Flexibilität
Inhaltsübersicht
I. Entwicklung der betriebswirtschaftlichen Flexibilitätsforschung
II. Aufgaben einer Flexibilitätstheorie
I. Entwicklung der betriebswirtschaftlichen Flexibilitätsforschung
Untersuchungen über die Flexibilität lassen sich bis in die 1920er-Jahre zurückverfolgen (vgl. Schmidt, Fritz 1926). Auslöser für die intensivere Beschäftigung mit der Flexibilität war die Weltwirtschaftskrise. Die mangelhafte Anpassung vieler Betriebe an die plötzlich deutlich geringere Nachfrage rückte die Flexibilität in den Mittelpunkt des Interesses. Diese Aktualität des Flexibilitätsphänomens für die betriebswirtschaftliche Forschung ist bis heute erhalten geblieben.
Ursächlich für das andauernde Interesse der Betriebswirtschaftslehre an der Flexibilität ist seit den 1940er-Jahren jedoch immer weniger die Frage der Anpassung an gesamtwirtschaftliche Konjunkturschwankungen als vielmehr die allgemeinere Frage der Bewältigung von Ungewissheit in der Unternehmensführung. Vor allem durch die Untersuchung von Hart, Albert Gailord über den Zusammenhang zwischen dem Informationsstand von Entscheidungsträgern und der Güte ihrer Entscheidungen traten Fragen der Ungewissheitsbewältigung in den Mittelpunkt. Unsichere Erwartungen als Folge unvollkommener Information über zukünftige Entwicklungen führten zu der Frage, wie Handlungsspielräume zur Erfolgssicherung bei unerwarteten zukünftigen Entwicklungen aufgebaut werden können. Innerhalb der betriebswirtschaftlichen Flexibilitätsforschung wurden dabei ganz unterschiedliche Schwerpunkte gesetzt (vgl. Abb. 1).
Im Rahmen der planungs- und entscheidungstheoretischen Ansätze wurden einerseits formale Entscheidungsmodelle zur Ableitung normativer Aussagen für Entscheidungen unter Unsicherheit entwickelt. Durch die Untersuchung der Zielflexibilität trägt dieser Forschungszweig auch den Auswirkungen veränderter Motivationsstrukturen der Entscheidungsträger Rechnung. Andererseits wurde mit der flexiblen Planung eine spezifische Methodik entworfen, die es erlaubt, zukünftige Umweltveränderungen durch die Aufstellung flexibler Handlungsprogramme zu berücksichtigen. Zu diesem Bereich ist schließlich auch die Entwicklung der doppelt flexiblen Plankostenrechnung zu rechnen. Ferner wurde die Flexibilisierung des Planungssystems selbst Gegenstand entsprechender Untersuchungen.
Abb. 1: Entwicklung der betriebswirtschaftlichen Flexibilitätsforschung (in Anlehnung an Meffert, Heribert 1968 und Burmann, Christoph 2002)
Im Zentrum der organisationstheoretischen Flexibilitätsforschung steht die Anpassungsfähigkeit organisatorischer Strukturen und Abläufe. Ausgehend von der Beobachtung einer mit zunehmendem Unternehmensalter wachsenden Erstarrungstendenz hierarchischer Organisationsstrukturen werden hier Ansätze zur Flexibilisierung organisatorischer Strukturen und Prozesse entwickelt. Dabei wird auch die notwendige Balance zwischen Flexibilität und Stabilität eines Unternehmens problematisiert. Letzteres wird ab Mitte der 1980er-Jahre im Rahmen der Komplexitätstheorie weiterführend erforscht. Insbesondere durch die computergestützte Simulation sehr komplexer und zugleich höchst flexibler sozialer Systeme konnten dabei wichtige Erkenntnisse gewonnen werden (vgl. Kauffman, Stuart Alan 1993; Arthur, Brian/Durlauf, Steven Neil/Lane, David 1997; Prietula, Michael/Carley, Kathleen/Gasser, Les 1998). Darüber hinaus wurden in der organisationstheoretischen Flexibilitätsforschung schon früh Anpassungswiderstände auf der Ebene des Individuums analysiert und Methoden zur Verbesserung der Veränderungs- und Handlungsbereitschaft von Mitarbeitern entwickelt. Im Rahmen dieses Forschungszweiges wurde die betriebswirtschaftliche Flexibilitätsforschung später um Erkenntnisse aus dem Bereich des organisationalen Lernens erweitert (vgl. z.B. Bernard, Heike 2000).
Die finanzierungstheoretische Flexibilitätsforschung beschäftigt sich einerseits mit dem aus Volumen und Struktur von Finanzierungsmitteln entstehenden Flexibilitätspotenzial, denn „ die Anpassungsfähigkeit im leistungswirtschaftlichen Bereich einer Unternehmung hängt in entscheidendem Maße auch von der Verfügbarkeit von Geldkapital ab “ (Meffert, Heribert 1968, S. 266). Andererseits wurde schon früh unter den Begriffen der kapital- bzw. finanzwirtschaftlichen Elastizität untersucht, inwieweit ein Unternehmen seine Kapitalausstattung an unterschiedliche Entwicklungen anpassen kann. Dabei erfolgt im Wesentlichen eine Übertragung entscheidungstheoretischer Erkenntnisse. Dies trifft auch auf die ebenfalls in diesen Forschungszweig einzuordnenden investitionstheoretischen Entscheidungskalküle zu, die sich mit den Flexibilitätswirkungen der Kapitalintensität und Kapitalbindungsdauer von Investitionsprojekten beschäftigen.
Ein eigenständiges und theoretisch fundiertes Flexibilitätskalkül liegt in diesem Forschungsfeld erst seit der Formulierung der Optionspreistheorie und ihrer Übertragung auf reale Investitionsobjekte im Rahmen der Realoptionstheorie Ende der 1970er-Jahre vor. In der Realoptionstheorie wird der Aufbau eines Handlungsspielraums für unsichere zukünftige Entwicklungen als Kauf einer Option interpretiert. Handlungsspielräume im Zusammenhang mit einem Investitions- oder Desinvestitionsprojekt (z.B. Verschiebung oder Erweiterung einer Investition in ein neues Produktionswerk) werden durch einen Vergleich mit handelbaren Finanzoptionen, die über einen ähnlichen Zahlungsstrom wie das reale Investitionsprojekt verfügen, bewertet. Die Relevanz der Realoptionstheorie als Flexibilitätskalkül hängt direkt von den Eigenschaften des zu bewertenden Investitionsobjektes und der sich hieraus ergebenden tatsächlichen Übereinstimmung der Zahlungsströme zwischen Investitionsobjekt und Finanzoption ab (vgl. Tomaszewski, Claude 2000).
Die produktions- und kostentheoretische Flexibilitätsforschung beschäftigt sich mit den Reaktionsmöglichkeiten und den kostenmäßigen Konsequenzen der Anpassung des Produktionsbereiches an schwankende Beschäftigungsgrade. Dabei wird ein im Wesentlichen unveränderter Betriebsmittelbestand unterstellt, weshalb Jacob, Herbert/ die innerhalb dieses Forschungszweiges untersuchten Entscheidungs- und Handlungsspielräume unter dem Begriff der Bestandsflexibilität zusammenfasst. Gutenberg, Erich/ differenziert diesbezüglich weitergehend in zeitliche, intensitätsmäßige und quantitative Anpassung. Wesentlicher Maßstab zur Beurteilung der Unternehmensflexibilität ist dabei der Verlauf der Stückkostenfunktion bei unterschiedlichen Beschäftigungsgraden und einem gegebenen Produktionsprogramm. Diese Überlegungen lassen sich auf die Beobachtungen Stigler, George/s zu Stückkostennachteilen flexiblerer Produktionsmaschinen zurückführen. Qualitative Veränderungen des Produktionsprogramms werden in diesen kurzfristigen Flexibilitäts- bzw. Kostenanalysen nicht untersucht. Riebel, Paul verbindet diese auf den Produktionsbereich ausgerichteten Flexibilitätskalküle Gutenbergs später mit dem Absatzbereich. Bei seiner deskriptiven Analyse der leistungswirtschaftlichen Flexibilität stehen die sachlichen Interdependenzen zwischen dem Produktions- und Absatzbereich im Mittelpunkt, wohingegen die Ungewissheitsbewältigung weitgehend ausgeblendet wird.
Die absatztheoretische Flexibilitätsforschung basiert weitgehend auf den Erkenntnissen der mikroökonomischen Preistheorie und repräsentiert damit ein verkürztes Flexibilitätsverständnis. Sie untersucht lediglich, inwieweit und unter welchen Markt- und Wettbewerbsbedingungen eine Anpassung an eine grundsätzlich unsichere und damit im Zeitablauf schwankende Nachfrage mittels preispolitischer Instrumente möglich ist und damit ein Durchschlagen der Nachfrageschwankungen auf den Beschäftigungsgrad verhindert werden kann. Das mit Blick auf die Flexibilität zentrale Defizit in der klassischen Preistheorie ist die Ausklammerung von Unsicherheit und Risiko durch entsprechende Prämissen. Dieses Defizit wird zwar in späteren Publikationen zur Preisbildung bei Unsicherheit behoben, letztlich erfolgt dabei aber nur eine Übertragung entscheidungstheoretischer Erkenntnisse. Lediglich Hauschildt und Leker lösen sich von der Preistheorie (vgl. Hauschildt, Jürgen/Leker, Jens 1990). Sie erarbeiten produktpolitische Maßnahmen, mit denen sich die Handlungsflexibilität für die Nachfrager nach dem Kauf innovativer Computer-Hard- und Software erhöhen, deren Unsicherheit reduzieren und damit der Absatz steigern lässt.
II. Aufgaben einer Flexibilitätstheorie
Trotz der Vielzahl betriebswirtschaftlicher Forschungsansätze zur Flexibilität findet sich in der Literatur bislang keine umfassende betriebswirtschaftliche Flexibilitätstheorie (vgl. z.B. Janssen, Holger 1997). Nach Kaluza muss eine Flexibilitätstheorie drei Aufgaben erfüllen (vgl. Kaluza, Bernd 1993). Zunächst sollte sie im Rahmen einer Existenzanalyse die verschiedenen Flexibilitätsarten beschreiben, systematisieren und Ansätze zu ihrer Messung entwickeln. In der anschließenden Bedingungsanalyse hat sie zu erklären, unter welchen Bedingungen bestimmte Arten der Unternehmensflexibilität entstehen und welche Gestaltungsmöglichkeiten ein Flexibilitätsmanagement besitzt. Schließlich sollte eine Flexibilitätstheorie der Frage nachgehen, welche Wirkungen die Flexibilität auf den Unternehmenserfolg hat.
1. Existenzanalyse
Als Folge der Vielzahl an Forschungsansätzen in der betriebswirtschaftlichen Flexibilitätsforschung findet sich in der Literatur eine kaum noch überschaubare Vielfalt an Flexibilitätsarten und -definitionen. Eine Übertragung der ursprünglichen Bedeutung des lateinischen Wortes flexibilis (biegsam, anpassungsfähig, geschmeidig) auf Unternehmen ist problematisch, weil sich diese Wortbedeutung an einer Eigenschaft physischer Objekte orientiert, die nach einer „ Verbiegung “ immer wieder problemlos in den ursprünglichen Zustand zurückzuversetzen sind, und damit implizit von einem statischen Gleichgewicht ausgeht. Die Flexibilität einzelner Aggregate in der Produktions- und Kostentheorie entspricht diesem Flexibilitätsverständnis recht gut. Demgegenüber ist die Flexibilität eines ganzen Unternehmens als sozialem System im Sinne eines dynamischen Gleichgewichtes zu verstehen (vgl. Burmann, Christoph 2002). Die Bedeutung des Flexibilitätsbegriffes bei Unternehmen entspricht damit eher der langfristigen Anpassungsfähigkeit organischer Systeme im Sinne einer Evolution. Anpassungsfähigkeit wird dabei als dauerhafte Zielerreichung interpretiert. Flexibel ist ein Unternehmen somit nur dann, wenn es unter Sicherung eines Mindestzielerreichungsgrades (vgl. Behrbohm, Peter 1985) zur Anpassung an neue interne und externe Situationsbedingungen fähig ist. Anpassungsfähigkeit wird somit als „ Existenz von Freiheitsgraden, d.h. von Handlungsspielräumen bei der zielgeleiteten Entscheidungsfindung und -realisation “ (Behrbohm, Peter 1985, S. 183) definiert.
Der in den frühen Publikationen der betriebswirtschaftlichen Flexibilitätsforschung vorherrschende Elastizitätsbegriff kennzeichnete neben dieser Anpassungsfähigkeit zusätzlich auch „ eine Maßzahl, die durch das Verhältnis der relativen Veränderungen funktional verknüpfter ökonomischer Variablen definiert wird “ (Pack, Ludwig 1974, Sp. 1251). In der jüngeren Flexibilitätsforschung hat es sich jedoch durchgesetzt, den Elastizitätsbegriff ausschließlich als Maßzahl im letztgenannten Sinne zu verwenden und immer dann, wenn Anpassungsfähigkeit gemeint ist, den Flexibilitätsbegriff zu verwenden (vgl. Kaluza, Bernd 1993).
Die nachfolgende Klassifikation von Flexibilitätsarten (vgl. Abb. 2) greift in Teilen auf eine Systematisierung von Kaluza zurück (vgl. Kaluza, Bernd 1993). Er unterscheidet bezüglich des Objektes nach Ziel- und Mittelflexibilität. Die Zielflexibilität kann sich auf die Flexibilität zur Aufnahme neuer Ziele in das Zielsystem des Unternehmens (z.B. ethische Grundsätze), der Veränderung des Zielsystems (z.B. Änderung der Zielgewichtung) und die Veränderung des als angemessen beurteilten Zielerreichungsgrades beziehen. Die Mittelflexibilität kennzeichnet die Flexibilität bei der Auswahl von Mitteln zur Erreichung der gesetzten Ziele. Sie kann in reale und dispositive Mittelflexibilität unterteilt werden. Die reale Mittelflexibilität ist auf der physischen Ebene angesiedelt und bezieht sich auf die klassischen Produktionsfaktoren Arbeitsleistung, Betriebsmittel und Werkstoffe. Die dispositive Mittelflexibilität beschreibt die Anpassungsfähigkeit des Unternehmens im Bereich der Planung und Entscheidung, Organisation und Kontrolle.
Abb. 2: Systematisierung von Flexibilitätsarten
Bezüglich der Zeitdimension der Flexibilität kann mit Jacob zwischen Bestands- und Entwicklungsflexibilität unterschieden werden (vgl. Jacob, Herbert 1989). Die Bestandsflexibilität charakterisiert die kurzfristige Anpassungsfähigkeit unter Nutzung der vorhandenen Mittelausstattung des Unternehmens. Auf der Grundlage der als konstant unterstellten Kapazitäten eines Unternehmens und eines gegebenen Produktions- und Leistungsprogramms wird untersucht, inwieweit die Unternehmung in der Lage ist, sich kurzfristig an Schwankungen des Beschäftigungsgrades anzupassen. Die Mittelflexibilität nach Kaluza bezieht sich stets auf die bestehende, als konstant unterstellte Mittelausstattung des Unternehmens und damit auf die Bestandsflexibilität.
Die Entwicklungsflexibilität beschreibt die langfristige Fähigkeit zur Anpassung an unvorhergesehene, in der Zukunft liegende Veränderungen der internen und externen Unternehmenssituation. Dabei wird auf der ersten Stufe von einem gegebenen, dauerhaft unveränderlichen Produktions- und Leistungsprogramm ausgegangen. Es wird untersucht, wie schnell und mit welchen Kosten der Bestand an Produktionsfaktoren quantitativ an größere, dauerhafte Nachfragerückgänge oder -steigerungen angepasst werden kann. Bestimmungsfaktoren dieser primär für den Produktionsbereich untersuchten Entwicklungsflexibilität I sind die Art der eingegangenen Bindungen, Zeitbedarf und Kosten der Auflösung bestehender Bindungen sowie die Weiterverwendbarkeit vorhandener Produktionsmittel (vgl. Jacob, Herbert 1989). Je nach Zielsetzung des Unternehmens wird nach einer Produktionsmittelausstattung gesucht, welche die negativen Wirkungen eines Nachfragerückganges vermindert (Risikoreduktion) oder die schnelle und umfassende Nutzung eines starken Nachfrageanstiegs ermöglicht. Im Gegensatz zur Bestandsflexibilität wird somit von variablen Kapazitäten des Unternehmens ausgegangenen. Auf der zweiten Stufe wird die Prämisse der Unveränderlichkeit des Produktions- und Leistungsprogramms aufgegeben. Diese Entwicklungsflexibilität II wird auch als strategische Flexibilität bezeichnet (vgl. Jacob, Herbert 1989; Burmann, Christoph 2002). Beide Entwicklungsflexibilitäten stellen ergänzend zu Kaluza, Bernd einen dritten Objektbereich der Unternehmensflexibilität dar (vgl. Abb. 2).
Hinsichtlich der Grundeinstellung des Managements wird zwischen Built-in-Flexibilität und Handlungsflexibilität unterschieden (vgl. Meffert, Heribert 1985). Die Built-in-Flexibilität kann als eine defensive Risikovorsorge durch entsprechende Gestaltung des Geschäftsfeldportfolios und der Unternehmensstruktur verstanden werden. Hierdurch sollen z.B. Beschäftigungsrisiken in verschiedenen Geschäftsfeldern kompensiert werden. Die Handlungsflexibilität beschreibt demgegenüber das offensive Reaktionsvermögen zur Ausschöpfung und Bewältigung neuer Chancen und Risiken aus einer veränderten internen oder externen Unternehmenssituation. Die Handlungsflexibilität wiederum kann sich auf den Handlungsspielraum, die Handlungsgeschwindigkeit und die Handlungsbereitschaft beziehen.
Hinsichtlich der Wirkungsrichtung kann zwischen externer und interner Flexibilität differenziert werden (vgl. Ansoff, Harry Igor 1966; Ansoff, Harry Igor 1976). Externe Flexibilität kennzeichnet die gezielte Einflussnahme des Unternehmens auf seine Umwelt. Dies kann z.B. durch die Ausübung von Macht oder die Markteinführung von Produktinnovationen geschehen. So kann ein Großunternehmen bei einem unerwarteten Nachfragerückgang seine Lieferanten zu außerplanmäßigen Preisnachlässen zwingen oder gegenüber dem Staat mit dem Hinweis auf drohende Arbeitsplatzverluste Subventionen einfordern. Durch beide machtpolitischen Maßnahmen vergrößert sich der Handlungsspielraum des Unternehmens. Die interne Flexibilität kennzeichnet die Veränderung unternehmensinterner Struktur- und Prozessvariablen, ohne dass damit direkt eine Einflussnahme auf die Umwelt angestrebt wird. So können bei rückläufigem Preisniveau interne Rationalisierungsmaßnahmen durchgeführt werden, welche die ursprüngliche Ertragssituation wieder herstellen und damit Handlungspotenziale zur Entwicklung neuer Produktgenerationen sichern helfen. Weiterführend kann zwischen der internen Flexibilität des gesamten Unternehmens und derjenigen einzelner Funktionsbereiche unterschieden werden. Letztlich gehen mit vielen Flexibilitätsarten interne und externe Wirkungen einher (vgl. Abb. 2).
2. Bedingungsanalyse
Im Rahmen einer Flexibilitätstheorie untersucht die Bedingungsanalyse die Frage, unter welchen Bedingungen bestimmte Arten der Unternehmensflexibilität entstehen und welche Gestaltungsmöglichkeiten ein Flexibilitätsmanagement besitzt. In diesem Bereich zeigten sich lange Zeit die geringsten Fortschritte bei der Entwicklung einer Flexibilitätstheorie. Dies war vor allem eine Folge der Dominanz funktionsbereichsspezifischer Forschungsansätze (vgl. Meffert, Heribert 1968). Insbesondere die Konzentration auf den Produktionsbereich und hier vor allem die Bestandsflexibilität hat bislang einer intensiveren Beschäftigung mit einer allgemeinen Flexibilitätstheorie im Wege gestanden.
Eine Integration in Richtung auf eine Flexibilitätstheorie ist nur auf einer Metaebene Erfolg versprechend. Hierfür erscheint die Ressourcen- und Kompetenztheorie der Unternehmung besonders geeignet, denn obwohl Konsens darüber besteht, dass Unternehmensflexibilität als Anpassungsfähigkeit zu verstehen ist und es sich bei Unternehmen um Personenkollektive mit vielfältigen Interaktionsprozessen handelt, gibt es bislang keinen Ansatz, der Anpassungsfähigkeit durch die Form dieser Interaktionsprozesse erklärt. Neuere ressourcentheoretische Beiträge setzen genau hier an (vgl. z.B. Freiling, Jörg 2004). Sie versuchen, die Art des Zusammenwirkens durch die Wissensverarbeitung im Unternehmen zu erklären (vgl. z.B. Burmann, Christoph 2002 für einen Literaturüberblick). Auch die Komplexitätstheorie bezieht sich zur Erklärung der Flexibilität sozialer Systeme auf eine Metaebene. Dabei werden emergente Fähigkeiten, die aus den Interaktionen eines Kollektivs entstehen, näher analysiert (vgl. z.B. Gell-Mann, Murray 1994). Bei diesem Vorgehen werden interessante Parallelen zur Ressourcen- und Kompetenztheorie deutlich (vgl. Burmann, Christoph 2005). Die zweite Teilaufgabe einer Bedingungsanalyse ist das Aufzeigen von Spielräumen eines Flexibilitätsmanagements. Fasst man die Literaturmeinungen zusammen, dann liegt die wesentliche Aufgabe eines Flexibilitätsmanagements in der zielgerichteten Gestaltung und Nutzung von Flexibilitätspotenzialen (vgl. z.B. Thielen, Carl Adolf Ludwig 1993; Janssen, Holger 1997). Hillmer stellt hierzu fest: „ Aus dem Vermögen zur Anpassung folgt nicht notwendigerweise der tatsächliche Vollzug von Anpassungen. Die Bandbreite reicht hier vom Anpassungsverzicht trotz vorhandener Flexibilität bis zum Anpassungszwang. “ (Hillmer, Hans Jürgen 1987) Weiterführend kann zwischen strategischem und operativem Flexibilitätsmanagement unterschieden werden. Während Letzteres wohl-strukturierte Entscheidungssituationen betrifft, z.B. das Management der Bestandsflexibilität, widmet sich das strategische Flexibilitätsmanagement der Gestaltung und Nutzung von Flexibilitätspotenzialen in schlecht-strukturierten Entscheidungssituationen mit Unsicherheit (vgl. Janssen, Holger 1997).
3. Wirkungsanalyse
Bei der Analyse flexibilitätsinduzierter Wirkungen offenbart sich das Dilemma des gesamten Flexibilitätsmanagements. Dieses Dilemma kommt in dem Trade-off zwischen zusätzlichen Kosten durch flexibilitätssteigernde Maßnahmen einerseits und dem Unternehmensziel der Kostenwirtschaftlichkeit andererseits zum Ausdruck (vgl. Meffert, Heribert 1985). Z.B. verursacht die Vorhaltung ungenutzter Produktionskapazität Leerkosten, ermöglicht es andererseits jedoch, an einer unerwarteten Nachfragebelebung durch zusätzliche Umsätze zu partizipieren. Um die Vorteilhaftigkeit von Flexibilitätspotenzialen beurteilen zu können, sind Kosten und Nutzen der Flexibilität zu bestimmen. Zur Erfassung von Flexibilitätskosten, insbesondere für den Produktionsbereich, liegen in der Literatur zahlreiche Beiträge vor (vgl. z.B. Meffert, Heribert 1969; Kaluza, Bernd 1989; Ettlie, John/Penner-Hahn, Joan 1994; Corsten, Hans/Gössinger, Ralf 2006). Die Kostenerfassung ist dabei von der Art der zu bewertenden Flexibilität abhängig.
Flexibilität ist ebenso wie Liquidität kein Selbstzweck. Die Bewertung des Flexibilitätsnutzens hat sich vielmehr an der Verbesserung des Zielerreichungsgrades des Unternehmens zu orientieren (vgl. Kaluza, Bernd 1993; Suarez, Freddy/Cusumano, Michael/Fine, Charles 1991) und dabei die Risikopräferenzen der Entscheidungsträger zu berücksichtigen. Als grundsätzliches Problem erweist sich an dieser Stelle, dass über die Wirkung vieler Formen der Unternehmensflexibilität, insbesondere der strategischen Flexibilität und der Handlungsflexibilität, bislang kaum empirische Untersuchungen vorliegen (zu einer Ausnahme vgl. Burmann, Christoph 2002).
Literatur:
Ansoff, Harry Igor : Management-Strategie, München 1966
Ansoff, Harry Igor : Managing Surprise and Discontinuity. Strategic Response to Weak Signals, in: Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung, Jg. 28, 1976, S. 129 – 152
Arthur, Brian/Durlauf, Steven Neil/Lane, David : The Economy as an Evolving Complex System II, Reading (Mass.) 1997
Behrbohm, Peter : Flexibilität in der industriellen Produktion, Frankfurt a.M. 1985
Bernard, Heike : Unternehmensflexibilität. Analyse und Bewertung in der betrieblichen Praxis, Wiesbaden 2000
Burmann, Christoph : Strategische Flexibilität und Strategiewechsel als Determinanten des Unternehmenswertes, Wiesbaden 2002
Burmann, Christoph : Dynamik (und Management) von und Reaktion auf Ad-hoc-Krisen. Eine Analyse aus Sicht der Komplexitätstheorie, in: Management von Ad-hoc-Krisen. Grundlagen, Strategien, Erfolgsfaktoren, hrsg. v. Burmann, Christoph/Freiling, Jörg/Hülsmann, Michael, Wiesbaden 2005, S. 115 – 140
Corsten, Hans/Gössinger, Ralf : Output-Flexibilität in der Dienstleistungsproduktion, in: Zeitschrift für Betriebswirtschaft, Jg. 76, H. 1/2006, S. 29 – 53
Ettlie, John/Penner-Hahn, Joan : Flexibility Ratios and Manufacturing Strategy, in: Marketing Science, Jg. 40, 1994, S. 1444 – 1454
Freiling, Jörg : Competence-Based View der Unternehmung, in: Die Unternehmung: Schweizerische Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung und Praxis, Jg. 58, 2004, S. 5 – 25
Gell-Mann, Murray : Complex Adaptive Systems, in: Complexity. Metaphors, Models, and Reality, hrsg. v. Cowan, George/Pines, David/Meltzer, David Elliott, Reading (Mass.) 1994, S. 17 – 45
Hauschildt, Jürgen/Leker, Jens : Flexibilisierung als Strategie von Anbietern und Nachfragern innovativer Güter, in: Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung, Jg. 42, H. 11/1990, S. 963 – 975
Hillmer, Hans Jürgen : Planung der Unternehmensflexibilität. Eine allgemeine theoretische Konzeption und deren Anwendung zur Bewältigung strategischer Flexibilitätsprobleme, Frankfurt a.M. 1987
Jacob, Herbert : Flexibilität und ihre Bedeutung für die Betriebspolitik, in: Integration und Flexibilität. Eine Herausforderung für die allgemeine Betriebswirtschaftslehre, hrsg. v. Adam, Dietrich et al., Wiesbaden 1989, S. 15 – 60
Janssen, Holger : Flexibilitätsmanagement. Theoretische Fundierung und Gestaltungsmöglichkeiten in strategischer Perspektive, Stuttgart 1997
Kaluza, Bernd : Erzeugniswechsel als unternehmenspolitische Aufgabe. Integrative Lösungen aus betriebswirtschaftlicher und ingenieurwissenschaftlicher Sicht, Berlin 1989
Kaluza, Bernd : Betriebliche Flexibilität, in: Handwörterbuch der Betriebswirtschaft, hrsg. v. Wittmann, Waldemar/Werner, Kern/Richard, Köhler et al., 5. A., Stuttgart 1993, Sp. 1173 – 1184
Kauffman, Stuart Alan : The Origins of Order. Self-Organization and Selection in Evolution, New York 1993
Meffert, Heribert : Die Flexibilität in betriebswirtschaftlichen Entscheidungen, München 1968
Meffert, Heribert : Zum Problem der betriebswirtschaftlichen Flexibilität, in: Zeitschrift für Betriebswirtschaft, Jg. 39, 1969, S. 779 – 800
Meffert, Heribert : Größere Unternehmensflexibilität als Unternehmenskonzept, in: Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung, Jg. 37, 1985, S. 121 – 137
Pack, Ludwig : Elastizität, in: Handwörterbuch der Betriebswirtschaft, hrsg. v. Grochla, Erwin/Wittmann, Waldemar, 4. A., Stuttgart 1974, Sp. 1251 – 1259
Prietula, Michael/Carley, Kathleen/Gasser, Les : Simulating Organizations. Computational Models of Institutions and Groups, Menso Park 1998
Schmidt, Fritz : Die Anpassung der Betriebe an die Wirtschaftslage, in: Zeitschrift für Betriebswirtschaft, Jg. 3, 1926, S. 85 – 106
Suarez, Freddy/Cusumano, Michael/Fine, Charles : Flexibility and Performance. A Literature Critique and Strategic Framework, Massachusetts Institute of Technology, Sloan School, Working Paper 3298 – 91, Boston 1991
Thielen, Carl Adolf Ludwig : Management der Flexibilität, St. Gallen 1993
Tomaszewski, Claude : Bewertung strategischer Flexibilität beim Unternehmenserwerb. Der Wertbeitrag von Realoptionen, Frankfurt a.M. 2000
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