Internationale Rechnungslegung
Inhaltsübersicht
I. Begriff und Kontext der Internationalisierung
II. Normensysteme
III. Grundsätze der Bilanzierung und Bewertung im Vergleich
IV. Perspektiven
I. Begriff und Kontext der Internationalisierung
Internationale Rechnungslegung wird im Zusammenhang mit dem Begriff der internationalen Harmonisierung externer Rechnungslegung diskutiert. Harmonisierung wird als Angleichung nationaler Bilanzierungsregelungen an einen übergeordneten Standard verstanden. Harmonisierung kann somit als das übergeordnete Ziel und Internationale Rechnungslegung als der Weg dorthin umschrieben werden. In praxi beschränkt sich die Angleichung der externen Rechnungslegung auf International Financial Reporting Standards (IFRS) oder US-amerikanische Bilanzierungsnormen (US-GAAP).
Motive zur Ausrichtung nationaler Rechnungslegung auf übergeordnete, international anerkannte Bilanzierungsnormen ergeben sich vorrangig durch neueste Entwicklungen im Bereich der Kapitalmärkte. Listings an international beachteten Börsen oder Handelssegmenten erfordern eine international anerkannte Rechnungslegung. Die zunehmende Anzahl ausländischer Investoren benötigt für effizienteres Monitoring ihrer Beteiligungen ebenfalls ein über Ländergrenzen hinweg vergleichbares externes Rechnungswesen.
Auch aus unternehmensinterner Sicht ergeben sich Anreize für eine Anpassung an die internationale Bilanzierungspraxis (Männel, W./Küpper, H.-U. 1999). Die dadurch geförderte Konvergenz mit dem internen Rechnungswesen verbessert die Unternehmenssteuerung insbesondere in multinational tätigen Unternehmen. Nicht zuletzt können auch Imagegewinne, die sich auf das operative Geschäft auswirken, erzielt werden.
Der Prozess der Internationalisierung der Rechnungslegung verläuft, insbesondere im deutschsprachigen Raum, phasenweise (Hütten, C./Lorson, P. 2000). Beginnend in den 1960er-Jahren konnten bereits Elemente angelsächsischer Bilanzierungspraxis übernommen werden. Dazu zählen erweiterte Anhangsangaben, Darstellung einer Kapitalflussrechnung, die Erstellung von Weltabschlüssen und die Einführung einer Zwischenberichtserstattung.
Mit der 4. und 7. EU-Richtlinie wurden im Zeitraum von 1985 bis 1993 Regeln für Einzel- und Konzernabschlüsse festgeschrieben. Eine europaweite Harmonisierung scheiterte allerdings an der uneinheitlichen Umsetzung der Richtlinien. Zwischen 1993 und 1997 wurden freiwillig Konzernabschlüsse auf Basis international akzeptierter Standards aufgestellt. Diese wurden überwiegend parallel zu Abschlüssen nach HGB erstellt, wodurch teilweise Intransparenz in Bezug auf wichtige Fundamentaldaten entstand. Erstmals wurde 1997 die Pflicht zur Bilanzierung nach IAS oder US-GAAP für das Börsensegment „ Neuer Markt “ festgelegt. Diese erstreckt sich hier auch auf den Einzelabschluss. Die exekutive und judikative „ Lücke “ der Regelung wurde 1998 durch das Kapitalaufnahmeerleichterungsgesetz (KapAEG) geschlossen. International anerkannte Abschlüsse können fortan an Stelle eines HGB-Konzernabschlusses aufgestellt werden.
II. Normensysteme
1. Bilanzrechtskreise
Heute werden noch die kontinentaleuropäische sowie anglo-amerikanische Rechnungslegung unterschieden (Wagenhofer, A. 2005
Das kontinentaleuropäische Rechnungslegungssystem wird in erster Linie durch das Prinzip des Gläubigerschutzes, den nur nachrangig verfolgten Zweck der Rechenschaft, die Verknüpfung handels- und steuerrechtlicher Rechnungslegung, die Entwicklung und Verabschiedung der Rechnungslegungsnormen durch Gesetzgeber und Rechtsprechung sowie die Dominanz einzelner Rechnungslegungsprinzipien, insbesondere das Vorsichtsprinzip, charakterisiert (Baetge, J. 1992). Demgegenüber wird das anglo-amerikanische Rechnungslegungssystem durch eine vergleichsweise stärkere Ausrichtung der periodengerechten Berichterstattung an Investoreninteressen, die Trennung von Handels- und Steuerrecht, die Entwicklung der Rechnungslegungsnormen durch privatwirtschaftliche, professionelle Gremien sowie die vergleichsweise stärkere Kasuistik der Regelungen charakterisiert (Baetge, J. 1992).
2. Standardsetter
Hinsichtlich der Entstehung und Auslegung von Bilanzierungsnormen wird grundsätzlich zwischen dem legalistischen (code law) und dem fallspezifischen (common law) Rechtssystem unterschieden. Deutschland und Österreich werden dem Code-Law-System zugeordnet. Bilanzierungsnormen werden vom Gesetzgeber verabschiedet und sind von den bilanzierungspflichtigen Unternehmen zwingend anzuwenden. Der Gerichtsbarkeit obliegen die Aufgaben der Rechtsanwendung und -auslegung sowie – in geringem Maße – der Rechtsfortbildung. Demgegenüber werden in Ländern des anglo-amerikanischen Bilanzrechtskreises die Bilanzierungsnormen grundsätzlich von privatrechtlich organisierten Standardsetters verabschiedet. In den USA übernimmt diese Aufgabe der Financial Accounting Standards Board (FASB), der durch die Securities and Exchange Commission (SEC), die Börsenaufsicht in den USA, hoheitlich unterstützt wird.
Nach dem Vorbild des FASB wurde 1973 das International Accounting Standards Committee (IASC) gegründet. Ziel dieser Institution ist es, durch Entwicklung und Veröffentlichung von International Accounting Standards, die Harmonisierung der Rechnungslegung weltweit zu fördern. Zwischenzeitlich liegen ein Satz so genannter Kernstandards sowie ergänzende Verlautbarungen des Standing Interpretations Committee (SIC) vor, einem im Jahr 1997 eingerichteten Gremium des IASC zur Klärung von Zweifelsfragen bei der Anwendung der IAS. Im Mai 2000 wurde eine umfassende Reform des IASC beschlossen. Im Zuge dessen wurde im März 2001 die IASC Foundation gegründet. Der neue Board (IASB), bestehend aus nunmehr 12 Voll- und 2 Teilzeitmitgliedern, will bestehende IAS überarbeiten und künftige Standards IFRS (International Financial Reporting Standards) nennen.
Die EU-Kommission verfolgt das Ziel der Harmonisierung der Rechnungslegung in Europa auf der Basis der in den Jahren 1978 bis 1984 erlassenen EU-Bilanzierungs- und Prüfungsrichtlinien. Seit 1995 wirkt die EU an der Entwicklung von IAS mit. Am 15. Mai 2001 verabschiedete die EU-Kommission die Richtlinie zur Änderung der 4. und 7. EU-Richtlinie im Hinblick auf die Fair Value-Bilanzierung bestimmter Finanzinstrumente im Jahres- bzw. Konzernabschluss, welche die richtlinienkonforme Anwendung von IAS ermöglicht. Am 19. Juli 2002 verabschiedete die EU-Kommission eine Verordnung (1606/2002), nach der kapitalmarktorientierte Unternehmen spätestens ab 2005 einen Konzernabschluss auf Basis von IFRS zu erstellen haben. Die damit verbundene Absage an US-GAAP wird u.a. mit der fehlenden Möglichkeit der Einflussnahme auf die Gestaltung richtlinienkonformer Accounting Standards begründet.
Deutschland erhielt durch das Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG) vom 27.03.1998 ein privatrechtliches Rechnungslegungsgremium. Die Aufgabe des Deutschen Rechnungslegungs Standards Committee (DRSC) besteht neben der zielgerichteten Mitwirkung in internationalen Standardisierungsgremien hauptsächlich in der Entwicklung von Empfehlungen zur Konzernrechnungslegung börsennotierter Gesellschaften. Nach der Prüfung und Zustimmung durch das Bundesministerium der Justiz (BMJ) erlangen die Empfehlungen den Status von verbindlichen Rechtsnormen.
1. Ziele und Funktionen von Abschlüssen
Hinsichtlich der Zielsetzung unterscheidet sich die deutsche Rechnungslegung von den international anerkannten Normensystemen IFRS und US-GAAP. Während im deutschen Bilanzrecht auf die vorsichtige und im Zweifel den Erfolg verkürzende Ermittlung des ausschüttungsfähigen Gewinns abgestellt wird, stehen im anglo-amerikanischen Normensystem die Rechenschaftsfunktion und die unverzerrte Ermittlung des periodengerechten Erfolgs im Mittelpunkt der Rechnungslegung. Zweck der Finanzberichterstattung nach anglo-amerikanischem Muster ist die unternehmensspezifische Vermittlung von Informationen zur Vorbereitung von Investitionsentscheidungen. Die gemäß IFRS und US-GAAP im Vergleich zur handelsrechtlichen Rechnungslegung nach HGB detailliertere und weitaus umfangreichere Pflicht zur Offenlegung von Zusatzinformationen, wie z.B. Erläuterungen aktueller Entwicklungen und Überleitungen zu Vorjahres- bzw. Vergleichswerten, ist Ausdruck der ausgeprägteren Orientierung an den Informationserfordernissen des Kapitalmarktes.
2. Konzeptionelle Unterschiede
Die Zielsetzung der externen Rechnungslegung jedes Landes wird durch die Gestaltung und Ausprägung der Bilanzierungs- und Bewertungsgrundsätze in den Einzelregelungen konkretisiert. Unterschiede bestehen auch bei gleich lautenden Grundsätzen hinsichtlich der Interpretationen und Gewichtungen einzelner Prinzipien im Zusammenspiel. Im deutschen Bilanzrecht findet das Vorsichtsprinzip in der Ausprägung des Realisations- und Imparitätsprinzips mit den daraus abgeleiteten Folgeprinzipien des Anschaffungskosten- und des Niederstwertprinzips für Vermögenswerte und des Höchstwertprinzips für Schulden seinen Niederschlag. Dies verdeutlicht die dominante Zielsetzung der vorsichtigen Ermittlung des ausschüttungsfähigen Gewinns. In anglo-amerikanisch geprägten Normensystemen stehen das Periodisierungsprinzip, das weite Realisationsprinzip und der Grundsatz der Abgrenzung der Sache und der Zeit nach (Matching Principle) vergleichsweise stärker im Mittelpunkt der Rechnungslegung und konkretisieren damit die Dominanz der Rechenschaftsfunktion. Der Grundsatz der Stetigkeit hat in den international anerkannten Normensystemen IFRS und US-GAAP eine vergleichsweise stärkere Bedeutung, da er sich auch auf den Bilanzansatz und nicht nur wie im HGB in erster Linie auf die Bewertung bezieht (Wagenhofer, A. 2005).
Grundsätzlich kann festgestellt werden, dass sowohl IFRS als auch US-GAAP vergleichsweise weniger offene Ansatz- und Bewertungswahlrechte enthalten als das deutsche Bilanzrecht. Demgegenüber ist aber zu berücksichtigen, dass IFRS und US-GAAP mehr Ermessensspielräume bei der Interpretation von Ansatz- und Bewertungsvoraussetzungen beinhalten (Wagenhofer, A. 2005). Möglichkeiten, bilanzpolitisch motivierte Entscheidungen zu treffen, gewähren also alle Normensysteme.
3. Konsequenzen für die Rechnungslegung a) Bilanzansatz
Die Aktivierung von immateriellen Vermögensgegenständen unterscheidet sich insbesondere nach HGB und IFRS bzw. US-GAAP. Das Anlagevermögen ist im deutschen Bilanzrecht an die Voraussetzung des entgeltlichen Erwerbs von Dritten (§ 248 Abs. 2 HGB) gebunden. Im Unterschied dazu stellen IAS 38 und US-GAAP gerade nicht explizit auf diese Voraussetzung ab. Maßgebliche Aktivierungsvoraussetzungen sind die bilanzielle Greifbarkeit (identifiability), die Verfügungsmacht (control), die Wahrscheinlichkeit des wirtschaftlichen Nutzens (probability) und die zuverlässige Ermittlung von Anschaffungs- oder Herstellungskosten, die im Vergleich zum deutschen Recht einen weiteren Kreis aktivierungsfähiger immaterieller Werte definieren. Dennoch sind u.a. Lizenzen, Marktkenntnisse und Markenrechte, Copyrights und Kundenlisten, die originär entstanden sind, nicht aktivierungsfähig. Im Unterschied zu den Regelungen im HGB ist es bei Erfüllung weiterer restriktiver Voraussetzungen nach IAS 38 zwingend, Entwicklungskosten für selbsterstellte immaterielle Vermögensgegenstände zu aktivieren, während Aufwendungen für Grundlagenforschung erfolgswirksam verrechnet werden. Nach US-GAAP dürfen weder Forschungs- noch Entwicklungskosten aktiviert werden. Ausnahme hiervon ist die Aktivierbarkeit von Aufwendungen bzw. Kosten für die Entwicklung selbst erstellter Software (vgl. SFAS No. 2; Wagenhofer, A. 2005).
Aktivierungsvoraussetzungen in internationalen Regelungskreisen werden grundsätzlich in einem weiteren Sinne ausgelegt. Auf diese Weise sollen wirtschaftliche Ressourcen von Unternehmen möglichst vollständig im Abschluss abgebildet werden. Lediglich in bestimmten Ausnahmefällen bestehen explizite Ansatzverbote. Im Zusammenhang mit der Aktivierung von immateriellen Werten ist gegenüber handelsrechtlichen Regelungen auf die abweichende Ansatz- und Bewertungsnormierung derivativer Geschäfts- oder Firmenwerte nach IFRS und US-GAAP hinzuweisen. Während nach HGB (§§ 255 Abs. 4, 301, 309 HGB) für den derivativen Goodwill im Einzel- und im Konzernabschluss differenzierte Ansatzwahlrechte bestehen, sehen IFRS und US-GAAP grundsätzlich die Pflicht zur Aktivierung vor.
Des Weiteren bestehen Unterschiede hinsichtlich der Aktivierung aktiver latenter Steuern. Während auf Ebene des Einzelabschlusses gemäß § 274 Abs. 2 HGB ein Ansatzwahlrecht aktiver latenter Steuern besteht, fordern IFRS und US-GAAP grundsätzlich die Aktivierung.
Die Passivierung von Rückstellungen ist gemäß IFRS und US-GAAP im Wesentlichen an die Erfüllung der Ansatzvoraussetzungen zur Passivierung von Schulden (IAS 37.14; SFAC No. 6, Abs. 35) gebunden. Danach muss eine bereits verursachte Verpflichtung gegenüber Dritten bestehen, die zu einem zukünftigen (wahrscheinlichen) Mittelabfluss führen wird und zuverlässig schätzbar ist. Im Unterschied zu den handelsrechtlichen Regelungen (§ 249 HGB) ist der Kreis passivierungsfähiger Rückstellungen sowohl nach IFRS als auch nach US-GAAP restriktiver definiert. Aufwandsrückstellungen, denen keine Verpflichtung gegenüber Dritten zugrunde liegt, dürfen grundsätzlich nicht passiviert werden. Für eine bestehende Verpflichtung, deren Höhe sich nicht zuverlässig bestimmen lässt, ist im Unterschied zum HGB ebenfalls keine Rückstellung anzusetzen. Sofern die Inanspruchnahme des Bilanzierenden durch einen Dritten nicht wahrscheinlich (probable), sondern nur möglich (possible) oder eher unwahrscheinlich (remote) ist, darf eine Rückstellung ebenfalls nicht passiviert werden. In diesen Fällen sind Informationen über die grundsätzlich bestehende, aber nicht eindeutig quantifizierbare Höhe der Verpflichtung in den Notes offen zu legen (Wagenhofer, A. 2005; Pellens, B./Fülbier, R. U./Gassen, J. 2006, S. 144 f.; Kuhlewind, A.-M. 1997, S. 162 f.). b) Bewertung
Grundsätzlich gilt in allen Normensystemen das Anschaffungskostenprinzip bei Erstbewertung bzw. Zugang von Vermögen. Hinsichtlich der Folgebewertung bestehen Unterschiede. Nach IFRS ist die über die Anschaffungskosten hinausgehende Neubewertung von immateriellem Vermögen, Sachanlage- und Finanzvermögen sowie Wertpapieren des Umlaufvermögens grundsätzlich möglich. Während US-GAAP die zeitnahe Bewertung auf Wertpapiere sowie besondere Fälle des Umlaufvermögens beschränken, ist gemäß HGB die Neubewertung über die historischen Anschaffungskosten hinaus grundsätzlich verboten. In den abweichenden Regelungen werden unterschiedlich weite Ausprägungen des Realisationsprinzips deutlich: Im deutschen Bilanzrecht gilt das strenge Realisationsprinzip. Demgegenüber stellen IFRS und US-GAAP zumindest in Einzelfällen auf die grundsätzliche Realisierbarkeit von Erträgen und damit auf eine vergleichsweise weitere Auslegung ab.
Die Bewertung von Forderungen unterliegt in allen Normensystemen vergleichbaren Regelungen. Während unverzinsliche, kurzfristige Forderungen mit dem Nominalbetrag bewertet werden, sind kurzfristige, verzinsliche und langfristige unverzinsliche bzw. niedrig verzinsliche Forderungen mit dem Barwert anzusetzen (Wagenhofer, A. 2005).
Die Bewertung von Vorräten orientiert sich nach IFRS und US-GAAP gleichermaßen an dem – aus dem Matching Principle ableitbaren – Vollkostenprinzip. Einschränkend ist zu berücksichtigen, dass nicht unmittelbar fertigungsbezogene allgemeine Verwaltungskosten nicht aktiviert werden dürfen und nach IFRS für herstellungsbedingte Fremdkapitalkosten ein Wahlrecht zur Einbeziehung besteht. In allen Normensystemen unterliegen Vertriebskosten gleichermaßen einem Ansatzverbot (Pellens, B./Fülbier, R. U./Gassen, J. 2006; Wagenhofer, A. 2005).
Hinsichtlich der Bewertung von Verbindlichkeiten bestehen Unterschiede, die teilweise auf Regelungslücken zurückzuführen sind. Während nach HGB Abzinsungen unverzinslicher bzw. niedrigverzinslicher (§ 253 Abs. 1 S. 2 HGB) Verbindlichkeiten aufgrund eines Verstoßes gegen das Realisationsprinzip nicht erlaubt sind und die Bewertung zum Rückzahlungsbetrag bzw. bei Rentenverpflichtungen zum Barwert künftiger Zahlungen erfolgt, sehen IFRS keine abschließende Regelung für die Bewertung von Verbindlichkeiten vor. Lediglich langfristige Rückstellungen sind gemäß IAS 37 abzuzinsen (vgl. IAS 37, Abs. 45 – 47). Für die Bewertung von Verbindlichkeiten nach IFRS besteht daher faktisch ein Wahlrecht zwischen der Bewertung zum Rückzahlungsbetrag und dem beizulegenden Zeitwert. Nach US-GAAP ist der Nominalbetrag langfristiger Verbindlichkeiten bei einem vereinbarten, vom Marktzins abweichenden Zinssatz auf den Barwert zu korrigieren. Fremdwährungsforderungen und -verbindlichkeiten sind international mit dem Stichtagskurs umzurechnen. Nach HGB stellt dies u.U. einen Verstoß gegen das Realisationsprinzip dar.
Die Bewertung von Finanzinstrumenten und Finanzderivaten ist im deutschen Bilanzrecht nicht explizit geregelt. Grundsätzlich gilt das Anschaffungskostenprinzip bei Zugang und in der Folgebewertung für Finanzanlagen das gemilderte sowie für Finanzumlaufvermögen das strenge Niederstwertprinzip. Eine Bewertung zu Marktpreisen ist danach nur bei niedrigerem Marktwert erlaubt (Wagenhofer, A. 2005). Abweichend von den deutschen Bewertungsregelungen sieht IAS 39 die Zugangs- und Folgebewertung von aktiven Finanzinstrumenten zum Fair Value – dem beizulegenden Zeitwert – vor. Sofern die Voraussetzungen zur Klassifizierung von Hedge-Beziehungen erfüllt sind, werden z.B. Wertschwankungen von Grund- und Sicherungsgeschäften gleichermaßen erfolgswirksam (Fair Value Hedges) oder erfolgsneutral direkt im Eigenkapital (Cashflow Hedges) berücksichtigt. Dies durchbricht den Grundsatz der Einzelbewertung. Passive Finanzinstrumente werden mit Ausnahme von Finanzinstrumenten, die zu Handelszwecken gehalten werden, grundsätzlich zu fortgeführten Anschaffungskosten bewertet. Eine Vielzahl bestehender Einzelregelungen differenziert im Unterschied zu Finanzinstrumenten die Bewertung von Finanzderivaten, die zum Zwecke des Handels oder der Absicherung gehalten werden.
Im HGB-Abschluss gebietet das Imparitätsprinzip grundsätzlich die Pflicht zur Verlustantizipation, jedoch ein Verbot der Gewinnantizipation. In IFRS und US-GAAP bestimmen Einzelregelungen u.a. für Wertpapiere, Vorräte, Finanzderivate die Folgebewertung. Vereinfacht dargestellt sind z.B. Sachanlagevermögen und immaterielles Vermögen grundsätzlich mit dem erzielbaren Wert (recoverable amount) zu bewerten.
Im deutschen Bilanzrecht ist eine Wertaufholung bei Wegfall des Grundes der außerplanmäßigen Abschreibung grundsätzlich zwingend vorzunehmen (§ 280 Abs. 1 HGB). Unter IFRS besteht bei Wegfall des Grundes der außerplanmäßigen Abschreibung (IAS 36.99) grundsätzlich die Pflicht zur Wertaufholung, wobei höchstens auf die fortgeschriebenen Anschaffungs- oder Herstellungskosten zugeschrieben werden darf, die sich ohne außerplanmäßige Abschreibung ergeben hätten. Im System der US-GAAP besteht grundsätzlich kein Zwang zur Wertaufholung, da beizulegende niedrigere Werte als neue Anschaffungs- oder Herstellungskosten verstanden werden, die bei Wegfall des Grundes nicht überschritten werden. In Einzelfällen (z.B. langlebige Vermögenswerte) ist es explizit verboten, Wertminderungen nach Wegfall des Grundes durch Wertaufholungen auszugleichen (SFAS 121). c) Offenlegung
Im Unterschied zu den Vorschriften nach HGB, die auf Basis der 4. EU-Richtlinie die Beachtung detaillierter Gliederungsvorschriften bei der Aufstellung von Bilanz, GuV und Anhang fordern, sehen IFRS und US-GAAP lediglich Vorschriften zur Mindestgliederung vor. Darüber hinaus fordern die Formvorschriften der SEC die Einhaltung weitergehender detaillierter Gliederungsvorschriften für in den USA börsennotierte Gesellschaften. Nach IFRS sind Anhangangaben in einer systematischen Ordnung offen zu legen (IAS 1.103, 1.104). Die dem Anhang im deutschen Bilanzrecht vergleichbaren Notes enthalten Erläuterungen zum Abschluss. Sie sind individuell in einzelnen Standards geregelt.
Der Offenlegung von Zusatzinformationen kommt in den international anerkannten Normensystemen IFRS und US-GAAP nicht zuletzt aufgrund des geforderten höheren Detaillierungsgrades eine vergleichsweise größere Bedeutung zu als den Anhangangaben im deutschen Bilanzrecht. Dies wird deutlich am Beispiel von Verpflichtungen, die aufgrund mangelnder Erfüllung der Passivierungsvoraussetzungen in den anglo-amerikanischen Normensystemen als nicht passivierungsfähig gelten. Sofern z.B. der zukünftige Mittelabfluss aus einer Verpflichtung zwar als wahrscheinlich angesehen wird, aber nicht zuverlässig bewertbar ist, sind anstelle der Passivierung der Verpflichtung lediglich Angaben über die Verpflichtung in den Notes zu machen (IAS 37. 26, 27, 86). Die Notes übernehmen in diesem Zusammenhang eine originäre Informationsfunktion.
IV. Perspektiven
Vor dem Hintergrund der Harmonisierung internationaler Rechnungslegung zeichnen sich folgende Perspektiven und Tendenzenab:
- | IAS bzw. IFRS werden zum globalen Standard der Konzernrechnungslegung: Zwar werden diese jetzt schon an allen bedeutenden Börsen akzeptiert, jedoch zum Teil mit mehr oder weniger umfangreichen Überleitungsrechnungen. Der neue Board des IASB wird sich daher vorrangig mit dem Abbau wesentlicher Unterschiede insbesondere zu US-GAAP befassen, um die Überleitungsanforderungen zu reduzieren. In Europa ist die Verpflichtung zur Konzernrechnungslegung nach IFRS ab 2005 für bestimmte Unternehmen beschlossen und die schnellstmögliche Anerkennung der IFRS durch die SEC, ohne Überleitungsrechnung, spätestens bis 2009 geplant. | - | Gesetzliche Rahmenbedingungen und detaillierte Standards: Der nationale Gesetzgeber wird voraussichtlich auch in Deutschland nur noch die Rahmenbedingungen für die Rechnungslegung festlegen. Details werden durch Standardsetter geregelt. Die nationalen Bilanzierungs- und Bewertungswahlrechte werden zugunsten einheitlicher Bilanzierung gleicher Sachverhalte nach internationalen Rechnungslegungsgrundsätzen entfallen. Wesentliche nationale Besonderheiten (z.B. Pensionsverpflichtungen, Steuern) sind systemkonform in der Rechnungslegung abzubilden (Arbeitskreis Externe Unternehmensrechnung der Schmalenbach-Gesellschaft für Betriebswirtschaft, Köln, 2001, S. 160 f.). | - | IFRS auch für Einzelabschlüsse: Die Regelungen der IFRS machen keinen Unterschied zwischen dem Einzel- und dem Konzernabschluss. Die Differenzierung der externen Rechnungslegung zwischen einem informationsorientierten Konzernabschluss nach IFRS und einem ausschüttungs- und steuerorientierten Einzelabschluss auf der Basis nationaler Vorschriften ist nicht haltbar (Herzig, N. 2001). Die Harmonisierung der Rechnungslegung auf der Grundlage der IFRS muss zwangsläufig zu einer Abkoppelung des Steuerrechts vom Handelsrecht und damit zur Aufgabe des Maßgeblichkeitsprinzips führen. | - | IFRS für den Mittelstand: IFRSs werden zunehmend auch für den Mittelstand relevant. Der IASB plant bereits einen eigenen reduzierten Standard für Small and Medium-sized Entities (SME). Über den Grad der Vereinfachungsregelungen wird noch gerungen. |
Literatur:
Arbeitskreis Externe Unternehmensrechnung der Schmalenbach-Gesellschaft für Betriebswirtschaft, Köln, : Die Zukunft der Rechnungslegung aus Sicht von Wissenschaft und Praxis-Fachprogramm des Arbeitskreises Externe Rechnungslegung im Rahmen des 54. Deutschen Betriebswirtschaftstages, in: DB, 2001, S. 160 – 161
Baetge, Jörg : Harmonisierung der Rechnungslegung – haben die deutschen Rechnungslegungsvorschriften noch eine Chance?, in: Internationalisierung der Wirtschaft, hrsg. v. Schmalenbach-Gesellschaft für Betriebswirtschaft e.V., , Stuttgart 1992, S. 113
Baetge, Jörg/Kirsch, Hans-Jürgen/Thiele, Stefan : Konzernbilanzen, Düsseldorf, 7. A., 2004
Ballwieser, Wolfgang : Was bewirkt eine Umstellung der Rechnungslegung vom HGB auf US-GAAP?, in: US-amerikanische Rechnungslegung, hrsg. v. Ballwieser, Wolfgang, Stuttgart, 4. A., 2000, S. 331 – 349
Haller, Axel : Die Grundlagen der externen Rechnungslegung in den USA, Stuttgart, 4. A., 1994
Herzig, Norbert : Notwendigkeit und Umsetzungsmöglichkeiten eines gespaltenen Rechnungslegungsrechts (Handels- und Steuerbilanz) in: KoR Zeitschrift für kapitalmarktorientierte Rechnungslegung, Jg. 1, 2001, S. 154 – 159
Hütten, Christoph/Lorson, Peter : Internationale Rechnungslegung in Deutschland, in: Betrieb und Wirtschaft, 2000, S. 521 – 527
Kleekämper, Heinz : IASC - Das Trojanische Pferd der SEC?, in: US-amerikanische Rechnungslegung, hrsg. v. Ballwieser, Wolfgang, Stuttgart, 4. A., 2000, S. 351 – 367
Kleekämper, Heinz/Kuhlewind, Andreas-Markus/Alvarez, Manuel : Ziele, Organisation, Entwicklung und Bedeutung des IASC, in: Rechnungslegung nach IAS, hrsg. v. Baetge, Jörg/Dörner, /Kleekämper, Heinz, Stuttgart, 2. A., 2002
Kuhlewind, Andreas-Markus : Grundlagen einer Bilanzrechtstheorie in den USA, Frankfurt am Main et al. 1997
Küting, Karlheinz/Lorson, Peter : Grundsätze eines Konzernsteuerungskonzepts auf „ externer “ Basis; Teil I, in: BB, Jg. 53 1998, S. 2251 – 2258
Küting, Karlheinz/Lorson, Peter : Grundsätze eines Konzernsteuerungskonzepts auf „ externer “ Basis; Teil II, in: BB, Jg. 53 1998, S. 2303 – 2309
Männel, Wolfgang/Küpper, Karlheinz : Integration der Unternehmensrechnung. Harmonisierung – Internationale Rechnungslegung – Shareholder Value – Investitionsrechnung, in: KRP Sonderheft, H. 3/1999
Niehus, Rudolf J./Thyl, Alfred : Konzernabschluss nach US-GAAP, Stuttgart 1998
Pellens, Bernhard/Fülbier, Rolf Uwe/Gassen, Joachim : Internationale Rechnungslegung, Stuttgart, 6. A., 2006
Wagenhofer, Alfred : International Accounting Standards, Wien, 5. A., 2005
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