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Verbraucherpolitik


Inhaltsübersicht
I. Definition
II. Leitbilder und Zielbereiche
III. Verbraucherpolitik im Bereich der Anbieter
IV. Verbraucherpolitik im Bereich privater Haushalte
V. Verbraucherorganisation
VI. Defizite und zukünftige Aufgaben

I. Definition


Unter Verbraucherpolitik ist das Handeln öffentlicher und privater Handlungsträger zu verstehen, das insb. auf Sicherung und Verbesserung der Bedürfnisbefriedigung der Mitglieder privater Haushalte (Verbraucher) ausgerichtet ist. Dieses Handeln umschließt Analysen als theoretische und empirische Untersuchungen, die Planung der Ziele, der Strategien und des operativen Einsatzes von Instrumenten sowie die Durchführung der Pläne in konkreten Maßnahmen und schließlich die Kontrolle der Wirksamkeit dieser Maßnahmen. Aus der Fülle menschlicher Bedürfnisse werden in der Praxis der Verbraucherpolitik jene als handlungsrelevant ausgewählt, deren Befriedigung offensichtlich und nachhaltig beeinträchtigt wird und mit den geistigen, körperlichen, zeitlichen, finanziellen und sachlichen Ressourcen der privaten Haushalte allein nicht erreicht werden kann. Unter dem Begriff »Verbraucherpolitik« (consumer policy) wird in Europa in erster Linie öffentliches (staatliches) Handeln verstanden, während der Begriff »consumerism« (Konsumerismus) in den USA gleichgewichtig auch private Aktivitäten einschließt (Aaker, D. A./Day, G. S. 1974).

II. Leitbilder und Zielbereiche


Wer Ziele setzt, ist

(a)

mit einem gegenwärtigen Zustand jetzt und in Zukunft nicht einverstanden, definiert

(b)

einen zukünftigen, als besser bewerteten Zustand und ist

(c)

bestrebt, Maßnahmen zu ergreifen, um (a) in (b) zu überführen.


Ein System operationaler Ziele bedarf, um hinreichend konsistent zu sein, geistiger Entwürfe in Form machbarer Utopien und Leitbilder. Für die Verbraucherpolitik haben folgende Leitbilder eine gewisse Relevanz gewonnen:

-

Konsumentensouveränität als positives, normatives Leitbild, wonach Verbraucher unter vollkommener Information über ihre Bedürfnisse und über Güter als Mittel der Bedürfnisbefriedigung ihre Entscheidungen nutzenmaximierend treffen und ihre Nachfrage das Güterangebot lenkt.

-

Konsumfreiheit als positives, sowohl normatives als auch faktisches Leitbild, wonach Verbrauchern Wahlfreiheit zu verschaffen ist. Diese ist sowohl über ein verbessertes Informationsangebot als auch über Beschränkungen des Anbieterverhaltens, Aufrechterhaltung hinreichenden Anbieterwettbewerbs und ein zusätzliches Angebot öffentlicher Güter zu erreichen.

-

Produzentensouveränität als negatives, faktisches Leitbild, wonach Anbieter den Wettbewerb ausschalten, Einfluss auf Gesetzgebung und Verwaltung ausüben, nicht nur Werbung, sondern auch die gesamte gesellschaftliche Kommunikation beherrschen und somit Verbraucher zu Kauf und Konsum der angebotenen (z.T. »überflüssigen«) Güter veranlassen.

-

Ökologischer Konsum als positives, normatives Leitbild, wonach Produktion, Vertrieb, Kauf, Gebrauch und Entsorgung von Gütern unter minimalem Einsatz »elementarer Ressourcen« (Luft, Boden, Wasser, aber auch: Tiere und Menschen) zu geschehen haben und Kosten zu internalisieren, d.h. vom Verursacher zu tragen sind.


Positive Leitbilder zeigen das Anzustrebende (Ziele), negative das zu Vermeidende; normative Leitbilder weisen auf Ziele hin, faktische auf gegenwärtige oder zu erwartende Zustände.
In den Grundstrukturen der tatsächlich durchgeführten Verbraucherpolitik lassen sich verschiedene Ziel- und Instrumentalbereiche identifizieren. Durch Aufrechterhaltung hinreichenden Wettbewerbs (workable competition) sollen Anbieter sich selbst kontrollieren, in ihrer Macht beschränken und durch ständige Innovationen Güter anbieten, die zumindest »ausreichende« Bedürfnisbefriedigung der Verbraucher ermöglichen. Verbraucherinformation ergänzt die Wettbewerbspolitik und zielt auf ein Angebot von Informationen, das Anbieter nicht bereitstellen, Verbraucher jedoch für wirksame Entscheidungen benötigen.
Verbraucherschutz hebt auf Gesetzgebung, Rechtsprechung, Verwaltungshandeln und freiwillige Übereinkünfte unter Anbietern ab, die dem Verbraucher Schutz vor nachteiliger Vertragsgestaltung, Vermögens- und Gesundheitsschutz sowie Schutz vor Informationen bieten, die ihre Entscheidungen negativ beeinflussen. Daneben existieren Regulierungen, die den Verbraucher vor sich selbst schützen sollen, indem der Gebrauch von Produkten (z.B. Betäubungsmittel, Pkw) oder Emissionen und Abfallentsorgung eingeschränkt werden. Verbraucherorganisation ist auf Gründung und Gestaltung wirkungsvoller Institutionen ausgerichtet, die mit Maßnahmen der Verbraucherpolitik befasst sind.
Da Wettbewerbspolitik nicht in den Bereich der Verbraucherpolitik fällt, lässt sich das System der Zielbereiche der Verbraucherpolitik wie folgt darstellen (siehe Abb. 1).
Verbraucherpolitik
Abb. 1: Zielbereiche der Verbraucherpolitik
Operative Maßnahmen der Verbraucherpolitik entfalten ihre primären Wirkungen sowohl in der Gestaltung des Anbieter- als auch des Verbraucherverhaltens, denen sekundäre Wirkungen folgen (s. Abb. 2). Ist z.B. das Werbeverhalten von Anbietern verändert worden (primärer Effekt), so mag sich nachfolgend auch das Informations- und Kaufverhalten der Verbraucher wandeln (sekundärer Effekt). Ändert sich das Entscheidungsverhalten der Verbraucher durch Warentestinformationen (primärer Effekt), so antworten Anbieter mit verbesserten Produkten (sekundärer Effekt).
Verbraucherpolitik
Abb. 2: Primäre und sekundäre Wirkungen der Verbraucherpolitik

III. Verbraucherpolitik im Bereich der Anbieter


1. Gegenstand


Maßnahmen, die eine Gestaltung des Anbieterverhaltens zum Ziel haben, können

-

durch freiwillige Selbstkontrolle der Mitglieder von Wirtschaftsverbänden und durch Selbstdisziplin einzelner Unternehmen oder

-

durch staatliche Fremdregulierungen (Gesetze, Rechtsverordnungen und ihre Durchsetzung) und durch Anreizsysteme (Steuern, Subventionen) durchgesetzt werden.


Da übergeordnetes Ziel die Erhöhung der Bedürfnisbefriedigung von Verbrauchern ist, gestalten die verbraucherpolitischen Maßnahmen die Marketing-Instrumente der Anbieter, mit denen diese wiederum auf ihre Verbraucherkunden einwirken. Die Marketing-Wissenschaft unterscheidet vier Instrumentenbündel: Kommunikationspolitik,  Produktpolitik,  Distributionspolitik und Preispolitik. Die Regulierung dieser Instrumentenbündel soll anhand einiger wichtiger Beispiele demonstriert werden (Kuhlmann, E. 1990).

2. Kommunikationspolitik


Ziel der Kommunikationspolitik ist die Verhinderung anstößiger, sittenwidriger und irreführender und die Förderung faktisch richtiger und informativer Aussagen in den Wettbewerbshandlungen der Anbieter.
(a) Die Selbstregulierung  der Mediawerbung erfolgt in Deutschland und mehreren anderen Ländern Europas (Belgien, Frankreich, Italien, Niederlande) auf der Basis des Vorhaltenskodex der ICC (International Chamber of Commerce) (Rijkens, R./Miracle, G. E. 1986). Der 1972 vom Zentralverband der Werbewirtschaft (ZAW) gegründete Deutsche Werberat (DWR) hat den Auftrag, Verhaltensnormen zu entwickeln und ihre Einhaltung zu überwachen. Beabsichtigt ist, die Grauzone »anstößiger«, jedoch nicht gesetzeswidriger Werbung zu verringern, die z.B. in der an »kritische« Zielgruppen (Kinder, Jugendliche usw.) gerichteten oder für »kritische« Produkte (Zigaretten, alkoholische Getränke, Kredite usw.) durchgeführten Werbung liegen kann. Verglichen mit dem DWR genießt die Advertising Standards Agency (ASA) in Großbritannien ein größeres Maß an Unabhängigkeit, da von den neun Mitgliedern des ASA-Council sechs einschließlich des Vorsitzenden nicht der Werbewirtschaft angehören.
Bei produktbegleitenden Informationen (auf Produkt, Verpackung, Beipackzetteln, am Verkaufsort usw.) kommen z.B. RAL-Testaten, Kurzfassungen von Warentestergebnissen und dem »Blauen Umweltengel«, Pflegekennzeichen für Textilien und Gütezeichen erhebliche Bedeutung für sachgerechte Kauf- und Gebrauchsentscheidungen der Verbraucher zu.
(b) Der staatlichen (Fremd-)Regulierung  der Mediawerbung und anderen Wettbewerbshandlungen liegt in Deutschland vor allem das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb (UWG) zugrunde, das sowohl Wettbewerber als auch (End-)Verbraucher schützen soll. Die Generalklausel des § 1 UWG schützt neben Mitbewerbern auch Verbraucherinnen und Verbraucher vor unlauteren Wettbewerbshandlungen, die nach § 3 dann verboten sind, wenn sie zu nicht unerheblichen Benachteiligungen führen. In § 5 wird beispielhaft dargestellt, wann irreführende Werbung als unlauter anzusehen ist: Wenn objektiv falsche Aussagen für die Kaufentscheidung bedeutsam sind (empfängerorientierter Irreführungsbegriff). Täuschungsverbote spezieller Art enthalten auch das Lebensmittel- und Futtermittelgesetz (LFGB) und das Heilmittelwerberecht.
In skandinavischen Ländern (Schweden, Norwegen, Dänemark, Finnland) existieren Verwaltungsbehörden – Verbraucherombudsmann und Marktgerichtshof – die in Kooperation mit Wirtschaftsverbänden Verhaltensrichtlinien für alle Marketingaktivitäten entwickeln und Kontrolltätigkeiten ausüben. In den USA verfügt die Federal Trade Commission (FTC) über eine breite Palette an Regulierungsmöglichkeiten, von denen Trade Regulation Rules (Gesetze über lauteres Geschäftsgebaren), Affirmative Disclosure (Anordnung zur ausdrücklichen Offenlegung von Informationen) und Corrective Advertising (vom Werbenden finanzierte Werbung zur Korrektur vorangegangener Wirkungen irreführender Werbung) in erster Linie zu erwähnen sind.
Produktbegleitende Informationen werden auch durch verschiedenartige gesetzliche Kennzeichnungspflichten geregelt, die sich auf Inhaltsstoffe, Materialien, Qualitätsangaben, Nebenwirkungen und Mengenangaben beziehen. Sie finden sich u.a. im LFGB, in der Lebensmittelkennzeichnungsverordnung, im Textilkennzeichnungsgesetz, im Mess- und Eichgesetz sowie in der Fertigpackungsverordnung.

3. Produktpolitik


Die Ziele der Produktpolitik lassen sich als Sicherheit, Qualität und Umweltschonung von und durch Produkte und Dienstleistungen bezeichnen. Vermieden werden sollen gesundheitliche Schäden und Vermögensschäden bei den Verbrauchern.
(a) Die Selbstregulierung der Anbieter findet ihren Ausdruck zum einen in der überbetrieblichen technischen  Normung, die Produktnormen, Verständigungsnormen und Prüfnormen festlegt. Produktnormen sollen Kompatibilität, Sicherheit, Gebrauchstauglichkeit und Umweltschutz sichern. Überbetriebliche technische Normen haben in Deutschland als DIN-Normen seit langem herausragende Bedeutung, mit der Internationalisierung des Handels verlagert sich der Schwerpunkt auf europäische EN-Normen und auf internationale ISO-Normen. Die Selbstdisziplin einzelner Firmen kann sich im ökologischen Produktmarketing ausdrücken, insb. dann, wenn es sich um ökologische Innovationen und nicht lediglich um Anpassung an das übliche Verhalten der Wettbewerber oder nur an Vorgaben in Gesetzen und Rechtsverordnungen handelt.
(b) Der Fremdregulierung von Produkten und Dienstleistungen dienen vielfältige Regelungen des öffentlichen Rechts und seiner Durchsetzung. Zu verweisen ist hier auf das LFGB, das u.a. verbietet, gesundheitsschädliche Lebensmittel in den Verkehr zu bringen oder nicht zugelassene Zusatzstoffe zu verwenden. Strikte Regelungen enthält auch das Arzneimittelgesetz (AMG), das insb. eine staatliche Zulassung von Fertigarzneimitteln vorschreibt. Das Geräte- und Produktsicherheitsgesetz (GPSG) fordert, dass Produkte nur dann in den Verkehr gebracht werden dürfen, wenn sie bei bestimmungsgemäßem Gebrauch oder vorhersehbarer Fehlanwendung nicht Sicherheit und Gesundheit von Verwendern oder Dritten gefährden.
Das Produkthaftungsgesetz sieht eine verschuldensunabhängige Haftung des Herstellers (auch: des Händlers oder Importeurs) für durch seine Produkte verursachte Schäden vor.

4. Distributionspolitik


Ziel der Distributionspolitik ist, Verbraucherfreiheit bei Vertragsabschluss und -gestaltung zu gewährleisten und die Bedingungen für die Versorgung mit Produkten und Dienstleistungen im Verbraucherinteresse zu regeln.
(a) Selbstregulierung kann insb. über Garantiebedingungen erfolgen, die dem Verbraucher Sachmängelansprüche über das gesetzliche Mindestmaß hinaus einräumen. Zu nennen sind hier neben Mängelbeseitigung und Nachbesserung vor allem Wandelung, Minderung, Neulieferung und Schadenersatz sowie umfangreichere Sachmängelhaftungsfristen und -maßnahmen. Daneben gewinnen Widerrufsrechte (Rechte zum Rücktritt vom Vertrag innerhalb bestimmter Fristen) und Schlichtungsregelungen bei Streitigkeiten über die Vertragsmäßigkeit von Lieferungen und Leistungen für den Verbraucher an Bedeutung. Im E-Commerce kommen firmenindividuellen und branchenspezifischen Regeln Bedeutung zu, über die Vertrauenswürdigkeit der Angebotsinformation, Zuverlässigkeit von Lieferungen und Zahlungen sowie Sicherheit sensibler Kundendaten gewährleistet werden.
(b) Staatliche Fremdregulierungen finden sich vornehmlich im Gesetz über die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGBG), das dem allgemeinen Vertragsrecht im BGB (mit der Fiktion ebenbürtiger Vertragspartner) als lex specialis vorgeht. Für den Fall formularmäßiger einseitig auferlegter Allgemeiner Geschäftsbedingungen verbietet das AGBG u.a. bestimmte Vertragsklauseln, die für Verbraucher (und andere Vertragsparteien) deutlich von Nachteil sein können.
Die Versorgung mit Produkten und Dienstleistungen sollte u.a. über das Ladenschlussgesetz im Verbraucherinteresse geregelt sein. Gesetzliche Regelungen zum E-Commerce gelten insbesondere der Daten- und Vertragssicherheit.

5. Preispolitik


Ziele der Preispolitik sind der Schutz vor überhöhten Preisen und vor irreführender Preisgestaltung.
(a) Möglichkeiten der Selbstregulierung liegen in erster Linie in informativer Preisgestaltung, die z.B. durch Basispreise (base price systems: Preise pro Liter, Kilogramm usw.) bei stark differierenden Packungsmengen vorgenommen werden können oder durch Angaben von Lebenszeitkosten (life cycle costing) bei Produkten, die nicht nur hohe Anschaffungspreise, sondern auch erhebliche Betriebskosten während einer durchschnittlichen Lebenszeit verursachen. Darüber hinaus sind auch Preisgestaltungen durch sog. Tarifsysteme durchführbar, die z.B. den umweltschonenden Verbrauch von Energie fördern.
(b) Staatliche Fremdregulierung, die allgemein auf das Preisniveau einwirkt, gehört in den Bereich der Wettbewerbs- und Währungspolitik. Spezielle Regelungen bestehen im Konsumentenkreditgesetz. Die Forderung nach Preisklarheit und Preiswahrheit findet sich u.a. in der Preisangabenverordnung, die die Auszeichnung von Endpreisen bei angebotenen Produkten und Dienstleistungen vorschreibt.

IV. Verbraucherpolitik im Bereich privater Haushalte


1. Gegenstand


Maßnahmen der Verbraucherpolitik, die bei den Verbrauchern direkt wirken, regeln entweder das Verhalten der Verbraucher unmittelbar oder beeinflussen das Verbraucherverhalten über Kommunikationsmaßnahmen. Unmittelbare Verhaltensregelung erfolgt überwiegend durch Gesetze, die nicht der Verbraucherpolitik, sondern z.B. der Gesundheitspolitik, der Verkehrspolitik, der Bildungspolitik usw. zuzurechnen sind. Kommunikationsmaßnahmen haben das Ziel einer Erhöhung des Humankapitals der Verbraucher, um diese zu wirkungsvolleren Entscheidungen und Verhaltensweisen zu befähigen. Vier Maßnahmenbündel lassen sich unterscheiden (Kuhlmann, E. 1990).

2. Verbrauchererziehung


Verbrauchererziehung in allgemein bildenden Schulen hebt vor allem darauf ab, grundlegende Werte, Motivationen, Einstellungen, Fähigkeiten und Fertigkeiten bei Kindern und Jugendlichen zu vermitteln. Dazu zählen u.a. eine Anhebung der allgemeinen Motivation und Fähigkeit zur Informationsgewinnung und Entscheidung, eine Stärkung der Fähigkeiten zum Haushaltsmanagement (z.B. Einnahmen- und Ausgabenplanung) und eine Erhöhung der Effizienz des Marktverhaltens (z.B. Nutzung von Informationsquellen, wirksames Kaufverhalten). Festzustellen ist, dass die personalen, zeitlichen und sachlichen Ressourcen zur Verbrauchererziehung derart starken Beschränkungen unterworfen sind, dass ihre Wirkungen weit hinter den Erwartungen zurückbleiben müssen.

3. Verbraucherberatung


Verbraucherberatung zielt auf die Lösung aktueller, oft schlecht strukturierter Probleme einzelner Verbraucher oder kleiner homogener Verbrauchergruppen, die sich als Ratsuchende an professionelle Berater in direkter Interaktion wenden. Sie tritt in zwei Grundformen auf, Beratung als Mittel der Absatzförderung und Beratung als Zweck, d.h. zur Lösung von Verbraucherproblemen (s. Abb. 3).
Verbraucherpolitik
Abb. 3: Formen der Verbraucherberatung
Als Mittel wird die Verbraucherberatung im Rahmen persönlichen Verkaufs vom stationären Handel und im Direktvertrieb eingesetzt oder aber im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit z.B. von Energieversorgungsunternehmen. Beratung als Zweck erscheint in vielfältiger Form als private Marktleistung z.B. von Steuerberatern, Architekten, Rechtsanwälten oder als öffentliche Beratungsleistung, die den Ratsuchenden berechnet oder nur zu Teilkosten deckenden Preisen angeboten wird. Als Einrichtungen der letztgenannten Form sind insb. die Verbraucherberatungsstellen der Verbraucher-Zentralen der Länder zu nennen. Das Beratungspersonal setzt neben verschiedenen Druckmedien auch audio-visuelle Medien ein und arbeitet zunehmend mit Rechnerunterstützung unter Zugriff auf eigens geschaffene Datenbanken. Im Vordergrund der vermittelten Beratungsinhalte stehen Produkt- und Geräteberatung, Kredit- und Schuldnerberatung, Rechtsberatung, Energie- und Umweltberatung sowie Ernährungs- und Mieterberatung. Restriktionen in der Personal- und Sachmittelausstattung erlauben der Verbraucherberatung nur geringe Reichweiten. Die Ratsuchenden setzen sich vor allem aus Personen mit intensiver Problemwahrnehmung (z.B. bei der Schuldnerberatung) oder aus effizienzorientierten Verbrauchern mit überdurchschnittlicher Bildung zusammen.

4. Verbraucherinformation


Ziel der Verbraucherinformationspolitik ist es, Informationen zur Lösung meist wohldefinierter, aktueller Probleme über Massenmedien an größere Verbrauchersegmente zu übermitteln. Ihre Inhalte lassen sich in einer ersten Zweiteilung als deklarative und prozedurale Informationen unterteilen (s. Abb. 4).
Verbraucherpolitik
Abb. 4: Inhalte der Verbraucherinformation
Prozedurale Information soll erfolgreiche Handlungsabläufe ermöglichen, die über Erklärungen (z.B. »Warum tritt eine Minderung des Realvermögens ein?«), vor allem jedoch über Handlungsanweisungen erfolgen kann (»Was ist zu tun, um eine Minderung des Realvermögens zu vermeiden?«). Letztere erscheinen in expliziter Form als generelle Empfehlungen (»Rezepte«) oder sind implizit in sog. Erfahrungsberichten enthalten. Deklarative Information findet sich vor allem in Beschreibungen, jedoch auch in Erklärungen. Gütertests stellen Qualitätsmessungen dar, sie untersuchen, inwieweit Attribute von Produkten und Dienstleistungen bestimmten Anforderungen entsprechen. Beim Vergleichstest ist nicht nur ein, sondern sind mehrere Produkte und Dienstleistungen Gegenstand der Untersuchung. Beim Systemvergleich werden nicht Angebote einzelner Firmen (z.B. Markenartikel, Fabrikate), sondern verschiedene Technologien (z.B. Tintenstrahl- oder Laserdrucker) in ihren Qualitätsattributen analysiert. Gütertests und Systemvergleiche beziehen auch Erklärungen ein, wenn sie nicht nur Attribute von Materialien und unmittelbaren Funktionen, sondern auch Wirkungen untersuchen und bewerten, z.B. Umwelteffekte aufgrund von Emissionen oder Verpackungsentsorgung.
Die bekannteste Erscheinungsform der Verbraucherinformation stellt der vergleichende Warentest der Stiftung Warentest (Berlin) dar. Um möglichst hohe Neutralität (keine einseitige Interessenbindung), Objektivität (Methodentransparenz) und Sachkunde (Methoden entsprechen dem Stand der Technologie) zu gewährleisten, existiert ein Basisplan der Ablauforganisation (s. Abb. 5).
Verbraucherpolitik
Abb. 5: Ablauforganisation vergleichender Warentests
Die Auswahl der Objekte ist an Dringlichkeit und Bedeutung von Informationsproblemen orientiert. Die Terminplanung berücksichtigt, dass Tests zu bestimmten Zeitpunkten erscheinen sollten, zu denen Verbraucher Informationen benötigen (z.B. saisonale Kaufschwerpunkte) und dass monatlich erscheinende Testhefte für viele unterschiedliche Verbrauchergruppen Informationen enthalten sollten. In der wirtschaftlichen Phase befasst man sich mit der Auswahl der Testobjekte (z.B. nach ihrer Marktbedeutung), in der technischen Phase vor allem mit der Auswahl der zu untersuchenden Attribute und der Prüfmethoden. Der Untersuchung folgt die Veröffentlichung in monatlich erscheinenden Testheften (»test« und »Finanztest«) sowie in Sonderpublikationen. Andere Medien (Rundfunk, Fernsehen, Zeitungen, Zeitschriften) publizieren fallweise Teilergebnisse.
Die Verbreitung von Testinformationen hat direkte Wirkungen bei einem Teil (testnutzender) Verbraucher und einem Teil (testnutzender) Anbieter (s. Abb. 6). Use-benefits treten bei Verbrauchern z.B. durch Wahl qualitativ besserer und/oder billigerer Produkte und Dienstleistungen oder durch aktiveres Beschwerdeverhalten auf. Testnutzende Anbieter berücksichtigen Tests z.B. in ihrer Qualitätspolitik (vor allem bei negativen Ergebnissen) oder in ihrer Werbung (vor allem bei positiven Ergebnissen). Das Verhalten der beiden Testnutzergruppen führt zu Verlagerungen der Nachfragerströme, sodass auch etliche zunächst nicht testnutzende Anbieter ihr Marktverhalten umstellen. Das Gesamtergebnis besteht vor allem in einer allgemeinen Anhebung des Qualitätsniveaus auf dem Markt, von dem zwangsweise dann auch die nicht testnutzenden Verbraucher profitieren, d.h. es treten für sie non-use-benefits als indirekte Wirkungen ein.
Verbraucherpolitik
Abb. 6: Wirkungen von vergleichenden Warentests

5. Verbraucheraufklärung


Staatliche und andere Nonprofit-Organisationen führen fallweise Kommunikationskampagnen vor allem über Massenmedien durch, um als problematisch erachtete Formen des Verhaltens breiter Verbrauchersegmente zu beeinflussen. So sollen z.B. Änderungen des Rauchverhaltens oder des Medikamentengebrauchs erzielt werden (Abstinenz), Jugendliche von der Übernahme bestimmter Verhaltensweisen (z.B. regelmäßiger Alkoholkonsum) abgehalten werden (Prävention) oder neue Verhaltensformen, wie z.B. Nutzung von Sondermüllcontainern, verbreitet werden (Adoption). Viele Aufklärungskampagnen sind von begrenzter Wirksamkeit, da ihre verhaltenswissenschaftliche Fundierung lückenhaft ist.

V. Verbraucherorganisation


Im Rahmen der Verbraucherpolitik agierende Institutionen lassen sich in Selbst- und Fremdorganisationen unterteilen (Kuhlmann, E. 1990). In Selbstorganisationen artikulieren Verbraucher selbst ihre Bedürfnisse, setzen die Organisationsziele und versuchen sie mit eigenen Mitteln durchzusetzen; in Fremdorganisationen geschieht dies auf staatliche Initiative und mit öffentlichen Mitteln. Abb. 7 stellt die verschiedenen Organisationsformen dar.
Verbraucherpolitik
Abb. 7: Formen der Verbraucherorganisation
Fremdorganisationen

-

Repräsentative Formen sollen die Interessen möglichst vieler Verbraucher wahren, z.B. die Stiftung Warentest oder die Verbraucher-Zentralen der Länder.

-

Dialogformen werden vor allem von Anbietern in Form sog. Verbraucherabteilungen eingerichtet, die einen systematischen Dialog mit Verbrauchern betreiben sollen, indem sie ihre Beschwerden, Anregungen usw. aktiv aufnehmen und für das Unternehmen und sein Marketing auswerten.


Selbstorganisationen

-

Repräsentative Formen werden zwar mit Mitteln der Verbraucher betrieben, jedoch von professionellem Management geleitet, z.B. der ADAC oder Warentestinstitute in den USA und in Großbritannien.

-

Kooperative Formen existieren in Deutschland vornehmlich als (kleinere) Selbsthilfegruppen (z.B. Mietervereine), sind in Skandinavien noch in der ursprünglichen Form der Konsumgenossenschaft (Verbraucher-Kooperative) anzutreffen.


Die Bereitschaft von Verbrauchern, sich in Selbsthilfeorganisationen mit Geld und Arbeit zu engagieren, ist besonders dann gering, wenn sie in den Genuss der Leistungen der Organisation auch ohne eigenen Ressourceneinsatz gelangen können. In großen Organisationen kann darüber hinaus der zum Engagement bereite Verbraucher nicht mehr erkennen, ob er mit seinem Einsatz noch einen Beitrag zum Erfolg der Organisation liefert. Die Folgen sind dann oft Resignation und Austritt oder Nicht-Eintritt.

VI. Defizite und zukünftige Aufgaben


Strategische Handlungsbereiche (»Geschäftsfelder«) zukünftiger Verbraucherpolitik lassen sich zumindest andeuten, wenn man zwei Hauptdimensionen »Problembedeutung« und »Wirkungsmöglichkeit« zu ihrer Identifizierung heranzieht. Verbraucherpolitik wird dort nötig, wo schwer wiegende Probleme großer Verbrauchersegmente zu lösen sind und sie wird dort möglich, wo günstige Rahmenbedingungen für die wirkungsvolle Durchsetzung von Maßnahmen im wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Umfeld bestehen (s. Abb. 8).
Verbraucherpolitik
Abb. 8: Strategische Wirkungsbereiche der Verbraucherpolitik
(a) Arme Hunde: Bei geringer Problembedeutung und geringer Wirkungsmöglichkeit ist es nicht opportun, verbraucherpolitische Finanz-, Sach- und Personalressourcen zu investieren.
(b) Melkkühe: Bei hoher Wirkungsmöglichkeit und geringer Problembedeutung handelt es sich häufig um etablierte, relativ erfolgreiche Handlungsfelder, die beibehalten werden sollten, da sie die »Butter-und-Brot«-Tätigkeiten der Verbraucherpolitik darstellen.
(c) Fragezeichen: Hohe Problembedeutung lässt einen Einstieg in dieses Feld zwar als verlockend erscheinen, angesichts geringer Wirkungsmöglichkeiten sollte man sich jedoch selektiv der Unterstützung Dritter versichern, so z.B. staatlicher Einrichtungen oder der Verbände der Anbieter.
(d) Stars: Hier liegt das förderungswürdige Feld zukünftigen strategischen Handelns, auf das verfügbare Ressourcen zu konzentrieren sind.
Stars der Vergangenheit sind oft zu Melkkühen oder gar zu armen Hunden mutiert. Letzteres gilt für Konsumgenossenschaften in Deutschland, deren Problembedeutung und Wirkungsmöglichkeiten u.a. durch einen effizienten Einzelhandel reduziert wurden. In der Nachkriegszeit brillierten vergleichende Warentests z.B. von elektrischen und elektronischen Geräten als Stars, da vielen Verbrauchern glaubwürdige Informationen für effiziente Entscheidungen fehlten und die staatliche Wettbewerbspolitik diese Verbraucherinformation förderte. Stars der Zukunft werden zweifellos Tests von Dienstleistungen sein, die für private Haushalte hohe Bedeutung besitzen (z.B. Leistungen für Gesundheit und Alterssicherung) und die in ihrer Qualität oft schwer zu beurteilen sind.
Verglichen mit der Zeit zwischen 1950 und 1980 werden die kommenden Jahrzehnte in Deutschland und vergleichbaren Ländern Europas, Nordamerikas und Ostasiens neue Verbraucherprobleme zeitigen. Zwei voneinander nicht unabhängige Bündel von Einflussgrößen werden diesen Wandel bewirken: Veränderungen des Umfelds der Verbraucher und Veränderungen ihrer Wert- und Einstellungsstrukturen. Auf dieser Basis lassen sich einige »Stars« verbraucherpolitischer Handlungsfelder von morgen wie folgt andeuten:

-

Wiedergewinnung der Kontrolle über elementare Lebensbedingungen (Ökologie, Nachbarschaft und Wohnumgebung, Verkehr, Gesundheit)

-

Beachtung externer Effekte des Konsums von der Produktion über Vertrieb, Ge- und Verbrauch bis zur Entsorgung bzw. bis zur Wieder- und Weiterverwendung

-

Neue Techniken, insb. Informations- und Kommunikationstechnologien und ihre Auswirkungen

-

Verstärkte Selbstregulierung der Anbieter und neue ethische Normen ihres Handelns.


Im Rahmen staatlichen und privaten Handelns hat Verbraucherpolitik nie erstrangige Bedeutung erringen können. Generell kann man sagen, dass der effiziente Einsatz der Ressourcen privater Haushalte für Zwecke der Bedürfnisbefriedigung stets als nachrangiges Problem angesehen wurde – verglichen mit Problemen des Erwerbs und der Bereitstellung dieser Ressourcen. Ob eine Verlagerung der Bedeutungsgewichte angesichts regionaler und globaler Ressourcenverknappung eintreten wird, bleibt abzuwarten. Ökonomisch sinnvoll wäre es zweifellos, sich stärker auf den effizienten Einsatz knapper Ressourcen auch in privaten Haushalten zu konzentrieren.
Literatur:
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Biervert, B./Fischer-Winkelmann, W. F./Rock, R. : Verbraucherpolitik in der Marktwirtschaft, Reinbek 1978
Brobeck, St./Mayer, R. N./Herrmann, R. O. : Encyclopedia of the Consumer Movement, Santa Barbara, Cal. 1997
Diller, H. : Vahlens Großes Marketing Lexikon, 2. A., München 2001
Grunert, K. G. : Price Transparency, Competition, and the Consumer Interest, in: Price Information and Public Price Controls, Consumers and Market Performance, hrsg. v. Goyens, M., Brüssel 1986, S. 23 – 48
Hansen, U./Stauss, B./Riemer, M. : Marketing und Verbraucherpolitik, Stuttgart 1982
Hippel, E. v. : Verbraucherschutz, 3. A., Tübingen 1986
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Preuß, V./Steffens, H. : Marketing und Konsumerziehung, Frankfurt a.M. 1993
Raffée, H./Silberer, G. : Warentest und Unternehmen, Frankfurt a.M. 1984
Rijkens, R./Miracle, G. E. : European Regulation of Advertising, Amsterdam 1986
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Silberer, G./Raffée, H. : Warentest und Konsument, Frankfurt a.M. 1984

 

 


 

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