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Vertragstheorie


Inhaltsübersicht
I. Vertrag: Begriff und ökonomische Interpretation
II. Annahmen
III. Arten von Verträgen
IV. Folgen unvollständiger Verträge
V. Begrenzung von Vertragsrisiken
VI. Praktische Bedeutung der Vertragstheorie

I. Vertrag: Begriff und ökonomische Interpretation


Verträge gehören zu den von North als formgebunden bezeichneten Regeln, durch die Individuen ihre Beziehungen untereinander ordnen (North, Douglas C. 1992, S. 56). Sie begrenzen persönliche Entscheidungsräume und dienen der Koordination von Interaktionen. Schweizer deutet „ als Vertrag ? sämtliche institutionellen Vorkehrungen ?, welche die Möglichkeiten der strategischen Interaktion von individuellen Entscheidungsträgern definieren, beeinflussen und koordinieren “ (Schweizer, Urs 1999, S. 5). So fallen nicht nur private, bilaterale Vereinbarungen unter den Vertragsbegriff und sind damit einer ökonomischen Analyse nach einheitlichen Prinzipien zugänglich, sondern ebenso Kollektivverträge wie Unternehmensverfassungen oder politische Regeln (vgl. Schweizer, Urs 1999, S. 5 f.). North beschreibt eine Hierarchie von solcherart als Verträge interpretierten Regeln, die von Verfassungen über einfache Gesetze und spezifische Verordnungen bis hin zu bilateralen Vereinbarungen reicht (North, Douglas C. 1992, S. 56). Am unteren Ende dieser Hierarchie wird zunehmend die „ Vorstellung einer Willenserklärung “ (Richter, Rudolf/Furubotn, Eirik G. 1999, S. 156) zum zentralen Erklärungsbestandteil des Vertragsbegriffs. Vertrag im ökonomischen Sinne ist jede bindende explizite oder implizite Vereinbarung über den Austausch von Gütern oder Leistungen zwischen Menschen, die dieser Vereinbarung zustimmen, weil sie sich davon eine Besserstellung versprechen. Rechtswissenschaftliche Ausdeutungen verbinden die Willenserklärung freier Individuen i.d.R. mit deren Rechtsfolgen. In ökonomischer Lesart beinhaltet der Vertragsbegriff aber „ auch? nicht-rechtsverbindliche Willenserklärungen – deren Erfüllung? von außen durch irgendeine Form von gesellschaftlichem Druck ? oder von innen durch \'Selbstdurchsetzung\' garantiert ist “ (Richter, Rudolf/Furubotn, Eirik G. 1999, S. 156 f.). Inhaltlich dienen Verträge in jeglicher Form der Definition und Zuordnung von Verfügungsrechten (Verfügungsrechtstheorie (Property Rights-Theorie), vgl. auch Wolff, Birgitta 1995, S. 38). Sie fixieren, welche Rechte und Pflichten sich die einzelnen Mitglieder einer durch den jeweiligen Vertrag bestimmten sozialen Einheit wechselseitig zugestehen bzw. zumuten. Der Einzelne verzichtet auf bestimmte Handlungsoptionen, um seinerseits dafür andere, per Saldo für ihn wertvollere Handlungsmöglichkeiten zu erhalten. Die Theorie, die sich der Analyse so ausgelegter Verträge und ihrer Folgen widmet, ist die Vertragstheorie. Nach Richter und Furubotn zählen dazu die Principal-Agent-Theorie, die Theorie sich selbst durchsetzender oder impliziter Verträge sowie Theorien relationaler bzw. unvollständiger Verträge (Richter, Rudolf/Furubotn, Eirik G. 1999). Wie jede Theorie ruht auch die ökonomische Vertragstheorie auf einer Reihe von Annahmen.

II. Annahmen


Die Vertragstheorie zählt zur Neuen Institutionenökonomik. Sie baut auf dem methodologischen Individualismus, der Annahme individueller Nutzenmaximierung, opportunistischen Verhaltens und begrenzter Rationalität auf. Individualismus als Methode heißt, „ dass man bei der Beschreibung gewisser? Vorgänge von dem Handeln der Individuen ausgehe “ (Schumpeter, Joseph A. 1996, S. 53). Ausgehend von Individuen als den jeweiligen Handlungsträgern analysiert man „ Prozessabläufe, Eigenschaften von Personenmehrheiten, das Funktionieren von Institutionen etc. “ (Zintl, Reinhard 1997, S. 36). Hinter der Annahme der Nutzenmaximierung steht die Idee, dass unterschiedliche individuelle Handlungsalternativen mit unterschiedlichem Nutzenzuwachs verbunden sind. Individuen werden sich der Annahme zufolge für die mit dem größten Netto-Nutzenzuwachs verbundene Alternative entscheiden. Dabei handeln sie nicht allgemein nutzenorientiert, sondern eigennutzorientiert. Williamson konstatiert, dass Akteure ihren Eigennutz ggf. mit List und Tücke, d.h. auf Kosten anderer, maximieren werden, sich also opportunistisch verhalten (vgl. Williamson, Oliver E. 1998, S. 101 ff.; Williamson, Oliver E. 1996, S. 224 f.). Zudem versuchen Individuen, rational zu handeln. Simon verweist darauf, dass vollständig rationales Verhalten nicht möglich ist (Simon, Herbert A. 1957). Dagegen sprechen „ limited foresight, imprecise language, the costs of calculating solutions, and the costs of writing down a plan “ (Milgrom, Paul/Roberts, John 1992, S. 128). Die Rationalität der handelnden Individuen ist somit eingeschränkt. Individuen handeln nicht unter Berücksichtigung aller relevanten Informationen, sondern lediglich unter Berücksichtigung der ihnen bekannten Informationen. Die Folgen dieser Differenz sind u.a. Gegenstand der Principal-Agent-Theorie.

III. Arten von Verträgen


Üblich ist die Unterscheidung der Gegensatzpaare vollständiger oder unvollständiger (vgl. Wolff, Birgitta 1995, S. 42 ff.), klassischer oder relationaler (vgl. Macneil, Ian R. 1974), expliziter oder impliziter (vgl. Milgrom, Paul/Roberts, John 1992, S. 132), verbindlicher oder unverbindlicher, formaler oder informeller, kurzfristiger oder langfristiger Verträge und darüber hinaus von Verträgen in Standardform oder komplexen Verträgen, von mit Hilfe Dritter durchgesetzter oder sich selbst durchsetzender Verträge und schließlich von Individual- oder Kollektivverträgen. Zusätzlich werden entsprechend der Verteilung der den Vertragsparteien verfügbaren Information Verträge mit symmetrischer oder asymmetrischer Information unterschieden (vgl. Richter, Rudolf/Furubotn, Eirik G. 1999, S. 159 f.; Chiappori, Pierre-André/Salanié, Bernard 2000). Darüberhinaus lassen sich konstitutionelle und postkonstitutionelle Verträge unterscheiden (vgl. Wolff, Birgitta 1995, S. 110 f.).
Ein Teil der Literatur beschreibt vollständig kontingente Verträge der sog. Arrow-Debreu-Welt (vgl. Kräkel, Matthias 1999, S. 17 ff.), „ in denen die Vertragsbedingungen vollständig formuliert sind und sich für alle möglichen Kontingenzen nachprüfen lassen “ (Richter, Rudolf/Furubotn, Eirik G. 1999, S. 157, 160). Aufgrund seines hohen Abstraktionsgrads hat das Arrow-Debreu-Modell aber keine große praktische Bedeutung (vgl. Richter, Rudolf/Furubotn, Eirik G. 1999, S. 160). Dies liegt an den starken Voraussetzungen eines vollständigen Vertrages: die Vertragsparteien müssten alle vertragsrelevanten künftigen Umweltzustände voraussehen und diese so exakt beschreiben können, dass es ihnen möglich ist, genau festzustellen, welcher der ex ante beschriebenen Umweltzustände ex post tatsächlich realisiert wurde. Darüber hinaus müssen die Vertragsparteien willig und in der Lage sein, für jeden absehbaren Umweltzustand eine adäquate Reaktion und Auszahlungen der Partner vertraglich zu fixieren. Schließlich müssen die Vertragsparteien im eigenen Interesse die einmal ausgehandelten Vertragsbedingungen einhalten wollen (vgl. Milgrom, Paul/Roberts, John 1992, S. 127 ff.). Diese Bedingungen sind so restriktiv, dass sie auf viele faktisch existierende wirtschaftliche Austauschbeziehungen nicht zutreffen: „ actual contracts are or appear quite incomplete “ (Tirole, Jean 1999, S. 741; vgl. Hart, Oliver/Holmström, Bengt 1989; Hart, Oliver/Moore, John 1999; Maskin, Eric/Tirole, Jean 1999, S. 83). Das Konzept unvollständiger Verträge erweist sich auch für die Unternehmensführung als das relevantere, da typische Arbeitsverträge und auch ein großer Teil der üblichen unternehmensübergreifenden Vertragsbeziehungen sich gerade nicht als vollständig klassifizieren lassen.

IV. Folgen unvollständiger Verträge


Weil unvollständige Verträge nicht alle künftigen Kontingenzen berücksichtigen, verbleiben für die Vertragsparteien Verhaltens- bzw. Entscheidungsfreiräume, die nicht durch spezifizierte Rechte und Pflichten prädeterminiert sind. Entscheidungsfreiräume können sich auf die Erbringung des vereinbarten Eigenbeitrags oder die Weitergabe von Informationen beziehen. Auf Basis der ausgeführten Annahmen lässt sich für solche Konstellationen das Auftreten opportunistischen Verhaltens prognostizieren. Vertragspartnern Entscheidungsfreiräume zu belassen birgt das Risiko, dass diese aus Eigeninteresse vom gesamtertragsmaximierenden Verhaltenspfad abweichen. Rasmusen spricht von „ agents who take advantage of noncontractibility to increase their payoff “ (Rasmusen, Eric 1989, S. 153). Aus Perspektive der ökonomischen Vertragstheorie sind die Ursachen von Verhaltensfreiräumen Quelle von Organisationsproblemen (vgl. Picot, Arnold/Dietl, Helmut/Franck, Egon 2002). Ausbeutbare Verhaltensfreiräume bieten sich Akteuren aufgrund spezifischer Investitionen einer Vertragspartei (Hold Up-Problem) oder wegen asymmetrisch zwischen den Vertragsparteien verteilten  Informationen (Adverse Selektion oder Moral Hazard-Problem). Die Folgeprobleme von Informationsasymmetrien werden nach dem Zeitpunkt ihres Auftretens als vorvertraglich (ex ante) bzw. nachvertraglich (ex post) bezeichnet. Dem Vertragsabschluss vorgelagert ist das als Adverse Selektion bezeichnete Risiko der „ Negativauslese “ . Die Parteien verfügen vor Vertragsabschluss über private Informationen über ihre jeweilige Leistungsfähigkeit und ihren Leistungswillen. Diese können dem Partner vorenthalten werden, sodass sich für diesen negative Folgen im Hinblick auf die Erfüllung vereinbarter Leistungen ergeben. Moral Hazard ist im Unterschied dazu ein nach Abschluss eines Vertrages wirksam werdendes Problem. Hierbei unterscheidet man nach dem Gegenstand der Informationsasymmetrie zwischen Hidden Action und Hidden Information (vgl. Arrow, Kenneth J. 1991, S. 38 ff.). Hidden Action bezieht sich auf den Fall, in dem lediglich das Ergebnis einer Handlung beobachtbar ist, aber nicht das ergebnisbewirkende individuelle Anstrengungsniveau der anderen Partei. Hidden Information tritt auf, wenn eine vertragsrelevante Umfeldinformation nur einer von beiden Parteien bekannt ist, sodass die andere Partei den Handlungserfolg nicht korrekt beurteilen kann. Trotz ihrer scheinbar chronologischen Abfolge sind Adverse Selektion und Moral Hazard analytisch voneinander unabhängige Fälle (vgl. Rasmusen, Eric 1989, S. 133 ff.). Das mit spezifischen Investitionen einhergehende Risiko der einseitigen Abhängigkeit eines Vertragspartners vom anderen wird als Hold Up bezeichnet. Die einseitige Abhängigkeit kann in den ex ante bekannten Eigentümlichkeiten eines Vertragsgegenstands begründet sein oder aber durch unvorhergesehene Umweltentwicklungen ex post bewirkt werden. Im ersteren Fall hätte der später abhängige Partner einen vermeidbaren Fehler gemacht, im zweiten Fall haben sich Umfeldvariablen zu seinen Ungunsten entwickelt. Da beziehungsspezifische Investitionen in alternativen Verwendungen an Wert verlieren, kann der nicht abhängige Vertragspartner die Rente des abhängigen abschöpfen. Dies funktioniert auch bei vollkommener Informationssymmetrie. Informationsasymmetrie ist also nicht das originäre Problem, sondern die investitionsbedingte Ausbeutbarkeit (vgl. Wolff, Birgitta 1995, S. 66). In der Praxis kommen auch Kombinationen dieser Vertragsprobleme vor, ebenso wie man gleichzeitig einen Beinbruch und eine Grippe haben kann. Wie in der Medizin ist auch in der Vertragstheorie die exakte, differenzierende Diagnose unerlässlich, um die richtige Therapie zu finden. Abb. 1 fasst die aufgeführten Risiken zusammen.
Vertragstheorie
Abb. 1: Verhaltensrisiken bei unvollständigen Verträgen

V. Begrenzung von Vertragsrisiken


Die ökonomische Vertragstheorie hilft, die benannten Verhaltensrisiken identifizier- und beherrschbar zu machen; indem sie Instrumente bietet, mit deren Hilfe sich Verträge so gestalten lassen, dass den Vertragspartnern ein opportunistisches Ausbeuten von Verhaltensfreiräumen unattraktiv gemacht wird. Je nach Ursache der ausbeutbaren Freiräume zielen die Vorschläge im Schrifttum auf die Verringerung der negativen Folgen von ex ante oder ex post Informationsasymmetrien oder suchen die unerwünschten Folgen spezifischer Investitionen abzuschwächen. Im Mittelpunkt der Lösungsvorschläge steht die anreizkompatible Gestaltung der Verträge, die Implementierung von Anreizen für die Vertragspartner, ex ante Informationen zu offenbaren und ex post vertragstreu zu handeln. Je nachdem welchem Risiko entgegengewirkt werden soll, lassen sich Verträge z.B. als „ Lügendetektoren “ (beim Vermeiden Adverser Selektion) oder als „ Leistungsanreize “ (beim Vermeiden von Moral Hazard) interpretieren (vgl. Birchler, Urs 2002, S. 4 ff.).
Instrumente zur Verringerung vorvertraglicher Informationsasymmetrie haben unter den Bezeichnungen Signalling und Screening Eingang in die Literatur gefunden. Sie sollen verhindern, dass Verträge mit ungeeigneten Vertragspartnern abgeschlossen oder Verträge zwischen geeigneten Vertragspartnern nicht abgeschlossen werden. Beides wäre ineffizient. Signalling bezeichnet alle Mittel eines Leistungsanbieters (Agent), die Qualität seiner Leistung differenziert von derjenigen möglicher Mitbewerber mit unerwünschter Leistungsqualität zu präsentieren, z.B. Zertifikate, Zeugnisse, Garantien oder Referenzen (vgl. Milgrom, Paul/Roberts, John 1992, S. 154 f.; Backes-Gellner, Uschi/Lazear, Edward/Wolff, Birgitta 2001, S. 121 ff.). Die Kosten für solche signalgebenden Arrangements sind zum Teil erheblich (z.B. Ausbildungszeit und -kosten oder Investitionen in einen Markennamen). Daher ist die Höhe der vom „ Signalgeber “ aufgewandten Kosten ein Indiz für die Güte des Produktes bzw. die Glaubwürdigkeit des Leistungsversprechens (Richter, Rudolf/Furubotn, Eirik G. 1999, S. 240 f.). Sie stellen den Unterschied zwischen „ Signal “ und „ Cheap Talk “ dar; ein nicht sanktionsbewehrtes Versprechen zu brechen kostet nichts, ein garantiebewehrtes dagegen schon. Screening bezeichnet alle Initiativen des Leistungsnachfragers (Prinzipals) mit dem Ziel, die Leistungsqualität eines potenziellen Vertragspartners zu überprüfen, z.B. durch Assessment Center, Probezeiten oder Gutachter-Verfahren. Die Kosten des Screening trägt der Leistungsnachfrager. Ein wichtiges Screeningverfahren ist auch das Auslösen von Selbst-Selektion unter den möglichen Vertragspartnern durch differenzierte Vertragsangebote. Eine solche Wirkung entfalten z.B. geeignet gestaltete Probezeitregelungen: Kandidaten, die von sich selbst wissen, dass sie die Probezeit nicht überstehen können, werden sich bei hinreichend niedrigem Probezeitlohn gar nicht erst bewerben, sondern gleich von ihrer Outside-Option Gebrauch machen. Durch die Wahlentscheidung klassifizieren sie sich selbst, ohne dass die eigentlich gefragte Information explizit fließt.
Für den Umgang mit nachvertraglichen Informationsasymmetrien empfehlen Vertragstheoretiker neben der Informationsbeschaffung die anreizkompatible Gestaltung abzuschließender Verträge. Verfahren zur Verringerung der Informationsasymmetrie zwischen den Vertragspartnern werden unter dem Begriff Monitoring (vgl. Arrow, Kenneth 1991, S. 45 f.; Milgrom, Paul/Roberts, John 1992, S. 186 ff.) zusammengefasst. Monitoring verursacht Kosten. Der Umfang der Monitoring-Aktivitäten ist daher so zu wählen, dass die Monitoring-Kosten hinzugewonnene Outputgewinne nicht aufzehren. Die anreizkompatible Gestaltung der Verträge setzt an den verschiedenen zur Auswahl stehenden materiellen und immateriellen Auszahlungen an. Die Verfolgung der Vertragsintention soll die relativ vorteilhafteste Handlungsoption der Partner werden (vgl. z.B. Gibbons, Robert 1998; Prendergast, Canice 1999).
Zur Verringerung des Hold Up-Risikos bieten sich Pfandmechanismen an. Der Austausch von „ Geiseln “ macht ein opportunistisches Ausbeuten des Vertragspartners unattraktiv, weil somit die gegebene Geisel ebenfalls gefährdet würde. Ein anderer Schritt zur Vermeidung des Hold Up-Problems ist die Überführung aller produktionsnotwendigen Vermögensgegenstände (Assets) in einheitliches Eigentum. Damit wäre die Ausbeutung eines Vertragspartners ausgeschlossen, weil es keinen Vertragspartner im vorherigen Sinne mehr gibt.

VI. Praktische Bedeutung der Vertragstheorie


Einen Eindruck der Praxisrelevanz vertragstheoretischen Denkens vermittelt die Einleitung zu Hart (Hart, Oliver 1995). Dort wird die Vertragslogik auf ein privates Immobiliengeschäft angewendet. Das tägliche Leben fast aller, nicht nur ökonomischer Akteure ist voll von Interaktionen, die sich mit der Vertragslogik beschreiben, erklären und gestalten lassen. Strukturen und Prozesse in Firmen lassen sich gut als Vertragsbeziehungen rekonstruieren (vgl. z.B. Cheung, Steven N. S. 1983; Aoki, Masahiko et al. 1990; Wiggins, Steven N. 1991; Baker, George/Gibbons, Robert/Murphy, Kevin J. 1997; Deakin, Simon/Michie, Jonathan 1997; Vincent-Jones, Peter 2000). Sind die Zusammenhänge erst einmal vertragslogisch beschrieben, so sind sie auch vertragstheoretisch fundierten Gestaltungsempfehlungen zugänglich. Auf der Grundlage vertragstheoretischer Steuerungs- und Anreizlogik arbeitet heute ein großer Teil der betriebswirtschaftlichen Theorie. Controlling, Beschaffungswesen, Personalbereich, Absatz/Marketing, Finanzierung – sie alle profitieren von vertragstheoretischen Erkenntnissen (vgl. z.B. Göbel, Elisabeth 2002, S. 157 ff.).
Literatur:
Aoki, Masahiko/Gustafsson, Bo/Williamson, Oliver E. : The Firm as a Nexus of Treaties, London et al. 1990
Arrow, Kenneth J. : The Economics of Agency, in: Principals and Agents. The Structure of Business, hrsg. v. Pratt, John/Zeckhauser, Richard J., Boston 1991, S. 37 – 51
Backes-Gellner, Uschi/Lazear, Edward/Wolff, Birgitta : Personalökonomik. Fortgeschrittene Anwendungen für das Management, Stuttgart 2001
Baker, George/Gibbons, Robert/Murphy, Kevin J. : Implicit Contracts and the Theory of the Firm, NBER Working Paper 6177, 1997
Birchler, Urs : Dichter als Berater? Ökonomische Vertragstheorie in der Deutschen Literatur, Discussion Paper No. 2002 – 10, Universität St. Gallen, 2002
Cheung, Steven N. S. : The Contractual Nature of the Firm, in: Journal of Law and Economics, Jg. 26, 1983, S. 1 – 21
Chiappori, Pierre-André/Salanié, Bernard : Testing Contract Theory: A Survey of Some Recent Work, Invited Lecture, World Congress of the Econometric Society, Seattle 2000
Deakin, Simon/Michie, Jonathan : The Theory and Practice of Contracting, in: Contracts, Co-operation, and Competition, hrsg. v. Deakin, Simon/Michie, Jonathan, Oxford 1997, S. 1 – 39
Gibbons, Robert : Incentives in Organizations, in: Journal of Economic Perspectives, Jg. 12, H. 4/1998, S. 115 – 132
Göbel, Elisabeth : Neue Institutionenökonomik. Konzeption und betriebswirtschaftliche Anwendungen, Stuttgart 2002
Hart, Oliver : Firms, Contracts, and Financial Structure, Oxford 1995
Hart, Oliver/Holmström, Bengt : The Theory of Contracts, in: Advances in Economic Theory. Fifth World Congress, hrsg. v. Bewley, Truman F., Cambridge et al. 1989, S. 71 – 155
Hart, Oliver/Moore, John : Foundations of Incomplete Contracts, in: Review of Economic Studies, Jg. 66, 1999, S. 115 – 138
Kräkel, Matthias : Organisation und Management, Tübingen 1999
Macneil, Ian R. : The Many Futures of Contracts, in: Southern California Law Review, Jg. 47, 1974, S. 691 – 816
Maskin, Eric/Tirole, Jean : Unforseen Contingencies and Incomplete Contracts, in: Review of Economic Studies, Jg. 66, 1999, S. 83 – 114
Milgrom, Paul/Roberts, John : Economics, Organization and Management, Englewood Cliffs 1992
North, Douglas C. : Institutionen, institutioneller Wandel und Wirtschaftsleistung, Tübingen 1992
Picot, Arnold/Dietl, Helmut/Franck, Egon : Organisation. Eine ökonomische Perspektive, 3. A., Stuttgart 2002
Prendergast, Canice : The Provision of Incentives in Firms, in: Journal of Economic Literature, Jg. 37, 1999, S. 7 – 63
Rasmusen, Eric : Games and Information. An Introduction to Game Theory, Oxford et al. 1989
Richter, Rudolf/Furubotn, Eirik G. : Neue Institutionenökonomik. Eine Einführung und kritische Würdigung, 2. A., Tübingen et al. 1999
Schumpeter, Joseph A. : Der methodologische Individualismus, in: The Essence of J. A. Schumpeter. Die wesentlichen Texte, hrsg. v. Leube, Kurt R., Wien 1996, S. 51 – 58
Schweizer, Urs : Vertragstheorie, Tübingen et al. 1999
Simon, Herbert A. : Models of Man, New York et al. 1957
Tirole, Jean : Incomplete Contracts: Where Do We Stand?, in: Econometrica, Jg. 67, 1999, S. 741 – 781
Vincent-Jones, Peter : Contractual Governance: Institutional and Organizational Analysis, in: Oxford Journal of Legal Studies, Jg. 20, 2000, S. 317 – 351
Wiggins, Steven N. : The Economics of the Firm and Contracts: A Selective Survey, in: JITE, Jg. 147, 1991, S. 603 – 661
Williamson, Oliver E. : Opportunism and its Critics, in: Managerial and Decision Economics, Jg. 14, 1998, S. 97 – 107
Williamson, Oliver E. : Transaction Cost Economics and Organization Theory, in: The Mechanisms of Governance, hrsg. v. Williamson, Oliver E., New York et al. 1996, S. 219 – 249
Wolff, Birgitta : Anreizkompatible Reorganisation von Unternehmen, Stuttgart et al. 1999
Wolff, Birgitta : Organisation durch Verträge. Koordination und Motivation in Unternehmen, Wiesbaden et al. 1995
Zintl, Reinhard : Methodologischer Individualismus und individualistische Theorie, in: Theorieentwicklung in der Politikwissenschaft – Eine Zwischenbilanz, hrsg. v. Benz, Arthur/Seibel, Wolfgang, Baden-Baden 1997, S. 33 – 43

 

 


 

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