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Change Management


1. Charakterisierung Die Veränderung des Unternehmens, dessen Notwendigkeit meist mit veränderten Rahmenbedingun­gen, sich beschleunigendem Wettbewerb, Technologiesprüngen, zunehmender  Globalisierung etc., begründetet wird, kann mit verschiedenen Ansätzen des Change Managements gestaltet werden. Im vorliegenden Beitrag werden die bedeutsamsten Ansätze weitgehend chronologisch vorgestellt, da spä­ter entwickelte Ansätze oftmals mit Bezug auf frühere Ansätze entstanden sind.
2. Ansätze des Change Managements
2. 1 Planned Organizational Change Im Sinne Erich Gutenbergs ist Planung der Entwurf einer Ganzheit und Organisation das Instrument, diese in die Realität umzusetzen. In diesem Ansatz ist Organisation als vollständig rational und rei­bungslos sich vollziehend gedacht. Entwirft die Planung jedoch eine neue Ordnung, die ihre Realisation in einer neuen Organisation findet, ist mit dem Widerstand der bestehenden Organisation zu rechnen. Planned Organizational Change (POC) ist die Antwort auf die Frage, wie mit diesen Umsetzungswider­ständen umzugehen ist. Historisch betrachtet entstand der Ansatz des POC in den 50er und frühen 60er Jahren. Mit Hilfe von verhaltenswissenschaftlichen Methoden soll die Anpassung der bestehenden Organisation an die geplante neue Ordnung erfolgen. Im Rahmen dieser Diskussion wird POC erstmalig zum Gegenstand der betriebswirtschaftlichen Theorie und Change Management als Führungsaufgabe etabliert. Auch in den neueren Restrukturierungskonzepten der Managementtheorie – in der unternehmerischen Praxis oftmals initiiert bzw. unterstützt durch Beratungsprodukte wie z.B. die Portfolio-Analyse (siehe auch   Portfoliomanagement), das  Shareholder-Value-Konzept oder das Business Reengineering –stellt sich die Frage, wie mit Umsetzungswiderständen umzugehen ist. Hier geht im Kern die Verände­rung der Organisationsstruktur der Planung voraus („strategy follows structure”). In dieser Vorgehens­weise wird die bestehende Organisationsstruktur durch eine völlig neue ersetzt in der Erwartung, dass bereits die Strukturveränderung eine neue strategische Ausrichtung impliziert. Diese neueren Konzepte verschärfen insoweit den Veränderungsdruck auf die bestehende Organisation, da sie quasi chirurgi­sche Eingriffe am ganzen Organisationskörper durchzuführen beanspruchen und diese in kürzester Zeit realisieren wollen. Die Methoden des POC gehen auf die verhaltenstheoretischen Forschungen des Tavistock Institute of Human Relations und der National Training Laboratories zurück. Ihre wesentliche Grundlage ist das Lewinsche Homöostasemodell. Dieses Modell teilt den Wandelprozess in drei Phasen: „Unfreeze”, „Moving” und „Refreeze”, die mit Hilfe eines Change-Agenten durchlaufen werden. Der Betreiber und Experte für den Veränderungsprozess, der Change-Agent, wendet Methoden der In­formation, der Partizipation, der gruppendynamischen Prozesse und andere Interventionstechniken an. Die Kritik am Planned Organizational Change wendet sich gegen den Widerspruch, der in diesem An­satz liegt: Auf der einen Seite ist es die Aufgabe des POC, Planbarkeit und Beherrschbarkeit des Wan­delprozesses gegen alle Umsetzungswiderstände zu gewährleisten, auf der anderen Seite ist Ergebnisof­fenheit notwendig, um die Methoden des Change-Agent sinnvoll einsetzen zu können. So braucht zum Beispiel Partizipation die Möglichkeit der Einflussnahme auf den Prozess der Planung. Dies steht je­doch gegen den Organisationsbegriff des POC, der im Sinne des „structure follows strategy” der Pla­nung nachgeordnet ist bzw. gegen die neueren Restrukturierungsvorstellungen, nach der fertige Organi­sationskonzepte implementiert werden sollen.
2. 2 Organisationsentwicklung Das Konzept der Organisationsentwicklung (OE) stellt dem Anspruch nach den Mensch in den Mittel­punkt und die Organisationsveränderung ist an die Entwicklung der Organisationsmitglieder geknüpft. Change Management im Sinne der OE macht die von dem Problem Betroffenen zum Träger des orga­nisationalen Wandels, denn nach ihrem Verständnis können nur die, die das Problem haben, es kompe­tent lösen. Die OE will die Trennung zwischen Organisator und Organisierten aufheben und macht, in­dem die Organisationsmitglieder den organisationalen Wandel in einem partizipativen Entwicklungs­prozess selbst gestalten, die Selbstorganisation der Mitglieder zum Grundmoment des Change Ma­nagements. Führung im Wandelprozess bedeutet in der OE das Initiieren und Begleiten von Lernprozessen der Or­ganisationsmitglieder und ähnelt einer Beratertätigkeit in dem Sinne, dass die Lernprozesse durch die Moderation der Selbstorganisation angeleitet werden und die Selbstreflexion der Organisationsmitglie­der ermöglicht wird. Gängige Methoden sind das Spiegeln bzw. das Feedback, das Lernen am konkre­ten Problem und der Einsatz gruppendynamischer Prozesse. Die Notwendigkeit der face-to-face­Situation sowie der enge, vertrauensvolle und direkte Kontakt zwischen Führung und Geführtem schränkt die Anwendbarkeit dieses Ansatzes auf kleinere Organisationen bzw. Organisationseinheiten ein. Radikale Restrukturierungsmassnahmen und die Neuausrichtung der Unternehmensstrukturen sind mit der OE meist nicht zu realisieren, denn diese stehen der partizipativen Selbstorganisation oftmals entgegen und sind kein Gegenstand der OE, die den organisationalen Wandel im Kern mit Personal­entwicklung identifiziert. Zudem ist kritisch zu bedenken, dass die OE die Politisierung der Betriebs­wirtschaft fördert, indem sie Fragen der Beteiligung an den Entscheidungsprozessen in den Vorder­grund stellt und die ökonomischen Kategorien vernachlässigt.
2. 3 Systemtheoretisches Modell organisationalen Wandels Den Mangel der Nichtbetrachtung der Unternehmensstrukturen überwindet der Ansatz organisationalen Wandels, der sich auf die moderne, durch Luhmann in die soziologische Theorie eingeführte System­theorie bezieht. Im Verständnis der Systemtheorie erzeugen Organisationen Entscheidungen, aus denen sie bestehen, selbst durch Entscheidungen, aus denen sie bestehen. Angeregt durch Irritationen aus ihrer Umwelt produziert die Organisation als System nach Massgabe ihrer eigenen Funktionslogik Ent­scheidungen, mit denen sie sich selbstreferentiell auf vorausgegangene oder antizipierte Entscheidun­gen bezieht und sich so als autonomes, rekursiv geschlossenes System ausdifferenziert. Indem die Or­ganisation Entscheidungen zu Vor-Entscheidungen anderer Entscheidungen macht, bilden sich Struktu­ren, die sich mit jeder Entscheidung reproduzieren, und diese schränken ein, welche Entscheidungen anschlussfähig sind und was künftig als Entscheidung überhaupt noch möglich ist. Organisationen ha­ben im Verständnis der Systemtheorie keinen festen Bestand sondern entstehen erst durch den Prozess der Bezugnahme von Entscheidungen auf andere Entscheidungen. Dieses Verständnis der prozesshaft sich bildenden Organisation lässt den organisationalen Wandel zum Normalfall werden. Auf Basis des systemtheoretischen Ansatzes haben sich unterschiedliche Konzepte des organisationa­len Wandels entwickelt. Dem Konzept des organisationalen Lernens zufolge, das eines der bedeutends­ten ist, „lernen” Organisationen durch Veränderungen ihrer Wissensbasis. Die Wissensbasis umfasst al­le Fakten und Regeln, auf die bei Entscheidungen in der Organisation implizit oder explizit Bezug ge­nommen wird. Die individuelle Wahrnehmung oder Interpretation eines Sachverhaltes verändert nicht automatisch die organisationale Wissensbasis. Erst in der Entscheidung als Element des Systems ist die Transformation von individuellem in organisationales Wissen vollzogen. Jede Entscheidung führt zu einer Veränderung der Wissensbasis und ist damit ein Akt organisationalen Lernens. Die Anschlussfä­higkeit individuellen Wissens beruht auf der Ausdifferenzierung entsprechender Lernstrukturen. Zu diesen Lernstrukturen gehören z.B. die Wege der innerorganisationalen Kommunikation. Neben der Existenz sichernden Lernfähigkeit einer Organisation bedarf es gleichzeitig der Limitierung dieser Lernfähigkeit in Form von Entscheidungen für das „Nicht-Lernen”. Diese ebenso Existenz si­chernde Massnahme gewährleistet, dass die Grenzen der Organisation zu der von ihr konstruierten Umwelt erhalten bleiben. Würde die Organisation jeder Veränderung dieser Umwelt unmittelbar ler­nend folgen, würde die Differenz zwischen Umwelt und Organisation verschwinden. Für die Organisa­tion gilt es also, immer wieder neu ein situationsabhängiges Verhältnis zwischen Lernen und Nicht-Lernen zu bilden, welches die Fortexistenz des Systems gewährleistet. Die Entscheidung beruht also auf einer der drei Grundentscheidungen der Organisation: zu lernen, nicht zu lernen und schliesslich für ein bestimmtes Verhältnis von Lernen und Nicht-Lernen. Jede Entscheidung der Organisation rekurriert auf die organisationale Wissensbasis, ist durch die ge­prägt und wirkt auf sie zurück. In der Organisation nach systemtheoretischen Verständnis ist über den Grundzusammenhang der Entscheidung der Wandel, also die Veränderung der Wissensbasis, immer schon angelegt. Organisationaler Wandel ist in diesem Sinne ein Dauerzustand der Organisation. Die systemtheoretisch gedachte Organisation ist immer schon lernende Organisation. Darüber hinaus kann zwar ein externer Beobachter im Wege der Beobachtung zweiter Ordnung die Reproduktion der Ent­scheidungen beobachten; das System selbst kann seinem durch die Wissensbasis reproduzierten blinden Fleck jedoch nicht entkommen. Interventionen von aussen sind nicht möglich, auch z.B. darüber, was Beobachtungen zweiter Ordnung für es bedeuten, entscheidet das System und Entscheidungen müssen für es anschlussfähig sein. Change Management im Sinne eines radikalen organisationalen Wandels ist unmöglich.
2. 4 Institutionentheoretische Reorganisation In Abgrenzung zu den politisch bzw. soziologisch geprägten Ansätzen versteht sich die Institutio­nentheorie explizit und vornehmlich als ökonomische Theorie. Sie geht von der Annahme aus, dass die Akteure Optimierer des eigenen, individuellen Nutzens sind, deren Verhalten wesentlich von „Rent­Seeking-Aktivitäten” beeinflusst ist und die jede Situation, d.h. die in diesen bestehende Vorteile wie beispielsweise Informationsvorsprünge, opportunistisch und ggf. auch auf Kosten anderer für sich aus­nutzen. Durch Institutionen, d.h. implizite oder explizite Regelungen und Verträge, und ihre Anreiz­wirkungen soll sichergestellt werden, dass allen Beteiligten ein wirtschaftlicher Vorteil zufällt. Unternehmensziele werden danach nur dann realisiert, wenn ihre Erfüllung den individuellen Interes­sen der Beteiligten dient. Denn jedes Individuum betrachtet die Wirkung ausgehandelter Vereinbarun­gen einzig auf ihre Anreizwirkung und fragt: „what is in it for me?” Change Management im Sinne der Institutionentheorie bedeutet anreizgesteuerte Reorganisation. Wie bei Kunden werden die Präferenzen der Mitarbeiter geprüft und darauf bezogen sollen Regelungen und Verträge implementiert werden, die solche Bedingungen schaffen, dass der erwartete Nutzengewinn, der durch den Wandel erwirkt wird, für jeden Beteiligten grösser ist als die Opportunitätskosten, die für ihn damit einhergehen. Nur wenn dieser Nutzengewinn mindestens die Summe aller Opportunitätskos ten übersteigt, kann im Sinne der Institutionentheorie dieser Überschuss zur Motivierung der Akteure aufgeteilt werden und insoweit als Anreiz zur Veränderung wirken. Die Institutionentheorie gibt den Bezug auf die Verantwortung der Mitarbeiter für die Unternehmensentwicklung auf und ersetzt diesen durch eine reine Tauschbeziehung. Für sie ist der Veränderungsprozess nur möglich, wenn hinreichend viele Beteiligte am Gewinn partizipieren. Sie reduziert Change Management auf eine mechanische Vorstellung von stimulus (Anreize) und response (Reaktion), d.h. sie geht davon aus, dass die Präferenzstrukturen der Mitarbeiter festgelegt und die Individuen über Anreizen steuerbar sind. Sie lässt die Chancen aus, die mit der persönlichen Entwicklung der Mitarbeiter entstehen, und unterschätzt die Möglichkeit, dass diese ihrerseits steuernd mit den Anreizen umgehen.
3. Phasen der Unternehmensentwicklung Der Wandel der Unternehmung lässt sich nicht nur als Reaktion auf äussere Veränderungen sondern auch als ein Entwicklungsprozess der Unternehmung verstehen, der sich quasi gesetzmässig nach ideal­typischen Phasen vollzieht. Lievegoed hat ein Modell entwickelt, dass drei Phasen unterscheidet. Jede Phase folgt einer eigenen Dynamik: für die Pionierphase ist die Person des Unternehmers wesentlich, die Differenzierungsphase ist geprägt durch die Orientierung an allgemeinen Regeln und die Integrati­onsphase soll beide Momente miteinander verbinden. Change Management bedeutet, den Umbruch von einer Phase in die nächste zu gestalten. Hinweis Zu den angrenzenden Wissensgebieten siehe  AblauforganisationAufbauorganisation,  ERP-Systeme (Enterprise Resource Planning-Systeme),   Lernende OrganisationOrganisation, Grund­lagen,  Organisationstheorien,   Outsourcing,  Produktionsmanagement,   Profit Center,   Pro­jektmanagement,   Prozessmanagement,   Strategisches Management,   Unternehmensplanung,   Workflow Management.

Literatur: Doppler, K./Lauterburg, C. (2002): Change Management: den Unternehmenswandel gestal­ten, 10. Aufl., Frankfurt a. M.; Glasl, F./Lievegoed, B. (1996): Dynamische Unternehmensentwicklung: wie Pionierbetriebe und Bürokratien zu Schlanken Unternehmen werden,
2. unveränd. Aufl., Bern u.a.; Gomez, P./Hahn, D./Müller-Stewens, G. (1994): Unternehmerischer Wandel. Konzepte zur organisato­rischen Erneuerung, Wiesbaden; Hayes, John (2003): The theory and practice of change management, Basingstoke u.a.; Kirsch, W. (1997): Strategisches Management. Die geplante Evolution von Unter­nehmen, Herrsching; Picot, A./Freudenberg, H./Gassner, W. (1999): Management von Reorganisationen - Massschneidern als Konzept für den Wandel, Wiesbaden; Theuvsen, L. (1996): Business Reengineer­ing, Möglichkeiten und Grenzen einer prozessorientierten Organisationsgestaltung, in: ZfbF, 48. Jg., Hf. 1, S. 65 — 82; Walger, G. (1997): Change Management im Spannungsfeld von Selbst- und Fremdorga­nisation, in: Betriebswirtschaftslehre und Managementlehre. Selbstverständnis — Herausforderungen — Konsequenzen, Tagungsband der Kommission “Wissenschaftstheorie” im Verband der Hochschul­lehrer für Betriebswirtschaft e.V., Wiesbaden, S. 187 — 207. Internetadressen: Institut für Unternehmer- und Unternehmensentwicklung: www.iuu-uni-wh.de; Change Management Learning Center: www.change-management.com; Journal of Organizational Change Management: www.emeraldinsight.com/info/journals/jocm/jocm.htm; Zeitschrift für Organisa­tionsentwicklung und Change Management: www.zoe.ch

 

 


 

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