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Materialbedarfsplanung


Inhaltsübersicht
I. Die Aufgabenstellung der Materialbedarfsplanung
II. Grundsätzliche Vorgehensweisen und zugehörige Anwendungsbereiche
III. Die Klassifizierung von Artikeln nach Verbrauchswert und Vorhersagbarkeit des Bedarfs
IV. Datenstrukturen zur Erfassung und Verwaltung des Bedarfs
V. Algorithmen zur Berechnung des Materialbedarfs
VI. Die Einbindung in das betriebliche Produktionsplanungssystem

I. Die Aufgabenstellung der Materialbedarfsplanung


Materialbedarfsplanung ist eine Teilaufgabe der mittel- und kurzfristigen Produktionsplanung. Sie muss die für die Produktion benötigten Materialien nach Art und Menge bestimmen und fristgerecht bereitstellen. Für diese Aufgabenstellung gibt es verschiedene Vorgehensweisen und entsprechende Planungsverfahren, die sich hinsichtlich der grundsätzlichen Art und Weise der Aufgabenerfüllung und damit hinsichtlich der Anforderungen an die Struktur und Genauigkeit der zugrunde zu legenden Daten, des Umfangs und der Komplexität der durchzuführenden Informationsverarbeitungsaufgaben sowie der Detailliertheit und Verlässlichkeit der Planungsergebnisse unterscheiden. Die Auswahl und Implementierung der Vorgehensweisen und Planungsverfahren, die für eine konkrete Situation angemessen sind, gehört mit zur Aufgabenstellung.
Ziel der so verstandenen umfassenden Materialbedarfsplanung ist die Minimierung der gesamten Kosten, die aus der Aufgabenlösung resultieren. Dabei sind sowohl die Kosten zu berücksichtigen, die mit der grundsätzlichen Vorgehensweise und der Durchführung der Planung verbunden sind, als auch die Kosten, die sich aufgrund der Planungsresultate ergeben. Die Lösung der Aufgabenstellung der Materialsbedarfsplanung erfolgt im Sinne des heuristischen Planens schrittweise, indem zunächst über die Art des grundsätzlichen Vorgehens entschieden wird und dann für die Vorgehensweise ein angemessenes Planungsverfahren eingerichtet wird. Die Festlegung von Vorgehensweisen und Planungsverfahren ist dabei mittelfristiger Natur, die Durchführung der Planungsvorgänge erfolgt kurzfristig.

II. Grundsätzliche Vorgehensweisen und zugehörige Anwendungsbereiche


1. Grundsätzliche Vorgehensweisen


Grundsätzlich lassen sich vier Vorgehenswiesen unterscheiden: fallweise auftragsbezogene Einzelbeschaffung, Vorratshaltung auf der Basis durchschnittlicher Verbrauchwerte, vorausschauende terminierte Materialbereitstellung auf der Basis des exakten Produktionsprogramms und einsatzsynchrone kontinuierliche Materialbereitstellung auf der Basis von Produktions- und Materialflussraten.
Fallweise auftragsbezogene Einzelbeschaffung verzichtet auf eine Materialbedarfsplanung im eigentlichen Sinn. Beschaffungs- und Bereitstellungsmaßnahmen werden hier nicht vorausschauend vorgenommen, sondern erst ausgelöst, wenn aufgrund eines Auftrages ein konkreter Bedarf vorliegt. Das Material wird aufgrund einer auftragsbezogenen Gesamtbedarfsliste beschafft, in der die benötigten Materialien nach Art und Menge verzeichnet sind. Die Aufgabe der Materialbedarfsplanung beschränkt sich mit der Bestimmung der Gesamtbedarfslisten aus den Konstruktionsunterlagen auf eine Mengenberechnung. Die Bereitstellungstermine ergeben sich ad hoc.
Bei Vorratshaltung lässt sich das Material kurzfristig vom Lager abrufen. Die Materialbedarfsplanung muss in diesem Fall für eine ausreichende Bevorratung im Lager sorgen, in der weder eine Verknappung eintritt noch unnütze Bestände aufgebaut werden. Planungsgrundlage sind Informationen über Bedarfe pro Zeiteinheit in der Form deterministischer oder zufallsverteilter Raten. Sie sind mithilfe von Prognoseverfahren direkt zu ermitteln, wenn die Verbräuche der Materialien aus der Vergangenheit in die Zukunft extrapoliert werden können. Lassen sich Nachfrageraten für die Endprodukte prognostizieren, können daraus prognostizierte Bedarfsraten für die Materialien bestimmt werden. Auf der Grundlage dieser Raten sind geeignete Bestell- und Lagerhaltungspolitiken festzulegen, die eine unter den vorliegenden Umständen kostenminimale Versorgung mit Material gewährleisten. Allgemein sind Bestellzeitpunkt und Bestellmenge zu bestimmen. Bei dieser Vorgehensweise spricht man von verbrauchsorientierten Verfahren der Materialbedarfsplanung. Durch Vorratshaltung lässt sich ein Großteil der Risiken der Materialversorgung vermeiden. Die auftragsbezogene Durchlaufzeit verringert sich auf die Frist, die für die Produktion benötigt wird. Dafür entstehen Kosten für Lagereinrichtungen, laufende Betriebskosten des Lagers sowie Kapitalbindungskosten für gelagertes Material.
Die vorausschauende Planung einer terminierten Materialbereitstellung geht von einem nach Art, Menge und Termin festgelegten Bedarf an verkaufsfähigen Produkten, dem Primärbedarf, aus. Auf der Grundlage der Primärbedarfe und der Informationen über die Zusammensetzung der Produkte und unter Einbeziehung der Vorlauffristen, die nötig sind, um die Produkte und Zwischenprodukte zu erstellen, werden terminierte Bedarfe für die Zwischenprodukte und das Material, die Sekundärbedarfe, ermittelt. Es kann sinnvoll sein, z.B. bei Berücksichtigung von Rüst- oder Bestellkosten, vom terminierten Sekundärbedarf abweichende Auftragsmengen und Termine vorzusehen. In den Planungsvorgang wird eine Losgrößenplanung integriert. Die entstehenden Lagerbestände sind zu verwalten. Darüber hinaus können Kapazitätsbeschränkungen berücksichtigt werden. Insgesamt sind terminierte Bedarfe so zu bestimmen, dass eine möglichst verzögerungsfreie und bestandsarme Produktion realisiert werden kann. Dieses wirkt sich auf Durchlaufzeit und Kapitalbindungskosten aus. Bei der skizzierten Vorgehensweise spricht man von programmorientierten Verfahren der Materialbedarfsplanung, wie dem Konzept des Material Requirements Planning (MRPI) bzw. des Manufacturing Resource Planning (MRPII). Sie ist in der Regel Bestandteil von computergestützten Produktionsplanungs- und -steuerungssystemen.
Einsatzsynchrone kontinuierliche Materialbereitstellungen organisiert die Materialsbedarfe in Form von Flussraten. Voraussetzung ist eine über eine längere Zeit relativ gleich bleibende Nachfragerate nach dem Endprodukt. Auf dieser Grundlage lassen sich aus den Materialbedarfen pro Stück die Materialbedarfe pro Zeiteinheit berechnen, die dem Produktionsvorgang laufend zugeführt werden. Um die Kapitalbindung möglichst gering zu halten, erfolgt die Materialbereitstellung möglichst zeitnah zum Verbrauchszeitpunkt. Das bedingt hohe Anforderungen an die Logistik. Diese Vorgehensweise hat in den letzten Jahren mit der Ausdehnung von Fließfertigungsprinzipien etwa durch Just in Time- und Lean Production-Konzepte an Wichtigkeit gewonnen.
Die hier dargestellten Vorgehensweisen beruhen auf einer typisierenden Kennzeichnung, die in engem Zusammenhang mit dem Produktionstyp, der Art der Nachfrage und den Möglichkeiten der Beschaffung steht.

2. Anwendungsbereiche der verschiedenen Vorgehensweisen


Die Anwendungsmöglichkeiten der verschiedenen Vorgehensweisen hängen stark davon ab, welche allgemeinen Bedingungen für die Produktion gelten. Dazu zählen vor allem der Typ der Prozesswiederholung, d.h. Einzel-, Serien- oder Massenfertigung einerseits und der Typ der Organisation der Fertigung, d.h. Werkstatt- oder Fließfertigung andererseits.
Ein Unternehmen der Einzelfertigung, das nach Werkstattprinzipien organisiert ist, wird in nahe liegender Weise seine Materialbedarfsplanung auftragsweise vornehmen. Für ein Unternehmen der Massenfertigung, das nach Fließprinzipien organisiert ist, ist eine einsatzsynchrone kontinuierliche Materialbereitstellung nahe liegend. Die Materialbedarfsplanung ist in beiden Fällen mit den Methoden der mengenmäßigen Stücklistenauflösung durchführbar. Die eigentlichen Probleme bestehen hier in der Bewältigung der Grundorganisation. Man denke bei der ratenorientierten Bedarfsplanung etwa an eine variantenreiche Fertigung nach dem Just in time-Prinzip oder bei der fallweisen Vorgehensweise an die Einzelplanung von Großprojekten.
Die umfangreichste Literatur beschäftigt sich mit den beiden verbleibenden Vorgehensweisen, die für den Fall des Serienfertigers gelten, bei dem in der Regel eine Kombination von Werkstatt- und Fließfertigungsorganisation vorliegt. Die Produktion erfolgt in Losen, die Produktionsanlagen werden alternierend zur Herstellung verschiedener Produktarten benutzt. Dabei ist häufig eine Teilefertigung und eine Montage zu finden. Das gilt für weite Bereiche der Konsumgüterindustrie wie der Möbel- oder der Elektrobranche, aber auch für große Teile der Investitionsgüterindustrie, etwa den Maschinenbau oder den Nutzfahrzeugbau. Wegen des wechselnden Produktprogramms bei alternierender Fertigung mit in der Regel großem Teilespektrum ist die Materialbedarfsplanung eine höchst komplexe Aufgabenstellung. Der zu tätigende Planungsaufwand hängt stark von dem Genauigkeitsgrad der Bedarfsermittlung ab, der für einen Artikel vorgesehen ist. Der Begriff Artikel wird im Folgenden als umfassender Begriff für Produkte, Zwischen- oder Vorprodukte, Teile und Rohmaterial benutzt.
Den grundsätzlichen Vorgehensweisen der Vorratshaltung bzw. der terminierten Materialbereitstellung entsprechen zwei Gruppen von Verfahren zur Materialbedarfsplanung: Verfahren der verbrauchsgesteuerten Disposition und Verfahren der programmgesteuerten Disposition. Der verfahrenstechnische Unterschied beruht auf einer unterschiedlichen Aufbereitung der Informationen über den Bedarf. Die verbrauchsgesteuerte Disposition geht von einer gleich bleibenden Bedarfsrate für den zu disponierenden Artikel aus. Sie lässt sich entweder deterministisch durch eine reelle Zahl oder stochastisch durch eine Zufallsgröße zur Erfassung der erforderlichen Mengeneinheiten pro Zeiteinheit angeben. Die programmgesteuerte Disposition ist bei der terminierten Materialbereitstellung vorgesehen. Sie wird für Artikel verwendet, für die eine Vorratshaltung mit einer zu hohen Kapitalbindung verbunden ist, weil der Wert der Artikel hoch ist oder der Artikel nur selten benötigt wird. Auch für den Fall, dass ein unvorhersehbarer Bedarf eintritt, wird die verbrauchsgesteuerte Disposition eingesetzt, die dann den Charakter der fallweisen Regelung annimmt. Die Zuordnung von Dispositionsverfahren zu Artikeln erfolgt in der Praxis häufig entsprechend einer Klassifizierung auf der Grundlage von heuristischen Regeln, die sich am Wert und an der Vorhersehbarkeit des Bedarfs orientieren.

III. Die Klassifizierung von Artikeln nach Verbrauchswert und Vorhersagbarkeit des Bedarfs


1. Die Verbrauchswertanalyse


Bei einer Verbrauchwertanalyse werden die Artikel entsprechend dem Verbrauchswert pro Periode, z.B. dem Jahresverbrauchswert, eingeteilt. Man spricht von einer ABC-Analyse entsprechend einer Gruppierung in A-Artikel mit hohem Verbrauchswert, B-Artikel mit mittlerem Verbrauchswert und C-Artikel mit niedrigem Verbrauchswert. Häufig ergibt sich, dass ein relativ kleiner Prozentsatz der Anzahl der Artikel für einen hohen Anteil am Verbrauchswert und damit für eine mögliche Kapitalbindung im Lager verantwortlich ist. Dieser Sachverhalt wird auch als 20/80-Regel bezeichnet, weil typischerweise etwa 20 Prozent der Artikel ungefähr 80 Prozent des Verbrauchswertes aller Artikel ausmachen. Werden die Artikel nach fallenden Verbrauchswerten geordnet und die kumulierten Prozentanteile am Verbrauchswert aller Artikel grafisch gegen die kumulierten prozentualen Anteile der Artikelanzahl aufgetragen, ergibt sich typischerweise eine logistische Kurve wie in Abb. 1.
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Abb. 1: Logistische Kurve der ABC-Analyse
Die Artikel werden so zu Klassen zusammengefasst, dass die Artikel einer Klasse in der Rangordnung der Verbrauchswerte aufeinander folgen. Es ist plausibel, dass die A-Artikel genauer als B-Artikel kontrolliert werden sollten und diese wiederum genauer als C-Artikel. In der Regel setzt man für A-Artikel routinemäßig programmgesteuerte und für B- und C-Artikel verbrauchsgesteuerte Dispositionsverfahren ein. Dabei werden für B- sowie C-Artikel Verfahren verwendet, die sich nach Prognose- und Kontrollaufwand unterscheiden.

2. Bedarfsverlaufsanalyse


Neben dem Verbrauchswert spielt der Bedarfsverlauf und damit die Voraussagbarkeit des Bedarfs eine wesentliche Rolle für die Klassifizierung der Artikel hinsichtlich der einzusetzenden Vorgehensweisen. Dabei werden Artikel mit regelmäßigem Bedarf, Artikel mit schwankendem, insbesondere trendförmigem oder saisonalem Bedarf und Artikel mit sehr unregelmäßigem Bedarf unterschieden. Entsprechend der Anfangsbuchstaben der zur Klassifizierung verwendeten Adjektive spricht man von einer RSU-Analyse. Häufig werden zur Kennzeichnung der Klassen auch die Buchstaben X, Y und Z verwendet. Es wird auch von einer XYZ-Analyse gesprochen. Für Artikel mit regelmäßigem Bedarf und hohem Verbrauchswert ist zu überlegen, ob die Materialbereitstellung einsatzsynchron und kontinuierlich, also just in time, erfolgen soll. Bei geringem Verbrauchswert sollte man eine Bevorratung in Betracht ziehen. Artikel mit unregelmäßigem Bedarf können fallweise bzw. programmgesteuert disponiert werden. Die Diskussion der Vorteilhaftigkeit einzelner Vorgehensweisen erfolgt auch hier auf der Basis heuristischer Kriterien.

IV. Datenstrukturen zur Erfassung und Verwaltung des Bedarfs


1. Die Artikelstruktur und ihre Darstellungsmöglichkeiten


Der systematische Aufbau und die Zusammensetzung der Artikel wird als Artikelstruktur bezeichnet. Die Artikelstruktur kennzeichnet den Bedarf an Vorprodukten und Materialien und wird für jeden eigenerstellten Artikel in einer Stückliste beschrieben. In der Praxis findet sich die Erstausfertigung von Stücklisten in der Regel auf den Konstruktionszeichnungen. Eine Stückliste ist ein Verzeichnis aller Materialien, Teile und Baugruppen, die für die Herstellung eines Artikels benötigt werden. Eine Baukastenstückliste enthält dabei nur den Direktbedarf, d.h. diejenigen Gegenstände, die unmittelbar in den Artikel eingehen. Neben der genauen Gegenstandsart ist die Menge anzugeben, die für eine Einheit des betrachteten Artikels benötigt wird. Für jeden Artikel, der im Unternehmen hergestellt wird, gibt es genau eine Baukastenstückliste. In Abb. 2 sind exemplarisch die Baukastenstücklisten für Stühle und Hocker einer industriellen Kleintischlerei dargestellt. Dabei wird unterstellt, dass ein Stuhl baugleich mit einem Hocker ist und sich lediglich durch eine in die Sitzfläche mit Streben eingelassene Lehne unterscheidet.
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Abb. 2: Baukastenstücklisten
Der Zusammenhang der Teile und Baugruppen lässt sich auch durch eine grafische Darstellung in Form eines Gozintographen erfassen. In einem Gozintographen wird jeder Artikel, der hergestellt oder zur Herstellung benutzt wird, durch einen Knoten dargestellt. Ausgehend von einem Knoten verweisen Pfeile auf die Knoten der Artikel, für die der Artikel des Ausgangsknotens benötigt wird. An den Pfeilen lassen sich die benötigten Mengen angeben. Die Baukastenstücklisten der Abb. 2 sind im Gozintographen der Abb. 3 dargestellt.
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Abb. 3: Gozintograph
Eine solche Darstellung gibt den Zusammenhang zwischen den Artikeln recht anschaulich wieder, verliert aber bei größerer Artikelzahl natürlich schnell an Übersichtlichkeit. Sie ist daher in erster Linie ein didaktisches Hilfsmittel.
Ausgehend von den Stücklisten bzw. dem Gozintographen lässt sich der Direktbedarf auch in Form einer Matrix D angeben. Dazu werden die Artikel zunächst durchnummeriert. Die Direktbedarfsmatrix ist ein quadratisches Zahlenschema; dabei ist die Zeilen- bzw. Spaltenzahl gleich der Artikelanzahl. Mit dem Zeilenindex i und dem Spaltenindex j gibt jedes Element dij der Matrix an, welche Menge des Artikels i für eine Mengeneinheit des Artikels j benötigt wird. Die Direktbedarfsmatrix ist die formale Grundlage für sämtliche Bedarfsberechnungen im Rahmen einer programmgesteuerten Materialbedarfsplanung.
Für eine systematische Materialbedarfsplanung müssen sämtliche Artikel, die in der Fertigung eines Unternehmens vorkommen, erfasst und im Weiteren verwaltet werden. Für größere Datenmengen ist dabei ein Computer mit einem entsprechenden Programm von großer Hilfe. In der Praxis werden so genannte Produktionsplanungs- und -steuerungssysteme (PPS-Systeme) zur Unterstützung dieser Aufgabe eingesetzt, die in der Regel auf einer Datenbank aufsetzen. Im Folgenden wird die für die Materialbedarfsplanung notwendige Datenstrukturierung am Beispiel einer relationalen Datenbank skizziert.

2. Artikel- und Direktbedarfstabelle


In einer Artikeltabelle ist jeder Artikel des Unternehmens mit den Merkmalen abzulegen, die für die weitere Verwaltung wichtig sind. Für die Berechnung der Bedarfe sind Merkmale wie die Artikelnummer, die Bezeichnung, der Artikeltyp und die Dispositionsstufe wichtig. Beim Artikeltyp lässt sich die Information darüber ablegen, ob der Artikel eigenerstellt (e) oder fremdbeschafft (f) ist und ob er nachfragegesteuert (n) oder programmgesteuert (p) disponiert wird. Letzteres lässt sich mithilfe der oben erläuterten Klassifizierung festlegen. Die Dispositionsstufe ist eine Information über die Reihenfolge, in der die programmgesteuerten Artikel disponiert werden müssen. Im Folgenden wird davon ausgegangen, dass die Disposition auf der höchsten Dispositionsstufe beginnen soll. Alle fremdbezogenen Artikel sind dann auf der Dispositionsstufe 1. Die weitere Festlegung erfolgt rekursiv. Hat man die Artikel der Dispositionsstufe k festgelegt, lassen sich die Artikel der Dispositionsstufe k+1 als diejenigen Artikel bestimmen, die noch keiner Dispositionsstufe zugeordnet sind und in die nur Artikel aus bisher schon bestimmten Dispositionsstufen eingehen. Für das Beispiel ist eine entsprechende Artikeltabelle in Abb. 4 angegeben.
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Abb. 4: Artikeltabelle
Jeder eigenerstellte Artikel hat eine Baukastenstückliste. In einer Direktbedarfstabelle werden diese Informationen dadurch erfasst, dass man jeder Artikelnummer eines eigenerstellten Artikels – im Folgenden als Oberartikel bezeichnet – die Nummern der Unterartikel zuordnet, d.h. derjenigen Artikel, die in den Oberartikel eingehen. Darüber hinaus ist die benötigte Menge pro Einheit des Oberartikels anzugeben sowie die Vorlauffrist, mit der die Unterartikel für den Oberartikel bereitgestellt werden müssen. In Abb. 5 ist die Direktbedarfstabelle für das Beispiel angegeben.
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Abb. 5: Direktbedarfstabelle
In der Direktbedarfstabelle sind hinsichtlich der Bedarfe die gleichen Informationen gespeichert wie in der Direktbedarfsmatrix. Alle von null verschiedenen Elemente der Direktbedarfsmatrix gehen mit ihrem Spaltenindex als Oberartikelnummer, ihrem Zeilenindex als Unterartikelnummer und dem Elementwert als Mengenangabe ein.
Bei Vorliegen einer Artikeltabelle und einer Direktbedarfstabelle ist es einfach, Baukastenstücklisten oder auch Verwendungsnachweise zu erstellen. Für eine Baukastenstückliste eines Artikels sind die entsprechenden Unterartikel mit ihren Artikelnummern und den Bedarfsmengen pro Einheit der Direktbedarfstabelle zu entnehmen. Umgekehrt lassen sich für einen Verwendungsnachweis über die Oberartikelnummer auch alle Artikel heraussuchen, in die ein Artikel eingeht. Derartige Datenbankabfragen lassen sich leicht mit Datenbankabfragesprachen  wie SQL realisieren.

V. Algorithmen zur Berechnung des Materialbedarfs


1. Materialsbedarfsberechnung als Auswertung linearer Gleichungssysteme


Die gesamte Materialbedarfsberechnung beruht bei konstanten Produktionskoeffizienten, wie sie etwa beim Einsatz von Stücklisten oder Rezepturen gelten, formal auf dem Auflösen linearer Gleichungssysteme. Ausgangspunkt dafür ist die Berechnung der Gesamtbedarfe aus den Direktbedarfen. In gleicher Weise wie die Direktbedarfe lassen sich die Gesamtbedarfe für jeden Artikel in einer Matrix, der so genannten Gesamtbedarfsmatrix G, darstellen. Das Matrixelement gij, das in der i-ten Zeile in der Spalte j steht, gibt den gesamten Bedarf des Artikels i für eine Einheit des Artikels j an. Unter dem gesamten Bedarf ist dabei der Bedarf über alle Fertigungsstufen zu verstehen. Die Gesamtbedarfsmatrix G ergibt sich aus der Direktbedarfsmatrix D mithilfe der Einheitsmatrix E. Es gilt:
G = D * G – E.
Daraus folgt:
G = (E – D)-1.
Die Gesamtbedarfsmatrix ergibt sich also als Inverse der Differenz von Einheitsmatrix und Direktbedarfsmatrix. Mithilfe der Gesamtbedarfsmatrix, die den Bedarf pro Einheit darstellt, lässt sich auf einfache Weise für beliebige Endnachfragen n der Bedarf b darstellen. Es gilt:
G * n = b.
Dabei ist die Endnachfrage n und der Bedarf b in Vektorform beschrieben. Die Berechnung der Gesamtbedarfe ist zentral für alle Mengenbedarfsberechnungen. Im Weiteren soll die Berechnung der Bedarfe mit der tabellenbasierten Vorgehensweise auf Basis einer relationalen Datenbank erläutert werden.

2. Die Berechnung der Gesamtbedarfstabelle


Die Verwaltung der Materialbedarfsplanung in einer relationalen Datenbank macht die Darstellung der Gesamtbedarfe in einer Gesamtbedarfstabelle erforderlich. Diese Tabelle verwaltet wie die Direktbedarfstabelle Oberartikel, Unterartikel und Bedarfsmengen. Die entsprechenden Werte lassen sich natürlich auch systematisch mithilfe der Matrizenrechnung bestimmen. Für die datenbankorientierte Bestimmung der Bedarfe benutzt man jedoch Rechenverfahren, die sich an den Datenstrukturen der Datenbank orientieren. Die Berechnung erfolgt rekursiv in der Reihenfolge der Dispositionsstufen. Dabei gelten folgende Grundüberlegungen: Die Artikel der ersten Dispositionsstufe, die fremdbeschafften Artikel, sind einfach zu berechnen. Sie haben keine Unterartikel. Die Berechnung der Gesamtbedarfe eines Artikels auf einer höheren Dispositionsstufe ist dann einfach, wenn die Gesamtbedarfe für die direkten Unterartikel schon vorliegen. Die Gesamtbedarfe, die sich aus dem Verbrauch eines direkten Unterartikels ergeben, sind nämlich gleich den Gesamtbedarfen für diese Unterartikel jeweils multipliziert mit dem Direktbedarf. Man muss alle direkten Unterartikel auf diese Weise behandeln. Um sicherzustellen, dass die Gesamtbedarfe der direkten Unterartikel berechnet sind, wenn die Gesamtbedarfsberechnung für einen Artikel ansteht, ist es ausreichend, in der Reihenfolge aufsteigender Dispositionsstufen vorzugehen. In Abb. 6 ist ein Flussdiagramm zur Bestimmung des Gesamtbedarfs angegeben.
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Abb. 6: Flussdiagramm zur Bestimmung des Gesamtbedarfs
Die hier vorgenommene Stücklistenauflösung entspricht dem Vorgehen konventioneller Stücklistenprozessoren, wobei die dort übliche computernahe Adressenrechnung hier mithilfe der Oberartikel- und Unterartikelnummern durch eine Indexrechnung ersetzt wird, die die Berechnungsschleifen wie bei Rechenvorgängen für »dünn besetzte« Matrizen organisiert. Für jeden Artikel ergeben sich danach die Gesamtbedarfe pro Mengeneinheit. In Abb. 7 sind sie entsprechend dem Beispiel angegeben.
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Abb. 7: Gesamtbedarfstabelle
Terminierte Bedarfe lassen sich auf ähnliche Weise ermitteln. Die hier vorgenommene Berechnung ist zunächst pro Mengeneinheit eines jeden Artikels und damit nachfrageunabhängig vorgenommen worden. Die Verwendung dieser Informationen bei der Materialbedarfsplanung hängt von der grundsätzlichen Vorgehensweise und ihrer Einbettung in das Produktionsplanungssystem des Unternehmens ab.

VI. Die Einbindung in das betriebliche Produktionsplanungssystem


Grundsätzlich sollte das betriebliche Planungssystem auf der Basis einer zentralen Datenbank eingerichtet sein. Dort werden dann auch die Endnachfragen verwaltet, die die Eingangsgrößen für die Materialbedarfsplanung sind. Bei Kenntnis des Gesamtbedarfs pro Mengeneinheit lassen sich für die fallweise und die ratenorientierte Vorgehensweise die entsprechenden Bedarfe berechnen, wenn die Endnachfragen fallweise bzw. in der Form von Nachfragen pro Zeiteinheit vorgegeben sind.
Für terminierte Bedarfsplanungen, wie sie für die programmgesteuerte Planung üblich sind, müssen zusätzlich die Vorlauffristen berücksichtigt werden. Das Ergebnis sind terminierte Bruttobedarfe, die den Bedarf für alle Artikel darstellen, der im Zeitablauf aus der Nachfrage entsteht. Aus den terminierten Bedarfen müssen Fertigungsaufträge für die eigenerstellten Artikel und Beschaffungsaufträge für die fremdbeschafften Artikel gebildet werden. Da idealerweise für programmgesteuerte Artikel kein unverplanter Lagerbestand vorhanden sein sollte, erübrigt sich eigentlich der in der Praxis vorgesehene Abgleich mit disponiblen Lagerbeständen, die so genannte Nettobedarfsrechnung. Auftragsgrößen ergeben sich aus der Bestellmengen- bzw. Lostgrößenplanung unter Berücksichtigung der relevanten Kosten. Dazu zählen auftragsgrößenunabhängige Kosten wie die Bestellkosten bzw. Rüstkosten und mengenproportionale Kosten wie Kapitalbindungskosten. Probleme bereiten dabei die stufenübergreifenden Auswirkungen, da z.B. die Losbildung auf einer Stufe auf die zeitliche Verteilung der Bedarfe der Vorstufen Auswirkungen hat. Da bislang keine allgemeinen stufenübergreifenden analytischen Planungsverfahren bekannt sind, plant man stufenweise isolierte Auftragsgrößen. Dazu eignen sich Verfahren der dynamischen Programmierung, wie das Wagner-Whitin-Verfahren.
Bevorratete Artikel sollten verbrauchsgesteuert disponiert werden. Die entsprechenden Verfahren erfassen den Bedarf in der Regel als Zufallsgröße. Geht man von einem erwünschten Serviceniveau aus, lassen sich unter Kostengesichtspunkten sinnvolle Meldemengen und Auftragsgrößen bestimmen. Erreicht der Lagerbestand die Meldemenge, die sich am erwarteten Bedarf für den Wiederbeschaffungszeitraum des Artikels zuzüglich eines Sicherheitsbestandes orientiert, wird ein Bestell- oder Fertigungsauftrag ausgelöst, dessen Menge näherungsweise mithilfe der klassischen Bestellmengenformel bestimmt wird.
Produktionsplanungssysteme ermöglichen heute eine umfassende Verwaltung der gesamten Materialwirtschaft. Sie verfügen in der Regel auch über die oben angesprochenen Planungsverfahren. Für den erfolgreichen Einsatz ist jedoch eine sorgfältige Auswahl der Planungsverfahren und eine laufende Überprüfung der Planungsparameter notwendig. In der Zukunft ist eine weitere Einbettung der Materialbedarfsplanung in noch umfassendere Planungssysteme im Sinne des CIM zu erwarten.
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