Reinigungskosten, die alternativ bei einer Auflagenlösung anfallen würden. Problematisch an der Abgabenlösung ist, daß auf der einen Seite die Abgabenhöhe ein Ergebnis des politischen Prozesses (Verhandlungen) ist, vor allem aber, daß bei einer Preisfixierung für die Umweltnutzung das Volumen der Umweltnutzung selbst marktabhängig ist; wieviel Emissionen effektiv auftreten, hängt nicht nur von dem Abgabesatz, sondern auch von der Entwicklung ökonomischer Größen ab (Produktionsmengen, technischer Fortschritt). Somit läßt sich ein Umweltnutzungsplafond (zulässige Höchstbelastungen) nur über trial and error-Verfahren und daher kaum präzise ansteuern. Umweltabgaben sind mithin zwar ökonomisch effizient, sind aber vom Kriterium der ökologischen Zielerreichung her unsicher. Beide Kriterien sind dagegen bei der Lizenzenlösung erfüllt: Hier liegt die "politische" Entscheidung in der Kontingentierung der insgesamt zulässigen Umweltnutzung  also wieder einer Mengen- und nicht Preisfixierung. Werden im Umfang dieses Kontingents Umweltnutzungszertifikate abgegeben, so bildet sich auf dem Lizenzenmarkt ein Preis für die Umweltnutzung heraus, der im ökonomischen Kalkül analog zur Abgabe wirkt: Die Verursacher werden bis zur Höhe des Lizenzenpreises reinigen und darüberhinaus Lizenzen erwerben, was insgesamt zur Minimierung der volkswirtschaftlichen Kosten (ökonomische Effizienz) bei einem politisch angestrebten Umweltqualitätsniveau führt. Umweltnutzungslizenzen haben den besonderen Vorzug, Vermögenswerte (Vermögen) für ihre Besitzer darzustellen, die bei umweltfreundlichem technischen Fortschritt durch Verkauf der Lizenzen realisierbar sind; ein weiterer Vorzug der Lizenzlösung liegt in der Möglichkeit der Offen-Markt-Politik, bei Bedarf die Kontingente zu verkürzen. Die theoretische Eleganz dieser Lösung konnte nicht verhindern, daß aufgrund praktischer Anwendungsprobleme (Versteigerungen versus freie Vergabe, befristete versus unbefristete Zertifikate, Abgrenzung ökologischer Regionen, Wettbewerbsprobleme) zunächst in der Grundidee ähnliche Instrumente mit allerdings stärkerer politischer Durchsetzbarkeit entwickelt wurden, die als flexible Auflagenlösungen bezeichnet werden: Beim bubble-Konzept (Emissionsverbund) wird die Zusammenfassung von Emissionen eines bestimmten Schadstoffs aus mehreren Anlagen oder Betrieben gestattet; eine Auflage, die Emissionen insgesamt zu reduzieren, überläßt es also den Teilnehmern zu bestimmen, in welchem Betrieb entsprechend der jeweiligen Grenzkostenverläufe reduziert wird. Mittels des offset-Konzepts (Ausgleichslösung) wird eine Dynamisierung der Anlagenstruktur oder eine Expansion auch in hochbelasteten Regionen bei gleichzeitiger Realisierung eines umweltpolitischen "Gewinns" angestrebt: Neuansiedlung oder Expansion setzen den Erwerb von Emissionsrechten voraus, der nur durch Emissionsminderung an anderer Stelle realisierbar wird. Um das Problem der Bilateralität und Simultaneität solcher Operationen zu überwinden, wurde zusätzlich das Konzept des emission-banking entwickelt, das eine Gutschreibung nicht genutzter oder freigewordener Emissionsrechte zum Verkauf, zur späteren Verwendung oder zum Verleihen gestattet. In einer Restgruppe von umweltpolitischen Instrumenten haben umweltpolitisch motivierte Subventionen (Gemeinlastprinzip) die praktisch größte Bedeutung: In diesem Fall übernimmt es der Staat ganz oder teilweise, Umweltschutzkosten der Verursacher aus staatlichen Einnahmen zu finanzieren. In seltenen Fällen mögen Subventionen unter ökonomischen Aspekten gerechtfertigt erscheinen, ganz überwiegend wirken sie allerdings kontraproduktiv im Sinne der Richtigstellung marktlicher Signale und damit effizienzmindernd; daß sie dennoch quantitativ so bedeutend sind, liegt an der mit U. verbundenen Konfliktintensität, die sie tendenziell zu mindern vermögen. Gedanklich konsequent, wenn auch praktisch weniger relevant, sind Ansätze, die sich an der Verhandlungslösung (Coase-Theorem) orientieren: Sind individuelle Eigentumsrechte an der Umwelt konstituierbar und werden diese entweder den Geschädigten oder Verursachern zugewiesen, so können beide Verhandlungspartner über das Umweltqualitätsniveau und entsprechende Kompensationszahlungen in Verhandlung treten. Unter bestimmten Bedingungen ergibt sich so ein Verhandlungsgleichgewicht (Allokation) unabhängig von der Zusprechung der individuellen Eigentumsrechte, wobei allerdings die Verteilungsergebnisse genau entsprechend dieser Verteilung der Eigentumsrechte differieren. Daß Verhandlungslösungen so selten sind, ist auf hohe Gruppenorganisationskosten einerseits, auf free-rider -Probleme aufgrund der positiven externen Effekte der Umweltqualität andererseits zurückzuführen. Ein diesem Verhandlungsmodell verwandtes Verfahren sind haftungsrechtliche Regelungen: Hier liegt das Eigentumsrecht am Umweltgut definitiv bei den Geschädigten und der Verursacher ist zur Kompensation verpflichtet, allerdings durch gerichtliche und deshalb pauschalisierte Festlegung und nicht aufgrund eines Verhandlungsergebnisses. Die umweltpolitische Wirkung solcher eindeutig geregelten Haftungsansprüche könnte beträchtlich sein, denn zweifellos wirkt der Erwartungswert eines potentiellen Schadensersatzes bzw. die Höhe der Versicherungsprämien zur Abdeckung solcher Risiken in Richtung einer Verminderung externer Schäden; allerdings spielen solche Regelungen in der Bundesrepublik i.Ggs. zu Japan beispielsweise keine wichtige Rolle. Die Instrumentengruppe mit der wohl geringsten Eingriffsintensität bezieht sich auf die Förderung umweltethischen Verhaltens und des Umweltbewußtseins schlechthin: Dies kann mittels Informationen, durch Appelle oder durch die Initiierung negativer sozialer Sanktionen (Mißbilligung) bei schädlichem oder sozialer Anerkennung bei umweltfreundlichem Verhalten (z.B. das Umweltzeichen) erreicht werden. Aufgrund der Marginalität des individuellen Beitrags zur Erhöhung der Umweltqualität ist es für den einzelnen jedoch immer rational, umweltfreundliches Verhalten allen anderen und, da jeder so denkt, niemandem zu überlassen.

Literatur: G. Hartkopf/E. Bohne, Umweltpolitik
1. Opladen 1983. H.-J. Schürmann, Ökonomische Ansätze zu einer rationalen Umweltpolitik und wirtschaftspolitische Konsequenzen. München 1978. H. Siebert, Ökonomische Theorie der Umwelt. Tübingen 1978. L. Wicke, Umweltökonomie.
3. A.,  München 1991.

 

 


 

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