Befreiung von Konzernabschlusserstellung
Inhaltsübersicht
I. Überblick
II. Die Befreiung von der Konzernabschlusserstellung nach den §§ 291 und 292 HGB
III. Die Befreiung von der Konzernaufstellungspflicht gem. § 315a und § 292a HGB
IV. Größenabhängige Befreiungen von der Konzernaufstellungspflicht gem. § 293 HGB
V. Befreiung von der Konzernrechnungslegungspflicht nach IFRS und US-GAAP
VI. Prüfung der Voraussetzungen für die Befreiung von der Konzernabschlusserstellung
I. Überblick
§ 290 HGB verpflichtet grundsätzlich jedes Mutterunternehmen zur Aufstellung eines Konzernabschlusses und Konzernlageberichts, sofern die im Einzelnen genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Diese Vorgehensweise würde bedeuten, dass auf jeder Ebene eines mehrstufigen Konzerns Teilkonzernabschlüsse zu erstellen wären (sog. Tannenbaumprinzip). §§ 291 und 292 HGB sehen deshalb unter bestimmten Voraussetzungen eine Befreiung von der Verpflichtung zur Aufstellung eines Teilkonzernabschlusses vor. Darüber hinaus sind Konzerne, die bestimmte Größenmerkmale nicht überschreiten, gem. § 293 HGB von der Pflicht zur Konzernrechnungslegung befreit.
Ferner sind inländische Mutterunternehmen, die auf Grund Art. 4 der IAS-V oder auf Grund § 315a Abs. 2 HGB zur Aufstellung eines Konzernabschlusses nach IFRS verpflichtet sind oder die in Anwendung des § 315a Abs. 3 HGB freiwillig einen Konzernabschluss nach IFRS aufstellen, von der Erstellung eines Konzernabschlusses nach den Vorschriften des HGB befreit. Bestimmte Unternehmen können darüber hinaus für Geschäftsjahre, die vor dem 1. Januar 2007 beginnen, ausnahmsweise § 292a HGB in Anspruch nehmen, um einen befreienden Konzernabschluss nach international anerkannten Rechnungslegungsnormen zu erstellen.
Während nach den International Financial Reporting Standards (IFRS) ebenfalls die Möglichkeit besteht, unter bestimmten Voraussetzungen einen befreienden Konzernabschluss zu erstellen, ist in den US-amerikanischen Rechnungslegungsgrundsätzen eine vergleichbare Regelung nicht enthalten.
II. Die Befreiung von der Konzernabschlusserstellung nach den §§ 291 und 292 HGB
Die Anwendung der Befreiungsvorschriften der §§ 291 und 292 HGB unterscheidet sich danach, ob das Mutterunternehmen seinen Sitz innerhalb oder außerhalb eines Mitgliedstaats der Europäischen Union (EU) oder eines anderen Vertragsstaats des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) hat.
1. Mutterunternehmen mit Sitz innerhalb der EU bzw. des EWR
Gem. § 291 I HGB ist ein Mutterunternehmen, das zugleich Tochterunternehmen eines Mutterunternehmens mit Sitz in einem Mitgliedstaat der EU bzw. Vertragsstaat des EWR ist, von der Verpflichtung zur Aufstellung eines Teilkonzernabschlusses und -lageberichts unter bestimmten Voraussetzungen befreit, wenn das zu befreiende Mutterunternehmen und seine Tochterunternehmen in den Konzernabschluss und den Konzernlagebericht des übergeordneten Mutterunternehmens einbezogen werden. a) Mutterunternehmen
Gem. § 291 I Satz 2 HGB können der befreiende Konzernabschluss und -lagebericht von jedem Unternehmen unabhängig von seiner Rechtsform und Größe aufgestellt werden, wenn das Unternehmen als Kapitalgesellschaft mit Sitz in einem Mitgliedstaat der EU oder einem anderen EWR-Vertragsstaat zur Aufstellung eines Konzernabschlusses unter Einbeziehung des zu befreienden Mutterunternehmens und seiner Tochterunternehmen verpflichtet wäre. Im Gegensatz zu § 290 HGB, wonach Mutterunternehmen nur Kapitalgesellschaften bzw. Gesellschaften i.S.d. § 264a HGB sein können, können Mutterunternehmen i.S.d. § 291 I Satz 2 HGB Unternehmen jeder beliebigen Rechtsform sein. Es muss sich dabei jedoch stets um ein Unternehmen handeln, wodurch Privatpersonen sowie Bund, Länder und Gemeinden als Mutterunternehmen in diesem Sinne ausgeschlossen sind (ADS, 1995).
Das Mutterunternehmen muss dabei weder an der Spitze des Konzerns stehen, noch muss es in der Konzernhierarchie unmittelbar über dem zu befreienden Unternehmen angesiedelt sein. Auch muss ein unmittelbares Mutter-Tochter-Verhältnis nicht vorliegen. Ausreichend ist, wenn das Unternehmen, welches dem zu befreienden Mutterunternehmen übergeordnet ist, einen den Anforderungen des § 291 HGB entsprechenden Konzernabschluss unter Einbeziehung des betreffenden Teilkonzerns aufstellt (Siebourg, 1998; ADS, 1995).
Auf Unternehmen, die gem. § 11 I PublG grundsätzlich zur Aufstellung eines Konzernabschlusses und -lageberichts verpflichtet sind, ist § 291 HGB entsprechend anzuwenden (vgl. § 11 VI Nr. 1 PublG). b) Konsolidierungskreis
Der Konzernabschluss und -lagebericht eines Mutterunternehmens mit Sitz innerhalb der EU bzw. des EWR haben befreiende Wirkung, wenn das zu befreiende Mutterunternehmen und seine Tochterunternehmen in den befreienden Konzernabschluss unbeschadet des § 296 HGB einbezogen worden sind (vgl. § 291 II Nr. 1 HGB). Hieraus ergibt sich, dass bei der Abgrenzung des Konsolidierungskreises nunmehr aus Sicht des übergeordneten Mutterunternehmens zu prüfen ist, ob die Voraussetzungen für die Konsolidierungswahlrechte gem. § 296 HGB erfüllt sind. So können Tochterunternehmen, die gem. § 296 I Nr. 2 HGB nicht in den Konzernabschluss einbezogen werden sollen, da die für die Aufstellung des Konzernabschlusses erforderlichen Angaben nicht ohne unverhältnismäßig hohe Kosten oder Verzögerungen zu erhalten sind, auf einer höheren Konzernstufe einbeziehungspflichtig sein. Aufgrund der höheren Anzahl zu konsolidierender Unternehmen kann durchaus der Fall eintreten, dass die Unverhältnismäßigkeit anders zu beurteilen ist. Weiterhin ist es denkbar, dass das Konsolidierungswahlrecht gem. § 296 I Nr. 3 HGB entfallen kann, wenn bspw. die zur Weiterveräußerung gehaltenen Anteile eines Tochterunternehmens an ein Unternehmen verkauft werden, welches auf Grund des größeren Konsolidierungskreises nunmehr in den Konzernabschluss einzubeziehen ist. Ebenso ist es möglich, dass bisher in den Konzernabschluss einbezogene Tochterunternehmen aus Sicht des übergeordneten Mutterunternehmens für die Vermittlung eines den tatsächlichen Verhältnissen entsprechenden Bildes der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Konzerns nur noch von untergeordneter Bedeutung sind und gem. § 296 II HGB daher nicht mehr berücksichtigt werden müssen (Siebourg, 1998; ADS, 1995).
Eine andere Beurteilung ergibt sich hingegen beim Konsolidierungswahlrecht nach § 296 I Nr. 1 HGB. Hierbei kann regelmäßig davon ausgegangen werden, dass dieses Wahlrecht auch für den übergeordneten Konzernabschluss Gültigkeit behalten wird, da sich an der Beschränkung der Rechtsausübung durch das Mutterunternehmen durch die Einbeziehung in einen größeren Konzernabschluss nichts ändert. Dies gilt indes nicht, wenn sich das Konsolidierungswahlrecht darin begründet, dass die Beherrschungsmöglichkeit an ein Unternehmen im übergeordneten Konzernverbund übertragen wurde. c) Inhalt und Prüfung
Nach § 291 II Nr. 2 HGB sind der befreiende Konzernabschluss und -lagebericht im Einklang mit der Richtlinie 83/349/EWG des Rates vom 13.06.1983 über den konsolidierten Abschluss (7. EG-Richtlinie) und der Richtlinie 84/253/EWG des Rates vom 10.04.1984 über die Zulassung mit der Pflichtprüfung der Rechnungslegungsunterlagen beauftragter Personen (8. EG-Richtlinie) nach dem für das aufstellende Mutterunternehmen maßgeblichen Recht aufzustellen und von einem zugelassenen Abschlussprüfer zu prüfen.
Die Bedingung, dass der befreiende Konzernabschluss und -lagebericht inhaltlich dem an die 7. EG-Richtlinie angepassten Recht desjenigen Mitgliedstaats entsprechen müssen, in dem das befreiende Mutterunternehmen seinen Sitz hat, ist i.d.R. automatisch dann erfüllt, wenn das übergeordnete Mutterunternehmen eine Kapitalgesellschaft ist und ihren Sitz im Inland oder einem anderen Mitgliedstaat innerhalb der EU bzw. des EWR hat. Wurde der Konzernabschluss nicht nach dem Recht des Landes aufgestellt, in welchem das befreiende Mutterunternehmen seinen Sitz hat, wohl aber nach einem Recht, welches dem deutschen entspricht, so hat dieser Konzernabschluss ebenso befreiende Wirkung (ADS, 1995).
Weiterhin müssen der befreiende Konzernabschluss und -lagebericht nach dem von dem übergeordneten Mutterunternehmen anzuwendenden Recht durch einen in Übereinstimmung mit den Vorschriften der 8. EG-Richtlinie zugelassenen Abschlussprüfer geprüft worden sein. Demzufolge ist der befreiende Konzernabschluss eines inländischen Mutterunternehmens nach den Grundsätzen der §§ 316 bis 324 HGB und somit von einem Wirtschaftsprüfer bzw. von einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft (vgl. § 316 II i.V.m. § 319 I HGB) zu prüfen. Bei der Prüfung des befreienden Konzernabschlusses ist grundsätzlich ein Bestätigungsvermerk zu erteilen. Eine Versagung des Bestätigungsvermerks hat u.U. zur Folge, dass der Konzernabschluss nicht den maßgebenden Rechnungslegungsvorschriften des betreffenden Staates entspricht und daher keine befreiende Wirkung entfalten kann (Hoyos, /Ritter-Thiele, 2006; ADS, 1995). d) Offenlegung
§ 291 I Satz 1 HGB verlangt, dass der befreiende Konzernabschluss und -lagebericht einschließlich des BestV oder des Vermerks über dessen Versagung nach den für den entfallenden Teilkonzernabschluss und Teilkonzernlagebericht maßgeblichen Vorschriften in deutscher Sprache offengelegt werden müssen. Nach § 325 III Satz 1 HGB hat dies vor Ablauf des zwölften Monats des dem Konzernabschlussstichtag nachfolgenden Geschäftsjahrs im Bundesanzeiger zu erfolgen. e) Angabepflichten des befreiten Unternehmens
Eine weitere Voraussetzung für die Befreiung von der Konzernrechnungslegung ist, dass im Anhang des JA des zu befreienden Mutterunternehmens gem. § 291 II Nr. 3 HGB folgende Angaben gemacht werden:
(a) Name und Sitz des Mutterunternehmens, das den befreienden Konzernabschluss und Konzernlagebericht aufstellt,
(b) einen Hinweis auf die Befreiung von der Verpflichtung, einen Konzernabschluss und Konzernlagebericht aufzustellen, und
(c) eine Erläuterung der im befreienden Konzernabschluss vom deutschen Recht abweichend angewandten Bilanzierungs-, Bewertungs- und Konsolidierungsmethoden. f) Kreditinstitute und Versicherungsunternehmen
§ 291 II Satz 1 HGB gilt für Kreditinstitute und Versicherungsunternehmen entsprechend. Die Aufstellung des befreienden Konzernabschlusses und -lageberichts hat – unbeschadet der übrigen Voraussetzungen des Satzes 1 – bei Kreditinstituten im Einklang mit der Richtlinie 86/635/EWG des Rates vom 08.12.1986 über den JA und den konsolidierten Abschluss von Banken und anderen Finanzinstituten (Bankbilanzrichtlinie) und bei Versicherungsunternehmen im Einklang mit der Richtlinie 91/674/EWG des Rates vom 19.12.1991 über den JA und den konsolidierten Abschluss von Versicherungsunternehmen (Versicherungsrichtlinie) zu erfolgen. g) Ausschluss von der Befreiungsmöglichkeit
Die Befreiungsmöglichkeit des § 291 HGB können Unternehmen nach § 291 Abs. 3 Nr. 1 nicht in Anspruch nehmen, deren Wertpapiere am Abschlussstichtag in einem Mitgliedstaat der EU oder in einem anderen EWR-Vertragsstaat an einem geregelten Markt i.S.d. Art. 1 Nr. 13 der Richtlinie 93/22/EWG des Rates vom 10. Mai 1993 über Wertpapierdienstleistungen gehandelt werden. Darüber hinaus können die Gesellschafter des bilanzierenden Unternehmens unter bestimmten Voraussetzungen die Befreiung verhindern. Hierfür müssen die Gesellschafter, denen bei einer AG oder KGaA mindestens 10% bzw. bei einer GmbH mindestens 20% der Anteile gehören, spätestens sechs Monate vor dem Ablauf des Konzerngeschäftsjahrs die Aufstellung eines Teilkonzernabschlusses und -lageberichts beantragt haben (vgl. § 291 III Nr. 2 HGB). Darüber hinaus hat ein Konzernabschluss eines Mutterunternehmens, das über 90% der Anteile an dem zu befreienden Mutterunternehmen hält, nur dann eine befreiende Wirkung, wenn die übrigen Gesellschafter der Befreiung ausdrücklich zugestimmt haben. Das Minderheitsvotum hat jedoch in der deutschen Konsolidierungspraxis keine Bedeutung erlangt.
2. Mutterunternehmen mit Sitz außerhalb der EU bzw. des EWR
§ 292 HGB enthält eine Rechtsverordnungsermächtigung, wonach das Bundesjustizministerium, im Einvernehmen mit dem Bundesfinanz- und -wirtschaftsministerium, dazu ermächtigt wird, die Befreiung durch Konzernabschlüsse und -lageberichte, die von Mutterunternehmen mit Sitz außerhalb eines Mitgliedstaats der EU bzw. eines anderen Vertragsstaats des EWR erstellt werden, zuzulassen. Durch den Erlass der Konzernabschlussbefreiungsverordnung (KonBefrV) vom 15.11.1991 wurde von dieser Rechtsverordnungsermächtigung Gebrauch gemacht. Die KonBefrV wurde zwischenzeitlich mehrfach geändert und ist 1996 unbefristet verlängert worden. Um eine befreiende Wirkung zu besitzen, müssen der Konzernabschluss und -lagebericht des übergeordneten Mutterunternehmens nach dieser KonBefrV folgende – dem § 291 HGB weitgehend entsprechende – Anforderungen erfüllen:
(a) Der befreiende Konzernabschluss und -lagebericht wurden in deutscher Sprache nach den Vorschriften offengelegt, die nach dem Recht des zu befreienden Mutterunternehmens für den entfallenden Teilkonzernabschluss und -lagebericht gelten (vgl. § 1 Satz 1 KonBefrV). Dabei ist es unerheblich, welche Größe und welche Rechtsform das übergeordnete Mutterunternehmen innehat. Es muss sich lediglich um ein Unternehmen handeln (vgl. § 1 Satz 2 KonBefrV).
(b) Das zu befreiende Mutterunternehmen und seine Tochterunternehmen sind in den befreienden Konzernabschluss unbeschadet § 296 HGB einbezogen worden (vgl. § 2 I Nr. 1 KonBefrV).
(c) Der befreiende Konzernabschluss und -lagebericht sind im Einklang mit der 7. EG-Richtlinie nach dem Recht eines EU- bzw. EWR-Staats aufgestellt worden oder sind einem nach diesem Recht aufgestellten Konzernabschluss und -lagebericht gleichwertig (vgl. § 2 I Nr. 2 KonBefrV).
(d) Der befreiende Konzernabschluss ist von einem in Übereinstimmung mit der 8. EG-Richtlinie zugelassenen Abschlussprüfer geprüft worden, zumindest aber von einem Abschlussprüfer, der eine den Anforderungen dieser Richtlinie gleichwertige Befähigung hat. Dabei muss der Konzernabschluss entsprechend den §§ 316 bis 324 HGB geprüft worden sein (vgl. § 2 I Nr. 3 KonBefrV). Die Gleichwertigkeit hat sich dabei an der fachlichen und persönlichen Eignung i.S.d. § 43 WPO zu orientieren. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass Angehörige von Berufsorganisationen, die Mitglieder des International Federation of Accountants (IFAC) sind und die Leitlinien des IFAC in ihr Berufsrecht integriert haben, die geforderte Gleichwertigkeit erfüllen (IDW, 2002).
(e) Im Anhang des JA des zu befreienden Mutterunternehmens sind die Angaben gem. § 291 II Nr. 3 HGB enthalten (vgl. § 2 I Nr. 4 KonBefrV).
(f) § 2 I Satz 1 KonBefrV gilt für Kreditinstitute und Versicherungsunternehmen entsprechend. Die Aufstellung des befreienden Konzernabschlusses und -lageberichts hat – unbeschadet der übrigen Voraussetzungen des Satzes 1 – bei Kreditinstituten im Einklang mit der Bankbilanzrichtlinie und bei Versicherungsunternehmen im Einklang mit der Versicherungsrichtlinie zu erfolgen (vgl. § 2 I Satz 2 KonBefrV).
(g) Ausgeschlossen von der Möglichkeit der Befreiung sind wiederum Mutterunternehmen, deren Wertpapiere am Abschlussstichtag in einem Mitgliedstaat der EU oder in einem anderen EWR-Vertragsstaat an einem geregelten Markt i.S.d. Art. 1 Nr. 13 der Richtlinie 93/22/EWG des Rates vom 10. Mai 1993 über Wertpapierdienstleistungen gehandelt werden. Außerdem sind die Minderheitenrechte gem. § 291 III HGB zu beachten (vgl. § 2 II KonBefrV).
III. Die Befreiung von der Konzernaufstellungspflicht gem. § 315a und § 292a HGB
Mutterunternehmen, die nach Art. 4 der IAS-V zur Erstellung eines Konzernabschlusses nach durch die EU anerkannten IFRS verpflichtet sind, brauchen nach § 315a HGB nicht zusätzlich einen Konzernabschluss nach den Vorschriften des HGB zu erstellen. Dies betrifft Mutterunternehmen, deren Wertpapiere am Bilanzstichtag zum Handel an einem geregelten Markt i.S.d. Art. 1 Abs. 13 der Richtlinie 93/22/EWG des Rates vom 10. Mai 1993 über Wertpapierdienstleistungen in einem EU-Mitgliedstaat zugelassen sind. Befreit von der Verpflichtung zur Erstellung eines HGB-Konzernabschlusses sind des Weiteren Mutterunternehmen, für deren Wertpapiere i.S.d. § 2 Abs. 1 Satz 1 des WpHG bis zum Bilanzstichtag die Zulassung zum Handel an einem organisierten inländischen Markt i.S.d. § 2 Abs. 5 des WpHG beantragt wurde und die nach § 315a Abs. 2 HGB ebenfalls zur Erstellung eines Konzernabschlusses durch die seitens der EU anerkannten IFRS verpflichtet sind sowie Mutterunternehmen, die nach § 315a Abs. 3 HGB freiwillig einen Konzernabschluss nach den durch die EU anerkannten IFRS erstellen.
Die Befreiung nach § 315a HGB bezieht sich nur auf die Regelungen der §§ 294 bis 314 HGB und hier nicht auf die Regelungen nach
- | § 294 Abs. 3 (Mitwirkungspflichten des Tochterunternehmens bei der Aufstellung des Konzernabschlusses), | - | § 298 Abs. 1 i.V.m. §§ 244 f. (Sprache, Währung sowie Unterzeichnung des Konzernabschlusses), | - | § 313 Abs. 2 und 4 (Angaben zu Tochterunternehmen, Gemeinschaftsunternehmen und assoziierten Unternehmen sowie zu allen übrigen Unternehmen, an denen direkt oder indirekt mind. 20 % der Anteile gehalten werden) sowie | - | § 3145 Abs. 1 Nr. 4, 6, 8 und 9 (Angaben zur Zahl der Arbeitnehmer, zu den Bezügen der Mitglieder der Geschäftsführung, eines Aufsichtsrats, eines Beirats oder ähnlicher Einrichtungen, zur Abgabe der nach § 161 AktG geforderten Erklärung sowie zum Honorar des Abschlussprüfers). |
Alle übrigen Vorschriften außerhalb der §§ 294 bis 314 HGB, die sich auf den Konzernabschluss beziehen, müssen vorerst weiterhin beachtet werden. Dies gilt insbes. für
- | die Verpflichtung zur Erstellung eines Konzernlageberichts nach § 315 HGB, | - | die Regelungen zur Prüfung des Konzernabschlusses nach §§ 316 ff. HGB und | - | die Regelungen zur Offenlegung des Konzernabschlusses nach § 324 HGB. |
Durch die IAS-V wurde § 292a HGB, der als Interimslösung es erst börsennotierten und später kapitalmarktorientierten Unternehmen ermöglichte, auf die Anwendung der §§ 290 bis 315 HGB zu verzichten, wenn diese stattdessen einen Konzernabschluss und Konzernlagebericht nach „ international anerkannten Rechnungslegungsgrundsätzen “ erstellten, weitgehend hinfällig. § 292a HGB wurde daher durch das BilReG aufgehoben.
Allerdings können Unternehmen, die auf Grund von Art. 57 Abs. 1 EGHGB für Geschäftsjahre, die vor dem 1. Januar 2007 beginnen, von der Verpflichtung zur Erstellung eines Konzernabschlusses nach anerkannten IFRS vorübergehend befreit sind, § 292a HGB ausnahmsweise vorerst weiterhin in Anspruch nehmen (vgl. Art. 58 Abs. 5 Satz 2 EGHGB). Nutznießer der Regelung sind insbesondere Unternehmen, die in Anbetracht ihrer Börsennotierung in den USA einen Konzernabschluss nach US-GAAP aufstellen müssen. Mit dem Ende der Übergangsfrist für diese Unternehmen läuft auch der Anwendungsbereich von § 292a HGB endgültig aus.
IV. Größenabhängige Befreiungen von der Konzernaufstellungspflicht gem. § 293 HGB
Um die Belastungen, die regelmäßig mit der Erstellung eines Konzernabschlusses verbunden sind, für kleinere Konzerne möglichst gering zu halten, kann nach § 293 HGB von der Erstellung eines Konzernabschlusses und -lageberichts abgesehen werden, sofern gewisse Größenkriterien nicht überschritten werden. Diese Befreiungsregelung gilt dabei sowohl für Gesamt- als auch für Teilkonzernabschlüsse. Ausgenommen von dieser Regelung sind Konzerne, bei denen das Mutterunternehmen ein Kreditinstitut (vgl. § 340i II Satz 2 HGB) oder ein Versicherungsunternehmen (vgl. § 341j I Satz 2 HGB) ist. Ferner gelten die Größenkriterien nicht für Konzerne, bei denen das Mutterunternehmen oder ein in den Konzernabschluss des Mutterunternehmens einbezogenes Tochterunternehmen am Abschlussstichtag einen organisierten Markt i.S.d. § 2 V WpHG durch von ihm ausgegebene Wertpapiere i.S.d. § 2 I Satz 1 WpHG in Anspruch nimmt oder die Zulassung zum Handel an einem organisierten Markt beantragt worden ist (vgl. § 293 V HGB; vgl. auch oben II.).
Im Einzelnen ist ein Mutterunternehmen gem. § 293 I Nr. 1, 2 HGB von der Pflicht, einen Konzernabschluss und -lagebericht aufzustellen, befreit, wenn es an zwei aufeinander folgenden Abschlussstichtagen zwei der drei folgenden Schwellenwerte entweder nach der Bruttomethode oder nach der Nettomethode nicht überschreitet.
Bei Anwendung der Bruttomethode werden die Umsatzerlöse und die Bilanzsummen aus den Jahresabschlüssen der einzubeziehenden Unternehmen addiert (additive Methode), wohingegen bei der Nettomethode durch Eliminierung konzerninterner Beziehungen ein konsolidierter (Probe-)Abschluss aufgestellt wird (konsolidierte Methode). Letztlich bleibt es dem Mutterunternehmen überlassen, welche Methode es zu Grunde legt. Der in § 297 III Satz 2 HGB kodifizierte Stetigkeitsgrundsatz, wonach die auf den vorhergehenden Konzernabschluss angewandten Konsolidierungsmethoden beibehalten werden sollen, kommt hier nicht zur Anwendung. Folglich kann das Wahlrecht jedes Jahr neu ausgeübt werden. Auf einen Stichtag bezogen muss das Wahlrecht jedoch einheitlich ausgeübt werden. Ebenso ist es nicht erforderlich, dass es sich an den beiden Abschlussstichtagen um die jeweils gleichen Größenmerkmale handelt.
Ein erst- bzw. einmaliges Überschreiten der Größenkriterien führt nicht zu einer Konzernrechnungslegungspflicht. Analog liegt in einem einmaligen Unterschreiten der Abgrenzungskriterien kein Befreiungstatbestand vor, wenn das Mutterunternehmen am vorherigen Abschlussstichtag nicht befreit war (vgl. § 293 IV HGB).
Bei der Ermittlung der Bilanzsumme ist ein evtl. vorhandener „ Nicht durch Eigenkapital gedeckter Fehlbetrag “ abzuziehen. Die Umsatzerlöse sind aus den letzten zwölf Monaten der einzubeziehenden Unternehmen zu ermitteln. Für die Berechnung der durchschnittlichen Zahl der Arbeitnehmer ist § 267 V HGB anzuwenden.
Zusammenfassend zeigt die folgende Abb. 1 die Schrittfolge zur Prüfung der Aufstellungspflicht von Konzernabschlüssen inländischer Kapitalgesellschaften bzw. bestimmter Personenhandelsgesellschaften gem. § 264a HGB.
Abb. 1: Schrittfolge zur Prüfung der Aufstellungspflicht von Konzernabschlüssen inländischer Kapitalgesellschaften bzw. bestimmter Personenhandelsgesellschaften gem. § 264a HGB
V. Befreiung von der Konzernrechnungslegungspflicht nach IFRS und US-GAAP
Die Pflicht zur Aufstellung von Konzernabschlüssen und die Behandlung von Anteilen an Tochterunternehmen sind im Rahmen der International Financial Reporting Standards (IFS) im IAS 27 „ Consolidated Financial Statements and Accounting for Investments in Subsidiaries “ geregelt. Nach IAS 27.9 hat ein Mutterunternehmen einen Konzernabschluss vorzulegen. Dabei sind in den Konzernabschluss grundsätzlich alle in- und ausländischen Tochterunternehmen einzubeziehen (Weltabschlussprinzip), auf die das Mutterunternehmen einen beherrschenden Einfluss (control) nehmen kann. Da IAS 27.9 von einem Mutter-Tochter-Verhältnis ausgeht, ist bei Vorliegen eines mehrstufigen Konzerns grundsätzlich auf jeder Ebene ein (Teil-)Konzernabschluss aufzustellen. Nach IAS 27.10 braucht jedoch ein Tochterunternehmen, das selbst ein Mutterunternehmen ist, keinen eigenen (Teil-)Konzernabschluss aufzustellen, wenn dessen (übergeordnetes) Mutterunternehmen einen befreienden Konzernabschluss erstellt und offen legt und die Anteilseigner des Mutterunternehmens über diesen Schritt informiert wurden und keinen Einspruch gegen die Befreiung einlegen. Von der Befreiung sind nach IAS 27.10 des Weiteren Mutterunternehmen ausgeschlossen, deren Schuld- oder Eigenkapitalinstrumente an einer in- oder ausländischen Börse gehandelt werden, die ihre Abschlüsse bei einer Börsenaufsicht oder sonstigen Aufsichtsbehörde zum Zwecke der Emission von Finanzinstrumenten an einer Börse eingereicht haben oder die diesen Schritt beabsichtigen. Diese – auf Gründen der Wirtschaftlichkeit basierende – Regelung geht explizit davon aus, dass der Konzernabschluss eines Mutterunternehmens, welches sich selbst im Besitz eines übergeordneten Mutterunternehmens befindet, regelmäßig nicht benötigt wird.
In Anlehnung an den Aufbau des IAS 27 stellen sich die Prüfungsschritte zur Beantwortung der Frage, wann ein Mutterunternehmen von der Pflicht, einen Konzernabschluss aufstellen zu müssen, befreit ist, in der Abb. 2 wie folgt dar:
Abb. 2: Schrittfolge zur Prüfung der Aufstellung eines befreienden Konzernabschlusses nach IAS 27.10
Die US-amerikanischen Rechnungslegungsgrundsätze US-GAAP sehen eine Befreiung von der Aufstellung eines Konzernabschlusses grundsätzlich nicht vor. Jedes (Mutter-)Unternehmen, das auf ein oder mehrere Tochterunternehmen control ausüben kann, hat einen Konzernabschluss aufzustellen. Bei der ausschließlich an das Control-Konzept geknüpften Aufstellungspflicht kommt es dabei sowohl nach den US-GAAP (vgl. ARB 51, SFAS 94) als auch nach den Richtlinien der amerikanischen Börsenaufsichtsbehörde SEC (vgl. Regulation S-X, Rule 3 – 01 f.) lediglich darauf an, dass die Möglichkeit zur Beherrschung eines oder mehrerer Tochterunternehmen besteht. Soweit die Teilkonzernmutterunternehmen der Aufsicht der Securities and Exchange Commission (SEC) unterliegen ist bei mehrstufigen Konzernen somit auf jeder Stufe des Konzerns ein (Teil-)Konzernabschluss erforderlich. Insbesondere den Minderheitsgesellschaftern soll somit ein gegenüber dem Einzelabschluss an Aussagekraft und Informationsgehalt höherwertig einzustufender Konzernabschluss zur Verfügung gestellt werden.
Größenabhängige Befreiungen sind nach den IFRS bzw. den US-GAAP nicht möglich.
VI. Prüfung der Voraussetzungen für die Befreiung von der Konzernabschlusserstellung
Grundsätzlich hat jedes Mutterunternehmen i.S.d. § 290 I oder II HGB einen Konzernabschluss und -lagebericht nach den §§ 290 ff. HGB aufzustellen und nach den §§ 316 ff. HGB durch einen Abschlussprüfer prüfen zu lassen. Voraussetzung für die Aufstellungspflicht ist, dass die Größenkriterien des § 293 HGB überschritten sind. Ein solches Mutterunternehmen braucht jedoch einen Konzernabschluss und -lagebericht dann nicht aufzustellen und prüfen zu lassen, wenn ein übergeordnetes Mutterunternehmen mit Sitz innerhalb der EU oder des EWR (vgl. § 291 HGB) bzw. außerhalb der EU oder des EWR (vgl. § 292 HGB) einen befreienden Konzernabschluss und -lagebericht erstellt. In diesem Fall ist zu prüfen, ob die in § 291 HGB bzw. § 292 HGB i.V.m. §§ 1, 2 KonBefrV kodifizierten Mindestanforderungen erfüllt sind (vgl. oben I.).
Sieht ein Mutterunternehmen von der Aufstellung eines Konzernabschlusses nach den deutschen handelsrechtlichen Vorschriften ab, indem es einen § 315a bzw. § 292a II HGB entsprechenden Konzernabschluss und -lagebericht aufstellt, so ist zu prüfen, ob die dort aufgeführten Voraussetzungen eingehalten wurden.
Wird ein befreiender Konzernabschluss nach IAS 27.10 aufgestellt, so ist zu prüfen, ob die entsprechenden Befreiungsvoraussetzungen vorliegen und ob die erforderlichen Angaben gemacht wurden (vgl. oben IV.; Küting, /Weber, C.-P. 2005).
Literatur:
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Brune, J.W./Senger, T./Hayn, B./Paaßen, V. : § 15. Konzerne und assoziierte Unternehmen, in: Beck\'sches IFRS-Handbuch, hrsg. v. Bohl, W./Riese, J., München 2004
Hoyos, M./Ritter-Thiele, K. : Kommentierung zu § 291 HGB, in: Beck\'scher Bilanz-Kommentar, bearb. v. Ellrott, H./Förschle, G./Hoyos, M. et al., 6. A., München 2006
IDW, : WP-Handbuch, Bd. I, 12. A., Düsseldorf 2000
Küting, K./Weber, C.-P. : Der Konzernabschluss, 9. A., Stuttgart 2005
Pellens, B./Fülbier, R.U./Gassen, J. : Internationale Rechnungslegung, 5. A., Stuttgart 2004
Schildbach, T. : Der Konzernabschluß nach HGB, IAS und US-GAAP, 6. A., Oldenbourg 2001
Siebourg, P. : Kommentierung zu § 291 HGB, in: Handbuch der Konzernrechnungslegung, hrsg. v. Küting, K./Weber, C.-P., 2. A., Stuttgart 1998
Weber, C.-P. : Abschnitt 11, in: WILEY-Kommentar zur internationalen Rechnungslegung nach IAS/IFRS, hrsg. v. Ballwieser, W./Beine, F./Hayn, S. et al., Braunschweig 2004
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