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Rechnungslegungsstandards


Inhaltsübersicht
I. Begriff und Abgrenzung
II. International anerkannte Rechnungslegungsstandards
III. Rechnungslegungsgremien
IV. Entwicklung von Rechnungslegungsstandards
V. Deutsche Rechnungslegungsstandards

I. Begriff und Abgrenzung


Rechnungslegungsvorschriften sind Regeln zur Rechenschaftslegung, die aufgrund einer asymmetrischen Informationsverteilung Transaktionskosten senken (Böcking, H.-J. 1998). Als Oberbegriff umfassen sie die Gesamtheit aller verbindlichen und freiwilligen Verlautbarungen darüber, wie Geschäftsvorfälle und andere Ereignisse in den einzelnen Instrumenten der Rechenschaftslegung abgebildet werden sollten. Der Begriff Rechnungslegungsstandards bezeichnet zur näheren Abgrenzung nur solche Vorschriften, die im Wege eines standardisierten Verfahrens durch eine anerkannte (unabhängige) Rechnungslegungskommission verabschiedet und veröffentlicht worden sind (vgl. Abb. 1). Zentrales Merkmal dieses öffentlichen Verfahrens ist die gezielte Zusammenarbeit mit allen fachlich interessierten Kreisen, um qualitativ hochwertige Detailvorschriften im allgemeinen Konsens zu erarbeiten. Dabei wird regelmäßig ein Rahmenkonzept zugrunde gelegt, das eine theoretisch fundierte Basis für eine deduktive Ableitung der einzelnen Vorschriften bietet.
Rechnungslegungsstandards besitzen als Fachnormen i.d.R. nur Empfehlungscharakter und können im Besonderen bei der Entwicklung durch privatwirtschaftliche Institutionen (z.B. Berufsverbände) keine förmliche Gesetzeskraft entfalten (Beisse, H. 1999). Im Gegensatz zu Rechtsnormen (z.B. GoB) weisen Standards in den meisten Fällen lediglich einen mittelbaren Verpflichtungscharakter auf, der sich z.B. durch die Inanspruchnahme des Kapitalmarkts ergibt. In Analogie zu einer technischen Norm (z.B. DIN) regeln sie einen spezifischen Teilbereich der Rechnungslegung und unterliegen dabei einem kontinuierlichen Wandel (Biener, H. 1999). International bedeutende Rechnungslegungsstandards sind die International Financial Reporting Standards (IFRS) sowie die in den USA geltenden Generally Accepted Accounting Principles (US-GAAP). In Deutschland werden seit 1998 sog. Deutsche Rechnungslegungs Standards (DRS) entwickelt (Havermann, H. 2000).
Rechnungslegungsstandards
Abb. 1: Normsetzung durch Standard Setting Bodies

II. International anerkannte Rechnungslegungsstandards


1. United States-Generally Accepted Accounting Principles (US-GAAP)


Für den Begriff US-GAAP gibt es trotz der zentralen Bedeutung für die Rechnungslegung in den USA bis heute keine einheitliche und umfassende Definition. Es handelt sich um einen unbestimmten Begriff, dessen Inhalt nur näherungsweise abgegrenzt werden kann. Die unzähligen Definitionsansätze der Literatur versuchen die US-GAAP als eine Anzahl von detaillierten Vorschriften zu einzelnen Rechnungslegungsfragen darzustellen, die auf konkreten Verfahren der Praxis basieren und daher eine weit verbreitete Akzeptanz bei den Rechnungslegern finden (Haller, A. 1994).
In Abhängigkeit von ihrem Verbindlichkeitscharakter lassen sich die einzelnen Vorschriften vereinfachend zwei verschiedenen Hierarchieebenen zuordnen. Als Rechnungslegungsstandards bzw. US-GAAP im engeren Sinne sind insbesondere die offiziellen Verlautbarungen des Financial Accounting Standards Board (Statements of Financial Accounting Standards, Interpretations) und dessen Vorgängerorganisationen zu betrachten. Hierbei handelt es sich um teilweise noch gültige Rechnungslegungsstandards des Accounting Principles Board (Opinions) und des Committee on Accounting Procedure (Accounting Research Bulletins). Diese Vorschriften müssen im Gegensatz zu anderen US-GAAP von sämtlichen börsennotierten Unternehmen stets eingehalten werden und besitzen für diese somit konkreten Verpflichtungscharakter (Pellens, B./Fülbier, R./Gassen, U. 2004). Zu den US-GAAP im weiteren Sinne zählen die Gesamtheit der sonstigen Rechnungslegungsvorschriften des FASB und des wirtschaftsprüfenden Berufsstands, ebenso allgemein anerkannte Rechnungslegungspraktiken sowie vorherrschende Literaturmeinungen zu bestimmten Rechnungslegungsproblemen. Die US-GAAP i.w.S. werden dabei ausschließlich zur Lösung eines speziellen Problems herangezogen, sofern die US-GAAP i.e.S. keine hinreichende Unterstützung bieten.
Zentrales Gestaltungsmerkmal der US-GAAP ist die Orientierung an den Bedürfnissen des Kapitalmarkts (Böcking, H.-J./Benecke, B. 1998). Die Rechnungslegungsstandards sollen den (tatsächlichen und potenziellen) Investoren entscheidungsrelevante Informationen zur Verfügung stellen, damit diese einen wahrheitsgemäßen Einblick in die wirtschaftliche Unternehmenslage (fair presentation) erhalten. Um diese Ausgestaltung der US-GAAP zu sichern, verlangt die amerikanische Börsenaufsicht Securities and Exchange Commission (SEC) neben der Erstellung und Einreichung eines US-GAAP-Abschlusses auch ein uneingeschränktes Prüfungstestat bezüglich der US-GAAP-Konformität. Die US-GAAP sind insoweit für alle börsennotierten Unternehmen auch mittelbar verpflichtend, da die Nichteinhaltung zu weit reichenden Sanktionen gegenüber diesen Unternehmen führen kann. Auf diese Weise genießen die Rechnungslegungsstandards des FASB bzw. die US-GAAP i.e.S. einen Substantial Authoritative Support durch die SEC, obwohl es ihnen als Normen eines privaten Gremiums an unmittelbarer Gesetzeskraft mangelt (Langenbucher, G./Blaum, U. 1995; Hucke, A. 2000).

2. International Financial Reporting Standards (IFRS)/International Accounting Standards (IAS)


Die IFRS/IAS werden vom International Accounting Standards Board (IASB), einer unabhängigen privatrechtlichen Organisation mit Sitz in London, herausgegeben. Die Gründung des IASB reicht bis in das Jahr 1973 zurück, als sich nationale Berufsverbände von Abschlussprüfern zu einer internationalen Fachorganisation, dem sog. International Accounting Standards Committee (IASC) zusammenschlossen. Wesentliche Ziele des IASB sind laut Satzung die Formulierung und Veröffentlichung von qualitativ hochwertigen Rechnungslegungsstandards und das Bemühen um eine weltweite Verbesserung und Konvergenz von Rechnungslegungsvorschriften (Wagenhofer, A. 2005).
Im Unterschied zu den Abgrenzungsproblemen bei den US-GAAP bezeichnet der Begriff IFRS nur die vom IASB erlassenen Rechnungslegungsstandards. Diese beziehen sich stets auf einen abgegrenzten Problembereich der Rechnungslegung und werden entsprechend der allgemeinen Zielsetzung, der Vermittlung entscheidungsrelevanter Informationen, entwickelt. Zusätzlich werden noch Interpretationen (Interpretations) dieser Rechnungslegungsstandards durch das International Financial Reporting Interpretations Committee (IFRIC) des IASB herausgegeben. Diese Verlautbarungen sollen eine einheitliche Auslegung bzw. Anwendung der IFRS sicherstellen. Sie bieten einen unmittelbaren Lösungsansatz zu spezifischen Bilanzierungs- und Publizitätsfragen, die im Zusammenhang mit bestimmten IFRS stehen, jedoch vom IASB nicht abschließend bearbeitet wurden. Die Interpretations entsprechen hinsichtlich der Qualität bzw. des Rangs den IFRS, sofern sie sowohl vom IFRIC als auch vom IASB verabschiedet bzw. angenommen worden sind.
Als Verlautbarungen eines privaten Standard Setting Body können die Rechnungslegungsstandards des IASB grundsätzlich keine gesetzlich sanktionierte Rechtskraft entfalten, weshalb sie ohne Transformation in nationales Recht ausschließlich Empfehlungscharakter besitzen. Die Vorgängerorganisation des IASB versuchte noch Ende der 1990er-Jahre eine weltweite Anerkennung der damaligen International Accounting Standards (IAS) als Voraussetzung für eine grenzüberschreitende Börsenzulassung zu erreichen. Zu diesem Zweck wurde unter anderem eine verstärkte Zusammenarbeit mit der Internationalen Vereinigung der Börsenaufsichtsbehörden (IOSCO) (Börsenaufsicht) vereinbart, die im Mai 2000 zu einem sog. Endorsement der IAS von Seiten der IOSCO führte. Die grundsätzliche Empfehlung für eine IAS-Rechnungslegung im Rahmen eines grenzüberschreitenden Börsengangs wurde von zwei bedeutenden Entwicklungen begleitet: Einerseits erfolgte eine umfassende Neustrukturierung des IASC, anderseits legte die Europäische Kommission einen Verordnungsvorschlag zur verpflichtenden Konzernrechnungslegung nach IAS für kapitalmarktorientierte Unternehmen vor. Durch die Neustrukturierung des IASC zum IASB im Jahr 2001 wurden die Grundlagen zur Etablierung eines unabhängigen, professionellen und globalen Standard Setting Body gelegt. Die Verabschiedung der sog. EU-Verordnung im Jahr 2002 führte dazu, dass die Rechnungslegungsstandards des IASB nunmehr über einen unmittelbaren Verpflichtungscharakter für alle kapitalmarktorientierten EU-Unternehmen verfügen, die zur Konzernrechnungslegung verpflichtet sind (Baetge, J./Kirsch, H.-J./Thiele, S. 2005). Der deutsche Gesetzgeber hat mit dem Bilanzrechtsreformgesetz (BilReG) Ende 2004 zudem die Anwendung der IFRS auch im Konzernabschluss von nicht kapitalmarktorientierten Unternehmen sowie im Jahresabschluss für alle Unternehmen erlaubt. Die IFRS stellen insoweit die zentralen Rechnungslegungsstandards innerhalb der EU dar. Falls darüber hinaus die nationalen Börsenaufsichtsbehörden das Endorsement der IOSCO weiter umsetzen, können sich die IFRS als einheitliche Rechnungslegungsstandards zumindest mit mittelbarem Verpflichtungscharakter weltweit etablieren.

III. Rechnungslegungsgremien


Die Abb. 1 zeigt die grundsätzlichen Möglichkeiten zur Entwicklung von Rechnungslegungsvorschriften auf. Die Normierung der Rechnungslegung kann demnach durch den Gesetzgeber als kodifizierte Rechtsnormen, durch Ermächtigung der Exekutive zum Erlass von Rechnungslegungsverordnungen und durch die Verabschiedung von Rechnungslegungsstandards durch spezielle Kommissionen erfolgen. Die Normsetzung durch Kommissionen tritt dabei nicht in Opposition zu den anderen Gestaltungsmöglichkeiten, sondern dient oftmals als Ergänzung, um bereits existierende Normen zu konkretisieren oder entstehende Regelungslücken zu schließen.
Nationale Gremien für die (Weiter-)Entwicklung von Rechnungslegungsvorschriften existieren inzwischen nicht nur in angloamerikanischen Ländern (z.B. USA, Kanada, Australien, Großbritannien), sondern auch in einer Vielzahl von kontinentaleuropäischen Ländern (z.B. Frankreich, Deutschland, Niederlande). Die jeweilige Ausgestaltung der Gremien unterscheidet sich indes trotz identischer Zielsetzung in ihrer rechtlichen und organisatorischen Struktur bzw. in ihrem Kompetenzbereich (Achleitner, A.-K. 1996; Breidenbach, K. 1997). Die Eckpunkte einer potenziellen Ausgestaltung sind in einer staatlichen Normsetzungskommission und einem rein privaten Rechnungslegungsgremium zu sehen. Als Beispiel für eine staatliche Kommission kann das Comité de la Réglementation Comptable (CRC) in Frankreich herangezogen werden. Dagegen besteht international mit der Gründung des IASB ein Paradefall für ein privates Rechnungslegungsgremium.
Neben den dargestellten grundsätzlichen Alternativen finden sich in der Praxis vor allem Zwischenlösungen, wie z.B. private Gremien mit staatlicher Autorisation (Emmrich, M. 1999). Prominente Beispiele für eine solche Ausgestaltung existieren u.a. in Deutschland mit dem Deutschen Rechnungslegungs Standards Committee (DRSC) und in den USA mit dem Financial Accounting Standards Board (FASB). Letzterer wurde 1972 durch die Financial Accounting Foundation (FAF) gegründet und nahm 1973 seine Arbeit als maßgeblicher Standard Setting Body für Unternehmen des Privatsektors auf. Die besondere Bedeutung des FASB beruht auf der delegierten Normsetzungskompetenz für materielle Rechnungslegungsstandards durch die SEC, welche als unabhängige Bundesbehörde zum eigentlichen Erlass von Rechnungslegungsvorschriften ermächtigt wurde. Die Delegation bzw. Anerkennung der einzelnen Rechnungslegungsstandards von Seiten der SEC steht jedoch stets unter dem generellen Vorbehalt der sachgemäßen Ausgestaltung dieser Vorschriften (Überwachungsfunktion der SEC). Sofern nach Auffassung der SEC bestimmte Standards unzureichend im Sinne einer fair presentation sind, kann sie mit dem Erlass eigener Rechnungslegungsverordnungen drohen (Langenbucher, G./Blaum, U. 1995; Miller, P. B. W./Redding, R. J./Bahnson, P. R. 1998).
Der FASB besteht aus sieben hauptberuflich tätigen Mitgliedern, die von der FAF für fünf Jahre (mit Wiederwahlmöglichkeit) ernannt werden. Um eine einseitige Interessenbesetzung im Board zu vermeiden, wird zur Sicherstellung einer weitgehenden Akzeptanz unter den Rechnungslegungsadressaten neben der fachlichen Qualifikation vor allem der ursprüngliche berufliche Tätigkeitsbereich bei der Kandidatenauswahl berücksichtigt. Als Leitungs- und Entscheidungsorgan wird der FASB in seiner Arbeit durch einen ca. 40 bis 50-köpfigen wissenschaftlichen Mitarbeiterstab unterstützt. Daneben bestehen für einzelne Regelungsprojekte zeitlich begrenzte Arbeitsausschüsse (Task Forces), die den FASB bei der fachlichen Ausarbeitung der Rechnungslegungsstandards entlasten (Hayn, S./Zündorf, H. 1999).
Hinsichtlich fachlicher Aspekte wird der FASB ebenso durch das Financial Accounting Standards Advisory Council (FASAC) beraten. Dieser Konsultationsausschuss, dessen Mitglieder durch die FAF für jeweils ein Jahr berufen werden, dient der Berücksichtigung einer möglichst weiten Meinungs- und Interessenpluralität bei der Entwicklung eines Rechnungslegungsstandards. Der FAF kommt daher eine zentrale Stellung innerhalb der Normsetzung zu, da sie die fachliche Zusammensetzung der Gremien steuert, eine Überwachung ihrer Tätigkeiten ausübt und die finanzielle Unabhängigkeit des FASB sicherstellen soll (Kieso, D. E./Weygandt, J. J./Warfield, T. 2004; Haller, A./Eierle, B. 1998; Zitzelsberger, S. 1998).

IV. Entwicklung von Rechnungslegungsstandards


Die Erarbeitung von Rechnungslegungsstandards erfolgt in einem streng normierten Verfahren, das als Standard Setting Process bzw. Due Process bezeichnet wird. Diese international übliche Vorgehensweise soll eine bestmögliche Erfüllung der an die Rechnungslegung herangetragenen Anforderungen (z.B. Entscheidungsrelevanz, Zuverlässigkeit, ?) gewährleisten. Ausgangspunkt für die Verfahrensausgestaltung ist demnach die Berücksichtigung der Belange aller gesellschaftlichen Gruppen, die als Betroffene der Rechnungslegung konkrete Anforderungen an diese formulieren. Zu diesem Zweck wird der Normsetzungsprozess in einzelne Phasen unterteilt, die sich durch eine intensive Mitarbeit aller fachlich interessierten Kreise auszeichnen. Erst die Beteiligung aller potenziell betroffenen Gruppen sowie die transparente Gestaltung der einzelnen Prozessphasen führen zu der gewünschten allgemeinen Akzeptanz bei den Rechnungslegungsadressaten, in dem sie eine einseitige, d.h. interessenlastige Ausrichtung der jeweiligen Standards verhindern (Küting, K./Brakensiek, S. 1999).
Rechnungslegungsstandards
Abb. 2: Standardisierter Entwicklungsprozess (Due Process) von IFRS
Die zentralen Verfahrensschritte zur Entwicklung eines International Financial Reporting Standard (IFRS) durch den IASB werden exemplarisch in Abb. 2 dargestellt. Am Beginn des Normsetzungsprozesses steht die kritische Prüfung eventuell neu aufgetretener Rechnungslegungsprobleme durch den IASB. Erfolgt die Aufnahme des Projekts in das Arbeitsprogramm, kann der IASB zur fachlichen Unterstützung eine Arbeitsgruppe (Advisory Group bzw. Committee) einberufen. Nach Abgrenzung der relevanten Fragestellungen und Erarbeitung erster Lösungsansätze werden die Ergebnisse in einem sog. Discussion Paper (DP) zusammengefasst und der Öffentlichkeit zur weiteren fachlichen Auseinandersetzung präsentiert. Die Möglichkeit zur Abgabe von schriftlichen Stellungnahmen dient der frühzeitigen Einbeziehung der interessierten Öffentlichkeit und einer weiteren Konkretisierung der Regelungsproblematik. Unter Berücksichtigung der eingereichten Stellungnahmen und potenzieller Einwände des Board, wird in einem nächsten Schritt ein sog. Exposure Draft (ED) erarbeitet und wiederum der Öffentlichkeit zur Diskussion gestellt. Diese kann, wie bereits im Fall des DP, innerhalb einer Frist von drei Monaten schriftliche Stellungnahmen hierzu abgeben und damit insbesondere zur Klärung bestehender Konfliktbereiche beitragen. Nach Ablauf der Kommentierungsfrist werden die jeweils eingegangenen Meinungen im IASB erörtert und schließlich der endgültige Rechnungslegungsstandard mit mindestens 8 der insgesamt 14 Stimmen des IASB verabschiedet. Der gesamte Prozess soll von einem Fachbeirat (Standards Advisory Council) und von den nationalen Standard Settern begleitet werden. Während der Fachbeirat ausschließlich beratende Funktion besitzt, dient die Zusammenarbeit mit den nationalen Standard Setter letztlich der Erhöhung der weltweiten Akzeptanz der IFRS. Zu diesem Zweck wurde eine institutionalisierte Partnerschaft zwischen sieben namhaften nationalen Standard Settern und dem IASB vereinbart. Die Kooperation soll nach Ansicht des IASB vor allem folgende Aspekte beinhalten: Abstimmung der gegenseitigen Arbeitsprogramme sowie Vornahme von Felduntersuchungen bzw. öffentlichen Anhörungen zu einzelnen Rechnungslegungsfragen. Der dargestellte Standard Setting Process ist in sich flexibel und kann sich jederzeit durch Rückkopplungen verlängern. Einzelne Schritte können insbesondere zur Berücksichtigung divergierender Interessen bei Bedarf wiederholt werden, um eine sachgerechte und ausgewogene Lösung zu ermöglichen. Die Entwicklungsdauer eines Rechnungslegungsstandards ist insofern von der Komplexität des zu lösenden Regelungsproblems abhängig und kann vor diesem Hintergrund durchaus auch mehrere Jahre betragen.

V. Deutsche Rechnungslegungs Standards


Mit dem Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG) hat der Gesetzgeber die Grundlagen zur Etablierung eines deutschen Standard Setting Body geschaffen. Der neu eingefügte § 342 HGB ermächtigt das Bundesministerium der Justiz (BMJ), eine privatrechtlich organisierte Einrichtung als nationales Rechnungslegungsgremium durch Vertrag anzuerkennen. Das Tätigkeitsfeld soll sich dabei auf folgende Aufgaben erstrecken:

1.

Entwicklungen von Empfehlungen (Standards) zur Anwendung der Grundsätze über die Konzernrechnungslegung,

2.

Beratung des BMJ bei Gesetzgebungsvorhaben zu Rechnungslegungsvorschriften und

3.

Vertretung der Bundesrepublik Deutschland in internationalen Standardisierungsgremien.


Ende März 1998 wurde hierzu das DRSC als eingetragener Verein mit Sitz in Berlin gegründet. Mit dem Standardisierungsvertrag vom 03.09.1998 wurde das DRSC vom BMJ als zuständige Organisation im Sinne des § 342 HGB anerkannt und mit den oben genannten Aufgaben beauftragt. Als zentrale Anforderungen an das DRSC sieht § 342 I Satz 2 HGB vor, dass die Empfehlungen unabhängig und ausschließlich von Rechnungslegern in einem Verfahren entwickelt und beschlossen werden, das die fachlich interessierte Öffentlichkeit einbezieht. Die organisatorische Struktur und der Normsetzungsprozess wurden daher entsprechend anerkannten Vorbildern (FASB bzw. IASC) ausgestaltet, um insbesondere auch die gewünschte internationale Akzeptanz des Gremiums sicherzustellen.
Als Organe des DRSC sieht die Satzung die Mitgliederversammlung und den Vorstand vor. Letzterem obliegt unter anderem die Wahl und die Bestellung der Mitglieder des Deutschen Standardisierungsrates (DSR), der den eigentlichen Mittelpunkt des Rechnungslegungsgremiums darstellt (Löw, E. 2001). Hierbei handelt es sich um ein siebenköpfiges Gremium, das mit der Entwicklung bzw. Auslegung der Standards zur Anwendung der Konzernrechnungslegung beauftragt wurde. Seine Mitglieder werden i.d.R. auf die Dauer von vier Jahren gewählt und haben ihre Tätigkeit gem. der Vereinssatzung unabhängig auszuüben. Unterstützt wird der DSR in seiner fachlichen Arbeit durch ständige oder zeitlich befristete Arbeitsgruppen sowie durch das Rechnungslegungs Interpretations Committee (RIC), das in enger Zusammenarbeit mit dem IFRIC die internationale Konvergenz von Interpretationen wesentlicher Rechnungslegungsfragen fördern soll.
Die vom DSR verabschiedeten Empfehlungen (Standards) beinhalten bei Bekanntmachung durch das BMJ gem. § 342 II HGB die Vermutung, dass das rechnungslegende Unternehmen bei deren Anwendung die GoB, soweit sie die Konzernrechnungslegung betreffen, beachtet. Die gesetzliche Vermutungsregelung trägt dazu bei, dass die Rechnungslegungsempfehlungen angewendet werden (Scheffler, E. 1999). Das gewünschte Enforcement lässt sich aus der zugrunde liegenden Annahme des Gesetzgebers entnehmen. Mit der Bekanntmachung wird angenommen, dass die Rechnungslegungsstandards den unbestimmten Rechtsbegriff der GoB grundsätzlich zutreffend konkretisieren. Durch die Akzeptanz im Rahmen des Due Process und der Anwendung in der Rechnungslegungspraxis werden die Standards damit letztlich zu GoB. Eine Überprüfung dieser GoB-Konkretisierung durch die Gerichte bleibt indes davon grundsätzlich unberührt (Moxter, A. 1998; Beisse, H. 1999; Ebke, W. F. 2001).
Der Deutsche Standardisierungsrat hat bislang insgesamt 15 Deutsche Rechnungslegungs Standards verabschiedet. Diese Standards betreffen vornehmlich die Schließung von Regelungslücken. Beispiele dafür sind die Konkretisierung der Vorgaben zur Kapitalflussrechnung (DRS 2) und Segmentberichterstattung (DRS 3) oder die Konkretisierung der verpflichtenden Risikoberichterstattung (DRS 5). Darüber hinaus widmet sich der DSR zunehmend auch der Überarbeitung und Einschränkung bestehender Rechnungslegungswahlrechte, wie z.B. im DRS 4 (Unternehmenserwerbe im Konzernabschluss), DRS 8 (Bilanzierung von Anteilen an assoziierten Unternehmen im Konzernabschluss) oder in DRS 15 (Lageberichterstattung).
Durch die Anerkennung des privaten Rechnungslegungsgremiums ist seit 1998 auch der deutsche Gesetzgeber dazu übergangen, die Auslegung und Fortentwicklung der (Konzern-)Rechnungslegung flexibler zu gestalten, um vor allem mit den internationalen Entwicklungen Schritt zu halten. Die Vorteile solcher Standard Setter beruhen auf der Bündelung von Fachwissen und der Möglichkeit, zeitnah auf Veränderungen in der Unternehmensumwelt reagieren zu können (Hucke, A. 2000; Baetge, J./Krumnow, J./Noelle, J. 2001). Laut Standardisierungsvertrag dürfen die bekannt gemachten Empfehlungen (Rechnungslegungsstandards) zwar nicht in Widerspruch zu Rechtsvorschriften stehen, sie sollen jedoch eine sinnvolle Weiterentwicklung der GoB ermöglichen. Ihre Bindungswirkung erhalten sie ähnlich den US-GAAP durch die allgemeine Akzeptanz der Rechnungslegungspraxis und sonstiger institutioneller Vorkehrungen (Böcking, H.-J./Dutzi, A. 2002).
Literatur:
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Baetge, J./Kirsch, H.-J./Thiele, S. : Bilanzen, 8. A., Düsseldorf 2005
Baetge, J./Krumnow, J./Noelle, J. : Das „ Deutsche Rechnungslegungs Standards Committee “ (DRSC), in: DB, 2001, S. 769 – 774
Beisse, H. : Normqualität und Normstruktur von Bilanzvorschriften und Standards, in: BB, 1999, S. 2180 – 2186
Biener, H. : Die Standardisierung als neue Möglichkeit zur Fortentwicklung der Rechnungslegung, in: Internationale Rechnungslegung, hrsg. v. Küting, K./Langenbucher, G., Stuttgart 1999, S. 451 – 462
Böcking, H.-J. : Zum Verhältnis von Rechnungslegung und Kapitalmarkt: Vom „ financial accounting “ zum „ business reporting “ , in: Rechnungslegung und Steuern international, hrsg. v. Ballwieser, W./Schildbach, T., Düsseldorf et al., 1998, S. 17 – 53
Böcking, H.-J./Benecke, B. : Neue Vorschriften zur Segmentberichterstattung nach IAS und US-GAAP unter dem Aspekt des Business Reporting, in: WPg, 1998, S. 92 – 107
Böcking, H.-J./Dutzi, A. : Kommentar zu § 342 HBG, in: Bilanzrecht: Handelsrecht mit Steuerrecht und den Regelungen des IASB, hrsg. v. Baetge, J./Kirsch, H.-J./Thiele, S., Bonn/Berlin 2002
Breidenbach, K. : Normsetzung für die Rechnungslegung, Diss. Wiesbaden 1997
Ebke, W. F. : Kommentar zu § 342 HGB, in: Münchener Kommentar zum Handelsgesetzbuch, Band 4, hrsg. v. Schmidt, K., München 2001, S. 1718 – 1726
Emmrich, M. : Ansätze und Perspektiven einer Reform der externen Rechnungslegung in Deutschland, Diss. Aachen 1999
Haller, A. : Die Grundlagen der externen Rechnungslegung in den USA, 4. A., Diss. Stuttgart 1994
Haller, A./Eierle, B. : Ideenfindung und -verarbeitung zur Entwicklung von Rechnungslegungsstandards beim „ Financial Accounting Standards Board “ , in: DB, 1998, S. 733 – 739
Havermann, H. : Private Regelsetzung aus Sicht des Handelsbilanzrechts, in: ZGR 2000, S. 693 – 701
Hayn, S./Zündorf, H. : Normierung der Rechnungslegung, in: Internationale Rechnungslegung, hrsg. v. Küting, K./Langenbucher, G., Stuttgart 1999, S. 481 – 506
Hucke, A. : Entstehung von Rechnungslegungsvorschriften, in: Investororientierte Unternehmenspublizität hrsg. v. Lachnit, L./Freidank, C.-C., Wiesbaden 2000, S. 61 – 90
Kieso, D. E./Weygandt, J. J./Warfield, T. : Intermediate Accounting, 11. A., New York et al. 2004
Küting, K./Brakensiek, S. : IASC, FASB und DRSC – Ein Kurzporträt dreier Standard Setter, in: BB, 1999, S. 678 – 682
Langenbucher, G./Blaum, U. : Ist ein deutsches Rechnungslegungsgremium notwendig?, in: DB, 1995, S. 2325 – 2335
Löw, E. : Deutsches Rechnungslegungs Standards Committee, in: ZBB, 2001, S. 19 – 29
Miller, P. B. W./Redding, R. J./Bahnson, P. R. : The FASB: The People, the Process and the Politics, 4. A., Boston et al. 1998
Moxter, A. : Deutsches Rechnungslegungs Standards Committee: Aufgaben und Bedeutung, in: DB, 1998, S. 1425 – 1428
Pellens, B./Fülbier, R./Gassen, U. : Internationale Rechnungslegung, 5. A., Stuttgart 2004
Scheffler, E. : Der Deutsche Standardisierungsrat – Struktur, Aufgaben und Kompetenzen, in: BFuP, 1999, S. 407 – 417
Wagenhofer, A. : International Accounting Standards, 5. A., Wien et al. 2005
Zitzelsberger, S. : Überlegungen zur Einrichtung eines nationalen Rechnungslegungsgremiums in Deutschland, in: WPg, 1998, S. 246 – 259

 

 


 

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