Bilanzierung
1. Betrachtet wird die B. der Betriebe/Unternehmungen. (Betrieb, I.,
2.). In diesem Zusammenhang ist die B. ein Teilgebiet, -vorgang des betrieblichen Rechnungswesens. Hierbei wird unter B. i. allg. der jährliche Abschluß der Buchführung (Buchhaltung), die Erstellung von Inventar, Bilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung (G.u.V.) verstanden. Dieser Umfang der B. betrifft Personengesellschaften ; er ist in allg. Form für alle Kaufleute (Kaufmann) in § 242 f. HGB geregelt. Neben dem hier behandelten Abschluß der Einzel-unternehmung, vorwiegend nach Handelsrecht (ordentliche, gesetzliche Bilanzierung), steht der Konzernabschluß für entsprechend verbundene Betriebe. In Literatur und Praxis wird die B. auch gleichgesetzt mit der gesamten Rechnungslegung der Unternehmungen, die neben den vorgenannten Bereichen zusätzlich für Kapitalgesellschaften den Anhang (§ 284 f. HGB) und Lagebericht (§§ 264, 289 HGB) umfaßt und darüber hinaus insbesondere bei großen Unternehmungen, die der Publizität (Publizitätsgesetz) unterliegen oft auch eine gesellschaftsbezogene Rechnungslegung enthält. (Darstellung der Einflüsse der Betriebe als sozio-technische Systeme auf die Umwelt (Sozialbilanzen, s. Bilanz).
2. I.e.S. steht die Bezeichnung B. für den Ausgleich eines Kontos mittels Saldo, durch den zwei Kontenseiten wertmäßig gleich werden (lat.: "bis lanx" = zwei Waagschalen im Gleichgewicht). Analog wird der Begriff der B. auch für entsprechende Vorgänge im Rahmen privater Haushalte (Haushalt,
1.), der öffentlichen Verwaltung und der Volkswirtschaft (Wirtschaft,
3.) verwandt (Handelsbilanz, Zahlungsbilanz).
3. Anlässe für die B. sind betriebsinterne und besonders externe Informationsbedürfnisse. Sie sind umfänglich durch Rechtsnormen im Handels -,Gesellschafts-, Steuerrecht u.a. abgesichert Wirkungsgrößen für vielfältige formale und materielle Anforderungen an die B.
3. 1. Die betriebsinternen Anforderungen sind vor allem darauf gerichtet, der Unternehmensführung im Rahmen der von ihr gesteuerten Planungs-, (Planung) Realisations- und Kontrollprozesse Daten zur Verfügung zu stellen, die eine Messung des Erfolgs und eine Beeinflussung der betrieblichen Aktivitäten im Sinne des jeweiligen Zielsystems der Unternehmung ermöglichen. Die betriebsinterne B. ist grundsätzlich keinen gesetzlichen Vorschriften unterworfen. Art, Umfang und zeitlicher Abstand der B. werden im wesentlichen von den Dispositions- und Kontrollbedürfnissen der Unternehmensführung bestimmt. Sie führen zu einer betriebsspezifischen Ausgestaltung der B. (z.B. kurzfristige Erfolgsrechnung). Tägliche, wöchentliche, monatliche B. ist in der Praxis ebenso anzutreffen wie der Verzicht auf jegliche interne B. insbesondere in Klein- und Mittelbetrieben.
3. 2. Die betriebsexternen Anforderungen werden überwiegend geprägt von unterschiedlichen Interessen verschiedener Gruppen: Gläubiger (Banken, Lieferanten), Fiskus (Besteuerung des Ertrags und Vermögens), Eigentümer/Anteilseigner (sofern nicht im Betrieb beschäftigt), Mitarbeiter und Öffentlichkeit. Insgesamt haben diese Anforderungen zu einer gesetzlichen Verankerung insbesondere im Handels- und Steuerrecht geführt und erfordern von den Unternehmungen eine jährliche Aufstellung der o.g. Teile des Jahresabschlusses u. ggf. des Lageberichts. Die Zwecke der Dokumentation und Rechenschaftslegung stehen dabei im Vordergrund der handelsrechtl. B.
4. Zur einheitlichen Erfüllung dieser Aufgaben wurden Regeln entwickelt, die als Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung (GoB) und Bilanzierung bezeichnet werden.
5. Fundament jeder B. ist danach die Buchführung. Die Pflicht zur Buchführung und B. ergibt sich für alle Kaufleute seit dem 1.1.86 aus den §§ 238ff. HGB. Der Abschluß der Buchhaltung zu einem bestimmten Stichtag (Bilanzstichtag) führt zum Ausweis der Salden aller Vermögenspositionen und Schulden auf einzelnen Konten. Die Salden erscheinen zu Gruppen zusammengefaßt in der Bilanz. In gleicher Weise erfolgt die Darstellung des gesamten Wertverzehrs = Aufwendungen und des Wertzuwachses = Erträge einer Periode in der G.u.V., deren Ergebnis in die Bilanz übernommen wird.
6. Ausgangspunkt und Bestandteil der B. ist das Inventar (§§ 240, 241 HGB). Es ergibt sich aus einer Bestandsaufnahme (= Inventur). Art, Umfang und Bewertung der Aufnahme werden durch rechtliche Vorschriften und kaufmännische Gepflogenheiten (GoB) bestimmt. Durch Abzug der Schulden von den Vermögenswerten wird das Reinvermögen (Nettovermögen) ausgewiesen. Übersteigen die Schulden die Vermögenswerte, ergibt sich ein Verlust. Die besondere Bedeutung der Inventur für die B. liegt im Vorrang des Inventars ("Ist"-Bestände) bei Abweichungen gegenüber der Bilanz ("Soll"-Bestände gemäß Buchhaltung).
7. Im Mittelpunkt der B. steht die Bilanz (§§ 242ff. HGB). Sie stellt in zusammengefaßter Form ein Abbild der bewerteten Wirtschaftsgüter eines Betriebs für einen bestimmten Zeitpunkt dar. Die Bewertung erfolgt in Geldeinheiten durch Gewichtung der Mengen der Güter mit ihren jeweiligen Preisen (= Anschaffungskosten oder Herstellungskosten (AHK) nach § 255 HGB; betriebswirtschaftlich: Anschaffungs-ausgaben oder Herstellungsaufwand). Damit unterliegt die B. grundsätzlich dem Phäno-men der Geldwertschwankung und daraus resultierend dem unlösbaren Problem, Vergleichbarkeit im Zeitablauf zu gewährleisten. Die Gesamtheit der Wirtschaftsgüter wird Vermögen (Kapital,
1.) genannt. Es erscheint nach Anlagevermögen und Umlaufvermögen gegliedert auf der linken Seite des Bilanzkontos als Aktiva. Auf der rechten Seite werden die Passiva oder Schulden/ Kapital ausgewiesen. "Schulden" des Betriebs gegenüber den Eigentümern werden als Eigenkapital, Schulden gegenüber den Gläubigern als Fremdkapital oder Verbindlichkeiten bezeichnet. Die Passivseite verdeutlicht die Herkunft der finanziellen Mittel, die auf der Aktivseite in bestimmter Weise verwendet wurden. Beide Seiten der Bilanz sind wertmäßig gleich. Die Bilanz enthält auf beiden Seiten i.allg. zusätzlich noch Rechnungsabgrenzungsposten zum Zwecke eines periodengerechten Erfolgsausweises und Korrekturposten, die jeweils bestimmte Vermögens- oder Schuldpositionen auf der entgegengesetzten Seite in ihrem Ansatz berichtigen. (Durch die beiden letztgenannten Posten, durch Verzicht auf Mengenangaben und durch die besonders strukturierte Darstellung in Kontoform (Vorschrift nach § 266 HGB) unterscheidet sich die Bilanz im wesentlichen vom Inventar.) Verbindliche Vorschriften für die Gliederung der Bilanz hatte der Gesetzgeber im AktG 1965 für die Aktiengesellschaft erlassen (§ 151 AktG bis Ende 1985). Die dort vorgeschriebene Struktur hat auf die Praxis der B. anderer Rechtsformen, für die es keine rechtlichen Gliederungsvorschriften gab, normierenden Einfluß ausgeübt. Ab 1986 gibt es für Kapitalgesellschaften gem. §§ 265, 266 HGB Gliederungsvorschriften, die in Abhängigkeit von bestimmten Größenklassen der Gesellschaften in abgestufter Form zu erfüllen sind. Insgesamt wird mit einer mehr oder weniger weitgehenden Gliederung der Zweck verfolgt, den heterogenen Informationsbedürfnissen der Bilanzadressaten zu entsprechen und ein möglichst zutreffendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage (letztere in Verbindung mit der G.u.V.) zu vermitteln.
8. Der Vorgang der B. wird bestimmt von Entscheidungen über die B.-sfähigkeit, von der Berücksichtigung bestimmter B.-sverbote, -pflichten und -wahlrechte sowie von Bewertungsvorschriften und-wahlrechten. Der Bereich der Wahlrechte eröffnet die Möglichkeit zur gezielten Gestaltung der Bilanz und G.u.V. und damit zur Bilanzpolitik. Diese erlaubt im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften, die B. auf bestimmte betriebspolitische Ziele auszurichten und Analyseergebnisse externer Stellen (Bilanzanalyse) in gewissem Umfang zu antizipieren. Der Bewertung kommt in diesem Zusammenhang eine zentrale Bedeutung zu. Sie wird handelsrechtlich vom Prinzip der kaufmännischen Vorsicht beherrscht. Grundsätzlich gilt die Einzelbewertung; Ausnahmen regeln §§ 240, 242 HGB. Bei der Bewertung sind die gesetzlichen Vorschriften des Handelsrechts zu berücksichtigen: §§ 252-256 HGB. Danach sind die AHK die obere Wertgrenze. Bei Vermögensgegenständen des Anlagevermögens, deren Nutzung zeitlich begrenzt ist, sind die AHK um planmäßige Abschreibungen zu vermindern (fortgeführte AHK). Außerplanmäßige Abschreibungen können bei allen Gegenständen des Anlagevermögens vorgenommen werden, wenn außergewöhnliche Wertverluste eintreten; sie müssen vorgenommen werden, wenn die Wertminderung voraussichtlich dauerhaft ist. Das Umlaufvermögen ist mit den AHK anzusetzen. Sind am Bilanzstichtag die aus dem Börsen- oder Marktpreis abgeleiteten Werte niedriger als die AHK oder sind aufgrund vernünftiger kaufmännischer Beurteilung Wertschwankungen zu erwarten, die zu einem Wert unterhalb der AHK führen, so müssen die niedrigeren Werte angesetzt werden (Tageswertprinzip). Das in dieser Weise zum Ausdruck kommende Niederstwertprinzip für Vermögensgegenstände dient der Kapitalerhaltung, dem Schutz der Gläubiger und Gesellschafter. Analog hierzu ergibt sich das Höchstwertprinzip für Verbindlichkeiten. Vgl. auch Bewertungsstetigkeit. Neben der handelsrechtlichen Bewertung sind die steuerrechtlichen Wertmaßstäbe für die sog. Steuerbilanz zu berücksichtigen. Diese (Einkommensteuerbilanz) wird aus der Handelsbilanz abgeleitet; dabei sind prinzipiell die in der Handelsbilanz gewählten Wertansätze für die Steuerbilanz maßgeblich, soweit nicht zwingend ein anderer Ansatz im Einzelfall durch steuerliche Vorschriften gefordert wird. Vom Handelsrecht abweichende Bewertungen ergeben sich insbesondere durch den größeren Umfang der steuerrechtlichen Herstellungskosten und den steuerlichen Wertbegriff des Teilwerts. Da in der Praxis sehr häufig aus Gründen der Vereinfachung und Wirtschaftlichkeit nur eine Einheitsbilanz erstellt wird, die sowohl den handels- als auch den steuerrechtlichen Erfordernissen entspricht, haben sich die steuerlichen Wertmaßstäbe zum prägenden Gestaltungsprinzip der Einheitsbilanz entwickelt und somit das Maßgeblichkeitsprinzip der Handelsbilanz für die Steuerbilanz umgekehrt.
9. Die G.u.V. weist durch die Gegenüberstellung der Aufwendungen und Erträge in Staffelform den Periodenerfolg aus. I. Ggs. zur Bilanz, in der eine Erfolgsermittlung durch Gegenüberstellung von Vermögen und Verbindlichkeiten bei Vergleich von zwei aufeinander folgenden Stichtagen zu einem Erfolgsausweis in einer Summe führt, werden in der G.u.V. die einzelnen erfolgswirksamen Komponenten, untergliedert nach Arten, dargestellt. Damit werden die Quellen des Erfolgs sichtbar. Die handelsrechtlichen Gliederungsvorschriften (§275 HGB) stellen Mindestanforderungen dar. 10. Neben der dargestellten handelsrechtlichen B. gibt es weitere Anlässe der B. mit modifizierter Zielsetzung aus besonderen rechtlichen und/od. wirtschaftlichen Gründen (Gründung, Kapitalerhöhung, Fusion, Umwandlung, Sanierung, Auseinandersetzung, Vergleich, Konkurs, Liquidation u.a.).
Literatur: A. Coenenberg, Jahresabschluß und Jahresabschlußanalyse. 15.A., Landsberg 1994. E. Heinen, Handelsbilanzen. 12.A., Wiesbaden 1986. G. Wöhe, Bilanzierung und Bilanzpolitik.
8. A., München 1992.
|