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Steuerrecht


Inhaltsübersicht
I. Steuerbegriff und Steuerhoheiten
II. Systemtragende Prinzipien des Steuerrechts
III. Gesetze und Gebiete des Steuerrechts
IV. Die einzelnen Steuern und internationaler Steuerwettbewerb

I. Steuerbegriff und Steuerhoheiten


Die Gesamtheit der Normen zur materiellrechtlichen, d.h. steuerschuldrechtlichen Bestimmung und zur verfahrensrechtlichen Durchsetzung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis (Begriff des Steuerrechts) wird grundlegend durch den Steuerbegriff in § 3 Abs. 1 Abgabenordnung (AO) abgegrenzt. Nach dieser Vorschrift sind Steuern „ Geldleistungen, die nicht eine Gegenleistung für eine besondere Leistung darstellen und von einem öffentlichen Gemeinwesen zur Erzielung von Einnahmen allen auferlegt werden, bei denen der Tatbestand zutrifft, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft; die Erzielung von Einnahmen kann Nebenzweck sein. “ Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass den Steuerhoheitsregelungen der Art. 105 – 108 Grundgesetz (GG) der historische, in § 3 Abs. 1 AO übernommene Steuerbegriff der Reichsabgabenordnung zugrunde liegt. Dadurch gewinnt der Steuerbegriff des § 3 Abs. 1 AO verfassungsrechtliche Qualität (s. Joachim Lang, in: Tipke, Klaus/Lang, Joachim 2005, § 3 Rz. 10).
Danach sind die finanzverfassungsrechtlichen Steuerkompetenznormen nur anwendbar, wenn eine Steuer im Sinne des § 3 Abs. 1 AO vorliegt. Die Finanzverfassung regelt drei Kompetenzen (sog. Steuerhoheiten): in Art. 105 GG die Befugnis zur Gesetzgebung (Steuergesetzgebungshoheit), in Art. 106 GG die Zuweisung des Steueraufkommens (Steuerertragshoheit) und in Art. 108 GG die Verteilung der Verwaltungszuständigkeiten auf Bund und Länder (Steuerverwaltungshoheit).

II. Systemtragende Prinzipien des Steuerrechts


Die „ systemtragenden Prinzipien des Steuerrechts “ (s. Joachim Lang, in: Tipke, Klaus/Lang, Joachim 2005, § 4 Rz. 63 ff.) sind verfassungsrechtlich konstituiert, da der Steuerstaat mit Steuern vielfältig und tief greifend in private Vermögenssphären einwirkt. Dementsprechend müssen Bürger und Unternehmen rechtsstaatlich geschützt sein. Die Rechtsstaatlichkeit des Steuerrechts wird wesentlich durch die Gleichmäßigkeit und Gesetzmäßigkeit der Besteuerung bestimmt.
Beide Prinzipien sind bereits im historischen Steuerbegriff des § 3 Abs. 1 AO angesprochen, der an die klassische Vorstellung von Gleichheit anknüpft: „ Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich “ (so Art. 3 Abs. 1 GG). Art. 3 Abs. 1 GG formuliert die sog. Rechtsanwendungsgleichheit, die gleichmäßige Anwendung und Durchsetzung der Gesetze durch Behörden und Gerichte. Das BVerfG hat die Rechtsanwendungsgleichheit für das Steuerrecht grundlegend durch das Zinssteuerurteil vom 27.06.1991 (BVerfGE 84, 239; Zitate nach Band und Seite der amtlichen Sammlung (BVerfGE)) und das Spekulationssteuerurteil vom 09.03.2004 (BVerfGE 110, 94) konkretisiert: Das materielle Steuergesetz müsse seine regelmäßige Durchsetzbarkeit gewährleisten. Im Veranlagungsverfahren bedürfe das Deklarationsprinzip der Ergänzung durch das Verifikationsprinzip (BVerfGE 84, 273). Diese Interpretation der Rechtsanwendungsgleichheit hat zur Folge, dass Steuern insoweit nicht erhoben werden dürfen, als das Steuergesetz nicht allgemein durchgesetzt werden kann oder faktisch von der Finanzverwaltung nicht durchgesetzt wird.
Die Rechtsstaatlichkeit bindet auch den Gesetzgeber an den Gleichheitssatz. Fundamentaler steuerrechtlicher Vergleichsmaßstab ist das Prinzip der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, das sog. Leistungsfähigkeitsprinzip (s. Birk, Dieter 1983; Tipke, Klaus 2000, S. 479 ff.). Der Streit zwischen Ökonomen und Juristen, ob die Besteuerung am Äquivalenzprinzip oder am Leistungsfähigkeitsprinzip auszurichten ist, wird zunächst durch die Ausgrenzung von Abgaben mit Gegenleistung aus dem Steuerbegriff, sodann auch durch ein unterschiedliches Verständnis des Leistungsfähigkeitsprinzips entfacht.
Ökonomen beurteilen Steuern äquivalenztheoretisch (s. Hansjürgens, Bernd 2001), um den Nutzen von Steuern für den Steuerzahler zu optimieren. Sozialabgaben (z.B. Renten- und Krankenversicherungsbeiträge) werden auch ohne äquivalente Gegenleistung erhoben, sodass sie wie Steuern wirken. Die deutsche Unterscheidung von Steuern, Gebühren und Beiträgen behindert erheblich die interdisziplinäre Diskussion zwischen Ökonomen und Juristen. Zudem pflegen Ökonomen das Leistungsfähigkeitsprinzip als Umverteilungsprinzip zu verstehen, das vor allem die Progressivität der Einkommensteuer rechtfertigt (s. Schmidt, Kurt 1960). Nach neuerer rechtswissenschaftlicher Lehre (grundlegend Tipke, Klaus 1981, S. 97 f.) führt jedoch die gleichmäßige Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit zur Proportion. Die Progression ist dem Sozialstaatsprinzip zuzuordnen. Mithin gebietet das Leistungsfähigkeitsprinzip gleichheitsrechtlich die Gleichbehandlung wirtschaftlicher Sachverhalte. Damit rückt das moderne juristische Verständnis von Gleichbehandlung wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit in die Nähe des ökonomischen Effizienzpostulats, das die entscheidungsneutrale Besteuerung gebietet (s. Elschen, Rainer 1991; Wagner, Franz W. 1992).
Das steuerrechtliche Legalitätsprinzip (Gesetzmäßigkeit der Besteuerung) basiert auf der rechtsstaatlichen Bindung der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung an „ Gesetz und Recht “ (Art. 20 Abs. 3 GG), auf dem grundrechtlichen Gesetzesvorbehalt, nach dem die ökonomische Handlungsfreiheit nur durch Gesetz eingeschränkt werden darf und auf dem Demokratieprinzip, nach dem für die Bewilligung von Steuern die Volksvertretung zuständig ist (s. Papier, Hans-Jürgen 1973). Aus dem Legalitätsprinzip folgt das Verbot von Steuervereinbarungen, dessen Anwendungsbereich mitunter schwer von den zulässigen tatsächlichen Verständigungen im Steuerverfahren abzugrenzen ist (s. Seer, Roman 1996; Roman Seer, in: Tipke, Klaus/Lang, Joachim 2005, § 21, Rz. 19 ff.). Die häufig fiskalisch motivierte Steueränderungsgesetzgebung aktiviert das Verbot rückwirkender Steuergesetze, das dem Steuerzahler Steuerplanungssicherheit vermitteln und ökonomische Dispositionen vor nachträglicher Veränderung der steuerlichen Rahmenbedingungen schützen soll (Hey, Johanna 2002; Joachim Lang, in: Tipke, Klaus/Lang, Joachim 2005, § 4, Rz. 19 ff.).
Die Besteuerung wird durch die Grundrechte beschränkt. Der Schutz der Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG) gebietet die Steuerfreiheit des Existenzminimums in Höhe der Sozialhilfe (s. BVerfG vom 25.9.01992, BVerfGE 87, 153). Die steuerrechtliche Judikatur des BVerfG effektuiert stringent Art. 6 Abs. 1 GG, nach dem Ehe und Familie „ unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung “ stehen. Aus den Freiheitsrechten wird das Übermaßverbot und das (auch finanzverfassungsrechtlich fundierte) Verbot der Erdrosselungssteuer abgeleitet (s. Joachim Lang, in: Tipke, Klaus/Lang, Joachim 2005, § 4, Rz. 209 ff.).

III. Gesetze und Gebiete des Steuerrechts


Kein Rechtsgebiet ist in so vielen Gesetzen geregelt wie das Steuerrecht. Während das Zivil- und Strafrecht mit einer Beck\'schen Loseblattsammlung, dem Schönfelder auskommt, benötigt allein das Bundessteuerrecht drei Textsammlungen: „ Steuergesetze “ ; „ Doppelbesteuerungsabkommen “ und „ Zölle und Verbrauchsteuern “ . Das wichtigste Gesetz ist die Abgabenordnung, in der das Steuerrecht teilkodifiziert ist. In diesem sog. Mantelgesetz ist das allgemeine Steuerschuldrecht, das Steuerverfahren sowie das Steuerstraf- und Steuerordnungswidrigkeitenrecht geregelt. §§ 347 ff. AO regeln das kostenfreie Einspruchsverfahren als Vorverfahren (§ 44 FGO) zum Steuerprozess, der in der Finanzgerichtsordnung geregelt ist.
Das allgemeine  Steuerschuldrecht beinhaltet die für mehrere Steuerarten geltenden Normen des Steuerschuldverhältnisses. Die „ Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis “ sind nach § 37 AO der Steueranspruch, der Steuervergütungs-/Steuererstattungsanspruch, der Haftungsspruch und die Ansprüche auf Nebenleistungen wie z.B. Zinsen, Verspätungs-/Säumniszuschläge, Zwangsgelder. Die AO regelt u.a. das Entstehen und Erlöschen dieser Ansprüche, Verjährung, Stundung und Erlass aus Billigkeitsgründen, Erfüllung, Aufrechnung, Gesamtschuldnerschaft. Wegen der engen Verzahnung steuerschuldrechtlicher Dispositionen mit dem Verwaltungshandeln sind steuerschuldrechtliche Vorschriften auch in den verfahrensrechtlichen Teilen der AO anzutreffen. Die Gläubiger der Steueransprüche sind in Gestalt der Ertragshoheit in der Finanzverfassung geregelt. Daher bedarf die Einführung einer neuen Steuer notwendig einer Ergänzung des Art. 106 GG.
Die Behördenorganisation ist in dem Gesetz über die  Finanzverwaltung geregelt. Es handelt sich um ein Ausführungsgesetz zu Art. 108 GG, in dem die sachlichen Zuständigkeiten der Bundes- und Landesfinanzbehörden bestimmt sind. Für Steuern zuständige Bundesfinanzbehörden sind das Bundesfinanzministerium, das Bundesamt für Finanzen und als örtliche Bundesbehörden die Hauptzollämter; diese sind für Zölle (§ 3 Abs. 3 AO: Steuern i.S.d. AO), die Bundesverbrauchsteuern und die Einfuhrumsatzsteuer (Art. 108 Abs. 1 GG) zuständig. Landesfinanzbehörden sind die Landesministerien und die Finanzämter, bei denen die Hauptlast der Steuerverwaltung liegt. Den Hauptzollämtern und Finanzämtern unmittelbar übergeordnet sind die Oberfinanzdirektionen als gemischte Bundes-/Landesmittelbehörden. Auf Mittelbehörden kann durch Rechtsverordnung verzichtet werden (s. § 2a Gesetz über die Finanzverwaltung), da sie nur bei größeren Flächenstaaten ökonomisch sinnvoll sind.
Das Recht der einzelnen Steuerarten (besonderes Steuerschuldrecht) ist in den sog. Einzelsteuergesetzen (z.B. Einkommen-, Körperschaft-, Umsatzsteuergesetz) geregelt. Einige Steuern sind in ordnungsrechtlichen Gesetzen geregelt (z.B. Rennwett- und Lotteriegesetz; Spielbankgesetze der Länder). Die Einzelsteuergesetze enthalten auch Verfahrensvorschriften, die nur für die dort geregelten Steuern gelten.
Zahlreiche Spezialgebiete dehnen das Steuerrecht so aus, dass die Gesamtheit des Steuerrechts von einem einzelnen Experten nicht mehr beherrscht werden kann. Spezialistenmaterien sind das Zoll- und Verbrauchsteuerrecht, das Internationale Steuerrecht, die Bewertung nach dem Bewertungsgesetz und das Steuersubventionsrecht, im Kern bestehend aus dem in den §§ 51 ff. AO normierten Gemeinnützigkeitsrecht.
Das Internationale Steuerrecht (s. Schaumburg, Harald 1998; Mössner, Manfred et al. 2005) grenzt die nationale Besteuerung zur Besteuerung im Ausland zunächst durch nationale Begrenzung der Steuertatbestände, sodann hauptsächlich durch ein weltweit verzweigtes Netz völkervertraglicher, nach Art. 59 Abs. 2 GG in das Bundesrecht inkorporierter Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung ab. Das Internationale Steuerrecht dient aber auch dem Zweck, der Steuerflucht in Niedrigsteuerländer zu begegnen. So ist das Außensteuergesetz (AStG) ein Maßnahmegesetz gegen den Wohnsitzwechsel und Einkünfteverlagerungen in niedrigbesteuerte Gebiete. Das AStG ist ungemein kompliziert und schwierig zu handhaben. Soweit die Wegzugsbesteuerung behindert wird, ist diese europarechtswidrig.
Das Europarecht dominiert zunehmend das nationale Steuerrecht der EU-Staaten. Nach Einführung des Zollkodex im Jahre 1992 ist das Zollrecht ganz überwiegend Gemeinschaftsrecht. Die in Art. 93 EG-Vertrag ausdrücklich angeordnete Harmonisierung der indirekten Steuern ist weit fortgeschritten. Infolge einer Reihe von EG-Richtlinien ist das Umsatzsteuerrecht nahezu vollständig europäisches Steuerrecht (s. Reiß, Wolfram, in: Tipke, Klaus/Lang, Joachim 2005, § 14, Rz. 7 f.). Die sog. Systemrichtlinie von 1992 harmonisierte die Verbrauchsteuern auf Mineralöl, Tabak und alkoholhaltige Getränke. Außerhalb dieser Harmonisierung sind Verbrauchsteuern mit besonderer Zielsetzung (Beispiel: Alkopopsteuer) zulässig, ebenso Verbrauchsteuern, die zu keinen Grenzformalitäten führen, z.B. die örtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuern. Direkte Steuern werden hauptsächlich durch den Wettbewerb der Steuersysteme angeglichen. Ertragsteuerliche Richtlinien werden nur aus besonders dringlichem Anlass für einzelne Problemfelder erlassen (z.B. Mutter-Tochter-Richtlinie, Fusionsrichtlinie, Verhaltenskodex gegen den unfairen Steuerwettbewerb, Zinsrichtlinie). Stärker als die Rechtsakte der EU wirkt die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), der die Grundfreiheiten des EG-Vertrages gegenüber dem nationalen Ertragsteuerrecht weitgehend ohne Rücksicht auf die Systemzusammenhänge des nationalen Steuerrechts durchsetzt. Nach der Vision des EuGH darf eine Transaktion zwischen Köln und Paris nicht anders behandelt werden als eine Transaktion zwischen Köln und München.
Aus didaktischer Sicht bildet das Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht (s. Knobbe-Keuk, Brigitte 1993; viertes Kapitel in Tipke, Klaus/Lang, Joachim 2005) ein Sondergebiet, das als besonderes Steuerrecht der Unternehmen vor allem an den wirtschaftswissenschaftlichen Fakultäten gelehrt wird.

IV. Die einzelnen Steuern und internationaler Steuerwettbewerb


Der internationale Steuerwettbewerb (s. pars pro toto Schön, Wolfgang 2003) bewirkt eine tief greifende Veränderung nicht nur der einzelnen Steuern, sondern auch des Steuersystems insgesamt, indem die Staaten dazu übergehen, die Steueraufkommen von den direkten, wettbewerbsstörenden Ertragsteuern auf indirekte Konsumsteuern zu verlagern. Anders als der durch Kartell- und Wettbewerbsrecht regulierte Wettbewerb zwischen Privatpersonen und -unternehmen unterliegt der Staatenwettbewerb grundsätzlich keinen Restriktionen, sodass sich ein sog. unfairer Steuerwettbewerb entfalten kann, der nur innerhalb der supranationalrechtlich verbundenen Europäischen Union durch den Verhaltenskodex von 1997 wirksam eingedämmt worden ist. Die rechtliche Ungebundenheit des Staatenwettbewerbs zwingt den nationalen Gesetzgeber zur ökonomischen Effizienz seiner Steuersysteme. Er gefährdet den Wohlstand seiner Nation, wenn er die Gesetze der Ökonomie unbeachtet lässt, und ist gezwungen, die Umverteilungsintensität des Steuersystems deutlich zurückzunehmen.
Die Einkommensteuer gilt als das Herzstück der Steuergerechtigkeit. Sie ist streng am Leistungsfähigkeitsprinzip ausgerichtet, da ihre Bemessungsgrundlage die persönlichen Verhältnisse einer natürlichen Person vollständig zu erfassen vermag (s. Lang, Joachim 1988; Tipke, Klaus 2003, S. 604 ff.). Mit der „ Summe der Einkünfte “ erfasst der Einkommensteuertatbestand zunächst das sog. Markteinkommen (s. Wittmann, Rolf 1992), das ist die Gesamtheit der mit Gewinnerzielungsabsicht erwirtschafteten Einkünfte. Dadurch unterscheidet sich die Einkommensteuer grundlegend von der Erbschaft- und Schenkungsteuer, welche die nicht erwirtschaftete Bereicherung des Zuwendungsempfängers besteuert. Das Markteinkommen indiziert die objektive Leistungsfähigkeit des Einkommensteuerschuldners. Aus dem Markteinkommen ist der Teil auszuscheiden, der für die Steuerzahlung nicht disponibel ist. Durch die privaten Abzüge (Sonderausgaben, außergewöhnliche Belastungen, Freibeträge) wird die subjektive Leistungsfähigkeit indiziert.
Das Markteinkommen, vermindert um die privaten Abzüge, ergibt das zu versteuernde Einkommen als den Indikator der persönlichen Leistungsfähigkeit. Diese verfassungsrechtlich am Leistungsfähigkeitsprinzip ausgerichtete Struktur der einkommensteuerlichen Bemessungsgrundlage bringt das durch zahlreiche Änderungsgesetze auf 182 Paragraphen aufgeblähte Einkommensteuergesetz nicht mehr hinreichend zum Ausdruck, sodass eine Neufassung dringend erforderlich ist (s. Lang, Joachim et al. 2005).
Der Wettbewerb der Steuersysteme wirkt gegen die Progressivität der Einkommensteuer. Dies wird auch von Juristen begrüßt, da die rechtliche Komplexität des Einkommensteuerrechts bei niedriger Progression oder gar bei einer proportionalen Flat Tax (s. Elicker, Michael 2004) sehr viel geringer ist als bei scharfer, steuerwiderstandsträchtiger Progression. Im Steuerwettbewerb lässt sich die gleichmäßige, synthetische Besteuerung der Einkommen nurmehr durch eine Flat Tax, etwa durch die von Kirchhof, Paul 2003 empfohlene Einheitssteuer verwirklichen, wohingegen die Beibehaltung der Progression zu einer Sonderbesteuerung bestimmter Einkommen zwingt.
Die klassische Methode zur Herstellung ertragsteuerlicher Wettbewerbsfähigkeit leistet der Dualismus von Körperschaftsteuer und progressiver Einkommensteuer: Unternehmensgewinne werden durch einen niedrigen Körperschaftsteuersatz wettbewerbsfähig besteuert. Im Falle der Ausschüttung werden die Gewinne im Rahmen einer synthetischen Einkommensteuer progressiv nachbelastet. Diese Methode optimiert die zinsbereinigte Unternehmensteuer (Gesetzentwurf: Lang, Joachim 1993, S. 179 ff., S. 295 ff.). Hierzulande empfiehlt sich wegen der Dominanz der Personenunternehmen eine Erweiterung der Körperschaftsteuer zu einer allgemeinen Unternehmensteuer (s. Stiftung Marktwirtschaft, 2006).
Die Alternative einer dualen Einkommensteuer (s. Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, 2006), die alle Kapitaleinkommen niedrig proportional und nur mehr Arbeitseinkommen progressiv besteuert, ist der klassischen Methode insofern unterlegen, als die gezielte Entlastung thesaurierter Unternehmensgewinne einen niedrigeren Steuersatz ermöglicht als die Niedrigbesteuerung aller Kapitaleinkommen. Zweifellos leistet die duale Einkommensteuer eine höhere Finanzierungsneutralität als die klassische Methode. Die Definitivbesteuerung der Kapitaleinkommen bewirkt jedoch eine zu hohe Belastung der Niedrigverdiener. Überhaupt dürfte die Einführung einer dualen Einkommensteuer in Deutschland an der „ sozial ungerechten “ Ungleichbehandlung von Kapitaleinkommen und Arbeitseinkommen scheitern.
Das kommunale Steuerrecht besteht aus den Realsteuern (Gewerbesteuer und Grundsteuer) sowie den örtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuern. Zudem sind die Kommunen staatsintern an der Einkommensteuer und an der Umsatzsteuer beteiligt. Die Gewerbesteuer ist wesentlicher Faktor der gegenwärtigen Wettbewerbsunfähigkeit des deutschen Ertragsteuerrechts. In keinem Land ist der kommunalsteuerliche Anteil an der Ertragsteuerbelastung der Unternehmen (ca. 14% von 39%) so hoch wie in Deutschland. Auch die ertragsunabhängigen Komponenten der Gewerbesteuer beeinträchtigen die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Ertragsbesteuerung. Die Gewerbesteuer verletzt den Gleichheitssatz, weil nur die Gewerbebetriebe zur Finanzierung der kommunalen Infrastruktur herangezogen werden. Ohne Überwindung der Gewerbesteuer kann die deutsche Ertragsbesteuerung nicht wettbewerbsfähig werden. Die Beibehaltung der Gewerbesteuer führt dazu, dass immer weniger Unternehmen bereit sind, ihre Gewinne in deutschen Gemeinden zu versteuern.
Nachdem das BVerfG 1995 (BVerfGE 93, 121) die Verfassungswidrigkeit der Vermögensteuer festgestellt hat, wird nurmehr das Grundvermögen durch die Grundsteuer substanzsteuerbelastet. Allerdings wirkt auch die Erbschaft- und Schenkungsteuer  vermögenssubstanzverzehrend, weil der interpersonelle Vermögenstransfer kein zusätzliches, liquides Steuerzahlungspotenzial erzeugt. Die reinvermögenszugangstheoretische Betrachtung allein der Bereicherung des Erben verkennt diesen wesentlichen Unterschied der Erbschaftsteuer zur Markteinkommensteuer, die an erwirtschaftetes Einkommen anknüpft. Die Erbschaftsteuer ist auch nicht umverteilungseffizient, weil ihr die gut beratenen Reichen international sehr gut ausweichen können. Daher ist ihr Aufkommen in Relation zur Bereicherung der gegenwärtigen Erbengeneration gering (2004: 4,2 Mrd. Euro). Immer mehr Staaten schaffen die Erbschaft- und Schenkungsteuer im Steuerwettbewerb ab, weil der volkswirtschaftliche (inkl. steuerstaatliche) Nutzen ihrer Abschaffung ein Vielfaches des Steueraufkommens beträgt.
Das fiskalische Gewicht der Steuern auf die Verwendung von  Einkommen  und  Vermögen wird in Deutschland erheblich zunehmen. Das gilt besonders für die europarechtlich ausgestaltete Umsatzsteuer, die indirekt und umfassend den inländischen Privatkonsum belastet. Der noch relativ niedrige deutsche Umsatzsteuersatz (2006: 16 bzw. 7%) dürfte in den nächsten Jahren bedeutend angehoben werden. Neben der Umsatzsteuer werden in Deutschland noch spezielle  Verkehrsteuern (Kraftfahrzeug-, Grunderwerb-, Versicherung-, Feuerschutz-, Rennwett- und Lotteriesteuer) sowie spezielle  Verbrauch- und Aufwandsteuern (kommunale Verbrauch- und Aufwandsteuern, z.B. Hundesteuer; Landessteuern: Biersteuer, Spielbankenabgabe; Bundesverbrauchsteuern auf Tabakwaren, Kaffee, Branntwein inkl. alkoholhaltige Süßgetränke (Alkopop), Schaumweine, Mineralöl und Strom) erhoben.
Literatur:
Birk, Dieter : Das Leistungsfähigkeitsprinizip als Maßstab der Steuernormen, Köln 1983
EG-Vertrag, : Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, zuletzt reformiert durch den Vertrag von Amsterdam vom 02.10.1997
Elicker, Michael : Entwurf einer proportionalen Netto-Einkommensteuer, Köln 2004
Elschen, Rainer : Entscheidungsneutralität, Allokationseffizienz und Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit. Oder: Gibt es ein gemeinsames Fundament der Steuerwissenschaften?, in: Steuer und Wirtschaft, Jg. 68, 1991, S. 99 – 115
Hansjürgens, Bernd : Äquivalenzprinzip und Staatsfinanzierung, Berlin 2001
Hey, Johanna : Steuerplanungssicherheit als Rechtsproblem, Köln 2002
Kirchhof, Paul : Besteuerung und Eigentum, in: Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer, H. 39/1981, S. 213 – 285
Kirchhof, Paul : Einkommensteuergesetzbuch. Ein Vorschlag zur Reform der Einkommen- und Körperschaftsteuer, Heidelberg 2003
Knobbe-Keuk, Brigitte : Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, 9. A., Köln 1993
Lang, Joachim : Die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer, Köln 1988
Lang, Joachim : Entwurf eines Steuergesetzbuchs, Schriftenreihe des Bundesministeriums der Finanzen, Bd. 49, Bonn 1993
Lang, Joachim : Kölner Entwurf eines Einkommensteuerrechts, Köln 2005
Mössner, Manfred : Steuerrecht international tätiger Unternehmen, Köln 2005
Papier, Hans-Jürgen : Die finanzverfassungsrechtlichen Gesetzesvorbehalte und das grundgesetzliche Demokratieprinzip, Berlin 1973
Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, : Reform der Einkommens- und Unternehmensbesteuerung durch die Duale Einkommensteuer, Wiesbaden 2006
Schaumburg, Harald : Internationales Steuerrecht, 2. A., Köln 1998
Schmidt, Kurt : Die Steuerprogression, Tübingen 1960
Schön, Wolfgang : Tax Competition in Europe, Amsterdam 2003
Seer, Roman : Verständigungen in Steuerverfahren, Köln 1996
Stiftung Marktwirtschaft, : Steuerpolitisches Programm, Berlin 2006
Tipke, Klaus : Steuergerechtigkeit in Theorie und Praxis, Köln 1981
Tipke, Klaus : Die Steuerrechtsordnung, Bd. I, 2. A., Köln 2000
Tipke, Klaus : Die Steuerrechtsordnung, Bd. II, 2. A., Köln 2003
Tipke, Klaus/Lang, Joachim : Steuerrecht, 18. A., Köln 2005
Wagner, Franz W. : Neutralität und Gleichmäßigkeit als ökonomische und rechtliche Kriterien steuerlicher Normkritik, in: Steuer und Wirtschaft, Jg. 69, 1992, S. 2 – 13
Wittmann, Rolf : Das Markteinkommen, Augsburg 1992

 

 


 

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