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Just in Time- Produktion


Inhaltsübersicht
I. Grundlagen der Just in Time-Produktion
II. Betriebliche Umsetzung des Just in Time-Konzeptes
III. Beurteilung der Just in Time-Produktion

I. Grundlagen der Just in Time-Produktion


1. Das Just in Time-Prinzip


Der Begriff Just in Time (abgekürzt JIT) bedeutet wörtlich übersetzt »gerade rechtzeitig« und bezieht sich auf die Bereitstellung der verschiedenen Produktionsfaktoren für die Produktion. In der Formulierung kommt zum Ausdruck, dass die Produktionsfaktoren erst dann bereitgestellt werden sollten, wenn sie für die Produktion tatsächlich benötigt werden. Diese Forderung ist zwar seit langem ein allgemeines Prinzip der Logistik, wurde aber vor allem von dem japanischen Automobilunternehmen Toyota ausgestaltet und im Produktionsprozess implementiert (Ohno, T. 1986). Inzwischen ist das Prinzip der bedarfsgenauen Bereitstellung der Produktionsfaktoren ohne Zwischenläger zu einem betriebswirtschaftlichen Just in Time-Konzept weiterentwickelt und in Europa und Amerika ebenfalls in die Praxis umgesetzt worden. Dabei werden auch die Begriffe »Bedarfssynchrone Produktion« oder »Produktion auf Abruf« (Wildemann, H. 1992) synonym zur Just in Time-Produktion verwendet.

2. Das Just in Time-Konzept


Mit dem Konzept wird das Ziel einer kundenorientierten und kostengünstigen Produktion verfolgt, die auch die Beschaffung der Produktionsfaktoren und die Ablieferung der Produkte an die Kunden umfasst. Eine kostengünstige Produktion erfordert insb.

-

kurze Durchlaufzeiten der Produkte,

-

geringe Lagerbestände von Produktionsfaktoren und Produkten und

-

ein hohes Qualitätsniveau des Produktionsprozesses.


Damit kann das Just in Time-Konzept charakterisiert werden als eine Planungsphilosophie mit folgendem Anliegen:
Spätestmögliche Bereitstellung von qualitativ einwandfreien Produktionsfaktoren und Produkten mit dem Ziel, Durchlaufzeiten und Lagerbestände im Interesse einer kundenorientierten Leistungserstellung zu reduzieren (Hansmann, K.-W. 2006).
Ein hohes Qualitätsniveau dient der Kundenorientierung durch geringere Nachbearbeitung und seltenere Reklamationen, während die kurzen Durchlaufzeiten eine hohe Lieferbereitschaft und Termintreue ermöglichen. Geringe Lagerbestände sind Ausdruck eines funktionierenden Produktionsprozesses und einer effizienten Ressouren-Nutzung. Insoweit dient das Just in Time-Konzept tatsächlich einer kostengünstigen und kundenorientierten Produktion.

3. Formen der Just in Time-Produktion


Eine enge Auslegung des Just in Time-Konzeptes bezieht sich nur auf den innerbetrieblichen Produktions- und Logistikprozess, den das Unternehmen selbst steuern kann. Eine Methode, diesen Prozess zu steuern, ist in Japan entwickelt worden und unter dem Namen Kanban bekannt geworden. Grob gesagt handelt es sich um das Prinzip, die Produktion in einer Produktionsstufe erst dann aufzunehmen, wenn eine übergeordnete Produktionsstufe Bedarf anmeldet und das entsprechende Zwischenlager erschöpft ist. Damit verfolgt Kanban ebenfalls das Ziel, die Lagerbestände auf das unbedingt nötige Maß zu beschränken und damit die Durchlaufzeit zu senken.
Trotzdem darf man Kanban und Just in Time nicht gleichsetzen, da sie nicht auf der gleichen gedanklichen Ebene stehen. Kanban ist nur ein mögliches Informations- und Steuerungssystem, mit dem die Ziele von Just in Time verwirklicht werden können. Darüber hinaus ist es nur auf bestimmte Produktionsprozesse anwendbar.
Das innerbetriebliche Just in Time-Konzept zerschneidet willkürlich die Interdependenzen, die insb. zwischen dem eigenen Produktionsprozess und der Beschaffung der Produktionsfaktoren bei den Zulieferern bestehen. Daher sollte das Just in Time-Konzept überbetrieblich angewandt werden und alle Stufen der logistischen Kette vom Markt über den Hersteller bis zu den Zulieferern umfassen, weil die Durchlaufzeiten der eigenen Produkte wesentlich von der Qualität der von den Zulieferfirmen bezogenen Produktionsfaktoren und dem Zeitpunkt ihrer Lieferung abhängen. Die Just in Time-Produktion muss also durch eine produktionssynchrone Just in Time-Beschaffung ergänzt werden.
Bezieht man noch die Steuerung aller Forschungsaktivitäten des Unternehmens und die Entwicklung der Produkte zur Marktreife mit ein, so erhält man die umfassendste Form des Just in Time-Konzeptes, in der die eminente Bedeutung der Zeit als Gestaltungsdimension deutlich wird.
In den folgenden Abschnitten werden Just in Time-Produktion und Just in Time-Beschaffung durch Ableitung geeigneter Strategien konkretisiert und für die betriebliche Umsetzung aufbereitet.

II. Betriebliche Umsetzung des Just in Time-Konzeptes


1. Reorganisation der Fertigung


Das Just in Time-Konzept kann nur verwirklicht werden, wenn die grundlegenden logistischen Prozesse in den Bereichen Produktion und Beschaffung im Hinblick auf die Ziele »Senkung der Durchlaufzeiten« und »Reduzierung der Lagerbestände« neu strukturiert werden (Wildemann, H. 1992). Die dazu geeigneten Strategien werden im Folgenden vorgestellt.

a) Optimierung des Produktionsprozesses


Es gibt traditionell einige Industriebetriebe, die ihre Produkte Just in Time an die Kunden ausliefern. In diese Kategorie fallen z.B. die Versorgungsunternehmen für Elektrizität, Gas und Wasser, die ihre Produktion recht genau dem Bedarf anpassen müssen, da Fertigwarenlager entweder überhaupt nicht (Elektrizität) oder nur in geringem Umfang aufgebaut werden können. Da diese Unternehmen die relativ seltene Einproduktfertigung aufweisen, kann ihre Produktionsweise nicht einfach auf die typischen Industrieunternehmen mit Serien- bzw. Sortenfertigung übertragen werden, sondern es müssen spezielle Strategien zur Neuorganisation des Produktionsprozesses aus den Zielsetzungen »Durchlaufzeit- und Lagerbestandsminimierung« abgeleitet werden. Die wichtigsten und wirksamsten Strategien sind folgende:

-

Reduzierung der Rüstzeiten,

-

Fertigung kleinerer Losgrößen,

-

Harmonisierung des Bedarfs und

-

Verbesserung der Produktionsabläufe durch Fertigungssegmentierung.


Die Durchlaufzeiten der Produkte lassen sich senken, wenn die »unproduktiven« Rüstzeiten auf das technisch nötige Mindestmaß verkürzt werden. Dies kann durch den Einsatz flexibler Fertigungstechniken bzw. -einrichtungen, die einen automatischen Werkzeugwechsel erlauben, geschehen. Aber auch ohne diese kostspieligen Investitionen lassen sich die Rüstzeiten erheblich senken, wenn der Rüstablauf einer kritischen Analyse unterzogen wird. So gelang es der Firma Cummins Engine Co. Ltd. in Großbritannien, durch Videoaufnahmen der Rüstvorgänge und anschließende Analyse des Rüstprozesses, die Anordnung der Rüstwerkzeuge, das Anklemmen der Produktteile und die Justierung der Maschinen so zu verbessern bzw. zu beschleunigen, dass die Rüstzeiten um durchschnittlich 80% gesenkt werden konnten (Lee, D. 1987).
Sind die Rüstzeiten (und damit auch die Rüstkosten) erfolgreich verkürzt worden, so reduziert sich die optimale  Losgröße entsprechend den angewandten Losgrößenformeln und bewirkt dadurch geringere Lagerbestände, sodass das Ziel »Lagerreduzierung« ebenfalls erreicht wird.
Eine weitere wesentliche Voraussetzung für die Just in Time-Produktion ist eine hohe zeitliche Flexibilisierung der personellen Potenziale, um Schwankungen des Bedarfs in gewissen Grenzen ausgleichen zu können. Starke Bewegung in den Absatzmengen ist jedoch ungünstig für die Just in Time-Produktion, da die zeitliche Anpassung des Produktionsprozesses häufig nicht ausreicht und die Schwankungen durch höhere Lagerbestände aufgefangen werden müssen. Dies widerspricht aber der zweiten Zielsetzung des Just in Time-Konzeptes. Es muss also – evtl. mit den Instrumenten des Marketings – versucht werden, die Absatzmengen bzw. den Kundenbedarf gleichmäßig zu gestalten, um Überstunden und andere Zusatzkosten zu vermeiden (Fandel, G./François, P. 1989).
Als zusätzliche Strategie zur Verbesserung des Produktionsablaufs ist von Wildemann (Wildemann, H. 1992) das Konzept der Fertigungssegmentierung entwickelt worden, das den Produktionsprozess in kleinere Einheiten aufsplittet, in denen eine Komplettbearbeitung von Teilen und Baugruppen erfolgt. Dieser dezentralisierte Produktionsablauf erhöht die Übersichtlichkeit und kann aufgrund einer effizienteren Produktionssteuerung ebenfalls eine Verkürzung der Durchlaufzeiten bewirken.

b) Qualitätssicherung


Geringe Durchlaufzeiten und Lagerbestände hängen fundamental von der Qualität der bezogenen Einzelteile und der im Unternehmen hergestellten Baugruppen ab. Werden in den einzelnen Produktionsstufen fehlerhafte Produktteile verwendet, ohne dass dies bemerkt wird, so muss das Fertigprodukt (z.B. Automobil) in einem zeitaufwendigen und personalintensiven Nachbearbeitungsprozess auf den verlangten Qualitätsstandard gebracht werden. Im Automobilbereich entstanden in der Vergangenheit dadurch erhebliche Kosten, und die Durchlaufzeiten erhöhten sich beträchtlich.
Bei der Verwirklichung des Just in Time-Konzeptes kann es darüber hinaus trotz rechtzeitiger Entdeckung der fehlerhaften Teile zum Produktionsstillstand kommen, wenn keine Zwischenlager mit fehlerfreien Teilen existieren. Die Produktion fehlerfreier Teile ist daher bei Just in Time unabdingbar. Dabei ist zu beachten, dass die Qualität der gefertigten Produkte und Produktteile in hohem Maße von der Qualität des Produktionsprozesses bestimmt wird. Zur Sicherung der Prozessqualität bieten sich zwei Strategien an (Wildemann, H. 1992):

-

Automatisierte Prozessüberwachung,

-

Selbstkontrolle der Mitarbeiter.


Die automatisierte Prozessüberwachung erlaubt es, eine gleich bleibende Qualität der hergestellten Produkte zu garantieren, da jede Abweichung von der definierten Qualitätsnorm sofort entdeckt wird und im Wege der Rückkoppelung automatisch zu einer Neujustierung oder einem Austausch der betreffenden Produktionswerkzeuge führt. Voraussetzung ist allerdings das Vorhandensein messbarer Qualitätsstandards. Darüber hinaus weist die automatisierte Prozessüberwachung den Nachteil auf, dass die Überwachungsinstrumente (Sensoren, Mess- und Prüfgeräte, Computer) relativ hohe Kosten verursachen, die gegen die Vorteile der gleich bleibenden Qualität abgewogen werden müssen.
Die zweite Strategie benötigt keine automatisierten Prüfeinrichtungen, sondern überträgt die Qualitätskontrolle den unmittelbar im Prozess arbeitenden Mitarbeitern. Sie haben die Aufgabe, fehlerhafte Teile sofort aus dem Produktionsprozess zu entfernen, um kostspielige Nachbearbeitung oder gar Kundenreklamationen zu vermeiden. Bei Fertigungssegmentierung sind die Mitarbeiter eines Segmentes voll für die Funktionsfähigkeit ihres Produktteiles verantwortlich, falls dieses komplett bearbeitet worden ist.
Mit der Einbeziehung der Mitarbeiter in die Qualitätskontrolle sind in der japanischen Automobilindustrie (insb. Toyota) sehr gute Erfahrungen gemacht worden. Die Mitarbeiter verfolgen die entdeckten Fehler bis zu ihren Ursachen und versuchen gemeinsam in Qualitätszirkeln, Strategien zur Fehlervermeidung und zur kontinuierlichen Verbesserung der Produktqualität zu entwickeln. Diese Strategien sind unter dem Namen kontinuierliche Verbesserungsprozesse (KVP) auch von deutschen Automobilherstellern, z.T. in modifizierter Form, umgesetzt worden.

c) Mitarbeiterschulung


Wie oben beschrieben sind die Optimierung des Produktionsprozesses und die Qualitätssicherung tragende Säulen des Just in Time-Konzeptes. Für beide sind jedoch hoch motivierte und spezifisch ausgebildete Mitarbeiter unabdingbar. Gegenüber den traditionellen Produktionsformen (insb. der Fließfertigung) ist eine wesentlich höhere

-

Kreativität (für KVP),

-

Verantwortung (für Qualitätssicherung),

-

Bereitschaft zur Teamarbeit (für Fertigungssegmentierung) und

-

qualitative Flexibilität (im Hinblick auf Änderungen des Produktionsprogramms)


der Mitarbeiter gefragt, die durch Weiterbildungs- und spezielle Schulungsmaßnahmen gefördert werden sollten. Nur auf diese Weise lässt sich die Reorganisation der Fertigung als eine der Voraussetzungen des Just in Time-Konzeptes erfolgreich durchführen.

2. Reorganisation der Beschaffung


Die Anwendung des Just in Time-Konzeptes in der Produktion bleibt unvollkommen, solange die Beschaffung der Produktionsfaktoren (insb. Rohstoffe und bezogene Einzelteile) als vorgelagertes Glied der logistischen Kette nicht mit einbezogen wird. Will der Produzent ohne Lager für die fremdbezogenen Teile auskommen, so müssen die Zulieferer die im Produktionsprozess benötigten Teile

-

in der geforderten Qualität

-

zum gewünschten Produktionszeitpunkt

-

am richtigen Produktionsort


anliefern und sich damit in die Just in Time-Produktion integrieren. Nur wenn diese produktionssynchrone Beschaffung (Wildemann, H. 1988) gelingt, können Durchlaufzeiten und Lagerbestände nachhaltig gesenkt werden. Im Folgenden werden die Voraussetzungen einer effizienten Just in Time-Beschaffung im Einzelnen dargestellt.

a) Lieferverträge zwischen Abnehmer und Zulieferer


Die vertraglichen Vereinbarungen für eine produktionssynchrone Beschaffung sollten nach Wildemann (Wildemann, H. 1988) folgende Fragenkomplexe regeln:

-

Vereinbarung über die Liefermenge, den Lieferabruf, die Liefertermine und die Lieferverzugsfolgen,

-

Festlegung der Qualität und Qualitätssicherung sowie der Produkthaftung,

-

Vereinbarung über Preise, Zahlungs- und Lieferkonditionen,

-

Bemühungen des Zulieferers, seine Produkte weiterzuentwickeln und Rationalisierungspotenziale auszuschöpfen.


Sind diese Fragenkomplexe einvernehmlich zwischen Zulieferer und Abnehmer geregelt, so bilden die Vereinbarungen eine tragfähige rechtliche Grundlage für gedeihliche Lieferbeziehungen. Darüber hinaus bedarf es aber noch materieller Voraussetzungen, damit das Just in Time-Konzept überbetrieblich funktionieren kann.

b) EDV-Integration der Zulieferer


Aufgrund der Liefervereinbarungen muss der Zulieferer genau die benötigten Mengen zum Bedarfszeitpunkt des Produzenten abliefern. Da kein Zwischenlager aufgebaut werden soll, sind viele Bestellvorgänge mit relativ kleinen Liefermengen abzuwickeln. Dies kann kostengünstig nur durch die informationstechnische Vernetzung von Produzent und Zulieferer erfolgen. Ideal ist die Anbindung der Zulieferer an das PPS-System des Produzenten, das die zu den bestimmten Zeitpunkten benötigten Mengen der zu beziehenden Teile errechnet und den Zulieferern online übermittelt (Abruf). Dadurch ist gewährleistet, dass die Zulieferer die genauen Bedarfsmengen rechtzeitig erfahren und sich bei Bedarfsschwankungen den Veränderungen noch anpassen können. Dies setzt allerdings voraus, dass die Zulieferer über relativ flexible Produktionseinrichtungen verfügen.

c) Qualitätsprüfung beim Zulieferer


Da der Zulieferer die Teile direkt in den Produktionsprozess des Produzenten transportiert, ist hier keine Wareneingangsprüfung mehr möglich. Vielmehr müssen sämtliche Qualitätskontrollen im Zulieferbetrieb erfolgen. Fehlerhafte Lieferungen würden schnell zum Produktionsstillstand beim Produzenten führen, sodass eine gleich bleibend hohe Qualität der Zulieferteile von größter Bedeutung ist. Die rechtliche Regelung von Haftungsansprüchen und Konventionalstrafen erfolgt in den Liefervereinbarungen (vgl. 2a).

d) Single und Modular Sourcing


Die enge Beziehung zwischen Produzent und Zulieferer bei der Just in Time-Beschaffung lässt es angebracht erscheinen, die Zahl der Zulieferer so klein wie möglich zu halten. Das senkt die Kosten der EDV-Integration, erleichtert die Überwachung der Qualitätsstandards und vermindert den Aufwand für das Aushandeln der Lieferverträge. Wird dieser Weg konsequent beschritten, so gelangt man zum »Single Sourcing«, d.h. der Produzent bezieht ein bestimmtes Teil nur noch von einem Zulieferer. Damit steigt zwar die Abhängigkeit des Produzenten, er hat aber auch mehr Einfluss auf die Konstruktion und damit auf die Qualität des Teils. Liefert der Zulieferer nicht nur ein Einzelteil, sondern eine komplett produzierte Baugruppe (Modul), die vom Produzenten nur noch in das Endprodukt eingebaut wird, so spricht man vom »Modular Sourcing«, der stärksten Verzahnung zwischen den beiden Just in Time-Partnern. Es liegt auf der Hand, dass solche engen und für beide Seiten mit existenziellen Risiken behafteten Beziehungen nur auf der Grundlage von ausgewogenen langfristigen Verträgen eingegangen werden sollten.

III. Beurteilung der Just in Time-Produktion


Nach der Darstellung der Komponenten und Voraussetzungen der Just in Time-Produktion soll nun eine betriebswirtschaftliche Beurteilung des Just in Time-Konzeptes durch Abwägen seiner Nutzen, Kosten, Risiken und Umweltbelastung erfolgen.

1. Nutzen


Der Hauptnutzen des richtig im Betrieb umgesetzten Just in Time-Konzeptes ist die erhebliche Senkung der Kapitalbindungskosten infolge der geringeren Durchlaufzeiten und der reduzierten Lagerbestände. Der letztere Effekt führt darüber hinaus auch zu einer Senkung der Lagerkosten, da man mit einem wesentlich kleineren Lagerraum und reduzierter Lagerverwaltung auskommt.
Ferner bewirkt das Just in Time-Konzept auch einen nicht zu unterschätzenden nicht-monetären Nutzen. Durch den weitgehend abgebauten Lagerbestand lassen sich Schwachstellen im Produktionsprozess schneller erkennen und können von der Produktionssteuerung beseitigt werden. Schließlich dürfte die größere Selbstständigkeit und Eigenverantwortung der Mitarbeiter bei der Qualitätssicherung und in den einzelnen Fertigungssegmenten die Motivation des Personals günstig beeinflussen.

2. Kosten


Dem Nutzen des Just in Time-Konzeptes stehen allerdings erhebliche zusätzliche Kosten gegenüber. Hier sind vor allem die Maßnahmen zur  Rüstzeitverminderung zu nennen, ohne die das Konzept nicht funktioniert. Flexible Produktionseinrichtungen erfordern einen hohen Investitionsaufwand, und auch andere Maßnahmen, z.B. die Umorganisation des Rüstprozesses, sind kostenintensiv. Hinzu kommen die Kosten der Qualitätssicherung, da fehlerbehaftete Stücke bei der Just in Time-Produktion nicht akzepztiert werden können. Schließlich sind auch die Kosten für die Schulung der Mitarbeiter und die höheren Einstandspreise der Just in Time-Lieferanten zu berücksichtigen (Fandel, G./François, P. 1989).
Um die zusätzlichen Kosten möglichst gering zu halten, wird die Just in Time-Produktion häufig nur für eine begrenzte Auswahl von Teilen angewendet, und zwar für die Teile mit hohem Verbrauchswert und gleichmäßigem Bedarf (sog. AX-Teile in der ABC- und XYZ-Analyse), die dem Unternehmen den höchsten Just in Time-Nutzen stiften.

3. Risiken


Die Risiken der Just in Time-Produktion liegen einmal in den potenziellen Störungen des Produktionsprozesses, die jedoch immerhin mit eigenen Mitteln des Unternehmens angegangen und evtl. behoben werden können.
Erhöhte Risiken birgt die Just in Time-Beschaffung, insb. durch (Hansmann, K. -W. 2006)

-

Produktionsschwierigkeiten der Lieferanten und

-

Transportschwierigkeiten der Lieferanten bzw. Spediteure.


Diesen Störungen ist der Produzent ziemlich machtlos ausgeliefert. Es ist daher ein Gebot der Vorsicht, die stochastische Natur von Lieferzeit und Liefermenge einzukalkulieren und möglichen Fehlmengen durch Aufbau von Sicherheitsbeständen zu begegnen. Die optimale Höhe dieser Sicherheitsbestände wird von Hansmann (Hansmann, K. -W. 2006) praxisnah mithilfe von Servicegraden bestimmt.

4. Umweltbelastung


Die Beurteilung des Just in Time-Konzeptes darf den Umweltaspekt nicht außer Acht lassen. Nur der Straßengüterverkehr ist i.A. flexibel genug, um Just in Time-Lieferungen durchzuführen. Durch häufige Transporte kleiner Bestellmengen steigt jedoch das Verkehrsaufkommen, und die Auslastung der einzelnen Lkw sinkt. Die Umwelt kann somit durch Luft- und Lärmemissionen sowie Staubildung belastet werden. Diesen negativen Effekten kann man z.T. durch die Einschaltung von Gebietsspediteuren, die die Teile vieler Lieferanten sammeln und anschließend zum Produzenten bringen, und durch die verstärkte Nutzung des »Huckepack-Transports« Schiene/Straße entgegenwirken. Auf diese Weise könnte ein Ausgleich zwischen dem ökonomischen Nutzen und den ökologischen Kosten von Just in Time erreicht werden.
Literatur:
Fandel, G./François, P. : »Just in Time«-Produktion und -Beschaffung, in: ZfB, 1989, S. 531 – 544
Fandel, G./Reese, J. : »Just in Time«-Logistik in der Automobilindustrie, in: ZfB, 1989, S. 55 – 69
Hansmann, K.-W. : Industrielles Management, 8. A., München et al. 2006
Ihde, G. B. : Mehr Verkehr durch Just in Time?, in: Zeitschrift für Verkehrswissenschaft, 1991, S. 192 – 198
Kistner, K. -P./Steven, M. : Produktionsplanung, Heidelberg 1990
Lee, D. : Set-up time reduction: Making JIT work, in: Just-in-Time manufacture, hrsg. v. Voss, C. A., Berlin et al. 1987, S. 73 – 84
Ohno, T. : The Origin of Toyota Production System and Kanban System, in: Applying Just in Time. The American/Japanese Experience, hrsg. v. Monden, Y., Georgia 1986, S. 3 – 8
Vollmann, T./Berry, T./Whybark, C. : Manufacturing Planning and Control Systems, 3. A., Boston 1992
Wildemann, H. : Produktionssynchrone Beschaffung, 2. A., München 1988
Wildemann, H. : Einführungsstrategien für eine Just-in-Time-Produktion und -Logistik, in: ZfB, 1990, S. 149 – 169
Wildemann, H. : Das Just-in-Time Konzept, 3. A., St. Gallen 1992
Zäpfel, G. : Produktionslogistik, in: ZfB, 1990, S. 209 – 235

 

 


 

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