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Materialaufwendungen


Inhaltsübersicht
I. Grundbegriffe
II. Aufwendungen für Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe und für bezogene Waren
III. Aufwendungen für bezogene Leistungen
IV. Zusammenfassung zum Posten „ Rohergebnis “
V. Materialaufwendungen nach internationalen Rechnungslegungsvorschriften
VI. Prüfungshandlungen

I. Grundbegriffe


Materialaufwendungen sind nicht mehr, wie noch vor Veröffentlichung des BiRiLiG 1985, in einem nicht weiter untergliederten Posten auszuweisen, sondern bei Anwendung des GKV gem. § 275 II Nr. 5 HGB zum einen in Aufwendungen für Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe und für bezogene Waren sowie zum anderen in Aufwendungen für bezogene Leistungen aufzugliedern. Aus der Gewinn- und Verlustrechnung nach dem UKV gem. § 275 III HGB ist der Materialaufwand nicht direkt erkennbar. Er ist hier Bestandteil mehrerer Posten, besonders aber der „ Herstellungskosten der zur Erzielung der Umsatzerlöse erbrachten Leistungen “ . Um dem Bilanzleser auch in diesem Fall eine vergleichbare Information zu geben, verlangt der Gesetzgeber in § 285 Nr. 8a HGB, bei Anwendung des UKV den Materialaufwand im Anhang entsprechend der Aufteilung des § 275 II Nr. 5 HGB darzustellen und aufzugliedern.

II. Aufwendungen für Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe und für bezogene Waren


1. Begriffsabgrenzung


Die handelsrechtlichen Vorschriften knüpfen mit der Ausgestaltung der Position „ Materialaufwand “ an die Vorgaben der Vierten EG-Richtlinie an, ohne jedoch den Posten inhaltlich genau abzugrenzen. So besteht Uneinigkeit darüber, ob die Materialaufwendungen unabhängig von ihrem Entstehungsbereich (Fertigung, Verwaltung und Vertrieb) auszuweisen sind. Insbes. kann bei Betriebsstoffen zwischen einer engen Auslegung und einer weiten Auslegung unterschieden werden; während bei der engeren Auslegung nur am Fertigungsprozess beteiligte Stoffe berücksichtigt werden, sind gemäß der weiten Auslegung alle Sachkosten im Materialaufwand zu erfassen, die ein Unternehmen zur Durchführung seiner Aufgaben benötigt.
Für eine enge Auslegung spricht, dass betriebswirtschaftlich beim Materialeinsatz eine unmittelbare Verbindung zu den betrieblichen Leistungen gesehen wird; darüber hinaus sollten unter dem Materialeinsatz die Kosten erfasst werden, die zu den aktivierungspflichtigen Herstellungskosten zählen, um bereits über die Kostenaufteilung notwendige Abgrenzungsgrundsätze zu berücksichtigen (Westermann, 1986; Glade, 1995). Im Sinne einer weiten Auslegung ist jedoch zu beachten, dass mit dem BiRiLiG die sonstigen betrieblichen Erträge aufgewertet worden sind und somit die Geschäftstätigkeit des Unternehmens umfassender gesehen wird als nur begrenzt auf den Begriff der betrieblichen Gesamtleistung. So lässt zum Beispiel die Möglichkeit, dass kleine und mittelgroße Unternehmen die Posten Nr. 1 bis 5 des § 275 II HGB zusammengefasst als Rohergebnis in einem zur Veröffentlichung bestimmten JA ausweisen können, eher darauf schließen, dass für die Ermittlung dieses Rohergebnisses die wirtschaftlich miteinander in Beziehung stehenden Aufwendungen und Erträge einzubeziehen sind und damit auch der durch die sonstigen betrieblichen Erträge verursachte Materialaufwand hier erfasst werden muss (Westermann, 1986; Glade, 1995). Dieses Problem wird in der Literatur nicht einheitlich beantwortet. Einerseits wird eine enge Auslegung und Abgrenzung des Materialaufwands befürwortet, da eine klarere Aussage ermöglicht wird, wenn der Materialaufwand nur den Umsatzerlösen, Bestandsveränderungen und aktivierten Eigenleistungen zugeordnet werden kann (so auch Förschle, 2003; Glade, 1995). Andererseits gestattet die h.M. einen Ausweis aller betrieblich bedingten Aufwendungen unter den Materialaufwendungen (ADS, 1995; IDW, 2000; Selchert, 1996). Sollte jedoch der verwaltungs- und vertriebsbezogene Anteil der Aufwendungen so umfangreich sein, dass ein Ausweis unter Nr. 5 den tatsächlichen Verhältnissen der Ertragslage zuwiderläuft, sollten diese gesondert unter den sonstigen betrieblichen Aufwendungen erfasst werden (Förschle, 2003).
Die Abgrenzung, für die sich das Unternehmen entscheidet, muss jedoch nach § 265 I HGB beibehalten werden; offenlegungspflichtige Unternehmen müssen eine Umstellung des Abgrenzungsschemas im Anhang angeben und begründen.

2. Inhalt und Ausweis


Unter dem Posten „ Aufwendungen für Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe und für bezogene Waren “ kann somit nach h.M. der gesamte Materialverbrauch des Unternehmens ausgewiesen werden, insbes. also alle Fertigungsstoffe, Labormaterialien, Brenn- und Heizungsstoffe, Material für aktivierte Eigenleistungen sowie Versand und Büromaterial (IDW, 2000). Die mit eingeschlossenen bezogenen Waren erfassen Aufwendung für Güter, die ohne Be- oder Verarbeitung weiter veräußert werden ( „ Handelswaren “ ).
Maßgeblich für die Erfassung eines Geschäftsvorfalls im Materialaufwand ist jedoch noch nicht der Erwerb der Ware. Aufwendungen für Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe und für bezogene Waren entstehen erst bei Verbrauch (zum Beispiel in der Fertigung), Veräußerung oder durch Abschreibungen. Werden Abschreibungen aufgrund der Bestimmungen in § 253 III oder IV HGB vorgenommen, so führen diese unabhängig davon, dass die entsprechenden Vermögensgegenstände noch nicht verbraucht oder veräußert worden sind, zu einem Materialaufwand. Abschreibungen auf Vermögensgegenstände des Umlaufvermögens, die über das in der Gesellschaft übliche Maß hinausgehen, sind jedoch nicht als Materialaufwand, sondern als außerordentliche Wertverluste unter der Position für „ Abschreibungen auf Vermögensgegenstände des Umlaufvermögens “ in der Gewinn- und Verlustrechnung zu erfassen (§ 275 II Nr. 7b HGB).
Die Höhe der Aufwendungen für Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe werden aus der Differenz von Anfangsbestand plus Zugängen einerseits und dem Endbestand andererseits berechnet, wobei die Bestände durch Inventur ermittelt und aus den entsprechenden Bestandskonten entnommen werden können. Wegen dieser bilanztechnischen Ermittlung fließen neben Mengenunterschieden auch Wertänderungen, welche sich durch Schwund, Qualitätsverluste, Preisrückgang und andere Ursachen ergeben, in die Bewertung mit ein, solange sie üblich und wertmäßig nicht erheblich sind (Selchert, 1996; Förschle, 2003). Die Aufwendungen sind zu den (fortgeführten) Anschaffungskosten der verbrauchten Materialien auszuweisen.

III. Aufwendungen für bezogene Leistungen


Neben dem Verbrauch an Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen sowie dem Einsatz bezogener Waren sind unter dem Posten „ Materialaufwand “ auch die „ Aufwendungen für bezogene Leistungen “ gesondert auszuweisen (§ 275 II Nr. 5b HGB).

1. Begriffsabgrenzung


Unter den „ Aufwendungen für bezogene Leistungen “ sind sämtliche Aufwendungen für Leistungen Dritter zu erfassen, die das Unternehmen für den Fertigungs- (oder Leistungs-), Vertriebs- und Verwaltungsbereich in Anspruch nimmt. Für eine inhaltliche Abgrenzung dieser Position ist bedeutend, dass sie einen Unterposten des mit „ Materialaufwand “ bezeichneten Hauptpostens bildet. Demnach müssen nach h.M. die hier auszuweisenden Aufwendungen für bezogene Leistungen dem Materialaufwand gleichzusetzen und von fremden Unternehmen erbracht worden sein (ADS, 1995; Förschle, 2003; IDW, 2000). Der deutsche Gesetzgeber folgt demnach nicht dem Vorschlag der Vierten EG-Richtlinie, die Posten für Materialaufwendungen i.e.S. und sonstige externe Aufwendungen gänzlich ohne den gemeinsamen Hauptposten „ Materialaufwand “ auszuweisen. Die Möglichkeit einer sehr viel weiteren inhaltlichen Auslegung der Aufwendungen für bezogene Leistungen wurde damit bewusst nicht genutzt.
Fremdleistungen liegen insbes. dann vor, wenn das Unternehmen Rohstoffe oder unfertige Erzeugnisse zur weiteren Be- oder Verarbeitung zur Verfügung stellt und der Fremdunternehmer nur Hilfs- und Betriebsstoffe als Einzelmaterialien verwendet, wenn es sich also regelmäßig um eine Dienst- oder Werkleistung eines Dritten handelt. Ort der Leistung kann auch das Unternehmen selbst sein, sodass Aufwendungen für Leihpersonal oder die Kosten von Subunternehmern hier ebenso zu erfassen sind.
Analog der unter II.1. diskutierten Frage, ob unter „ Aufwendungen für Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe und bezogene Waren “ erfasste Sachverhalte dem Fertigungsbereich zuzurechnen sein müssen, wird mehrheitlich davon ausgegangen, dass unter diesem Posten auch solche Aufwendungen auszuweisen sind, die in fertigungsfremden Bereichen anfallen, sofern sie nur dem Materialaufwand zugeordnet werden können (ADS, 1995; IDW, 2000; a.A. Glade, 1995). Diese Auslegung ergibt sich nicht zuletzt zwangsläufig dann, wenn auch die Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe dieser Bereiche im Posten 5a des § 275 II HGB erfasst werden, da eine uneinheitliche Behandlung zu vermeiden ist.

2. Inhalt und Ausweis


Allgemein werden sämtliche Aufwendungen für von Dritten durchgeführte Lohnbe- und Lohnverarbeitung von Fertigstoffen und Erzeugnissen sowie Aufwendungen für bezogene Energien als Aufwendungen für bezogene Leistungen klassifiziert (IDW, 2000; ADS, 1995; a.A. bzgl. der Einbeziehung von Energieaufwendungen Glade, 1995; Borchert, 1995). Ein anderer wesentlicher auf diesen Posten entfallender Bereich sind zudem Fremdreparaturen an Produktionsanlagen, deren Erfassung als Aufwand für bezogene Leistung unbestritten ist, solange der Materialanteil wertmäßig den Lohnanteil überwiegt (a.A. Glade, 1995).

IV. Zusammenfassung zum Posten „ Rohergebnis “


Kleine und mittelgroße Kapitalgesellschaften dürfen gem. § 276 HGB die Posten Nr. 1 bis 5 des § 275 II HGB zu einem Posten „ Rohergebnis “ zusammenfassen. Mit dieser Regelung ist von der Möglichkeit des Art. 27 der Vierten EG-Richtlinie Gebrauch gemacht worden, bestimmten Unternehmen die Zusammenfassung und Saldierung bestimmter Posten zu gestatten. Diese Regelung hat für viele Unternehmen den Vorteil, die für den Wettbewerb interessanten Posten Umsatzerlöse und Materialaufwand nicht gesondert angeben zu müssen.

V. Materialaufwendungen nach internationalen Rechnungslegungsvorschriften


International ist die Verwendung des GKV nicht weit verbreitet. Vielmehr konzentriert sich besonders die US-amerikanische Rechnungslegungspraxis auf die Erstellung einer Erfolgsrechnung gemäß dem UKV, welches als anzuwendendes Schema nach SEC-Vorschriften obligatorisch ist (Regulation S-X, Rule 5-03; Hayn, /Waldersee, 2004). Es existieren wenige Vorschriften zur Erfassung der Materialaufwendungen, da der Ausweis einer Position für Materialaufwendungen eine nach Kostenarten gegliederte Erfolgsaufstellung (GKV) erfordern würde.
Grundsätzlich trifft dies auch für die Bilanzierung nach International Financial Reporting Standards (IFRS) zu, die aber auch die Gesamtkostenmethode als gleichwertiges Gliederungsschema der Gewinn- und Verlustrechnung zulassen (vgl. IAS 1.88 ff). Explizite detaillierte Aufstellungsvorschriften für eine Erfolgsrechnung wie etwa in § 275 HGB bestehen zwar hier nicht, doch gibt IAS 1 Mindestgliederungsvorschriften vor. IAS 1.91 enthält ein Beispiel für eine Gliederung nach GKV, das als Mindestgliederung bei Anwendung des GKV interpretiert werden kann. Hier ist auch der Posten „ Aufwendungen für Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe “ (Raw materials and consumables used) enthalten. Inhaltlich gehören hierzu sämtliche Materialaufwendungen für die Erstellung der Absatzprodukte bzw. für die Erbringung von Dienstleistungen. Energiekosten gehen insoweit in diesen Posten ein, als die Energie einen unmittelbaren Produktionsfaktor darstellt – z.B. in der Chemischen Industrie (Kirsch, 2005).

VI. Prüfungshandlungen


Die Pr der Materialaufwendungen steht im engen Zusammenhang mit der Pr der Vorräte, zumal die Bewertung des Materialverbrauchs maßgeblich auf der Vorratsinventur und der Bewertung der Bestände beruht.
Der Prüfer stellt anhand der Buchführungsunterlagen, Kontierungsanweisungen usw. zunächst den in der Gesellschaft vorgesehenen Ausweis fest. Wie weit er dem durch die Gesellschaft vorgenommenen Ausweis zustimmen darf oder ihn bemängeln muss, kann im Einzelfall strittig sein; wir verweisen hier auf die Ausführungen oben unter II. „ Begriffsabgrenzung “ . Sodann bietet sich eine Aufnahme der Verfahren der Verbuchung der Materialaufwendungen sowie des damit verbundenen internen Kontrollsystems (IKS) an. Eine substantive Pr der Angemessenheit und Wirksamkeit der eingesetzten Kontrollen sollte die Aufnahme des IKS ergänzen. Wegen der Fülle des Buchungsstoffes im Posten Materialaufwand ist der Einsatz von EDV-Prüfungsprogrammen empfehlenswert. So bietet sich zum Beispiel im Zusammenhang mit der Pr auf Gesetzesverstöße, Unterschlagungen etc. eine Analyse an, ob bei der Buchung von Materialaufwand auffällige Gegenkonten verwendet wurden. Diese Analyse kann mit Hilfe solcher Prüfprogramme in kurzer Zeit anhand einer 100%-Stichprobe durchgeführt werden.
Ferner muss festgestellt werden, ob außerplanmäßige Abschreibungen nach § 253 III Satz 3 HGB gesondert ausgewiesen oder im Anhang angegeben wurden.
Durch die Pr der Abgrenzung des Materialaufwands gegen die sonstigen betrieblichen Aufwendungen sind die sonstigen betrieblichen Aufwendungen darauf zu untersuchen, ob in ihnen nicht Materialaufwand enthalten ist.
Literatur:
ADS, : Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, Kommentar, bearb. v. Forster, K.-H./Goerdeler, R./Lanfermann, J. et al., 6. A., Stuttgart ab 1995
Bähr, G. : Beck\'sches Prüfungshandbuch München 1997
Borchert, D. : Kommentierung zu § 275 HGB, in: Handbuch der Rechnungslegung, hrsg. v. Küting, K./Weber, C.-P., Bd. Ia, 4. A., Stuttgart 1995, S. 1651 – 1736
Förschle, G. : Kommentierung zu § 275 HGB, in: Beck\'scher Bilanz-Kommentar, hrsg. v. Berger, A./Ellrott, H./Förschle, G. et al., 5. A., München 2003, S. 1058 – 1135
Glade, A. : Praxishandbuch der Rechnungslegung und Prüfung, 2. A., Herne/Berlin 1995
Hayn, S./Waldersee, G. Graf v. : IAS/US-GAAP/HGB im Vergleich, 5. A., Stuttgart 2004
IDW, : WP-Handbuch, Bd. I, 12. A., Düsseldorf 2000
Selchert, F. W. : Jahresabschlußprüfung der Kapitalgesellschaften, 2. A., Wiesbaden 1996
Westermann, W. : „ Aufwendungen für bezogene Leistungen “ und „ sonstige betriebliche Aufwendungen “ in der Gesamtkosten-GuV nach dem BiRiLiG, in: BB 1986, S. 1120 – 1122

 

 


 

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