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Marktforschung


Inhaltsübersicht
I. Grundlagen der Marktforschung
II. Marktforschungsproblem und Marktforschungsdesigns
III. Informationsquellen und Methoden der Informationsgewinnung
IV. Operationalisierung und Messung
V. Abwicklung des Projekts
VI. Besonderheiten der Investitionsgütermarktforschung

I. Grundlagen der Marktforschung


1. Begriffliche Abgrenzung der Marktforschung


Marktforschung ist der systematische, objektive Prozess der Informationsbeschaffung und -bereitstellung über Märkte und Marktbeeinflussungsmöglichkeiten für Marketing-Entscheidungen (Berekoven, L./Eckert, W./Ellenrieder, P. 2004; Böhler, H. 2004; Kinnear, T. C./Taylor, J. R. 1996; Schäfer, E./Knoblich, H. 1978). Der systematische, geplante Prozess der Untersuchung, der Einsatz wissenschaftlicher Untersuchungsmethoden sowie die Objektivität des Forschers bei der Sammlung, Aufbereitung, Analyse und Interpretation von Daten unterscheiden Marktforschung von einer provisorischen, auf Zufälligkeiten beruhenden Markterkundung, die oftmals zusätzlich durch persönliche Vorurteile und Erwartungshaltungen der Auftraggeber geprägt ist.
Marktforschung unterscheidet sich von der Marketing-Forschung durch den Untersuchungsgegenstand. Marketing- bzw. Absatzforschung beinhaltet sowohl die Gewinnung von Informationen über Absatzmärkte als auch die Bereitstellung unternehmensinterner Informationen, soweit sie sich auf die Probleme des Marketing von Gütern und Dienstleistungen beziehen (American Marketing Association, 1985; Hüttner, M./Schwarting, U. 2002; Meffert, H. 1992). Gegenstand der Marktforschung ist demgegenüber die Informationsgewinnung über Absatz- und Beschaffungsmärkte.

2. Aufgaben der Marktforschung


Die Aufgaben der Marktforschung ergeben sich z.T. aus dem Informationsbedarf im  Marketing. Hier ist zunächst zwischen strategischen und operativen Marketing-Entscheidungen zu unterscheiden.
Strategische Marktinformationen beziehen sich u.a. auf die Entwicklung zukünftiger Problemlösungsangebote, die Attraktivität von Märkten im Hinblick auf Volumen, Wachstum und Konkurrenzintensität, das Portfolio der Geschäftsfelder, die Auswirkungen alternativer Marktbearbeitungsstrategien sowie die Überwachung der Makroumwelt mithilfe von Früherkennungssystemen (Köhler, R. 1993).
Operative Marktinformationen beziehen sich auf zeitlich und inhaltlich eng begrenzte Problemstellungen wie z.B. Anregungen zur Verbesserung der derzeit eingesetzten Marketing-Instrumente, die Wirkungsprognose veränderter Marketing-Maßnahmen oder die Kontrolle der Erreichung von kurzfristigen Marketing-Zielen.
Ganz ähnlich können die Aufgaben der Marktforschung charakterisiert werden, wenn man auf die Phasen von Marketing-Entscheidungen abstellt. So lassen sich Informationen zur Entdeckung von Entscheidungsproblemen (z.B. Soll-Ist-Vergleiche von geplanten und erreichten Marketing-Zielen), zur Ermittlung von Handlungsalternativen (Anregungen für neue Angebote, Gestaltung der Werbebotschaft etc.), zur Wirkungsprognose von Maßnahmen (z.B. Produkttests, Werbetests und Preistests) und zur Erfolgskontrolle unterscheiden.
Während anfänglich die vergangenheitsbezogene Überwachung der Märkte und der Effektivität von Marketing-Maßnahmen dominierte, erlangen heute Prognosen der Marktentwicklung bzw. Wirkungsprognosen vorgesehener Marketing-Maßnahmen immer mehr an Gewicht. Eine durch zunehmende Umweltdiskontinuitäten und verkürzte Reaktionszeiten geforderte Marktforschung i.S. einer Früherkennung auf Grundlage »schwacher« Signale, die laufend die tatsächlichen und erwarteten Ergebnisse von Marketing-Maßnahmen überprüft, um die Anpassungsgeschwindigkeit des Marketing-Managements zu erhöhen, ist erst in den Anfängen zu erkennen (Meffert, H. 1992).

3. Phasen des Marktforschungsprozesses


Marktforschungsvorhaben lassen sich als Forschungsprozesse betrachten, die – wie Abb. 1 zeigt – in mehrere Phasen untergliedert werden können (Churchill jr., G. A./Jacobucci, D. 2002; Kinnear, T. C./Taylor, J. R. 1996; Böhler, H. 2004).
Marktforschung
Abb. 1: Phasen des Marktforschungsprozesses
Das hier vorgestellte idealtypische Phasenschema findet sich in ähnlicher, z.T. auch feinerer Untergliederung in der neueren Literatur des Öfteren. In der Marktforschungspraxis werden die aufgeführten Arbeitsschritte nicht immer in einer strengen Reihenfolge zu durchlaufen sein. Vielmehr kommt es zu Überschneidungen, Sprüngen und Rückkoppelungen in den Aktivitäten; doch stellt dieses Schema eine brauchbare Orientierungshilfe für die Abwicklung des arbeitsteiligen, komplexen Marktforschungsprozesses dar (Passenberger, J. 1989).

4. Träger der Marktforschung


Unternehmen, die für ihre marktorientierte Führung in größerem Umfang Marktinformationen benötigen, verfügen zumeist über eine eigene Marktforschungsabteilung. Erreicht die betriebliche Marktforschungstätigkeit jedoch nur ein geringes Ausmaß, so wird in der Praxis die Errichtung einer Stabsstelle bevorzugt, die der Geschäfts- bzw. der Marketing-Leitung zugeordnet ist (Hammann, P./Erichson, B. 2000). Wird keine innerbetriebliche Marktforschung durchgeführt oder reichen die eigenen Ressourcen für umfangreiche Primärforschungen nicht aus bzw. ist der Zukauf der Marktinformationen billiger als die eigene Projektdurchführung, so kann auf Marktforschungsinstitute zurückgegriffen werden. Die Bandbreite der Marktforschung treibenden Institutionen ist sowohl hinsichtlich ihrer Angebotspalette als auch ihrer Größe sehr unterschiedlich. Während sich reine Marktforschungsinstitute auf die Informationsbereitstellung beschränken, sind auch Unternehmensberater zu finden, die zusätzlich Hilfe bei der Entscheidungsfindung anbieten. Daneben sind Vollservice-Institute von Spezial-Instituten zu unterscheiden. Erstere übernehmen die Abwicklung des gesamten Projekts von der Problemdefinition über die Datenerhebung und -auswertung bis hin zur Ergebnispräsentation. Letztere beschränken sich entweder nur auf einige Phasen des Marktforschungsprozesses wie z.B. Institute, die Feldorganisationen zur Durchführung von Befragungen anbieten, oder sie sind auf bestimmte Fragestellungen spezialisiert (z.B. auf Produkttests oder Werbetests).
Ferner sind Institute zu erwähnen, die ausschließlich unternehmensspezifische Marktforschungsprojekte abwickeln, sowie Institute, die zusätzlich bzw. ausschließlich standardisierte  Marktinformationsdienste anbieten. Hierzu zählen vor allem die Anbieter von Haushalts-, Handels- und Spezialpanels und die Betreiber von Marktdatenbanken.

5. Ethik der Marktforschung


Ethische Probleme können hinsichtlich des Marketing-Entscheidungsproblems, des Marktforschungsproblems und einzelner Phasen des Marktforschungsprozesses auftreten. Moralische Bedenken ergeben sich häufig bei Entscheidungs- und Marktforschungsproblemen, die im Zusammenhang mit umweltbelastenden oder gesundheitsschädigenden Produkten stehen, die sich auf Marketing-Praktiken gegenüber schützenswerten Verbrauchergruppen (z.B. Kindern) beziehen oder die der geschickten Realisierung problematischer Marketing-Maßnahmen (z.B. irreführende Werbung) dienen. Fragen der Marktforschungsethik wurden insb. auf Verbandsebene aufgegriffen. So entwickelte die Europäische Gesellschaft für Meinungs- und Marketingforschung (ESOMAR) den »Internationalen Kodex für die Praxis der Markt- und Sozialforschung«, der von den deutschen Marktforschungsverbänden übernommen wurde. Ähnliche Verhaltensappelle finden sich im »Marketing Research Code of Ethics« der American Marketing Association.
In diesen Kodizes sind die Prinzipien des Umgangs mit den Auskunftspersonen und den Auftraggebern der Untersuchung festgelegt. Auskunftspersonen sollen demnach auf die Freiwilligkeit der Teilnahme an der Untersuchung aufmerksam gemacht werden, über denen Inhalt sie dabei so weit als möglich zu informieren sind. Bei verdeckter Beobachtung ist diese Information nachträglich zu geben, verbunden mit der Möglichkeit, dass die Auskunftsperson ihre Daten löschen lassen kann. Des Weiteren ist ihnen Aufschluss über die Verwendung ihrer Daten zu geben. Hinsichtlich der Auswertung der Daten versteht es sich von selbst, dass der gesetzlich vorgeschriebene Datenschutz zu beachten ist.
Gegenüber dem Auftraggeber der Studie ist zu gewährleisten, dass es weder durch die Datenerhebung noch durch die Datenauswertung und die Präsentation der Ergebnisse zu schwereren Missverständnissen bzw. Fehlentscheidungen kommt. Weiterhin sollten die Untersuchungsergebnisse nicht ohne Einverständnis des Auftraggebers an Dritte weitergegeben werden. Darüber hinaus wird mitunter gefordert, dass ein Institut nicht für mehrere Konkurrenten arbeiten sollte, wenn dadurch das Vertrauen zwischen Auftraggeber und Institut gefährdet werden könnte.

II. Marktforschungsproblem und Marktforschungsdesigns


1. Formulierungen des Marktforschungsproblems


Im ersten Schritt des Marktforschungsprozesses ist mit den Entscheidungsträgern eine präzise Beschreibung des Marktforschungsproblems zu erarbeiten. Diese beinhaltet die Festlegung der Marktforschungsziele (z.B.: Welche von mehreren Produktideen soll weiterverfolgt werden?) und die Angabe der gewünschten Informationen, die i.d.R. eine detailliertere Liste des Forschungsziels darstellt (z.B. geäußerte Präferenzen, wahrgenommener Nutzen oder Kaufabsichten von Auskunftspersonen im Rahmen eines Produktkonzepttests; Positionierung der Produktidee gegenüber Konkurrenzmarken etc.). Ist der Informationsbedarf spezifiziert, so muss entschieden werden, ob bzw. in welchem Ausmaß dieser durch die Marktforschung zu befriedigen ist. Prinzipiell müsste hierfür der Informationswert des Projektes mittels Bayes-Analyse ermittelt werden (Green, P. E./Tull, D. S. 1982). Wegen der geringen Praktikabilität dieses Ansatzes begnügt man sich in der Praxis mit qualitativen Beurteilungen, wobei Kriterien wie Bedeutung des Entscheidungsproblems und der Forschungsziele, Brauchbarkeit der vorgeschlagenen Vorgehensweise für die zu gewinnenden Informationen, Zeitdauer und Kosten des Projekts etc. herangezogen werden.

2. Wahl des Marktforschungsdesigns


Jedes Forschungsprojekt lässt sich durch die Forschungsziele und die herangezogenen Untersuchungsmethoden charakterisieren. Danach wird zwischen explorativen, deskriptiven und (quasi-)experimentellen Designs unterschieden.
Die explorative Forschung wird bei geringem Kenntnisstand zur Gewinnung zusätzlicher Einsichten herangezogen. Sie erlaubt die Präzisierung des Entscheidungs- und Marktforschungsproblems und liefert Anhaltspunkte für die Projektbeurteilung sowie für die eventuelle Projektabwicklung. Als Untersuchungsmethoden bieten sich Literatursichtung und Sekundäranalysen sowie die Befragung von Experten und Abnehmern mittels nicht oder teilstandardisierter persönlicher Interviews an. Die deskriptive Forschung dient der Beschreibung von Märkten (Marktvolumen, Marktsegmente, Mediaanalysen, Distributionskennzahlen, Bekanntheitsgrade, Einstellungen etc.), der Abschätzung der Wirkung der Marketing-Maßnahmen in der Vergangenheit und der Prognose der Marktentwicklung. Als Methoden der Informationsbeschaffung stehen die systematische Analyse von Statistiken sowie die standardisierte Befragung bzw. Beobachtung repräsentativer Stichproben im Vordergrund. Je nachdem, ob diese Daten zu verschiedenen Zeitpunkten wiederholt erhoben werden (z.B. Ermittlung des Marktanteils über mehrere Perioden hinweg) oder ob sie nur zu einem bestimmten Zeitpunkt erfasst werden (z.B. die Umsatzzahlen verschiedener Verkaufsbezirke in einer Periode), unterscheidet man zwischen Längs- und Querschnittsanalyse. Beide Designs erlauben in Verbindung mit zeitlich bez. regional unterschiedlich eingesetzten Marketing-Maßnahmen eine erste Abschätzung der Instrumentewirkung, doch kann es hier zur Fehleinschätzung aufgrund nicht kontrollierter Störgrößen (Konkurrenzmaßnahmen, politische Ereignisse etc.) kommen.
Ziel (quasi-)experimenteller Forschungsdesigns ist daher die Aufdeckung von Ursache-Wirkungs-Beziehungen bei gleichzeitiger Kontrolle störender Einflussfaktoren. Die Realisierung »echter« Experimente (Zufallsauswahl der Teilnehmer, Verwendung von Experiment- und Kontrollgruppe, Variation des Experimentfaktors durch den Experimentator) hat in der Marktforschungspraxis Seltenheitswert. Bei praktisch allen Labor- und Markttests ist die strikte Zufallsauswahl meist nicht anwendbar, sodass man wegen der Abweichung von den strengen Anforderungen echter Experimente von Quasi-Experimenten spricht.

III. Informationsquellen und Methoden der Informationsgewinnung


In dieser Projektphase sind die Informationsquellen (innerbetrieblich/außerbetrieblich) und die Erhebungsmethoden (Sekundärforschung/Primärforschung) zu bestimmen. Während Sekundäranalysen auf bereits vorhandenes Datenmaterial zurückgreifen, werden bei der Primärforschung für das anstehende Problem neue Daten durch Befragung bzw. Beobachtung erhoben. Abb. 2 gibt einen Überblick über die wichtigsten Quellen und Methoden.
Marktforschung
Abb. 2: Informationsquellen und Erhebungsmethoden
Bei jedem Marktforschungsprojekt sollte man zuerst auf die schneller verfügbaren und kostengünstigeren Informationsquellen und Erhegungsmethoden zurückgreifen (z.B. Außendienstberichte, eigene Absatzstatistiken, Verbandsstatistiken, Befragung von Experten im Unternehmen), sei es, weil damit schon der Informationsbedarf gedeckt wird oder weil man wertvolle Anhaltspunkte für eine weitergehende Primärforschung erhält.
Hinsichtlich des Stellenwerts der Quellen und Methoden ist allerdings zwischen Konsumgütermarketing und Investitionsgütermarketing zu unterscheiden. Während im Konsumgütermarketing die Inanspruchnahme standardisierter Marktinformationsdienste und die repräsentative Befragung bzw. Beobachtung von Abnehmern und Handel überwiegen, konzentriert sich die Investitionsgütermarktforschung vornehmlich auf Außendienstberichte, Datenbankrecherchen und die eher explorative Befragung von führenden Kunden bzw. die Ergebnisse von Messen und Ausstellungen.

IV. Operationalisierung und Messung


Wenn die Analyse von Sekundärmaterial nicht ausreicht, um den Informationsbedarf zu decken, ist durch Primärforschung das entsprechende Datenmaterial zu beschaffen. Befragung und Beobachtung liefern hierbei Daten über die Eigenschaften der Untersuchungsobjekte. Im Rahmen eines Marktforschungsprojektes interessieren z.B. Merkmale wie Alter, Einkommen oder Einstellungen von Verbrauchern bzw. Marktanteile, Bekanntheitsgrade und Distributionskennziffern von Marken etc. Welche Eigenschaften jeweils relevant sind, wird durch das Marktforschungsziel und durch den festgelegten Informationsbedarf spezifiziert. Um von den verwendeten Begriffen wie Einstellung, Marktanteil, Soziale Schicht zu konkreten Messwerten durch Erhebung zu gelangen, sind die Probleme der Operationalisierung und Messung zu bewältigen (vgl. Abb. 3).
Marktforschung
Abb. 3: Operationalisierung und Messung von Eigenschaften
Liegen die für die Untersuchung relevanten Eigenschaften fest, so benötigt man zunächst ihre präzise begriffliche Fassung. Häufig handelt es sich hierbei um »hypothetische Konstrukte« (z.B. Einstellung, Markentreue), die sich einer unmittelbaren Erfassung durch Befragung bzw. Beobachtung entziehen. Aus diesem Grund erfordert eine operationale Definition zugleich auch die Angabe empirisch wahrnehmbarer Indikatoren, anhand derer festgestellt werden kann, in welcher Ausprägung das nicht direkt erfassbare theoretische Konstrukt vorliegt. Zudem sind Instruktionen anzugeben, wie die Indikatoren zu messen sind, um hieraus einen Messwert für die Eigenschaft zu erhalten. Im Rahmen der Datenerhebung vollzieht sich anschließend die Messung, indem den durch Befragung bzw. Beobachtung registrierten Merkmalsausprägungen entsprechende Symbole zugeordnet werden. Hierbei handelt es sich zumeist um die Zuordnung von Zahlen auf Nominal-, Ordinal-, Intervall- oder Verhältnisskalen (z.B. Geschlecht, Präferenzrangordnung von Marken, Likert-Skala zur Beurteilung von Marken, Umsatzhöhe).
Selbstverständlich birgt diese Phase des Marktforschungsprozesses erhebliche Fehlerquellen, angefangen von einer unzweckmäßigen Definition über die Auswahl untauglicher Indikatoren bis hin zu falschen Angaben der Befragten oder Fehlern bei der Antwortregistrierung.
Die Qualität der Ergebnisse wird daher durch die Reliabilität und die Validität der Messung zum Ausdruck gebracht. Validität (Gültigkeit) einer Messung liegt vor, wenn der erzielte Messwert frei von systematischen Verzerrungen ist. Solche systematischen Verzerrungen entstehen z.B. durch eine nicht repräsentative Auswahl der Befragten, nicht angemessene Indikatoren, falsche Fragestellungen, soziale Erwünschtheit von Antworten, Interviewereinfluss, falsche Anwendung von Datenanalyseverfahren oder durch Voreingenommenheit des Forschers (mangelnde Objektivität) bei der Interpretation der Resultate.
Die Reliabilität (Zuverlässigkeit) der Messung wird dagegen durch die zufallsbedingte Streuung der Messwerte um den wahren Wert zum Ausdruck gebracht. Sie ist umso höher, je geringer die Streuung bei vergleichbaren oder wiederholten Messungen derselben Eigenschaften an denselben Objekten ist.

V. Abwicklung des Projekts


1. Durchführung der Erhebung


Nachdem entsprechend den Operationalisierungsvorschriften der Fragebogen bzw. das Beobachtungsschema gestaltet sind, folgt die Durchführung der Erhebung. Hier ist ein steigender Einsatz der EDV zu konstatieren. Neben den Formen der computergestützten bzw. -gesteuerten Abwicklung der Befragung, die den Fragebogen in Papierform ersetzen (Hoepner, G. 1994), ist insb. die zunehmende computergestützte Datenerfassung durch Scanner in Form von Scannerhandelspanels bzw. Homescannerpanels zu erwähnen.
Ist die Kommunikationsform (mündlich, telefonisch, schriftlich, computergestützt bzw. -gesteuert) festgelegt, sind die Erhebungseinheiten zu bestimmen, um anschließend die Primärerhebung abzuwickeln und zu kontrollieren.
Für die Datenbeschaffung bieten sich grundsätzlich Voll- oder Teilerhebungen an. Die Vollerhebung (Zensus) kommt infrage, wenn die Grundgesamtheit relativ klein ist (z.B. in bestimmten Investitionsgütermärkten).
I.d.R. wird man sich jedoch auf Teilerhebungen beschränken und von deren Ergebnissen auf die Grundgesamtheit schließen, zumal diese billiger, weniger zeitaufwendig und genauer sind.
Nach dem Pretest des Fragebogens und der Überprüfung der Intervieweranweisung folgt die Hauptuntersuchung, bei der zunächst die Auswahl und Schulung der Interviewer, die Kontaktierung der Auskunftspersonen und das Ausfüllen des Fragebogens bzw. Beobachtungsschemas erfolgt. Hinzu kommen eventuelle Nachfassaktionen, die Interviewerkontrolle und die laufende Kontrolle der Erhebung (z.B. zeitliche Kontrolle und Kontrolle der Stichprobenrepräsentanz).

2. Datenanalysen


Nach der Datenerhebung sind die eingehenden Fragebogen bzw. die Beobachtungsschemata formal und technisch aufzubereiten und auszuwerten.
Hierfür stehen die verschiedenen univariaten bzw. multivariaten  Datenanalyseverfahren zur Verfügung, die durch kostengünstige Hard- und Software eine breite Anwendung erfahren haben. In der Praxis überwiegen univariate Verfahren (z.B. Tabellierung, grafische Darstellungen und statistische Kennwerte wie Mittelwerte und Streuungsmaße). Multivariate Verfahren finden vornehmlich Anwendung zur Informationsverdichtung und zur übersichtlichen Präsentation der Forschungsresultate, seien es die Faktorenanalyse zur komprimierten Beschreibung von Untersuchungsobjekten, die Clusteranalyse zur Bildung von Marktsegmenten bzw. Käufertypologien oder die Varianzanalyse und die Conjoint-Analyse zur Auswertung von Experimenten.

3. Erstellung des Forschungsberichts und Ergebnisinterpretation


Das Marktforschungsprojekt findet mit der Erstellung und Präsentation des Forschungsberichts seinen Abschluss. Da auch die wichtigsten Erkenntnisse umsonst gesammelt wurden, wenn es nicht gelingt, sie den betreffenden Entscheidungsträgern glaubhaft zu vermitteln, ist unbedingt auf die Vorkenntnisse und die Informationsbedürfnisse der Empfänger zu achten.
Der Bericht sollte daher folgende Aufteilung beachten: Die Management-Zusammenfassung präsentiert die wichtigsten Ergebnisse für das anstehende Entscheidungsproblem, wobei auf technische und statistische Details zu verzichten ist. Häufig erwartet der Entscheidungsträger hierbei konkrete Empfehlungen für die zu fällende Marketing-Entscheidung. Der Hauptteil des Forschungsberichts enthält eine kurze Zusammenfassung des anstehenden Entscheidungs- und des vereinbarten Marktforschungsproblems. Ihr folgt eine kurze Erläuterung des eingeschlagenen methodischen Vorgehens (Design, Stichprobenplan, Methoden der Datenerhebung und -analyse) sowie eine ausführliche Darstellung der Forschungsergebnisse unter Beachtung der Forschungsziele und des festgelegten Informationsbedarfs. Zu achten ist hier insb. auf eine übersichtliche tabellarische und grafische Präsentation.
Erfahrungsgemäß schwieriger ist es, in der Praxis auch auf die Grenzen der Ergebnisse zu verweisen, die durch die verschiedensten Gründe verursacht wurden (z.B. durch Zeit- und Budgetrestriktionen, Grenzen der Auskunftsfähigkeit der Befragten, auswertungstechnische Grenzen, schlecht definierte, weil komplexe und unscharfe Problemdefinitionen), sodass keine eindeutige Empfehlung für die Wahl der Entscheidungsalternative möglich ist. Im Anhang schließlich ist das Material unterzubringen, das den technisch/wissenschaftlich orientierten Empfänger weitergehend informiert (z.B. Fragebogen, statistische Formeln, Details der Datenauswertung etc.).

VI. Besonderheiten der Investitionsgütermarktforschung


Bei Investitionsgütern handelt es sich um Sach- und Dienstleistungen, die an Organisationen veräußert werden, die damit wiederum Leistungen erstellen. Da das Nachfrageverhalten der Investitionsgüterkäufer von deren nachgelagerten Märkten geprägt wird und da aufgrund der zumeist geringen Inlandsnachfrage internationale Märkte bearbeitet werden müssen, weitet sich das Aufgabenfeld der Marktforschung entsprechend aus. Weitere Besonderheiten ergeben sich aus den zumeist langwierigen, formalisierten Beschaffungsprozessen der Abnehmer, an denen häufig mehrere Personen der verschiedensten Hierarchieebenen und Funktionsbereiche beteiligt sind.
Aus der Komplexität der Untersuchungsobjekte, verbunden mit oft kleinen Marktforschungsbudgets, ergeben sich in der Investitionsgütermarktforschung zunächst Schwerpunkte bei der explorativen Forschung. Expertengespräche, Kooperationen mit führenden Abnehmern, Beobachtung auf Messen und Ausstellungen sowie die Auswertung von Außendienstberichtssystemen stehen im Vordergrund. In der deskriptiven Forschung überwiegt die Sekundäranalyse. Daten der Amtlichen Statistik (insb. die Produktions- und Außenhandelsstatistik, gegliedert nach der International Standard Industrial Classification), Veröffentlichungen von Wirtschaftsorganisationen, Verbänden und sonstigen Institutionen liefern Anhaltspunkte für Marktpotenzial- und Marktvolumenschätzungen. Größere Bedeutung erlangen auch externe Datenbanken, seien es Dokumentationssysteme (z.B. über technische und naturwissenschaftliche Veröffentlichungen), Textdatenbanken (z.B. Firmen- und Wettbewerbsauskünfte, Branchenentwicklung, Ausschreibungen, Lizenzvergabe, Patentrecherchen) oder numerische Datenbanken, die volkswirtschaftliche Zeitreihen enthalten (Heinzelbecker, K. 1985).
Die Primärforschung greift für die Befragungen zumeist auf nicht zufällige Auswahlen zurück. So bietet sich neben der Auswahl weniger typischer Abnehmer das Konzentrationsverfahren auf wichtige Abnehmerbranchen und dort wieder auf die wichtigsten Kunden an. Daneben ist gegenüber Zufallsauswahl die Quotenauswahl zu bevorzugen, da aufgrund von Antwortverweigerungen (vor allem aus Geheimhaltungsgründen) Zufallsstichproben rasch systematische Fehler aufweisen. Ein größeres Problem stellt auch die Bestimmung der Auskunftspersonen im Unternehmen dar, wenn zu vermuten ist, dass die Kaufentscheidung von einem Einkaufsgremium mit z.T. unterschiedlichen Vorstellungen hinsichtlich der Lieferantenauswahl und der Leistungsspezifikation gefällt wird. Zur Kontaktierung der wichtigsten Vertreter des Gremiums kann auf das Schneeballverfahren zurückgegriffen werden, indem man sich von Vertretern der Einkaufsabteilung oder der Benutzerabteilung weitere Personen innerhalb bzw. außerhalb des Unternehmens (z.B. Consulting Engineers) nennen lässt, die am Beschaffungsvorgang beteiligt sind.
Nicht zu unterschätzende Schwierigkeiten bereitet auch die Abwicklung der Befragung. Da in Gesprächen mit Experten bei wichtigen Sachverhalten auf die einengende standardisierte Befragung zu verzichten ist, benötigt man technisch versierte Interviewer. Investitionsgüteranbieter müssen daher häufig auf ihr eigenes Fachpersonal (Forschungs- und Entwicklungsabteilung, Produktionsabteilung etc.) zurückgreifen.
Die in der Konsumgütermarktforschung weit verbreitete Durchführung von Experimenten findet sich in der Investitionsgütermarktforschung nur ansatzweise. So können in Kooperation mit Abnehmern verbal beschriebene oder in Form von Blaupausen vorgelegte Produktkonzepte getestet werden. Üblich ist auch die Präsentation von Dummys auf Messen oder der probeweise Einsatz von alternativen Produkten bei Abnehmern bis hin zur Demonstration von Großversuchen bzw. zum Aufbau von Referenzanlagen. Daneben bieten sich in der Kommunikationspolitik Werbetests und in der Distributionspolitik die Überprüfung alternativer Formen des Außendiensteinsatzes (Telefonmarketing versus Außendienstbesuch, Wirkung der Besuchshäufigkeit, alternative Präsentationsformen etc.) an.
Literatur:
American Marketing Association, : Dictionary of Marketing Terms, 2. A., Chicago 1985
Berekoven, L./Eckert, W./Ellenrieder, P. : Marktforschung, 10. A., Wiesbaden 2004
Böhler, H. : Marktforschung, 2. A., Stuttgart 1992
Churchill jr., G. A./Jacobucci, D. : Marketing Research, 8. A., Mason/Oh. 2002
Green, P. E./Tull, D. S. : Methoden und Techniken der Marketingforschung, Deutsche Übersetzung der 4. Auflage, Stuttgart 1982
Hammann, P./Erichson, B. : Marktforschung, 4. A., Stuttgart et al. 2000
Heinzelbecker, K. : Marketing-Informationssysteme, Stuttgart et al. 1985
Hoepner, G. : Computereinsatz bei Befragungen, Wiesbaden 1994
Hüttner, M./Schwarting, U. : Grundzüge der Marktforschung, 7. A., München et al. 2002
Kinnear, T. C./Taylor, J. R. : Marketing Research, 5. A., New York et al. 1996
Köhler, R. : Beiträge zum Marketing-Management, 3. A., Stuttgart 1993
Meffert, H. : Marketingforschung und Käuferverhalten, 2. A., Wiesbaden 1992
Passenberger, J. : Computerintegrierte Informationsverarbeitung in der empirischen Sozialforschung, Nürnberg 1989
Schäfer, E./Knoblich, H. : Grundlagen der Marktforschung, 5. A., Stuttgart 1978

 

 


 

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