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Strategisches Marketing


Inhaltsübersicht
I. Zur Genesis des Strategieansatzes
II. Strategien als Kernstück von Marketing-Konzeptionen
III. Strategisches Marketing und strategisches Management
IV. Perspektiven des strategischen Marketing

I. Zur Genesis des Strategieansatzes


Der Strategiegedanke hat griechische Wurzeln, und zwar ist das Wort Strategie dem Wort »strataegeo« (altgr.) entlehnt, was so viel bedeutet wie das Ausrichten des Handelns an übergeordneten Zielen. Strategisches Denken hat früh in die Militärlehre Eingang gefunden (Clausewitz, C. v. 1832). In der Ökonomielehre schlug es sich zuerst im Rahmen des spieltheoretischen Ansatzes (v.Neumann, J. v./Morgenstern, O. 1961) nieder, dem das Planprinzip zugrunde liegt, nicht nur die möglichen eigenen Handlungen, sondern auch die des Gegenspielers sowie die potenziellen Ergebnisse aller Handlungsweisen antizipativ zu berücksichtigen. Eine stärkere Beachtung des strategischen Denkens und Handelns in der betriebswirtschaftlichen Forschung und Praxis erfolgte im deutschen Sprachbereich erst ab etwa 1980 (u.a. Hahn, D./Taylor, B. 1980; Kreikebaum, H. 1981). Es fand seinen Niederschlag im Konzept der Strategischen Planung.
Erschwerte Markt- und Umfeldbedingungen in den 1970er-Jahren (1. Erdölkrise ab 1973) führten zu der Einsicht, dass Existenz und Wachstum der Unternehmen nicht mehr selbstverständlich gesichert sind. Es wurde vielmehr deutlich, dass nur die Unternehmen auf Dauer überleben werden, die nicht einfach ihr bisheriges Konzept bzw. ihre bisherige Planung fortschreiben (klassische Langfristplanung), sondern diejenigen, die ihre Überlebensstrategie konsequent an Markt- und Unternehmenspotenzialen ausrichten (moderne Strategische Planung).
Im Zusammenhang mit der strategischen Gesamtorientierung der Unternehmensführung wurde verstärkt der Fragestellung Aufmerksamkeit geschenkt, welche strategischen Schlüsselfaktoren den unternehmerischen Erfolg (Return on Investment [RoI] bzw. Cashflow) bestimmen. Großen Einfluss auf die weitere Entwicklung des Strategiegedankens hat dabei insbesondere das PIMS-Programm (Profit Impact of Market Strategies) gehabt (Buzzell, R. D./Gale, B. T. 1987). Das PIMS-Programm hat wesentlich zu einer Verfeinerung und Präzisierung des strategischen Planungsinstrumentariums geführt, was u.a. in den Portfolio-Analysen seinen Niederschlag gefunden hat.
Daneben setzte immer stärker eine sachinhaltliche Auseinandersetzung mit dem Strategiegedanken ein. Als »Pionierarbeit« gilt hier vor allem die relativ frühe amerikanische Veröffentlichung zur Managementstrategie von Ansoff (Ansoff, H. I. 1965) sowie später das Werk über Wettbewerbsstrategien von Porter (Porter, M. E. 1980). Während sich die Unternehmensführungslehre bis heute weitgehend an den allgemein strategischen Optionen Ansoffs und/oder Porters orientiert, hat die Marketing-Lehre bei der Entwicklung eines marktorientierten Führungskonzepts zunächst die instrumental-taktischen Fragen in den Vordergrund gerückt (Nieschlag, R./Dichtl, E./Hörschgen, H. 1968; Meffert, H. 1977). Etwa ab den 1980er-Jahren sind dann neben Planungsverfahren verstärkt strategie-inhaltliche Fragestellungen aufgegriffen worden. Dabei zeigte sich, dass differenzierte marketing-strategische Handlungsmuster nur schlüssig auf der Basis eines konzeptionellen Ansatzes (Becker, J. 1983; Becker, J. 2006), d.h. auf der Grundlage einer ganzheitlichen Sicht, angemessen problematisiert werden können.

II. Strategien als Kernstück von Marketing-Konzeptionen


Neue Markt- und Umfeldbedingungen wie etwa schwach wachsende, stagnierende bzw. rückläufige Märkte (Meffert, H. 1994) sowie nationaler und globaler (Verdrängungs-)Wettbewerb (Müller, S./Kornmeier, M. 2002) stellen an die Steuerung von Unternehmen neue Anforderungen. Das heißt, für die Sicherung von Existenz und Wachstum sind mehr denn je vollständige Marketing-Konzeptionen als Handlungsanweisungen notwendig.

1. Struktur einer Marketing-Konzeption und die Rolle von Strategien


Schlüssige, ganzheitliche Marketing-Konzeptionen setzen abgestimmte Entscheidungen auf drei Entscheidungsebenen voraus: der Ziel-, der Strategie- und der Mixebene, wobei der Strategieebene eine grundlegende Verbindungs- und Scharnierfunktion zukommt (vgl. Abb. 1).
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Abb. 1: Aufbau von Marketing-Konzeptionen (Quelle: Becker, J. 1983, S.75)
Die Marketing-Ziele legen gleichsam die Wunschorte des Unternehmens fest (»Wo wollen wir hin?«), die Marketing-Strategien fixieren die Route (»Wie kommen wir dahin?«), und der Marketing-Mix schließlich legt die Beförderungsmittel fest (»Was müssen wir dafür einsetzen?«).
Die Marketing-Ziele bestimmen mit anderen Worten anvisierte „ Zielorte “ des Unternehmens, die sich z.B. in sog. Marketing-Leitbildern konkretisieren lassen. Solche Marketing-Leitbilder legen sowohl wichtige marktökonomische Zielpositionen (u.a. Umsatz, Deckungsbeitrag, Marktanteil) als auch marktpsychologische Zielpositionen (u.a. Bekanntheitsgrad, Image, Kompetenz) fest. Der Marketing-Mix andererseits stellt die konzeptionsgerechte Bündelung und Realisierung aller notwendigen operativ-taktischen Marketing-Maßnahmen (Marketing-Instrumente) dar, um festgelegte Marketing-Ziele zu erreichen. Die einzelnen Instrumentalbereiche sind dabei jeweils für eine spezifische Teilaufgabe im Markt verantwortlich, und zwar die angebotspolitischen Instrumente (Produkte, Programm, Preis) für die eigentliche Produktleistung, die distributionspolitischen Instrumente (Absatzweg, Absatzorganisation, Absatzlogistik) für die Präsenzleistung und die kommunikationspolitischen Instrumente (wie Werbung, Verkaufsförderung, Öffentlichkeitsarbeit) für die Profilleistung. Nur die konsequente Verzahnung aller drei Teilleistungen führt zu einer vollständigen Marktleistung (und damit zum angestrebten Markt- und Unternehmenserfolg).
Art und Weise des operativen Marketing-Instrumenten-Einsatzes (einschließlich des notwendigen Aktivitätsniveaus bzw. des angemessenen Marketing-Budgets) sind abhängig vom gewählten marketing-strategischen Grundkonzept. Die Festlegung von Strategien stellt insoweit einen Entscheidungsbereich eigener Art dar, der konkretes Marketing-Handeln innerhalb eines strategischen Rahmens (Kanals) ermöglicht, um auf diese Weise »Schleuderbewegungen« beim Einsatz der Marketing-Instrumente (»Beförderungsmittel«) zu vermeiden (vgl. Abb. 2).
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Abb. 2: Steuerungsfunktion von Strategien (Quelle: Becker, J. 1986, S. 190)
Strategien stellen Grundsatzregelungen dar, die erst einen geordneten, zielgerichteten Einsatz der Marketing-Instrumente erlauben. Spezifisches Kennzeichen ist ihre mittel- bis langfristige Orientierung (im Einzelnen Becker, J. 2006).

2. Strategisches Basisraster und strategische Optionen


Strategische Steuerungsleistungen setzen entsprechende materiell-inhaltliche, Routen definierende Strategiefestlegungen voraus. Die Steuerungsleistung ist dabei umso besser, je spezifischer und komplexer die strategischen Handlungsmuster bestimmt werden. In diesem Sinne stellen erst mehrdimensionale Strategiefestlegungen eine hinreichende Kanalisierung (Routenbestimmung) des operativen Marketing-Instrumenteneinsatzes dar. Grundlage einer solchen mehrdimensionalen Strategiebestimmung ist ein mehrstufiges Strategiesystem (vgl. Abb. 3).
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Abb. 3: Strategie-Raster (Box der strategischen Bauelemente) (Quelle: Becker, J. 2006, S. 352)
Dieses Strategiesystem unterscheidet vier kunden-orientierte Strategieebenen mit jeweils spezifischen Routen bestimmenden Festlegungen (Becker, J. 2000b; Becker, J. 2006; die sog. wettbewerbs-orientierten Strategien Porters (Porter, M. E. 1980) korrespondieren mit den (b) Marktsimulierungsstrategien):

(a)

Marktfeldstrategien (Festlegung der Produkt/Markt-Kombinationen),

(b)

Marktstimulierungsstrategien (Bestimmung der Art und Weise der Marktbeeinflussung),

(c)

Marktparzellierungsstrategien (Festlegung von Art und Grad der Differenzierung der Marktbearbeitung),

(d)

Marktarealstrategien (Bestimmung der Art und Stufen des Markt- bzw. Absatzraumes).


Zu (a): Marktfeldstrategien
Einen zentralen Anknüpfungspunkt stellt zunächst die Festlegung des Leistungsprogramms (Produkt/Markt-Kombinationen) dar. Jedes Unternehmen verfügt grundsätzlich über vier marktfeldstrategische Optionen:

1.

Marktdurchdringung als strategische Urzelle (Durchsetzung bestehender Produkte in bestehenden Märkten),

2.

Marktentwicklung als Gewinnung von Zusatzmärkten für bestehende Produkte,

3.

Produktentwicklung als Entwicklung von Produktinnovationen für bestehende Märkte und

4.

Diversifikation als Schaffung neuer Produkte für neue Märkte.


Zu (b): Marktstimulierungsstrategien
Eine ganz zentrale strategische Festlegung bezieht sich auf die Art und Weise (»Mechanik«) der Einwirkung auf den Markt. Zwischen zwei strategischen Optionen kann das Unternehmen grundsätzlich wählen:

1.

Präferenzstrategie als Markenartikelstrategie, die auf einen Qualitätswettbewerb gerichtet ist, d.h. ein »Hochpreis-Konzept« auf Basis von Leistungsvorteilen, bei dem das Vorhandensein bzw. die Pflege von profilierten Marken und ihre richtige Positionierung erfolgsentscheidend sind oder

2.

Preis-Mengen-Strategie als Discountstrategie, die sich auf den Preiswettbewerb konzentriert, d.h. ein »Niedrigpreis-Konzept« auf Basis von Kostenvorteilen (Kostenführerschaft).


Zu (c): Marktparzellierungsstrategien
Auf dieser strategischen Ebene sind die Art und der Grad der Differenzierung in der Marktbearbeitung zu bestimmen. Auch hier kann das Unternehmen grundsätzlich zwischen zwei strategischen Basisoptionen wählen:

1.

Massenmarktstrategie als Abdeckung von Massenmärkten durch Konzentration auf die Bedürfnisbefriedigung von Massenabnehmern mit universalen Nutzenansprüchen oder

2.

Marktsegmentierungsstrategie als die Ausrichtung des Marketing-Programms auf spezifische Zielgruppen, d.h. homogene Teilmärkte mit speziellen Anforderungen. Bei beiden Strategien ist entweder eine totale oder eine partiale Marktabdeckung möglich.


Zu (d): Marktarealstrategien
Bei dieser Strategiefestlegung geht es schließlich um das geopolitische Vorgehen eines Unternehmens, das stark strukturierenden und damit strategischen Charakter hat. Hier können grundsätzlich zwei Basisoptionen unterschieden werden:

1.

Domestic Marketing, d.h. Konzentration auf das Inland als Absatzmarkt mit Abstufungen von der lokalen bis zur nationalen Marktabdeckung und

2.

International Marketing, d.h. von der multinationalen über die internationale bis hin zur Weltmarktabdeckung, wobei grundlegende Fragen der Standardisierung bzw. der Differenzierung des jeweils eingesetzten Marketing-Programms festzulegen sind.


3. Strategische Grundausstattung und strategische Evolution


Die Steuerungsfunktion für den operativen Marketing-Instrumenteneinsatz (»Kanalisierungsfunktion«) können Strategien nur auf der Basis mehrdimensionaler Festlegungen erfüllen (Becker, J. 2006, S. 354 ff.). Insofern besteht eine erste strategische Aufgabe darin, für ein Unternehmen zunächst eine »Grundausstattung« zu wählen. Als strategische Grundausstattung ist eine markt- und unternehmensspezifische Festlegung auf allen vier Strategieebenen anzusehen (= vertikale Strategiekombination). In Abb. 4 ist diese Festlegung eines Unternehmens modelltypisch dargestellt.
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Abb. 4: Strategische Grundausstattung (Quelle: Becker, J. 2006, S. 356)
Der mittel- bis langfristige Bindungsgrad von Strategie-Konzepten bedeutet nun aber nicht, dass strategisch operierende Unternehmen »starr« sind. Solche Konzepte erlauben nicht nur markt-, umfeld- und/oder unternehmensspezifisch notwendige Anpassungen, sondern sie machen aufgrund ihrer Rasterstruktur kontrollierte Anpassungsvorgänge überhaupt erst möglich. Damit ist die Grundfrage strategischer Evolution (= horizontale Strategieweiterentwicklung) angesprochen.
So kann etwa die Polarisierung von Märkten, d.h. Zuwächse in oberen und vor allem in unteren Marktschichten bei gleichzeitiger Rückentwicklung mittlerer Marktschichten (= »Verlust-in-der-Mitte-Phänomen«; Becker, J. 1988) je nach bisher verfolgtem Konzept zu strategischen Anpassungen (i.S. strategischer Verbreiterungen) zwingen. Für ein bisher ausschließlich in oberen Marktschichten präferenz-strategisch agierendes Unternehmen kann sich dann z.B. die Notwendigkeit ergeben, zusätzlich preis-mengen-strategisch in unteren Marktschichten zu operieren (etwa über ein preisaktiv vermarktetes Zweitmarkenprogramm), was eine wichtige strategische Anpassung auf der 2. strategischen Ebene darstellen kann (vgl. Abb. 5).
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Abb. 5: Strategische Anpassungen (Evolution) (Quelle: Becker, J. 2006, S. 361)
Zusätzlicher strategischer Handlungsbedarf kann sich auch aus der Erweiterung des Europäischen Marktes bzw. Globalisierung des Wettbewerbs ergeben, d.h. ein bisher nationales Strategiekonzept muss dann geo-politisch entsprechend weiterentwickelt werden (z.B. Internationale Strategie, also strategische Anpassung auf der 4. strategischen Ebene, vgl. Abb. 5).
Neben den angesprochenen strategischen Anpassungen auf der 2. und 4. strategischen Ebene sind ggf. notwendige Restrukturierungen oder Turnarounds zu beachten. So hat z.B. eine strategische Ausdehnung der unternehmerischen Aktivitäten bis hin zur Diversifikation (1. strategische Ebene) in vielen Unternehmen zu einer Programmvielfalt geführt, die sich nicht optimal steuern lässt bzw. für deren erfolgreiche Vermarktung häufig die (Marken-)Kompetenz fehlt. Viele Unternehmen besinnen sich deshalb auf strategische Kernfelder (Prahalad, C. K./Hamel, G. 1990) und trennen sich von zu weit streuenden Aktivitäten (Strategisches Credo: »Bleibe in der Nähe deiner Fähigkeiten«).

III. Strategisches Marketing und strategisches Management


Die bisherigen Überlegungen haben deutlich gemacht, dass strategische Konzepte sorgfältig geplant und von Zeit zu Zeit überprüft werden müssen. Entscheidend ist darüber hinaus, dass sie nicht nur professionell geplant, sondern auch konsequent implementiert werden (Meffert, H. 2000; Homburg, C./Krohmer, H. 2003).

1. Zur Planung des strategischen Marketing


Das Wesen strategischer Planung besteht darin, gezielt an den Markt- und Unternehmenspotenzialen anzuknüpfen. Insoweit ist jeder strategischen Planung folgendes strategische Planquadrat zugrunde zu legen (vgl. Abb. 6).
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Abb. 6: Das strategische Planquadrat
Im Rahmen markt- und unternehmensspezifischer Analysen müssen generelle Umfeldbedingungen erfasst und berücksichtigt werden – etwa Ressourcensituation, technologische, gesellschaftliche und gesamtwirtschaftliche Entwicklungen (Kuß, A./Tomczak, T. 2004). Das heißt m.a.W., bei der strategischen Planung müssen die Markt-, Umfeld- und Unternehmensgegebenheiten erfasst, gewichtet, verglichen und auf einen gemeinsamen unternehmensindividuellen Nenner gebracht werden, wobei auch (Phasen-)Bedingungen im Markt wie im Unternehmen (situative Komponente) angemessen berücksichtigt werden müssen (i.S.v. Adäquanzprüfungen, Becker, J. 2006).
Als wichtige Ausgangsbasis eines strategischen Grundkonzepts sind die Festlegungen auf der 1. strategischen Ebene (vgl. Abb. 3) anzusehen, und zwar insbesondere die programm- bzw. innovationsstrategischen Stoßrichtungen (»Innovationsportfolio«, vgl. Abb. 7).
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Abb. 7: Innovative Stoßrichtungen (Quelle: Becker, J. 2006, S. 381)
In einem solchen »Innovationsportfolio« schlägt sich sowohl die Mission (= konkretisiertes Betätigungs- und Kompetenzfeld des Unternehmens) als auch die Vision (= ehrgeizige Zukunftsorientierung des Unternehmens, z.B. neue Kunden-Problemlösung als Antwort auf erwartete neue Markt- und Umfeldszenarien) nieder. Erst auf der Grundlage einer konkretisierten Mission und Vision, die etwa auch neue gesellschaftliche Verantwortungen (z.B. ökologische Anforderungen) berücksichtigt, können grundlegende Marktbearbeitungsstrategien (insbes. Marktstimulierung-, Marktparzellierungs- und Marktarealstrategien = 2., 3. und 4. strategische Ebene, vgl. Abb. 3) festgelegt werden. Hier erweisen sich in der Regel klare (»saubere«) Strategien als besonders erfolgreich, während »Zwischen-drin-Positionen« eher niedrige Rentabilitätsniveaus aufweisen (vgl. Abb. 8).
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Abb. 8: Rentabilitätsniveaus von Marketing-Strategien (Quelle: Becker, J. 2006, S. 358)
Neben der strategischen Sauberkeit der Konzepte ist aufgrund der zunehmenden Wettbewerbsdynamik auch das strategische Timing von erfolgsbestimmender Bedeutung (Vorteile der Pionier- oder Führer- gegenüber der Folgerstrategie; Backhaus, K. 2003). Ein möglichst früher Marktzutritt wird meistens mit entsprechenden Marktanteils- und Gewinnvorteilen (nicht selten auf Dauer) belohnt.
Bei der Verfolgung marketingstrategischer Konzepte ist darüber hinaus zu beachten, dass im Verlauf dynamischer Wettbewerbsprozesse strategische Weiterentwicklungen im Sinne einer so genannten Überholstrategie (Outpacing Strategy; Gilbert, X./Strebel, P. J. 1985; Kleinaltenkamp, M. 1987) notwendig werden können (vgl. Abb. 9).
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Abb. 9: Stoßrichtung einer Überholstrategie
Gerade der Pionier im Markt, der mit einer Produktinnovation (Qualitätsführerschaft) und einer nahe liegenden Präferenz- oder Hochpreisstrategie »Pionierrenten« abschöpft, muss frühzeitig realisieren, dass solche Pionierrenten Konkurrenten anlocken, die i.d.R. mit niedrigeren Preisen in den Markt eintreten (bis hin zu ausgesprochenen preismengen-strategisch operierenden Folgern), was zu einem teilweise dramatischen Preisverfall führen kann. Wenn der Pionier auf Dauer überleben will, so muss er rechtzeitig durch Prozessinnovationen bzw. Kostensenkungsprogramme (Stichworte: Process Reengineering, Downsizing, Outsourcing) die Voraussetzungen für eine zusätzliche  Kostenführerschaft schaffen (= doppelter Wettbewerbsvorteil: Qualitäts- und Kostenführerschaft).
Darüber hinaus sind Entwicklungen zu beachten, die zu neuen strategischen Regeln führen können, und zwar sowohl auf der Basis von »Anregungen« seitens der Abnehmer als auch aufgrund von Initiativen der Wettbewerber (z.B. neue Systemstrategien oder neue Servicekonzepte). Hierbei sind jeweils auch branchenspezifische Marktbedingungen, wie etwa in Investitionsgüter- oder in Dienstleistungsmärkten, zu berücksichtigen (Backhaus, K. 2003; Meyer, A. 1998).

2. Grundfragen der Strategierealisierung


Die bisherigen Überlegungen machen deutlich, dass das strategische Marketing eine Leitplanung für das gesamte Unternehmen darstellt, da der Absatzmarkt die eigentliche »Front« des Unternehmens ist, auf die alle Unternehmensaktivitäten ausgerichtet werden müssen (kunden-orientiertes Marketing als Führungskonzept). Die Realisierung strategischer Konzepte ist dabei an die Schaffung bzw. Weiterentwicklung adäquater organisatorischer Strukturen gebunden wie auch an das Vorhandensein bzw. die Bereitstellung (und Weiterentwicklung) eines entsprechenden personellen Potenzials (Human Resources) bis hin zur strategie-geleiteten Verhaltenssteuerung der Organisationsmitglieder (Becker, J. 2006, S. 836 ff.).
Was die organisatorische Implementierung von strategischen Konzepten angeht, so gibt es keine Standardlösungen. Neben der klassischen, funktionsorientierten Organisationsstruktur sind weiterentwickelte Organisationsformen möglich und ggf. sinnvoll (z.B. die funktions- und objektorientierte Matrixorganisation oder auch die um die Länder- oder Gebieteorientierung ergänzte dreidimensionale Tensororganisation). Im Hinblick auf die konsequente Steuerung einzelner Produkt/Markt-Kombinationen hat man im Zuge zunehmender strategieorientierter Führung auch Organisationsstrukturen auf der Basis sog. Strategischer  Geschäftseinheiten zu realisieren gesucht.
Über adäquate strategieorientierte Organisationsarchitekturen hinaus spielt – das wird häufig übersehen – das personelle Element bei der Realisierung von Strategiekonzepten eine besondere Rolle. Solche Konzepte sind nicht einfach Leitpapiere (Policy Paper), sondern ihr Inhalt und insbesondere ihr Geist, d.h. die dahinter stehende Philosophie, muss von allen Organisationsmitgliedern verstanden, akzeptiert, verinnerlicht (Shared Value) und schließlich markt- bzw. kundenrelevant umgesetzt werden. Strategisches Marketing bedarf insoweit eines Bewusstseinsprozesses, ausgehend von der obersten Spitze bis hin in die Exekutionsstufen aller Funktionsbereiche des Unternehmens. Insbesondere das Management ist demnach gefordert, allen Organisationsmitgliedern klar und handhabbar die Mission des Unternehmens wie auch seine Vision zu vermitteln, und zwar als übergeordnete Handlungsregeln. Strategische Konzepte müssen jedenfalls – sollen sie erfolgreich sein – entsprechend »gelebt« werden.
Abschließend sollen noch zwei grundlegende Dimensionen der Strategierealisierung angesprochen werden (Becker, J. 2006): Das Schnittstellenmanagement einerseits und (externe) Strategierealisierungsformen andererseits. Angesichts eines starken Kosten-, Qualitäts- und Zeitwettbewerbs werden Unternehmen auf Dauer nur überleben können, wenn sie nicht nur die Marketing-Potenziale nutzen, sondern alle Funktionsbereiche (u.a. Forschung und Entwicklung, Beschaffung, Produktion Logistik) marktgerecht bündeln sowie deren Ressourcen konsequent ausschöpfen, und zwar im Sinne einer optimalen Steuerung der Wertkette des ganzen Unternehmens (einschließlich eines Total Quality Managements bzw. kontinuierlichen Verbesserungsprogrammes). Der verstärkte Wettbewerb, der sich immer mehr zu einem globalen Wettbewerb entwickelt, erfordert außerdem andere bzw. zusätzliche Realisierungsformen strategischer Konzepte. Neben internen erhalten verschiedene Formen externer Strategierealisierung einen besonderen Stellenwert, u.a. Kooperationen bzw. Strategische Allianzen oder auch Aufkauf bzw. Fusion (Mergers & Acquisitions). Mit der Wahl solcher Realisierungsformen sollen grundlegende Verbesserungen sowohl bei den Leistungserstellungs- als auch bei den Leistungsverwertungsprozessen (strategische Netzwerke) geschaffen werden (Picot, A. et al. 2003).

IV. Perspektiven des strategischen Marketing


Strategisches Marketing ist die konsequente Antwort der Unternehmen auf schwieriger gewordene Markt- und Umfeldbedingungen. Der Fokus der strategischen Orientierung hängt dabei ab von jeweiligen phasenspezifischen Bedingungen und davon beeinflussten Sichtweisen des Managements. Im Laufe der Entwicklung haben sich insoweit bestimmte Schwerpunktverlagerungen der strategischen Sicht vollzogen (vgl. Abb. 10).
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Abb. 10: Änderungen der marketing-strategischen Sicht
Das heißt, die ursprüngliche Verbraucher-Orientierung ist später von der Absatzmittler- oder Handelsorientierung überlagert worden. In den 1980er-Jahren ist dann die Wettbewerbsorientierung etwas einseitig in den Vordergrund gerückt worden. Inzwischen wurde wieder erkannt, dass der Unternehmenserfolg weniger auf Vorteilen gegenüber den Wettbewerbern (u.a. Gefahr eines Over-engineering und Out-pricing), sondern vor allem auf Problemlösungsvorteilen für den Verbraucher (i.S. akzeptierter Preis-Leistungs-Verhältnisse) beruht.
Aufgrund des Wertewandels wie auch aufgrund neuer produktions- und kommunikationstechnologischer Möglichkeiten ist ein »Strategietrend« wirksam, der sich – ausgehend vom ursprünglich undifferenzierten Massenmarketing – immer deutlicher in segmentorientierten Konzepten niedergeschlagen hat und inzwischen über Nischenkonzepte hinaus verstärkt zu kundenindividuellen Marketingkonzepten (Customized Marketing) führt (Becker, J. 2000a). Das heißt, eine immer spezifischere Kundenorientierung und Kundenzufriedenheit werden in Zukunft im Fokus strategischer Marketingkonzepte stehen (müssen).
Literatur:
Ansoff, H. I. : Corporate Strategy, New York et al. 1965
Backhaus, K. : Industriegütermarketing, 7. A., München 2003
Becker, J. : Grundlagen der Marketing-Konzeption, München 1983
Becker, J. : Steuerungsleistungen und Einsatzbedingungen von Marketingstrategien, in: Marketing-ZFP, Nr. 3/1986, S. 189 – 198
Becker, J. : Das Verlust-in-der-Mitte-Phänomen. Auswirkungen und strategische Konsequenzen, in: Thexis, Nr. 4/1988, S. 39 – 43
Becker, J. : Der Strategietrend im Marketing, München 2000a
Becker, J. : Marketing-Strategien, München 2000b
Becker, J. : Marketing-Konzeption. Grundlagen des ziel-strategischen und operativen Marketing-Managements, 8. A., München 2006
Buzzell, R. D./Gale, B. T. : The PIMS Principles. Linking Strategy to Performance, Boston/Mass. 1987
Clausewitz, C. v. : Vom Kriege – Hinterlassenes Werk, Berlin 1832
Gilbert, X./Strebel, P. J. : Outpacing Strategies, in: IMEDE-Perspective for Managers, Nr. 2/September 1985
Hahn, D./Taylor, B. : Strategische Unternehmensplanung, Heidelberg et al. 1980
Kleinaltenkamp, M. : Die Dynamisierung strategischer Marketing-Konzepte, in: ZfbF, Nr. 1/1987, S. 31 – 52
Köhler, R. : Beiträge zum Marketing-Management, 3. A., Stuttgart 1993
Kreikebaum, H. : Strategische Unternehmensplanung, Stuttgart et al. 1981
Kuß, A./Tomczak, T. : Marketingplanung, 4. A., Wiesbaden 2004
Meffert, H. : Marketing, Wiesbaden 1977
Meffert, H. : Marketing-Management, Wiesbaden 1994
Meffert, H. : Marketing, 9. A., Wiesbaden 2000
Meyer, A. : Handbuch Dienstleistungsmarketing, Stuttgart 1998
Müller, S./Kornmeier, M. : Strategisches Internationales Management, München 2002
Neumann, J. v./Morgenstern, O. : Spieltheorie und wirtschaftliches Verhalten, Wiesbaden 1961
Nieschlag, R./Dichtl, E./Hörschgen, H. : Einführung in die Lehre von der Absatzwirtschaft, Berlin 1968
Nieschlag, R./Dichtl, E./Hörschgen, H. : Marketing, 19. A., Berlin 2002
Picot, A. : Die grenzenlose Unternehmung, 5. A., Wiesbaden 2003
Porter, M. E. : Competitive Strategy, New York 1980
Prahalad, C. K./Hamel, G. : The Core Competence of the Corporation, in: HBR, Nr. 3/1990, S. 79 – 91

 

 


 

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