Konsolidierungskreis
Inhaltsübersicht
I. Begriff des Konsolidierungskreises
II. Merkmale konsolidierungspflichtiger Unternehmen
III. Konsolidierungswahlrechte und -verbote
IV. Prüfung des Konsolidierungskreises
I. Begriff des Konsolidierungskreises
Eine grundlegende Frage im Rahmen der Erstellung und Prüfung eines Konzernabschlusses ist, welche Unternehmen in den Konzernabschluss einzubeziehen sind. Diese Frage betrifft die Abgrenzung des Konsolidierungskreises. Dabei wird unter „ Konsolidierungskreis “ üblicherweise die Gruppe der im Wege der Vollkonsolidierung einzubeziehenden Unternehmen verstanden. Kennzeichnend für die hierzu gehörenden Unternehmen (Tochterunternehmen) ist, dass das Mutterunternehmen einen beherrschenden Einfluss auf sie ausüben kann. Das Mutter- und die Tochterunternehmen bilden zusammen die wirtschaftliche Einheit „ Konzern “ .
In einem Konzernabschluss wird aber nicht nur die wirtschaftliche Einheit, sondern die gesamte Einfluss-Sphäre des Konzerns abgebildet (Baetge, J./Schulze, D. 1997). Insofern sind neben den Tochterunternehmen auch Gemeinschaftsunternehmen (siehe Quotenkonsolidierung) und assoziierte Unternehmen (siehe Equity-Bewertung) in den Konzernabschluss einzubeziehen. Zur Klärung der Voraussetzungen für die Einbeziehung dieser Nicht-Konzernunternehmen, bei denen der Einfluss der Konzernspitze geringer ist als bei den Tochterunternehmen, sei hier jedoch auf die genannten Stichworte verwiesen.
II. Merkmale konsolidierungspflichtiger Unternehmen
1. Mutter-Tochter-Verhältnis a) Deutsche Regelungen
In den Konzernabschluss sind nach § 294 I HGB „ das Mutterunternehmen und alle Tochterunternehmen ? einzubeziehen “ . Voraussetzung für die Aufnahme eines Unternehmens in den Konsolidierungskreis ist damit das Bestehen eines Mutter-Tochter-Verhältnisses. Liegt die Voraussetzung vor, besteht eine grundsätzliche Pflicht zur Einbeziehung des Tochterunternehmens in den Konzernabschluss des Mutterunternehmens.
Welche Unternehmen zueinander in einem Mutter-Tochter-Verhältnis stehen, bestimmt sich nach § 290 HGB. Die gesetzliche Regelung folgt hierbei zwei unterschiedlichen Konzepten, und zwar dem Konzept der einheitlichen Leitung und dem Control-Konzept. Beide Ansätze können unabhängig voneinander ein Mutter-Tochter-Verhältnis begründen.
Das Control-Konzept basiert auf der rechtlichen Möglichkeit, das Tochterunternehmen zu beherrschen. Dass aufgrund der Rechte das Tochterunternehmen auch tatsächlich beherrscht wird, wird nicht vorausgesetzt (Odenwald, 1987; Baetge, J./Kirsch, /Thiele, 2000).
Nach § 290 II wird eine Beherrschungsmöglichkeit in den folgenden drei Fällen vermutet:
1) Das Mutterunternehmen verfügt über die Mehrheit der Stimmrechte der Gesellschafter. Hierdurch wird der Tatsache Rechnung getragen, dass normalerweise mit Hilfe der Stimmrechtsmehrheit in den entsprechenden Gremien ein beherrschender Einfluss auf das Tochterunternehmen ausgeübt werden kann (IDW, 1996).
2) Das Mutterunternehmen hat das Recht, die Mehrheit der Mitglieder des Leitungs- oder Aufsichtsorgans zu bestellen oder abzuberufen. Zugleich muss das Mutterunternehmen Gesellschafter des Tochterunternehmens sein. Dieses Recht wird i.d.R. mit der Mehrheit der Stimmrechte verbunden sein. Abweichungen ergeben sich dann, wenn unabhängig von den Stimmrechtsverhältnissen ein entsprechendes Recht im Gesellschaftsvertrag eingeräumt ist; ebenso kommen auch Vereinbarungen der Gesellschafter untereinander in Betracht (Siebourg, 1998).
3) Das Mutterunternehmen hat das Recht, einen beherrschenden Einfluss aufgrund eines Beherrschungsvertrags oder einer Satzungsbestimmung auszuüben. Ein Beherrschungsvertrag ist ein Vertrag, durch den sich ein Unternehmen unter die Leitung eines anderen Unternehmens stellt (§ 291 AktG). Durch Bestimmungen in der Satzung (in Gesellschaftsverträgen) wird z.B. dann ein beherrschender Einfluss gewährt, wenn sie Weisungsrechte oder umfassende Zustimmungs- oder Widerspruchsrechte in wesentlichen Geschäftsführungsfragen garantieren (Siebourg, 1998).
Ein Mutter-Tochter-Verhältnis liegt auch dann vor, wenn das Tochterunternehmen unter der einheitlichen Leitung des Mutterunternehmens steht. Als weitere Voraussetzung hierfür muss hinzukommen, dass dem Mutterunternehmen eine Beteiligung nach § 271 I HGB an dem Tochterunternehmen gehört.
Anders als beim Control-Konzept, bei dem die (rechtliche) Möglichkeit der Beherrschung genügt, muss beim Konzept der einheitlichen Leitung die einheitliche Leitung auch tatsächlich ausgeübt werden (Odenwald, 1987; Siebourg, 1998).
Eine einheitliche Leitung liegt vor, „ wenn die Konzernleitung die Geschäftspolitik der Konzerngesellschaften und sonstige grundsätzliche Fragen ihrer Geschäftsführung aufeinander abstimmt “ (Deutscher Bundestag, 1962, S. 101). Das Mutterunternehmen muss hiernach Leitungsaufgaben in wesentlichen Entscheidungsbereichen des Tochterunternehmens wahrnehmen (Siebourg, 1998), indem es z.B. die Produktentscheidungen vorgibt, die zu bearbeitenden Märkte bestimmt, sich die Investitionsentscheidungen vorbehält, das Tochterunternehmen in seinen Finanzverbund einbezieht oder die Führungsstellen besetzt (Baetge, J./Kirsch, /Thiele, 2000; IDW, 1996).
Der für die einheitliche Leitung erforderliche Einfluss dürfte in den meisten Fällen auf eine Mehrheitsbeteiligung oder einen Beherrschungsvertrag zurückzuführen sein. In diesen Fällen ergibt sich aber die Pflicht zur Konsolidierung des Tochterunternehmens bereits aufgrund der expliziten Vorschriften in § 290 II. Eine nur durch § 290 I begründete Konsolidierungspflicht kann aber z.B. bei einer Minderheitsbeteiligung bestehen, wenn eine – regelmäßig gegebene – Präsenzmehrheit in der Hauptversammlung zu einer entsprechenden Besetzung der Organe der Tochtergesellschaft und dadurch ermöglichten Ausübung der einheitlichen Leitung genutzt wird (Odenwald, 1987; Siebourg, 1998). b) Regelungen der IAS
Auch nach den International Accounting Standards (IAS) hat ein Mutterunternehmen in seinem Konzernabschluss grds. alle Tochtergesellschaften zu konsolidieren (IAS 27.11). Die Einbeziehung eines Unternehmens in den Konzernabschluss wird damit nach den IAS ebenfalls an die Existenz eines Mutter-Tochter-Verhältnisses geknüpft. Ein Mutter-Tochter-Verhältnis wird nach IAS 27.6 dadurch begründet, dass das Mutterunternehmen die Möglichkeit hat, die Finanz- und Geschäftspolitik des Tochterunternehmens zu bestimmen. Entscheidendes Merkmal der Konsolidierungspflicht nach den IAS ist somit die Möglichkeit zur Beherrschung (Control-Konzept). Ein der einheitlichen Leitung vergleichbares Konzept, das auf die tatsächliche Einflussnahme abzielt, kennen die IAS nicht.
Die abstrakte Definition von Beherrschung in IAS 27.6 wird in IAS 27.12 durch Aufzählung einzelner Control-Verhältnisse konkretisiert. Eine Beherrschungsmöglickeit wird hiernach angenommen, wenn das Mutterunternehmen
- | mehr als die Hälfte der Stimmrechte besitzt, | - | mehr als die Hälfte der Stimmrechte aufgrund einer Vereinbarung mit anderen Anteilseignern ausüben kann, | - | aufgrund eines Vertrags oder der Satzung die Finanz- und Geschäftspolitik des Tochterunternehmens bestimmen kann, | - | die Mehrheit der Mitglieder des Leitungs- oder Aufsichtsorgans bestellen oder abberufen kann oder | - | bei Versammlungen des Leitungs- oder Aufsichtsorgans die Mehrheit der Stimmen abgeben kann. |
Während im ersten Fall die Vermutung der Beherrschung widerlegt werden kann (vgl. Abschn. III.2), wird in den anderen Fällen die Beherrschungsmöglichkeit unwiderlegbar angenommen (Baetge, J./Schulze, D. 1997).
Im Unterschied zu den Control-Verhältnissen des HGB (§ 290 II) müssen die in IAS 27.12 angeführten Beherrschungsmöglichkeiten nicht unbedingt rechtlich gesichert sein, sondern können auch auf rein faktischen Verhältnissen, wie z.B. Präsenzmehrheiten, beruhen (wirtschaftliche Betrachtungsweise). Zudem ist – anders als im HGB – die Aufzählung der Control-Verhältnisse in den IAS nicht abschließend. Eine Konsolidierungspflicht kann auch in weiteren, durch IAS 27.12 nicht abgedeckten Fällen bestehen, in denen die Definition von Beherrschung in IAS 27.6 aber dennoch erfüllt ist (Baetge, J./Schulze, D. 1997). c) US-amerikanische Regelungen
Auch nach den US-amerikanischen Regelungen ist die Aufnahme in den Konsolidierungskreis vom Bestehen einer Mutter-Tochter-Beziehung abhängig. Die Existenz eines Mutter-Tochter-Verhältnisses bestimmt sich hiernach – ebenso wie nach den IAS – ausschließlich auf Basis des Control-Konzepts (Pellens, 1999).
Durch die SEC wurde eine explizite Definition des Control-Begriffs vorgenommen. „ Control “ bedeutet danach die Fähigkeit, die Geschäftsführung und Geschäftspolitik des Tochterunternehmens zu leiten, sei es durch den Besitz von Stimmrechten, durch Vertrag oder auf andere Art und Weise (SEC Regulation S-X, Rule 1 – 02(g)).
Eine ausdrückliche Konsolidierungspflicht besteht in den USA jedoch nur für in Mehrheitsbesitz befindliche Tochterunternehmen (SFAS 94; SEC Regulation S-X, Rule 3A-02(a)). Bei Minderheitsbeteiligungen ist dagegen, auch wenn die Control-Definition erfüllt ist, die Konsolidierung (derzeit noch) in das Ermessen des Mutterunternehmens gestellt (Eisolt, 1994; Scherrer, 2000). Damit bei einer Minderheitsbeteiligung aber eine Konsolidierung zulässig ist, müssen nach den US-GAAP weitere, den beherrschenden Einfluss ermöglichende Voraussetzungen hinzutreten. Diese können z.B. durch vertragliche Regelungen, Vereinbarungen mit anderen Gesellschaftern, Gerichtsbeschluss oder Leasingverträge geschaffen worden sein (APB 18.3(c)). Auch wiederkehrende Präsenzmehrheiten können aufgrund der weiten Control-Definition ein Control-Verhältnis und damit ein Konsolidierungswahlrecht begründen (Eisolt, 1993; Scherrer, 2000).
Fehlt es an einer Kapitalbeteiligung, dann existiert ein striktes Konsolidierungsverbot (Eisolt, 1993; Scherrer, 2000). Der Konsolidierung steht hier eindeutig der Wortlaut von SFAS 94 entgegen, wonach die Erstellung eines Konzernabschlusses nur bei Bestehen einer Beteiligung (controlling financial interest) gefordert wird.
2. Unmittelbare und mittelbare Tochterunternehmen
In den Konsolidierungskreis sind nicht nur die unmittelbaren, sondern auch die mittelbaren Tochterunternehmen einzubeziehen. Mittelbare Mutter-Tochter-Beziehungen entstehen nach dem HGB aufgrund der Zurechnungsvorschrift des § 290 III. Hiernach gelten als Rechte des Mutterunternehmens, die gem. § 290 II ein Control-Verhältnis begründen, auch die einem Tochterunternehmen zustehenden Rechte. Ebenso sind nach den IAS und US-GAAP dem Mutterunternehmen neben den direkt gehaltenen Stimmrechten auch diejenigen zuzurechnen, die ihm indirekt durch Tochterunternehmen gehören (IAS 27.12; SFAS 94). Auch die SEC definiert Control explizit als direkte oder indirekte Beherrschungsmöglichkeit (SEC Regulation S-X, Rule 1 – 02 (g)).
Beispiel: M besitzt 60% der Stimmrechte an A und 40% an B. A hält seinerseits weitere 15% der Stimmrechte an B. A ist somit unmittelbares Tochterunternehmen von M (eigener Besitz der Stimmrechtsmehrheit). B ist dagegen mittelbares Tochterunternehmen von M, da den eigenen Stimmrechtsanteilen an B die von A an B hinzuzurechnen sind, so dass M auch hieran über die Stimmrechtsmehrheit (55%) verfügt.
Weiterhin kann A aufgrund eines Beherrschungsvertrags einen beherrschenden Einfluss auf C ausüben und B die Mehrheit der Aufsichtsratsmitglieder bei D besetzen. Dann sind auch C und D mittelbare Tochterunternehmen von M, da M die Rechte seiner Tochterunternehmen A und B zuzurechnen sind.
3. Unternehmenseigenschaft
Nach dem HGB (§ 290 I und II) müssen nur Kapitalgesellschaften einen Konzernabschluss erstellen. Der Begriff des Mutterunternehmens i.S.d. § 290 HGB ist somit rechtsformspezifisch eingeschränkt. Für die Tochterunternehmen wird dagegen nicht auf eine bestimmte Rechtsform Bezug genommen. Eine Tochtergesellschaft muss nur die Unternehmenseigenschaft erfüllen (SABI, 1988). Auch das PublG (§ 11 I) verpflichtet allgemein „ Unternehmen “ , einen Konzernabschluss aufzustellen sowie die unter ihrer einheitlichen Leitung stehenden „ Unternehmen “ zu konsolidieren. Im HGB und PublG wird jedoch der Unternehmensbegriff nicht definiert.
In der Literatur (Odenwald, 1987; Baetge, J./Kirsch, /Thiele, 2000) werden als Unternehmen alle solche Wirtschaftseinheiten angesehen, die
- | selbstständiger Träger unternehmerischer Planungs- und Entscheidungsgewalt sind, | - | eigenständige erwerbswirtschaftliche Ziele verfolgen, | - | über eine nach außen hin auftretende Organisation verfügen und | - | auf eine gewisse Dauer angelegt sind. |
Unter diesen Unternehmensbegriff sind stets Einzelkaufleute, Personenhandelsgesellschaften, Kapitalgesellschaften, eingetragene Genossenschaften und vergleichbare ausländische Rechtsformen zu subsumieren. Unternehmen können aber auch Körperschaften des öffentlichen Rechts oder BGB-Gesellschaften (z.B. bei Großaufträgen gebildete Arbeitsgemeinschaften) sein, wenn sie kaufmännische oder gewerbliche Interessen verfolgen und eine eigene Geschäftsführung haben (SABI, 1988). Kein Unternehmen ist dagegen anzunehmen, wenn es sich um eine bloße Vermögensverwaltung handelt.
Nach den IAS und US-GAAP sind sowohl der Begriff des Mutterunternehmens als auch der des Tochterunternehmens rechtsformunabhängig. IAS 27.6 definiert Mutter- und Tochterunternehmen in Bezug auf die hierunter fallenden Rechtsformen jeweils sehr umfassend als „ Unternehmen “ (enterprise) (Baetge, J./Schulze, D. 1997). In SFAS 94 wird das Mutterunternehmen zwar als „ (Handels-)Gesellschaft “ (company) bezeichnet, jedoch wäre auch ein Einzelkaufmann, der nach den US-GAAP Rechnung legt und sich prüfen lässt, als Mutterunternehmen zur Erstellung eines Konzernabschlusses verpflichtet. Auch können Tochterunternehmen (subsidiaries) nach den US-GAAP nicht nur Kapital-, sondern auch Personengesellschaften sein (Eisolt, 1993).
4. Weltabschlussprinzip
Für den Konzernabschluss gilt das Weltabschlussprinzip. Hiernach hat der Konsolidierungskreis – vorbehaltlich bestehender Ausnahmeregelungen – alle in- und ausländischen Tochterunternehmen zu umfassen. Im HGB kommt das Weltabschlussprinzip in § 294 I zum Ausdruck, wonach die Konsolidierung „ ohne Rücksicht auf den Sitz der Tochterunternehmen “ zu erfolgen hat. Auch in IAS 27.11 wird die Einbeziehung aller in- und ausländischen Tochterunternehmen explizit gefordert. Nach den US-GAAP ergibt sich die Pflicht zur Konsolidierung auch der ausländischen Tochterunternehmen daraus, dass durch SFAS 94.16 das vorher hierfür bestehende Konsolidierungswahlrecht gestrichen wurde.
III. Konsolidierungswahlrechte und -verbote
1. Abweichende Tätigkeit
§ 295 I HGB verbietet die Konsolidierung eines Tochterunternehmens, wenn sich seine Tätigkeit derart von der der anderen Konzernunternehmen unterscheidet, dass mit dem Konzernabschluss ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Konzerns nicht mehr vermittelt werden könnte. Nach § 295 II HGB darf auf die Konsolidierung jedoch nicht allein deswegen verzichtet werden, weil der Konzern zum Teil aus Industrie-, Handels- und Dienstleistungsunternehmen besteht oder unterschiedliche Erzeugnisse bzw. Dienstleistungen angeboten werden.
Das Konsolidierungsverbot des § 295 HGB wird z.T. dahingehend interpretiert, dass Unternehmen, die in einer grundlegend anderen Branche (z.B. Kredit- oder Versicherungswirtschaft) als der konzerntypischen (z.B. Industrie) tätig sind, nicht in den Konzernabschluss einbezogen werden sollen (Biener, /Berneke, 1986). In diesem Fall würde aufgrund der sehr unterschiedlichen Strukturen der Einzelabschlüsse das Bild der wirtschaftlichen Lage des Konzerns stark verzerrt werden. Das Konsolidierungsverbot gilt jedoch für branchenfremde Unternehmen dann nicht, wenn ihre Geschäftstätigkeit mit der anderer einbezogener Unternehmen in Zusammenhang steht. Ein solcher Fall liegt z.B. bei einem zu einem Handels- oder Automobilkonzern gehörenden Finanzierungsinstitut vor, das den Kunden des Konzerns Kredite gibt (Baetge, J./Kirsch, /Thiele, 2000). Ebenfalls dürfen bei Mischkonzernen, bei denen kein Geschäftszweig überwiegt, Tochterunternehmen nicht aufgrund von § 295 von der Konsolidierung ausgeschlossen werden (v. Wysocki, /Wohlgemuth, 1996).
Nach den US-GAAP und IAS ist heute eine Nichtkonsolidierung von Tochterunternehmen mit abweichender Tätigkeit nicht mehr zulässig. Durch SFAS 94.9 und IAS 27.14 wurden die früher hierfür bestehenden Konsolidierungswahlrechte aufgehoben.
2. Beschränkung der Rechte des Mutterunternehmens
Eine Ausnahme von der Konsolidierungspflicht besteht dann, wenn die Rechte des Mutterunternehmens in Bezug auf das Vermögen oder die Geschäftsführung des Tochterunternehmens erheblich und nachhaltig beeinträchtigt sind (§ 296 I Ziff. 1 HGB; SFAS 94; IAS 27.13(b)). Demzufolge verfügt das Mutterunternehmen tatsächlich nicht über die Beherrschungsmöglichkeit bei seinem Tochterunternehmen.
Von erheblichen Beschränkungen der Rechte des Mutterunternehmens ist auszugehen, wenn laut Gesellschaftsvertrag für alle wesentlichen Entscheidungen Einstimmigkeits- oder Vetoklauseln bestehen oder eine qualifizierte Mehrheit von 75% erforderlich ist, das Mutterunternehmen aber z.B. nur über 51% der Stimmrechte verfügt. Des Weiteren ist dies der Fall bei Unterstützungskassen, Konkurs des Tochterunternehmens oder Bestehen eines Entherrschungsvertrags (ADS, 1995, § 295 HGB).
Bei ausländischen Tochterunternehmen können sich Beeinträchtigungen der Rechte des Mutterunternehmens z.B. ergeben aufgrund von Organverboten für Ausländer, fehlender Absetzbarkeit der Geschäftsführung, Produktionsbeschränkungen, Preisfestsetzungen, Kapitaltransferverboten oder Verstaatlichung. Diese Beschränkungen rechtfertigen aber solange keinen Ausschluss aus dem Konsolidierungskreis, wie sich die Geschäftspolitik des Tochterunternehmens noch sinnvoll in das Konzernkonzept einfügen lässt (v. Wysocki, /Wohlgemuth, 1996).
Während das HGB bei Beeinträchtigungen der Rechte des Mutterunternehmens ein Konsolidierungswahlrecht vorsieht, besteht nach den US-GAAP in vergleichbaren Fällen ein Konsolidierungsverbot. Die amerikanische Regelung ist sachgerecht, da sie verhindert, dass ein nicht als Teil der wirtschaftlichen Einheit anzusehendes Tochterunternehmen konsolidiert wird (ADS, 1995, § 296 HGB). Auch die IAS sprechen ein Konsolidierungsverbot aus, das allerdings im Falle staatlicher Beschränkungen nur greift, wenn die Fähigkeit des Tochterunternehmens, Finanzmittel an das Mutterunternehmen zu transferieren, beeinträchtigt ist (Baetge, J./Schulze, D. 1997).
3. Nur vorübergehende Beherrschungsmöglichkeit
Nach den US-GAAP besteht ein Konsolidierungsverbot, wenn das Mutterunternehmen wahrscheinlich nur vorübergehend die Beherrschungsmöglichkeit über das Tochterunternehmen hat (SFAS 94). Dies gilt auch für den Fall, dass das Tochterunternehmen – wenn auch nur kurzfristig – tatsächlich beherrscht wird. Beispiele für eine nur vorübergehende Beherrschungsmöglichkeit sind (Eisolt, 1994)
- | eine in naher Zukunft beabsichtigte Weiterveräußerung der Anteile, | - | ein kurzfristiger Besitz der Mehrheit der ausstehenden Stimmrechte, der aufgrund der Anschaffung eigener Aktien durch das Tochterunternehmen entstanden ist, oder | - | der vorübergehende Erwerb einer Mehrheitsbeteiligung, durch die andere Geschäfte des Mutterunternehmens gefördert werden sollen. |
Das HGB und die IAS sehen in Bezug auf eine nur vorübergehende Beherrschungsmöglichkeit der Tochterunternehmen lediglich in einem einzigen Fall eine Ausnahme von der Konsolidierungspflicht vor. Er betrifft jeweils solche Anteile, die ausschließlich zum Zwecke der Weiterveräußerung gehalten werden (§ 296 I Ziff. 3 HGB; IAS 27.13(a)). Unterschiede bestehen nur insofern, als das HGB hierfür ein Konsolidierungswahlrecht einräumt, während die IAS ein Konsolidierungsverbot aussprechen.
Durch die o.g. Regelungen des HGB und der IAS werden nur solche Tochterunternehmen erfasst, die bis zur Weiterveräußerung nicht in die Aktivitäten des Konzerns eingebunden sind (ADS, 1995, § 296 HGB). Diese Vorschriften zielen deshalb insbes. darauf ab, Tochterunternehmen, die – wirtschaftlich gesehen – nicht zum Konzern gehören, aus dem Konsolidierungskreis herauszuhalten (Baetge, J./Kirsch, /Thiele, 2000). Zudem fördert die Nichtkonsolidierung von Tochterunternehmen, für die – gleichgültig aus welchem Grund – nur eine vorübergehende Beherrschungsmöglichkeit besteht, die Vergleichbarkeit des Konzernabschlusses, die „ eine gewisse Kontinuität in der Abgrenzung des Konsolidierungskreises “ voraussetzt (ADS, 1995, § 296 HGB).
4. Hohe Kosten oder Verzögerungen der Angabenbeschaffung
Nach § 296 I Ziff. 2 HGB besteht ein Konsolidierungswahlrecht, wenn „ die für die Aufstellung des Konzernabschlusses erforderlichen Angaben nicht ohne unverhältnismäßig hohe Kosten oder Verzögerungen zu erhalten sind “ . Dieses Wahlrecht ist nach allgemeiner Auffassung sehr restriktiv zu handhaben. Eine Inanspruchnahme wird deshalb nur bei außergewöhnlichen Ereignissen wie dem Erwerb eines Tochterunternehmens ohne funktionierendes Rechnungswesen, Katastrophen, Streiks oder ein Zusammenbruch der Datenverarbeitung für gerechtfertigt gehalten (ADS, 1995, § 296 HGB).
Die US-GAAP und IAS kennen kein explizites Wahlrecht, das § 296 I Ziff. 2 HGB vergleichbar wäre. Auf Basis allgemeiner Prinzipien (cost-benefit, timeliness) wird jedoch auch nach den IAS in den o.g. Ausnahmefällen eine Nichtkonsolidierung der Tochterunternehmen für zulässig erachtet (Baetge, J./Schulze, D. 1997).
5. Untergeordnete Bedeutung
Das HGB (§ 296 II) erlaubt auch die Nichteinbeziehung eines Tochterunternehmens, wenn es für die Vermittlung eines den tatsächlichen Verhältnissen entsprechenden Bildes der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage von untergeordneter Bedeutung ist. Sollen nach dieser Vorschrift mehrere Tochterunternehmen nicht konsolidiert werden, so ist ihre Unwesentlichkeit zusammen zu beurteilen.
Nach den US-GAAP und IAS gibt es kein vergleichbares explizites Wahlrecht. Eine Nichtkonsolidierung von Tochterunternehmen ist hiernach u.U. aber auch aufgrund des allgemeinen materiality-Grundsatzes zulässig (Eisolt, 1992; Baetge, J./Schulze, D. 1997).
IV. Prüfung des Konsolidierungskreises
Im Rahmen der Prüfung des Konsolidierungskreises ist festzustellen, ob die für die Abgrenzung des Konsolidierungskreises maßgeblichen Vorschriften durch das Mutterunternehmen beachtet worden sind. Damit der Abschlussprüfer diese Beurteilung vornehmen kann, ist bei Erstprüfungen ein umfassender Nachvollzug der vom Mutterunternehmen getroffenen Abgrenzung erforderlich. Bei Wiederholungsprüfungen kann sich die Prüfung dagegen weitgehend auf die Veränderungen im Kreis der Tochterunternehmen und deren zutreffende Berücksichtigung bei der Konsolidierung beschränken (Gelhausen, 1992).
Ausgangspunkt für die Prüfung des Konsolidierungskreises sind zweckmäßigerweise die diesbezüglichen Angaben (§ 313 II HGB, IAS 27.32) im Konzernanhang (Gelhausen, 1992). Hierzu gehören der Name und Sitz der Tochterunternehmen, Kapitalanteil, Konsolidierungsgrund (sofern er nicht auf einer der Kapitalbeteiligung entsprechenden Stimmrechtsmehrheit beruht) sowie evtl. Grund für die Nichtkonsolidierung.
Für die Prüfung, ob bei den angegebenen Tochterunternehmen tatsächlich ein Mutter-Tochter-Verhältnis vorliegt, kann zur Klärung der hierfür notwendigen Rechtspositionen z.B. auf Gesellschaftsverträge, Kaufverträge, Aktiendepotauszüge, Stimmbindungsvereinbarungen oder Beherrschungsverträge zurückgegriffen werden (Gelhausen, 1992). Die Prüfung derartiger Originalunterlagen durch den Abschlussprüfer ist jedoch nicht erforderlich, wenn diesbezügliche Nachweise auch den Prüfungsberichten des Mutterunternehmens oder der Tochterunternehmen entnommen werden können.
Die Vollständigkeit der angegebenen Tochterunternehmen ist vom Abschlussprüfer anhand von Aufstellungen zum Beteiligungsbesitz (z.B. gem. § 285 Ziff. 11 HGB) des Mutterunternehmens sowie der Tochterunternehmen zu prüfen. Zur Sicherstellung der vollständigen Konsolidierung auch von Tochterunternehmen, deren Beherrschungsmöglichkeit auf statutarischen bzw. vertraglichen Rechten oder faktischen Verhältnissen basiert, ist zudem eine Vollständigkeitserklärung des Mutterunternehmens einzuholen (Gelhausen, 1992).
In einem weiteren Prüfungsabschnitt ist zu beurteilen, ob die vom Mutterunternehmen behaupteten Gründe für die Nichteinbeziehung von Tochterunternehmen zulässig sind und auch tatsächlich bestehen.
Von größter praktischer Relevanz ist die Nichteinbeziehung von Tochterunternehmen aufgrund ihrer untergeordneten Bedeutung (v. Wysocki, /Wohlgemuth, 1996). Damit für dieses Ausschlusskriterium der Abschlussprüfer, aber ebenso der Bilanzierende über operationale Beurteilungsmaßstäbe verfügt, sollten zwischen beiden wichtige Größen des Konzernabschlusses (z.B. Vermögen, Umsatz, Ergebnis) sowie deren maximal zulässige Veränderung durch die Nichtkonsolidierung der betreffenden Tochterunternehmen festgelegt werden. Dabei wird in der Literatur eine Veränderung der Maßgrößen von mehr als 6 % auf jeden Fall als wesentlich erachtet (Baetge, J./Kirsch, /Thiele, 2000).
Die Rechtmäßigkeit einer Nichteinbeziehung von Tochterunternehmen aufgrund einer Beschränkung der Rechte des Mutterunternehmens, die auf rechtliche Umstände zurückzuführen ist, kann noch relativ leicht anhand entsprechender Dokumente (z.B. Gesellschafts- oder Entherrschungsverträge) geprüft werden. Erheblich schwieriger ist dagegen diese Prüfung im Falle angeführter staatlicher Beschränkungen, da hier zu beurteilen ist, „ ob hierdurch auch tatsächlich die Geschäftspolitik und die Interessen des Mutterunternehmens wesentlich beeinträchtigt werden “ (ADS, 1995, § 296 HGB).
Die Nichteinbeziehung von Tochterunternehmen aufgrund abweichender Tätigkeit ist vom Abschlussprüfer restriktiv auszulegen (SABI, 1988), da durch andere Maßnahmen wie stärkere Aufgliederungen in Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung oder Anhangangaben fast immer eine unzutreffende Information verhindert werden kann (Baetge, J./Kirsch, /Thiele, 2000).
Ebenso kann ein Ausschluss aus dem Konsolidierungskreis wegen hoher Kosten oder Verzögerungen der Angabenbeschaffung vom Abschlussprüfer nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Ereignisse (vgl. Abschn. III.4), von deren tatsächlichem Bestehen er sich zu vergewissern hat, toleriert werden.
Durch den Abschlussprüfer ist schließlich auch festzustellen, ob die Konsolidierungsverbote vollständig beachtet worden sind. Für nach den US-GAAP bzw. IAS erstellten Konzernabschlüssen ist hierfür insbes. bedeutsam, bei neukonsolidierten Tochterunternehmen nach Anhaltspunkten (vgl. Abschn. III.3) zu suchen, die eine nur vorübergehende Beherrschungsmöglichkeit vermuten lassen.
Literatur:
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Baetge, J./Kirsch, H.-J./Thiele, S. : Konzernbilanzen, 5. A., Düsseldorf 2000
Baetge, J./Schulze, D. : IAS 27, Konzernrechnungslegung sowie Bilanzierung von Beteiligungen an verbundenen Unternehmen, in: Rechnungslegung nach International Accounting Standards (IAS), hrsg. v. Baetge, J./Dörner, D./Kleekämper, H. et al., Stuttgart 1997, S. 983 – 1074
Biener, H./Berneke, W. : Bilanzrichtlinien-Gesetz, Düsseldorf 1986
Deutscher Bundestag, : BT-Drs. IV/171 v. 03.02.1962, Begründung zum Entwurf eines Aktiengesetzes, S. 92 – 263
Eisolt, D. : US-amerikanische und deutsche Konzernrechnungslegung, Hamburg 1992
Eisolt, D. : Konzernrechnungslegungspflicht nach HGB und US-amerikanischen Vorschriften, in: WPg 1993, S. 344 – 353
Eisolt, D. : Konsolidierungskreis deutscher und amerikanischer Konzernabschlüsse, in: BB 1994, S. 467 – 472
Gelhausen, W. D. : Konsolidierungskreis, Prüfung, in: HWRev, hrsg. v. Coenenberg, A. G./v. Wysocki, K.: 2. A., Stuttgart 1992, Sp. 1002 – 1012
IDW, : WP-Handbuch, Bd. I, 11. A., Düsseldorf 1996
Odenwald, O. : Aufstellungspflichten des Konzernabschlusses, in: Beck\'sches Handbuch der Rechnungslegung, hrsg. v. Castan, E./Heymann, G./Müller, E. et al., Abschnitt C 200, München ab 1987
Pellens, B. : Internationale Rechnungslegung, 3. A., Stuttgart 1999
Scherrer, G. : Grundlagen der US-amerikanischen Konzernrechnungslegung, in: US-amerikanische Rechnungslegung, hrsg. v. Ballwieser, W., 4. A., Stuttgart 2000, S. 329 – 378
SABI, : Zur Aufstellungspflicht für einen Konzernabschluss und zur Abgrenzung des Konsolidierungskreises, in: WPg 1988, S. 340 – 343
Siebourg, P. : Kommentierung zu § 290, in: Handbuch der Konzernrechnungslegung, hrsg. v. Küting, K./Weber, C.-P., 2. A., Stuttgart 1998, S. 933 – 975
v. Wysocki, K./Wohlgemuth, M. : Konzernrechnungslegung, 4. A., Düsseldorf 1996
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